Olena Komarnicka
Deutsch-polnische Zusammenarbeit im Bereich der Bildung nach 1990
Deutschland und Polen arbeiten seit vielen Jahren im Bildungsbereich zusammen. So hat bereits 1958 der erste polnische Stipendiat das Angebot des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Anspruch genommen. Die Zusammenarbeit zwischen den Nachbarländern gewann jedoch erst nach 1989 an Dynamik: Am 17. Juni 1991 wurde der → Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit (sog. deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag) unterzeichnet. Im Art. 26 wurde „die Notwendigkeit einer erheblichen Erweiterung der wissenschaftlichen und schulischen Zusammenarbeit“ unterstrichen. Die Vertragsparteien wollen insbesondere „die direkte Zusammenarbeit und den Austausch zwischen Schulen, Hochschulen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen fördern und weiter ausbauen, und zwar sowohl durch den Austausch von SchülerInnen, StudentInnen, LehrerInnen und wissenschaftlichen Lehrkräften als auch durch gemeinsame Vorhaben“. Programme der Europäischen Union (EU) zur Unterstützung der grenzüberschreitenden und interkulturellen Zusammenarbeit sind für die Umsetzung der deutsch-polnischen Bildungszusammenarbeit nicht weniger wichtig.
Deutsch-Polnisches Jugendwerk
Da das Augenmerk auf die junge Generation gelegt wurde, gründete man im Jahre 1991 das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW). Die Organisation hat seit 1993 ihren Sitz in Warschau sowie in Potsdam. Damit ist das DPJW die erste und einzige binationale Organisation in Polen und die einzige deutsch-polnische Institution mit internationalem Status. Ihre Hauptaufgabe ist es, das gegenseitige Wissen, Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen jungen Polen und Deutschen zu fördern. Zu diesem Zweck initiiert und unterstützt das DPJW den Austausch und die Treffen von Jugendlichen, indem es nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Beratung und Informationen bereitstellt.
Das DPJW-Angebot umfasst Sprachkurse, methodische Workshops, thematische Seminare für LehrerInnen und MultiplikatorInnen. Das Schulungsangebot wird durch Lehrbücher und Veröffentlichungen ergänzt, die bei der Vorbereitung von Jugendtreffen hilfreich sind. Die Zahl der Projekte und TeilnehmerInnen wuchs vom Jahr zu Jahr: 1993 erhielten 46.400 junge Menschen finanzielle Unterstützung, 2006 stieg diese Zahl auf 160.000. Im Jahr 2011 nahmen 109.371 TeilnehmerInnen an vom DPJW unterstützten Projekten teil und im Jahr 2012 110.964 Personen. Seit Bestehen des Jugendwerks wurden bis 2021 rund 80.000 Projekte realisiert, an denen mehr als 3 Millionen junge Menschen teilgenommen hatten. Da Deutschland für Polen eine Brücke zu Westeuropa ist, war das Interesse der Polen an gemeinsamen deutsch-polnischen Projekten enorm und bis heute übersteigt die Zahl der polnischen Schulen, die am Austausch mit Deutschland interessiert sind, die Zahl der Anfragen, die von deutscher Seite an das DPJW gestellt werden. Nach dem EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 wurde der Umfang der DPJW-Aktivitäten um trilaterale Projekte erweitert, die hauptsächlich mit der Ukraine und Weißrussland durchgeführt wurden.
Trilaterale Projekte
Bei der Gründung des DPJW in den 1990er Jahren stützte man sich in erster Linie auf die reichen Erfahrungen in der deutsch-französischen Jugendkooperation (DFJW – Deutsch-Französisches Jugendwerk). Es lag demnach nahe, auch trilaterale Projekte zwischen den drei Ländern zu realisieren, wie etwa TriLog, ein deutsch-polnisch-französisches Forum, das den Erfahrungsaustausch und die Suche nach neuen PartnerInnen für den dreigliedrigen Austausch ermöglicht, oder das Schritt für Schritt-Programm, das sich an die BetreuerInnen trilateraler Gruppen richtet.
Ein weiteres Dreieck, in dem viele wertvolle Projekte entwickelt werden, ist die polnisch-deutsch-tschechische Zusammenarbeit: Das DPJW arbeitet eng mit Tandem, dem Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch, zusammen. Unter den gemeinsam durchgeführten Projekten ist beispielsweise das im August 2002 realisierte Projekt Dworzec Europa (Bahnhof Europa) zu erwähnen, bei dem es sich um eine Zugreise von 60 jungen Polen, Tschechen und Deutschen durch die Grenzregionen handelt, bei der verschiedene künstlerische Projekte durchgeführt wurden. Erwähnenswert ist auch der im Jahr 2013 stattgefundene Jugendgipfel Zukunftsgestalter, in dem sich insgesamt 60 junge Menschen aus Deutschland, Polen, Tschechien und der Ukraine mit den Fragen des nachhaltigen Lebens beschäftigten. Ein weiterer wichtiger Partner der deutsch-polnischen Austauschprojekte ist Israel, wo das DPJW mit der Organisation ConAct (Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch) zusammenarbeitet.
Weitere DPJW-Projekte
In der Praxis zeigt sich, dass als Verkehrssprache in den von DPJW organisierten oder mitfinanzierten Meetings zunehmend Englisch verwendet wird. Auffällig ist der Unterschied in der Kenntnis der Sprache des Nachbarn zwischen jungen Polen und Deutschen: In Polen ist Deutsch nach Englisch die zweitbeliebteste Sprache (→ Deutsch in Polen), während in Deutschland Polnisch im Schulsystem nur geringfügig vorhanden ist (→ Polnisch in Deutschland). Das DPJW empfiehlt jedoch die Einführung von Elementen der polnisch-deutschen Sprachanimation, dank derer die TeilnehmerInnen die Sprache des Nachbarn besser lernen können. Ebenso ist das DPJW an Projekten zur Förderung der polnischen Sprache in Deutschland und der deutschen Sprache in Polen beteiligt und organisiert Tandem-Sprachkurse.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld des Deutsch-Polnischen Jugendwerks ist die historische Bildung, für derer Umsetzung eine zweisprachige Publikation von Beata Kosmala und Jerzy Kochanowski unter dem Titel Deutschland, Polen und der Zweite Weltkrieg. Geschichte und Erinnerung herausgegeben wurde. Am Beispiel des schmerzhaftesten Kapitels der deutsch-polnischen Geschichte zeigten die AutorInnen polnische und deutsche Interpretationen derselben historischen Ereignisse und ihre Rolle im historischen Bewusstsein und in der Erinnerungskultur beider Nationen (→ Erinnerungskultur).
Ein in diese Richtung gehendes anderes DPJW-Projekt ist das Förderprogramm Wege zur Erinnerung für gemeinsame deutsch-polnische oder trilaterale Gedenkstättenprojekte, das 2015 ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, möglichst vielen Jugendlichen den gemeinsamen Besuch einer NS-Gedenkstätte zu ermöglichen und die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema zu fördern. Ebenso sollen Diskussionen über Menschenrechte und aktuelle Probleme wie Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung oder Vorurteile angeregt werden.
Ein weiteres Beispiel der historischen Bildung und Auseinandersetzung mit der Geschichte war das Gedenkjahr 2019. In diesem Jahr fielen viele runde Jahrestage so unterschiedlicher Ereignisse wie des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs und des Warschauer Aufstands, aber auch des Mauerfalls und des polnischen EU-Beitritts. Bei den deutsch-polnischen Jugendbegegnungen war dies ein guter Anlass zu intensiven Diskussionen.
Das Lifelong Learning Programme (LLP) der EU
Das Lifelong Learning Programme (LLP) war ein EU-Programmverbund im Bereich Bildung und beruflicher Entwicklung für den Zeitraum von 2007 bis 2013. Es setzte Aktivitäten fort, die zuvor im Rahmen der Programme Sokrates, Leonardo da Vinci, Jean Monnet, E-Learning und European Language Label durchgeführt wurden. Das LLP besteht aus vier Hauptprogrammen: Comenius, Erasmus, Leonardo da Vinci und Grundtvig.
Das Comenius-Programm richtet sich an SchülerInnen, LehrerInnen, StudentInnen der Pädagogik sowie an Kindergärten, Schulen, Bildungsbüros und andere im Bildungsbereich tätige Organisationen. Die im Rahmen dieses Programms durchgeführten Aktivitäten haben zum Ziel die Kenntnis der europäischen Sprachen, die Vielfalt der europäischen Kulturen, das Verständnis ihrer Werte sowie den Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen zu fördern, die für eine persönliche Entwicklung, aktive EU-Bürgerschaft und europaweite Arbeitssuche erforderlich sind. Die folgenden Maßnahmen werden im Rahmen des Comenius-Programms durchgeführt: Bilaterale und multilaterale Schulpartnerschaftsprojekte, regionale Partnerschaftsprojekte, Seminare und Vorbereitungsbesuche, Mobilität des schulpädagogischen Personals und Comenius-Assistentenstellen. Das erste Programm unterstützt die Zusammenarbeit von Schülern und Lehrern aus verschiedenen Ländern in einem bestimmten Bereich gemeinsamer Interessen. Das Ergebnis können gemeinsam entwickelte Lehrmaterialien, Präsentationen, Workshops, Seminare oder Konferenzen sein. Die regionalen Partnerschaftsprogramme unterstützen die lokalen Bildungsbehörden bei der Erweiterung des Schulbildungsangebots, bieten Möglichkeiten für gegenseitiges Lernen und fördern die Entwicklung internationaler Kooperationsstrukturen. Kontaktseminare und Vorbereitungsbesuche sind wiederum für Vertreter von Schulen und Institutionen gedacht, die an einer Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern interessiert sind (Kontaktseminare), sowie für diejenigen, die bereits eine Projektskizze sowie einen Partner haben und eine Kofinanzierung beantragen möchten (Vorbereitungsbesuche). Andererseits ermöglicht die Mobilität des schulischen Bildungspersonals LehrerInnen, neue Methoden und Arbeitsweisen zu erlernen und ihre beruflichen Qualifikationen zu verbessern. Comenius-Assistenzstellen richten sich an zukünftige LehrerInnen und geben ihnen die Möglichkeit, ihre ersten pädagogischen Erfahrungen an Schulen aus verschiedenen europäischen Ländern zu sammeln.
Die polnisch-deutsche Zusammenarbeit im Rahmen von Comenius begann 1998 mit Polens Eintritt in dieses Programm. Insbesondere zu Beginn wurden viele deutsch-polnische Veranstaltungen umgesetzt. Die aktivste Woiwodschaft, die mit ihrem westlichen Nachbarn zusammenarbeitete, war die Woiwodschaft Schlesien (Województwo śląskie), auf deutscher Seite das Land Nordrhein-Westfalen. Ein interessantes Beispiel für diese Form der Zusammenarbeit ist das Projekt Gemeinsame Währung – gemeinsames Ziel: Junge Ökonomen beider Länder haben einen Bericht über die Veränderungen des Lebensstandards der deutschen Gesellschaft nach der Einführung des Euro und den Umfang der Vorbereitung der polnischen Gesellschaft auf die Einführung des Euro vorbereitet. Eines der Endprodukte ist eine Website, die den Projektverlauf und seine Ergebnisse dokumentiert, sowie ein dreisprachiges Glossar mit professioneller Terminologie.
Mit dem Erasmus-Programm werden allgemeine sowie berufliche Bildung, Sport und Jugend gefördert. Es wurde mit dem Ziel gegründet, die Mobilität zu Lernzwecken und der transnationalen Zusammenarbeit zu fördern. Für Studierende ist das Erasmus- Programm vor allem daher von großem Interesse, weil es ihnen hilft, durch einen Auslandsaufenthalt die späteren Karrierechancen deutlich zu steigern. So können Studierende während ihres Studiums mit finanzieller Unterstützung für ein oder sogar zwei Auslandssemester ein fremdes Gastland erforschen und dabei wertvolle Erfahrungen sammeln. Polen nimmt am Programm seit 1998/1999 teil, Deutschland seit 1987. Ein wesentlicher Schritt für eine gelungene Studentenmobilität war die 1999 von den Ministern aus 29 Ländern unterzeichnete Bologna-Erklärung. Sie hat zum Ziel, die Hochschulsysteme in 40 Ländern, die derzeit an dem sogenannten Bologna-Prozess teilnehmen, anzunähern. Die wichtigsten Instrumente zur Erreichung dieses Ziels sind die Einführung vergleichbarer Hochschulabschlüsse (Bachelor-, Master- und Doktorgrade) sowie transparenter und transferierbarer Studienleistungen. Das Europäische System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS) ist ein System zur Vergabe und Übertragung von Punkten für akademische Kurse, das die Anerkennung einer Studienzeit außerhalb der Heimatuniversität erleichtert.
Das Leonardo da Vinci-Programm betrifft den Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung und fördert innovative Ansätze für Bildung und berufliche Entwicklung. Das Programm umfasst Berufsschulen, Ausbildungseinrichtungen, kleine und mittlere Unternehmen, Sozialpartner, Forschungsinstitute, Handwerkskammern, Stiftungen und Universitäten. Seit 1998 führen die Programmteilnehmer gemeinsam Berufspraktika und seit 2008 auch zweijährige Partnerschaftsprojekte durch. Der sich am dynamischsten entwickelnde Bereich der Zusammenarbeit zwischen polnischen Institutionen und Partnern aus Deutschland ist jener, der mehrwöchige Auslandspraktika für Angestellte, HochschulabsolventInnen, SchülerInnen und Arbeitslose ermöglicht.
Der Bericht der Stiftung zur Entwicklung des Bildungssystems (Foundation for the Development of the Education System) zeigt, dass sich die deutsch-polnische Zusammenarbeit in den Bereichen Tourismus, Hotellerie, Gastronomie, Landwirtschaft, Automobilindustrie und Bauwesen sowie in der Ausbildung im Handwerk, in der Medizin und im sozialen Bereich am aktivsten entwickelt hat. Im Rahmen des Leonardo da Vinci- Programm werden auch Partnerprojekte zwischen Institutionen und Wirtschaftssektoren durchgeführt. Wie Statistiken zeigen, sind Praktika in Polen für potenzielle deutsche Partner leider nicht sehr attraktiv. Die polnischen ProjektteilnehmerInnen zeigen hingegen großes Interesse an der Möglichkeit, Praktika in Deutschland zu absolvieren.
Das seit 2000 durchgeführte Programm Grundtvig unterstützt die europäische Zusammenarbeit im Bereich der nicht-beruflichen Bildung von Erwachsenen, insbesondere älteren und behinderten Menschen, sowie von Menschen mit geringer Qualifikation, die in den Gebieten leben, in denen Erwachsene sowie ethnische und nationale Minderheiten einen schweren Zugang zur Bildung haben. Wie bei den bereits betrachteten Programmen ist Deutschland ein attraktives Ziel für Polen.
Andere EU-Programme
Neben den Programmen, aus denen sich das Lifelong Learning Programme zusammensetzt, ermöglicht die Europäische Kommission auch andere Formen des Aufbaus internationaler Zusammenarbeit. Die Internetplattform eTwinning existiert bereits seit 2006 und ermöglicht die Vorbereitung, Implementierung und Dokumentierung internationaler Bildungsprojekte. Die meisten Projekte werden in Grundschulen und in weiterführenden Schulen unter Schülern und Schülerinnen im Alter von 7 bis 16 Jahren durchgeführt, d. h. in einem Alter, in dem sie am meisten auf die Welt neugierig und von verschiedenen Neuheiten sowie Informations- und Kommunikationstechnologien fasziniert sind. Die in den Projekten am häufigsten genannte Kommunikationssprache ist Englisch, gefolgt von Deutsch. Es ist interessant, dass Polnisch und Französisch bei TeilnehmerInnen von eTwinning-Projekten fast gleich beliebt sind. Das bekannteste deutsch-polnische Projekt im Rahmen dieses Programms ist das Projekt Leseratten, das SchülerInnen zum Lesen und Lernen von Fremdsprachen motiviert und sich speziell an die Kinder mit Migrationshintergrund richtet.
Eine weitere von der Europäischen Kommission initiierte Zusammenarbeit, die sich auch in einem polnisch-deutschen Austausch niederschlägt, ist das European Language Label (ELL). Hierbei handelt es sich um ein europäisches Zertifikat, das für innovative Aktivitäten im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen vergeben wird. Seit 2002 nimmt Polen daran teil. Zertifikate werden durch Wettbewerbe in drei Kategorien vergeben: institutionelle Zusammenarbeit (Einführung innovativer Methoden für den Fremdsprachenunterricht durch Bildungseinrichtungen und -institutionen), Unterricht (LehrerInnen, die ihre eigenen Sprachprojekte durchführen) und Einzelunterricht (interessante Ideen zum individuellen Erlernen von Fremdsprachen). Fast 30 % der in Polen durchgeführten ELL-Projekte betreffen Deutsch, was durch die Tatsache erklärt werden kann, dass es nach dem Englischunterricht an Schulen die zweite Fremdsprache ist.
Ein interessantes Beispiel ist das Projekt mit dem Titel Glückskekse–Bildungskekse, dessen Ziel es war, die EinwohnerInnen von Siedlce zum Deutschlernen zu ermutigen. Die Wahrsagerei in Keksen auf Deutsch, die während der Stoßzeiten an Passanten verteilt wurden, erwies sich als ein wirksamer Anreiz. Ein anderes Projekt war das vom Goethe- Institut in Warschau zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur durchgeführte Programm Deutsch-Wagen-Tour. In fünf farbenfrohen Autos, den Deutschwagen, die mit modernen Lehrmitteln ausgestattet waren, bewegten sich die LehrerInnen und LektorInnen und versuchten Eltern und SchülerInnen von den Vorteilen der Deutschkenntnisse zu überzeugen.
Ein weiteres EU-Bildungsprogramm war Jugend in Aktion (2007–2013), eine Fortsetzung der zuvor durchgeführten Programme Jugend für Europa, Europäischer Freiwilligendienst und Jugend. Das Programm richtete sich an Personen im Alter von 13 bis 30 Jahren, die ihren Leidenschaften nachgehen, ihre Fähigkeiten entwickeln und in ihrer Freizeit durch das Studium neue Erfahrungen sammeln wollen. Ziel des Programms ist es, Hindernisse, Vorurteile und Stereotype bei jungen Menschen zu überwinden und ihre Mobilität zu fördern. Das Programm unterstützt Projekte, die dazu beitragen, die Persönlichkeit junger Menschen zu entwickeln und neue Fähigkeiten zu erwerben. Am häufigsten und am liebsten wurden von polnischen Partnern Projekte mit Deutschland durchgeführt.
Deutsche Bildungsinitiativen in Polen
Die deutsch-polnische Begegnungsschule Willy Brandt-Schule (WBS) gehört zu den rund 140 deutschen Auslandsschulen und wurde 1978 als Botschaftsschule Deutsche Schule Warschau gegründet. Deren aktuelle Gestalt ist das Ergebnis einer Vereinbarung, die 2005 zwischen den Regierungen beider Länder unterzeichnet wurde. Die WBS umfasst einen Kindergarten, eine Grundschule sowie die Sekundarstufen I und II und wird von der Bundesrepublik Deutschland sowohl personell als auch finanziell unterstützt. Zudem ist die WBS die einzige deutsche Auslandsschule in Polen, die eine dem deutschen Bildungssystem entsprechende Schullaufbahn anbietet. Ziel der Einrichtung ist es, die SchülerInnen mit beiden Kulturen vertraut zu machen und sie allgemein auf den Kontakt mit anderen Nationen und Kulturen vorzubereiten, sie zu weltoffenen Menschen im Geiste des Verständnisses von Nationen und hin zum Frieden zu erziehen. Der Unterricht findet in beiden Sprachen statt, wobei die Unterrichtsorganisation den Richtlinien der Länder Baden-Württemberg und Thüringen folgt, wohingegen der Polnischunterricht auf dem polnischen Lehrprogramm basiert.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ist eine Vereinigung deutscher Universitäten und Studentengewerkschaften, die 1925 gegründet und 1950 reaktiviert wurde. Der DAAD ist die weltweit größte Organisation, die den internationalen Austausch von Studierenden und ForscherInnen unterstützt und der seit 1997 auch eine Außenstelle in Warschau betreibt. Der DAAD vergibt individuelle Langzeit- und Kurzzeitstipendien, finanziert Gruppenreisen, Sprachkurse und entsendet deutsche WissenschaftlerInnen, außerordentliche ProfessorInnen und LehrerInnen an ausländische Universitäten. Der DAAD unterstützt auch die Zusammenarbeit zwischen deutschen und ausländischen Universitäten bei spezifischen Projekten und finanziert Studienprogramme, Institute und Universitäten im Ausland, die mit der deutschen Kultur zu tun haben. Seit 2002 ermuntert der DAAD im Rahmen des Go East-Programms deutsche StudentInnen (mittel)osteuropäische Länder und damit auch Polen aufzusuchen.
Das wichtigste institutionelle Projekt in Polen, das vom DAAD kofinanziert wird, ist zweifellos das seit 2002 in Breslau (Wrocław) existierende Willy Brandt Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław (WBZ). Besonders hervorzuheben ist das deutsch-polnische Promotionskollegs Polen und Deutschland im modernen Europa, das vom WBZ in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München initiiert wurde und von 2011 bis 2019 bestand. In diesem Rahmen durchgeführte Forschungsprojekte befassen sich mit der Vision und Rolle Europas in den deutsch-polnischen Beziehungen, der Geschichte der deutsch-polnischen Migrationen, sozioökonomischen Asymmetrien und kulturellen Mustern der gegenseitigen Wahrnehmung von Polen und Deutschen. Doktoranden, die an diesem Programm teilnahmen, waren damit z.T. auch Teilnehmer gemeinsamer Seminare mit dem Deutschen Polen- Institut (DPI) in Darmstadt, jährlicher Sommerschulen und regelmäßiger Workshops. Die DoktorandInnen waren verpflichtet, mindestens ein Semester an einer Partnerinstitution zu verbringen und kooperativ an beiden Universitäten zu promovieren.
Die Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) ist ein seit 1984 in Deutschland tätiger gemeinnütziger Studentenverband. Gleichnamige Partnerorganisationen sind in Polen (seit 1994) und in der Tschechischen Republik (seit 1999) tätig. Ziel des GFPS ist es, den internationalen Austausch und die internationale Zusammenarbeit durch die Finanzierung von semesterweisen Studien- und Sprachstipendien in Deutschland und andere interkulturelle Projekte zu fördern. Beispiele für die durchgeführten Projekte sind: Film Tour – polnisch-deutsches Reisekino (2009), Kulturtag – ein Tag deutscher Kultur (2007), Tri-GO! Multiplikatorenseminare (seit 1999) oder Die GFPS-Städtetage (seit 2000).
Die Europäische Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) existiert seit 1991 und besteht aus den Fakultäten für Recht, Kulturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften. Die von der Viadrina angebotenen Kurse sind interdisziplinär. Derzeit kommt ein Sechstel der Studierenden aus Polen, was die Viadrina zum Ort macht, an dem die intensivste – sowohl rein akademische als auch alltägliche – interkulturelle Kommunikation zwischen Polen und Deutschen stattfindet. Der deutsch-polnische Schwerpunkt bestimmt auch die Arbeitsrichtung des seit 1998 von der Universität Adam Mickiewicz in Posen (Poznań) und der Europäischen Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) in Słubice gegründeten Collegium Polonicum. Die Existenz beider Einrichtungen in unmittelbarer Nähe und das 2011 an der Viadrina gegründete Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien machen Frankfurt (Oder) und Słubice zu einem Ort außergewöhnlich intensiver polnisch-deutscher Zusammenarbeit im Bereich Bildung und Wissenschaft.
Fazit
Die Zusammenarbeit zwischen den Nachbarländern Polen und Deutschland im Bereich Bildung und Forschung dauert seit Langem an. Der Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit und der Beitritt Polens in die EU haben darauf einen großen Einfluss ausgeübt. Ab diesem Zeitpunkt gewinnt die Zusammenarbeit von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Es gibt eine Reihe von Organisationen, die diese Zusammenarbeit unterstützen und finanziell fördern. Sie fördern den Dialog und die Verständigung zwischen beiden Ländern, tragen zur Entwicklung von Sprachkompetenzen bei ebenso wie zur Erweiterung des Wissens über das jeweilige Nachbarland. Davon profitieren letztlich die BewohnerInnen in beiden Ländern sowie in ganz Europa.
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Komarnicka, Olena, Dr., verfasste den Beitrag „Deutsch-polnische Zusammenarbeit im Bildungsbereich nach 1990“. Sie arbeitet in den Bereichen deutschsprachige Exilliteratur nach 1939 und deutsch-polnische Beziehungen nach der Wende.