Maciej Mackiewicz

Deutsch als Fremdsprache in Polen aus diachroner Perspektive (Sprache)

Deutsch als Fremdsprache in Polen aus diachroner Perspektive (Sprache)


Einleitung

Die deutsche Sprache in Polen ist historisch gesehen mehr als die Geschichte einer Fremdsprache, die in diesem Land gelehrt wird, und der deutschen Muttersprache, die in den polnischen Städten und Dörfern gesprochen wird. Jahrhundertelang war die deutsche Sprache in Polen in vielerlei Formen präsent: als Muttersprache der deutschen SiedlerInnen und ihrer Nachfahren; als Zweitsprache polnischer StaatsbürgerInnen deutscher Herkunft oder Polen mit deutscher Verwandtschaft; als Sprache der Teilungsmacht und der Besatzer; und schließlich als Fremdsprache, die von Polen unterrichtet und gelernt wurde. Der Unterricht und Gebrauch der deutschen Sprache sowie deren Didaktik sind grundlegende Bestandteile der deutsch-polnischen Kulturbeziehungen. Denn Deutsch war nicht nur ein wichtiges Kommunikationsmittel und Unterrichtsfach, sondern auch ein bedeutendes Symbol. In manchen Phasen der gemeinsamen Geschichte war die deutsche Sprache gleichbedeutend mit einer politischen beziehungsweise kulturellen Abhängigkeit von Preußen oder Deutschland, mit der Unterdrückung der polnischen Bevölkerung und ihrer Verfolgung, in anderen Phasen wiederum zeugte die Beherrschung der deutschen Sprache von einer Offenheit der aufgeklärten Schichten für die Kultur des westlichen Nachbarn und von einer Wertschätzung seiner zivilisatorischen und kulturbildenden Rolle in Europa.

Bis zum achtzehnten Jahrhundert

Trotz der dominanten Rolle des Lateinischen müssen die deutsch-polnischen Kontakte im politischen, religiösen und wirtschaftlichen Bereich bereits im Mittelalter ein Anreiz gewesen sein, Deutsch zu lernen. Auch wenn aus der Piastenzeit keine materiellen Zeugnisse für den Erwerb des Deutschen als Fremdsprache durch Polen überliefert sind, lassen die häufigen Eheverbindungen von Piastenfürsten mit sächsischen Prinzessinnen oder später das immer einflussreichere deutsche Patriziat in den polnischen Städten vermuten, dass man aus pragmatischen Gründen Deutsch lernte. Mode und Unterhaltung mögen weitere Motivationsfaktoren gewesen sein. Der Prozess des deutschen Spracherwerbs basierte vermutlich auf der direkten Methode. Das Lernen und Unterrichten der deutschen Sprache war im mittelalterlichen Polen jedoch kein Massenphänomen. An den Dom- und Klosterschulen sowie den Pfarrschulen, die nach dem Vierten Laterankonzil (1215) entstanden und zur Ausbildung des städtischen Verwaltungspersonals dienten, war Latein ein Pflichtfach. Sowohl für den Klerus als auch für den Adel, die Ritterschaft, die Kaufleute, die Handwerker und die Studenten war die lateinische Sprache ein universelles Kommunikationsmittel, so dass Nationalsprachen (ethnische Sprachen) als Fremdsprachen kaum gelernt wurden. Allerdings existierten in den polnischen Städten, in denen das deutsche Bürgertum dominierte, wie z.B. in Danzig, Thorn, Krakau oder Lemberg, Berufssprachen, die die gesellschaftlichen Mittelschichten vereinten: das Latein und die deutsche Sprache. Diese spezifische „Lingua“ schuf eine städtische „Gemeinschaft der Eliten“ (Bogucka; Samsonowicz 1986, S. 266). Im Handel war das Deutsche nützlicher und bildete eine Kommunikationsplattform zwischen Litauen, Preußen, der Rus und Schlesien.

In den vom deutschen Patriziat bewohnten polnischen Städten wurde in den Schulen Deutsch unterrichtet, obwohl es nicht für alle Schüler eine Fremdsprache war. Überliefert ist z.B. der Bericht von der städtischen Pfarrschule im kleinpolnischen Biecz Mitte des 16. Jhs. (Brückner 1930, S. 171f.), in der täglich aus den Klassikern Auszüge aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen und samstags griechische und deutsche Dialoge und Briefe ins Lateinische übersetzt wurden und die Schüler verpflichtet waren, sonntags dem Evangelium und der Predigt auf Deutsch beizuwohnen. Die deutsche Sprache verlor jedoch in den Pfarrschulen im 16.Jh. nach und nach an Bedeutung.

Im 16. und 17. Jh. spielte Deutsch als Fremdsprache in Polen nicht die führende Rolle. An den Jesuitenkollegien war Latein die alleinige Unterrichtssprache, und die Schüler selbst – die jungen Adeligen – zeigten keinerlei Interesse daran, Fremdsprachen zu lernen. Ein Teil des polnischen Magnatentums und des reichen Adels erkannte jedoch, dass Auslandsreisen der Bildung förderlich waren, und schickte ihre Söhne nach Frankreich, Italien, Holland oder Deutschland. Universitätsaufenthalte waren nicht der einzige Zweck dieser Reisen, sie dienten auch dazu, sich die höfische Etikette anzueignen, ausländische Literatur zu studieren und Fremdsprachen zu erlernen. Der in der zweiten Hälfte des 16., Anfang des 17.Jhs. lebende Arzt und Philosoph Sebastian Petrycy, u. a. Dozent der Krakauer Akademie, der selbst an der Universität Padua studiert hatte, warnte davor, alles „Ausländische“ unkritisch zu übernehmen, und prangerte die Geringschätzung der eigenen Muttersprache an. Petrycy unterteilte die Fremdsprachen in angesehene Sprachen, die Weltsprachen („es gibt drei angesehene Sprachen: das Jüdische, das Griechische und das Lateinische“), und Grenzsprachen, deren Erwerb unterschiedliche Funktionen erfüllte: „Die angesehenen Sprachen für die Wissenschaften, die Grenzsprachen, um mit den Nachbarn in deren eigener Sprache Geschäfte abschließen zu können“. Diejenigen also, die in Deutschland Handel treiben wollten, „sollten des Deutschen mächtig sein“ (Zitiert nach Cieśla 1974, S. 45). Die deutsche Sprache war, nach Ansicht von Petrycy, im Handel von Nutzen und sollte deshalb, ähnlich wie andere lebende Sprachen, von den Bürgern erlernt werden. Für einen Adeligen, der im Ausland als Diplomat tätig war, genügte es demzufolge, die lateinische Sprache zu beherrschen.

Die deutsche Sprache wurde daher in den polnischen Adelskreisen im 17.Jh. eher geringgeschätzt, was der deutsche Geistliche und unitarische Theologe Martin Ruarus bestätigte, der 1614 nach Polen zog, erst nach Raków, später nach Danzig (Gdańsk). Er beklagte sich darüber, dass seine Muttersprache in Polen wenig geachtet werde. Trotzdem empfahl er den Adelssöhnen, die deutsche Sprache zu erlernen, „deren Kenntnis ist unbedingt vonnöten, weil sie am Hofe, in der Armee und nicht zuletzt im privaten Leben, wenn wir es mit Kaufleuten zu tun haben, häufig anzutreffen und derart verbreitet ist“ (Zitiert nach Cieśla 1974, S. 325). Auf die pragmatischen Gründe des Deutscherwerbs zur damaligen Zeit verweisen auch Magnaten wie Jan Zamoyski oder Jakub Sobieski, die ihren Söhnen nahelegten, die deutsche Sprache zu erlernen.

Der praktische Aspekt des Deutschlernens im Polen des 16. und 17.Jhs. spiegelte sich in den deutsch-polnischen (sowie deutsch-polnisch-lateinischen und deutsch-polnischtschechischen) Wörterbüchern und Sprachführern wider, die den Deutschen wiederum zum Polnischlernen dienten. Die erste gedruckte Konversationsgrammatik, die 1522/23 in Wittenberg veröffentlicht wurde, behandelt ähnlich wie andere Sprachführer aus dieser Zeit Themen wie „Begrüßungs- und Höflichkeitsformeln“, „Im Wirtshaus“, „Handelsgeschäfte“ und „Reisen“. Mit Viertzig Dialogi von Nicolaus Volckmar, einem Polnischlehrer am Akademischen Gymnasium in Danzig, erschien 1612 ein beliebtes Konversationsbuch: Ein Lehrbuch, in dem praktische Fragen des Handels, des Handwerks und gegenseitige Gefälligkeiten erörtert werden.

Achtzehntes Jahrhundert

Paradoxerweise (wenn auch ganz im Geiste der Epoche) wurde in der ersten Hälfte des 18.Jhs., in der in Polen zwei Könige aus dem sächsischen Haus Wettin regierten, in höfischen Kreisen nicht die deutsche, sondern die französische Sprache bevorzugt. August II., „der Starke“, und August III. brachten die Vorliebe für die Sprache und den Lebensstil der Franzosen mit nach Warschau. Das Deutsche wurde damals vor allem mit Soldatensprache in Verbindung gebracht und erfüllte nicht die Funktion einer Salonsprache. Außerhalb des Hofes behauptete die deutsche Sprache jedoch ihre starke Stellung. Es lässt sich heute schwer sagen, wie viele Schüler damals bei Privatlehrern oder Erziehern Deutschunterricht genossen, die Zahl der Schüler an den Jesuitenkollegien, die (zumeist als fakultativer Unterricht) moderne Sprachen lernten, ist allerdings bekannt (Bednarski 1933, Tab. I.). 1740 lernten in Kronpolen 77 Schüler Deutsch und 24 Französisch, während sich im Großherzogtum Litauen 148 für den Deutsch- und 16 für den Französischunterricht entschieden hatten. Die höfische Mode für alles Französische übertrug sich – wie man sehen kann – nicht auf die Fächerwahl der Jesuitenschüler. Vergleicht man diese Zahlen jedoch mit denen aus dem Jahr 1770, erkennt man einen deutlichen Anstieg der Französischlernenden, wenngleich das Deutsche noch immer etwas stärker vertreten war: In Kronpolen lernten 95 Schüler Deutsch und 74 Französisch; in Litauen gab es 188 Deutsch- und 125 Französischschüler. Wie im Privatunterricht wurden auch an den Jesuitenkollegien Muttersprachler mit dem Fremdsprachenunterricht betraut. Im Falle der deutschen Sprache waren es Jesuiten aus Preußen und Livland.

Mitte des 18.Jhs. wurde der Gymnasialunterricht durch die Piaristen und hier vor allem durch ihren berühmten Vertreter Stanisław Konarski modernisiert. Das 1740 von ihm gegründete Collegium Nobilium in Warschau war eine Vorzeigeeinrichtung, die nicht nur die Reform der Piaristenschulen einleitete, sondern auch die intellektuellen Grundlagen schuf für die späteren Versuche, den Staat zu reformieren. Die Söhne der Magnaten und reichen Adeligen sollten sich im Collegium mit den Ideen der Aufklärung vertraut machen und dadurch zur Avantgarde der politischen und ökonomischen Veränderungen in Polen werden. Der Lehrplan, der wesentlich fortschrittlicher war als das Curriculum an den Jesuitenkollegien, legte besonderen Nachdruck auf Naturwissenschaften, Mathematik, Philosophie und moderne Sprachen. Der Latein- und Griechischunterricht wurde begrenzt, was nicht nur den westeuropäischen Sprachen, sondern auch dem Polnischunterricht zugutekam. Nach Konarskis Konzept sollten die Schüler vor allem Französisch und Deutsch lernen, beide Sprachen waren am Collegium Pflichtfächer. Die Kenntnis dieser Sprachen sollte u. a. den Zugriff auf Fachliteratur ermöglichen, die nicht in polnischer Übersetzung vorlag, für die Diskussion über die Staatsform, Politik und Wirtschaft jedoch unerlässlich war. In dieser Eliteschule war das Deutsche dem Französischen gleichgestellt, was für die deutsche Sprache einer Nobilitierung gleichkam. Das Deutsche galt nicht nur als Schlüssel, um die programmatischen Schriften der Aufklärung verstehen zu können, sondern auch als ein Medium der Hochkultur. Der Lehrplan des Kollegiums sah u. a. auch die Aufführung deutschsprachiger Theaterstücke vor. Die Teilnahme der Schüler an solchen Aufführungen war sowohl eine Übung der Sprachkompetenz als auch eine kulturelle Erfahrung (Bartczakowa 1971, S. 32). Die deutsche Sprache war also nicht nur auf den Unterricht beschränkt, und berücksichtigt man zudem, dass jeder Schüler einen eigenen Diener hatte, der Französisch oder Deutsch sprach, darf davon ausgegangen werden, dass die Studenten des Kollegiums zumindest gute Deutschkenntnisse besaßen.

Während das Collegium Nobilium einen äußerst elitären Charakter hatte, wurden in der fünfundzwanzig Jahre später gegründeten Warschauer Ritterschule (Kadettencorps) auch den ärmeren Adelssöhnen, u. a. Tadeusz Kościuszko und Julian Ursyn Niemcewicz, Fremdsprachen beigebracht. Die von König Stanisław August Poniatowski gegründete Schule, die bis 1794 existierte, sollte nicht nur auf den Offiziersdienst vorbereiten, sondern auch die Beamten für den Staatsdienst ausbilden. Zu diesem Zweck wurde das Curriculum angepasst, das neben Wirtschaft, Recht, Geschichte und Geografie auch Fremdsprachenunterricht umfasste. Französisch und Deutsch wurden im Laufe der Zeit immer intensiver unterrichtet (Mrozowska 1961, S. 84). Deutsch wurde in den ersten sechs Klassen (der insgesamt sieben Schuljahre) gelehrt. Gleichzeitig verlor Latein an Bedeutung, da man sich zunehmend bewusster wurde, dass die modernen Sprachen größeren praktischen Nutzen haben. Französisch und Deutsch galten als Schlüssel zur fortschrittlichen Aufklärungsliteratur. Auch auf Auslandsreisen waren die an der Ritterschule erworbenen Sprachkenntnisse ein Pfund, mit dem die Kadetten wuchern konnten. Kościuszko nutzte diese Fähigkeiten später bei seinen längeren Aufenthalten in Sachsen oder der Schweiz, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte.

Der Stellenwert, den die modernen Sprachen in der Ritterschule hatten, spiegelte eine allgemeinere Tendenz in der Wahrnehmung der Fremdsprachen im Polen der zweiten Hälfte des 18.Jhs. wider. Die Sprachen, einschließlich des Deutschen, wurden als Medium geschätzt, um Wissen zu erwerben und wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. Nach der Säkularisierung des Jesuitenordens in der Rzeczpospolita, der zuvor die meisten Schulen betrieben hatte, wurden im Zuge der Neuordnung des Bildungssystems durch die 1773 gegründete Kommission für nationale Bildung (Komisja Edukacji Narodowej, KEN) zusätzliche Änderungen eingeführt. Die Verstaatlichung und Vereinheitlichung des dreistufigen Schulsystems ging mit einer deutlichen Polonisierung einher: Polnisch wurde zur alleinigen Unterrichtssprache, und polnische Geschichte, polnische Literatur und selbst polnische Fauna waren obligatorische Lehrinhalte. Die KEN stärkte auch die Stellung des Deutschen in den polnischen Schulen, indem sie den Deutschunterricht in die Lehrpläne der Gymnasialschulen aufnahm, mit der Begründung, die deutsche Sprache sei in den Grenzgebieten zu Deutschland und aufgrund der intensiven Handelskontakte, politischen Verträge und nachbarschaftlichen Zusammenarbeit sehr nützlich.

Aus Dokumenten der KEN aus den Jahren 1788 und 1790 geht hervor, dass man die deutsche Sprache für wichtiger hielt als die französische. Deutsch profitierte nach Ansicht der KEN von der unmittelbaren Nachbarschaft zu den deutschsprachigen Ländern und zur deutschen Kultur, und seine wachsende Bedeutung spiegelte sich in der Empfehlung der Kommission wider, Deutsch in fast jeder Schule zu unterrichten, während gleichzeitig Französisch nur in den Städten der Hauptprovinzen gelehrt werden sollte. Die pragmatische Herangehensweise der KEN an den Fremdsprachenunterricht, die Betonung des utilitären Charakters des Fremdsprachenerwerbs (was andererseits mit der Herabstufung von einem Hauptfach zu einer Hilfswissenschaft verbunden war) und die Berücksichtigung der geopolitischen Realien verstärkten auf natürliche Weise die Stellung der deutschen Sprache im neuen Bildungssystem. Der Lehrplan für die Schulen der KEN war das eine, eine andere Sache war jedoch die skeptische Haltung des konservativen Adels, der in der Einführung der modernen Sprachen als Pflichtfächer eine Bedrohung für das Latein – die in diesen Kreisen meistgeschätzte Sprache – sah.

Während der Teilungen

 Die dritte Teilung Polens 1795 markierte das Ende der polnischen Staatlichkeit und damit auch das Ende einer unabhängigen Bildungs- und Sprachpolitik. Die Rolle der deutschen Sprache auf dem Gebiet des ehemaligen polnischen Staates hing von der Zugehörigkeit der einzelnen Regionen zu einem der drei Teilungsgebiete ab. Im preußischen und österreichischen Teilungsgebiet wurde Deutsch zur Amtssprache, während es im russischen Teilungsgebiet zwangsläufig seinen Charakter als Fremdsprache beibehielt. Ende des 18., Anfang des 19.Jhs. wurde aus der Sprache des Nachbarn, Wirtschaftspartners und der aufklärerischen Denker die Sprache des Feindes und Besatzers, die der polnischen Bevölkerung von Preußen und Österreich aufgezwungen wurde.

Die Wahrnehmung der deutschen Sprache im Polen des 19.Jhs. litt vor allem unter der preußischen Germanisierungspolitik. Daran änderte auch die spätere österreichische Politik nicht viel, in deren Rahmen Galizien ab 1867, bereits als Teil der österreichischungarischen Monarchie, zunehmend kulturelle Autonomie zugestanden wurde, eine Ergänzung zu der bereits zuvor bestehenden politischen Autonomie. Dadurch ließen die Germanisierungsversuche im österreichischen Teilungsgebiet nach. Polnisch wurde wieder Amtssprache, gleichzeitig wurde Deutsch zur Fremdsprache herabgestuft, die in den vier obersten Klassen der Grundschule und an allen Gymnasien unterrichtet wurde. Diese günstige Entwicklung in Galizien war das genaue Gegenteil der Situation im preußischen Teilungsgebiet. Während in der Habsburgermonarchie der ersten Hälfte des 19.Jhs. die BewohnerInnen Galiziens Versuchen der Germanisierung und Kolonialisierung ausgesetzt waren, genossen sie später, nach 1870, weitreichende Autonomie, wohingegen im preußischen Teilungsgebiet die Entwicklung in umgekehrter Richtung verlief. So war im Großherzogtum Posen die preußische Politik anfangs nicht restriktiv (Polnisch war z.B. die offizielle Sprache in der Regierung sowie im Schul- und Gerichtswesen). Einen rigorosen Kurs verfolgte man erst nach 1831, nach dem Novemberaufstand in Kongresspolen, der zu einem allmählichen Abbau der Autonomie des Herzogtums (ab 1848 der Provinz Posen) führte. Der aufkommende deutsche Nationalismus und die Politik Bismarcks – ab 1862 preußischer Ministerpräsident und ab 1871 Reichskanzler des Deutschen Reiches – sorgten für einen sich verschärfenden Germanisierungsprozess im preußischen beziehungsweise deutschen Teilungsgebiet, weshalb die deutsche Sprache in der polnischen Bevölkerung, als die Sprache des brutalen Besatzers, zunehmend negative Assoziationen hervorrief. Obwohl die deutsche Sprache ab 1876 bereits die alleinige Amtssprache war, wurde sie im Rahmen des Bismarck’schen Kulturkampfes noch radikaler forciert: Sie war selbst im Religionsunterricht in ethnisch polnischen Gebieten obligatorisch. Die Politik des Besatzers führte nicht nur zu spektakulären Protestaktionen, wie dem legendären Wreschener Schulstreik von 1901, sondern verstärkte auf polnischer Seite den Unwillen gegen die deutsche Sprache, die als verhasst und gewaltsam aufgezwungen empfunden wurde.

Was die deutsche Sprache für die polnischen Schüler in der Provinz Posen war, beziehungsweise sein sollte, lässt sich am renommierten Mariengymnasium in Posen veranschaulichen. An dieser Schule, an der der Sprachenunterricht traditionell eine wichtige Rolle spielte, wurde Deutsch 1874 zur einzigen Unterrichtssprache, auch für die polnischen Schüler. Auf diese Weise wurde der jungen polnischen Generation die deutsche Sprache als Zweitsprache aufgezwungen, formal gesehen war das Deutsche keine Fremdsprache mehr. Die Erwartungen der preußischen Behörden deuteten indirekt darauf hin, dass das Deutsche langfristig die Muttersprache der polnischen Bevölkerung werden sollte. In seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung des Schuljahres 1876/1877 rief der deutsche Direktor der „Marynka“ die polnischen Gymnasiasten dazu auf, größere Anstrengungen zu unternehmen, Deutsch zu lernen, und empfahl, auf Deutsch zu denken und auch im privaten Gespräch mit Schulkameraden sich dieser Sprache zu bedienen.

Die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache sollte – nach dem Willen der preußischen Behörden – vor allem dazu dienen, dass die Sprecher „kluge Menschen werden“ (Klanowski 1962, S. 56). Die beschleunigte Assimilierung und Integration der polnischen Bevölkerung war eine der Prioritäten der preußischen Regierung. Gleichzeitig galt die fließende Beherrschung der deutschen Sprache in Kreisen des polnischen Adels und Bürgertums als notwendige Voraussetzung für die intellektuelle und berufliche Entwicklung. Diese pragmatische Haltung bedeutete nicht unbedingt, dass man einer Assimilierung zustimmte, und auch nicht zwangsläufig, dass man als unpatriotischer Geselle betrachtet wurde. Ohne gute Deutschkenntnisse war es in Preußen unmöglich, ein Studium aufzunehmen, wobei Berlin und Breslau akademische Zentren waren, in denen viele polnische Intellektuelle und spätere Unternehmer studierten. Unter den Absolventen preußischer Hochschulen befanden sich Persönlichkeiten, die als große Patrioten in die polnische Geschichte eingegangen sind, u. a. Karol Marcinkowski (Medizin in Berlin) und Hipolit Cegielski (Klassische Philologie in Berlin). Zudem war die deutsche Sprache, unabhängig von den akademischen Ambitionen der Polen im preußischen Teilungsgebiet, ein notwendiges Werkzeug, um die Fachliteratur in den Bereichen Wirtschaft, Technik und Naturwissenschaften zu lesen. Darüber hinaus waren entsprechende Deutschkenntnisse und preußische Diplome für polnische Lehrer die Voraussetzung, um im preußischen Bildungssystem unterrichten zu können: Um einen festen Arbeitsvertrag als Lehrer zu erhalten, war ein abgeschlossenes Hochschulstudium erforderlich, und ein solches konnte man in Preußen nur auf Deutsch absolvieren (Stoiński 1972, S. 47).

Im russischen Teilungsgebiet, in dem das Russische nach dem Januaraufstand von 1863 zur Amtssprache wurde, blieb Deutsch, neben Französisch, in den Schulen die wichtigste moderne Sprache. Deutsch wurde sowohl an den Gymnasien als auch an den Hochschulen unterrichtet. An den Programmen der Schüleraufführungen in der ersten Hälfte des 19.Jhs. lässt sich ablesen, dass Deutsch einen festen Platz in den Gymnasiallehrplänen hatte. Auch wenn das Unterrichtsangebot an modernen Fremdsprachen an manchen Schulen eher dürftig ausfiel, wurde in der Regel nicht auf den Deutschunterricht verzichtet. Das Motiviertsein beziehungsweise Überzeugtsein von der Sinnhaftigkeit, Deutsch zu lernen, hing natürlich auch von der Region, der Größe der Stadt und der Entfernung zur preußischen Grenze ab. So wurde z.B. im nicht weit von Preußen entfernten Mława als einzige westeuropäische Sprache Deutsch unterrichtet, während im weit östlich gelegenen Kamieniec Podolski unter den Adeligen allgemein eine Abneigung gegen Fremdsprachen vorherrschte, weil man davon ausging, dass Fremdsprachenkenntnisse außerhalb der Schule nutzlos sind. In Großstädten wie Warschau oder Vilnius zeigte man größeres Interesse an Fremdsprachen, auch an der deutschen Sprache. Dies lässt sich sowohl damit erklären, dass dort die Chance größer war, mit deutschsprachigen Partnern tatsächlich in Kontakt zu kommen, als auch mit der in den Metropolen verbreiteten – vom Neuhumanismus beeinflussten – Überzeugung, dass die Kenntnis der deutschen Sprache zur Allgemeinbildung eines kultivierten Menschen gehört. Gegen Ende des 19.Jhs. nahm die Bedeutung der deutschen Sprache im russischen Schulsystem deutlich zu. 1890 wurde der Deutschunterricht per Gesetz in den sechsjährigen Realschulen eingeführt, als erste und wichtigste westeuropäische Sprache, mit der größten Anzahl von Unterrichtsstunden. Die Lehrziele waren in diesem Fall pragmatischer Natur und spiegelten weitgehend die damals intensiven deutsch-russischen Handelskontakte wider. Nichtsdestoweniger spielte der Deutschunterricht in Kongresspolen im Vergleich zum österreichischen und preußischen Teilungsgebiet aus offensichtlichen Gründen eine wesentlich geringere Rolle (Łempicki 1931, S. 44).

Zwischenkriegszeit

 In den ersten Jahren der Zweiten Polnischen Republik war der Deutschunterricht – der mit der ehemaligen Besatzungsmacht assoziiert wurde – seitens der polnischen Behörden Schikanen ausgesetzt und wurde in den Lehrplänen der Schulen eingeschränkt, was häufig Hand in Hand ging mit Widerständen oder Widerwillen, die Sprache zu erlernen. Diese Reaktion ließ sich in der Zwischenkriegszeit vor allem dort beobachten, wo die deutsche Sprache besonders stark forciert worden war, sprich im früheren preußischen Teilungsgebiet – was spätere Berichte bestätigen. Noch im Jahr 1932 wurde die Diskriminierung der deutschen Sprache in Westpolen festgestellt und eine Ausweitung des Deutschunterrichts gefordert. Ebenfalls kritisch wurde die Situation im ehemaligen österreichischen Teilungsgebiet bewertet, in dem der „Besitzstand“ des Französischen zugunsten des Deutschen verringert worden war. Allgemein wurde ein Gleichgewicht zwischen der deutschen, französischen und englischen Sprache empfohlen, wobei letztere in dieser Dreierkonstellation am schwächsten vertreten war.

Die anfängliche Diskriminierung der deutschen Sprache, z.B. in Großpolen, änderte nichts an der Tatsache, dass die deutsche Sprache in der Zwischenkriegszeit, vor allem in den 1930er Jahren, die am häufigsten unterrichtete Fremdsprache an polnischen Schulen war. Im Schuljahr 1933/1934 lernten 60 % der Gymnasiasten Deutsch (Kołudzka 1935, S. 54). Zum Vergleich: 30 % der Schüler besuchten den Französischunterricht, während der Englischunterricht mit einem Anteil von 1,5 % der Schüler nur eine marginale Rolle spielte. Die außerordentliche Beliebtheit der deutschen Sprache an den Schulen lässt den Schluss zu, dass es bei der Wahl der Sprache nicht in erster Linie ums „Prestige“ ging. Dieses Motiv wurde eher mit der französischen Kultur und Sprache in Verbindung gebracht, zumal das Französische die Sprache der meinungs- und kulturbildenden Schichten sowie der Diplomatie war. Die deutsche Hochkultur, z.B. die anspruchsvolle deutschsprachige Literatur, war kein besonders motivierender Faktor, was damals selbst von bedeutenden Germanisten wie Zygmunt Łempicki eingeräumt wurde. Auch die Einstellung der Polen gegenüber der deutschen Sprache war nicht sehr positiv – dies wird 1938 von Karol Zagajewski bestätigt, der über die stark historisch bedingten Umstände der Wahrnehmung der Fremdsprachen in Polen schrieb:

Es ist festzustellen, dass wir uns bereits der Fremdsprache gegenüber emotional unterschiedlich verhalten: wohlwollend gegenüber dem Französischen, kühl gegenüber dem Englischen, widerwillig gegenüber dem Deutschen, feindselig gegenüber dem Russischen. Der Mensch ist in seiner Persönlichkeit nicht das Werk eines Augenblicks, in ihm hallen mehrere Jahrhunderte nach, in denen seinem Volk von fremden Völkern Gutes oder Schlechtes angetan wurde (Zagajewski 1938, S. 221).

 Es waren eher praktische Erwägungen, die für das große Interesse am Deutschunterricht ausschlaggebend waren. Der utilitäre Charakter der Fremdsprachen in der wiedererstandenen polnischen Republik wurde z.B. 1932 in einer Denkschrift der Polnischen Neuphilologischen Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Neofilologiczne) hervorgehoben (Czerny; Łempicki 1932). Darin heißt es, dass in Zeiten, in denen an die Elite der polnischen Gesellschaft, „aufgrund des unberechenbaren Zuwachses des internationalen Faktors im Leben des Individuums und des Kollektivs, ungleich höhere Anforderungen gestellt werden“, folgende Umstände für ein praxisorientiertes Erlernen von Fremdsprachen, einschließlich der deutschen Sprache, sprechen: (1) verstärkte politische und diplomatische Kontakte, internationale Konferenzen und Kongresse, Verhandlungen über Abkommen und Verträge, der Völkerbund; (2) verstärkte Wirtschafts- und Handelskontakte; (3) Intensivierung des internationalen Austauschs, u. a. des kulturellen und wissenschaftlichen Austauschs; (4) zunehmende Bedeutung des Sports als wichtiger internationaler Faktor. Diese Argumente sowie die Betonung der „Internationalisierung“ Polens verstärkten eher die Position der deutschen Sprache in den polnischen Schulen. Auch Hitlers Machtergreifung sorgte für keine Trendwende; der deutsch-polnische Nichtangriffspakt von 1934, der die bilateralen Kontakte auf verschiedenen Ebenen intensivierte, steigerte vielmehr die Beliebtheit des Deutschunterrichts. Der mit der Zeit in Polen wachsende Widerwille gegen die Politik des Dritten Reiches fand jedoch seinen Widerhall in den Diskussionen der polnischen Germanisten, welches Deutschlandbild im Unterricht und in den Deutschlehrbüchern vermittelt werden sollte. Die Germanisten, sowohl Hochschulprofessoren als auch einfache Deutschlehrer, waren vor schwierige Entscheidungen gestellt, denn einerseits fühlten sie sich verpflichtet, im Einklang mit den Lehrplänen Wissen über das Deutschland der Gegenwart weiterzugeben, andererseits mussten sie im Extremfall befürchten, dass ihnen vorgeworfen wurde, NS-Propaganda zu betreiben. Dieses Schicksal ereilte beispielsweise den bekannten Germanisten Jan Piprek, dem vorgehalten wurde, „in polnischen Gymnasien offizielle Vorlesungen über Nationalsozialismus“ abzuhalten (Zagajewski 1938, S. 221). Diese Anschuldigung wurde unmittelbar nach Ende der NS-Besatzung wiederholt, als auf Anordnung des polnischen Bildungsministeriums Pipreks Lehrwerke sowie die Bücher anderer Germanisten aus den Jahren 1934–1939, denen man Sympathien für das Dritte Reich zuschrieb, aus den Schulen verbannt wurden.

Die zahlreichen Deutschstunden und -kurse in den 1930er Jahren werfen die Frage nach der Qualität des damaligen Deutschunterrichts auf. Die Antwort hängt von der Perspektive und der Erwartungshaltung des Betrachters ab, weshalb sich in manchen zeitgenössischen Berichten ein außergewöhnlich positives, in anderen wiederum ein kritisches Bild des Deutschunterrichts abzeichnet. Die beiden folgenden Beispiele stehen stellvertretend für die oft widersprüchlichen Bewertungen. So stellte Dr. Franz Thierfelder, der Generalsekretär der Deutschen Akademie in München (eine Institution, die u. a. den deutschen Sprachunterricht im Ausland förderte, eine Vorläuferorganisation des heutigen Goethe-Instituts), nach einer Studienreise durch Polen 1936 fest, dass die polnischen Schulen weltweit den besten Deutschunterricht bieten und die polnischen DeutschlehrerInnen zu den qualifiziertesten in Europa gehören. Laut Thierfelder habe man in Polen „hervorragende Lesebücher und Lehrwerke für den Deutschunterricht, auf die man selbst in Deutschland neidisch sein könne“ (Das Urteil von Thierfelder wurde ursprünglich in Nowiny Codzienne, einer Zeitung der polnischen Minderheit in Deutschland veröffentlicht. Der Beitrag wurde anschließend in Neofilolog abgedruckt („Wzorowa nauka języka niemieckiego w Polsce 1936“, Vorbildlicher Deutschunterricht in Polen 1936, S. 248). Zugleich wurden die Weiterbildungsmöglichkeiten der DeutschlehrerInnen hoch gelobt. Völlig anders fällt das intern geäußerte Urteil der polnischen Germanisten und Deutschlehrer aus. 1938 bezeichnete Juliusz Ippoldt die Deutschkenntnisse der polnischen Schüler als „skandalös“.

Als Ursachen für diesen Zustand nannte der prominente Germanist u. a. die Reform des Schulwesens, die den Fremdsprachenunterricht um zwei Jahre verkürzte. Darüber hinaus monierte er, entgegen den Superlativen des deutschen Visitators, dass die DeutschlehrerInnen in der Regel auf ihren Beruf schlecht vorbereitet seien und die jüngste Lehrergeneration von der Schule zumeist nur eine höchst unzureichende Beherrschung der deutschen Sprache mitbringe. Ippoldt berief sich dabei auf seine Erfahrung als Hochschullehrer: „Nicht einer meiner zehn Studenten der Didaktik der deutschen Sprache, die ich letztes Jahr hatte, sprach völlig fließend Deutsch“(Ippoldt 1938, S. 146). Ein weiteres großes Manko stellten seiner Ansicht nach die mangelhaften Deutschlandkenntnisse der LehrerInnen dar, wodurch es unmöglich war, das zweite Ziel des Sprachunterrichts zu erreichen, die jungen Menschen in die Kultur des Landes einzuführen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen, um diese Mängel zu beheben, eine bessere Finanzierung des schulischen Fremdsprachenunterrichts und ein Weiterbildungsprogramm für die Lehrkräfte, konnten aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges nicht umgesetzt werden.

Ungeachtet der Kritik an der Qualität des Deutschunterrichts gab es aber auch Stimmen, die sich über ein Zuviel an Deutsch an den polnischen Schulen beklagten. Folgende Äußerung, die kurz vor Ausbruch des Krieges getätigt wurde, zeugt sowohl von der Dominanz dieser Sprache als auch von der fehlenden Bereitschaft mancher PädagogInnen, dieses Ungleichgewicht in der Fremdsprachenlehre an den Schulen, das sich in der Zwischenkriegszeit noch verstärkte, zu akzeptieren:

Gehen wir aber vom Stand von 1919 aus, stellen wir fest, dass sich der Besitzstand des Französischen und des Englischen am Gymnasium im Allgemeinen seither kontinuierlich verringert und der Besitzstand des Deutschen ständig vergrößert hat. Auf Grundlage der Entwicklung der letzten zwanzig Jahre hat man das Gefühl, dass es in manchen Landstrichen in einigen Jahren, falls diese ,wilde‘ Bewegung nicht gebremst wird, in den Schulen außer dem Deutschen keine anderen Fremdsprachen mehr geben wird. […] Es gilt daher, die drohende Abhängigkeit von einer einzigen Fremdsprache zu verhindern und den Fremdsprachenunterricht landesweit der polnischen Staatsräson und dem Wohl der polnischen Bürger entsprechend zu dosieren (Czerny 1939, S. 8).

Okkupationszeit

 Während der deutschen Okkupation wurde Deutsch wieder zur Sprache des Feindes. Was jedoch nicht hieß, dass der Deutschunterricht marginalisiert wurde. Er fand allerdings nach anderen Grundsätzen als vor dem Krieg und in einem neuen Kontext statt, wobei sein Charakter, seine Methoden und Ziele ganz wesentlich von der Zugehörigkeit der jeweiligen Region zum Reich oder zum Generalgouvernement abhingen.

In Pommern und Großpolen z.B. war die deutsche Sprache ein wichtiges Element der Germanisierungspolitik der Besatzer. Der Status der deutschen Sprache konnte für die ehemaligen polnischen StaatsbürgerInnen zweierlei Gestalt annehmen: Für die Bevölkerungsgruppe, die die sogenannte Deutsche Volksliste unterschrieben hatte, sollte Deutsch zur Muttersprache werden (was jedoch häufig Fiktion war), für alle anderen blieb Deutsch weiterhin eine Fremdsprache. Kinder von Volksdeutschen durften, wie die deutschen SchülerInnen aus dem „Altreich“, im Rahmen des normalen Schulunterrichts an den Deutschstunden teilnehmen, während für die polnischen Kinder gesonderter Unterricht organisiert wurde, der sich je nach Reichsgau unterschied. Im Reichsgau Danzig (Gdańsk) wurden die Kinder der örtlichen Bevölkerung, die erst zu einem späteren Zeitpunkt germanisiert werden sollte, beispielsweise gezwungen, Schulen zu besuchen, in denen auf Deutsch unterrichtet wurde. Im Reichsgau Wartheland wiederum ging man davon aus, dass der Germanisierungsprozess nur durch deutsche Ansiedlung und die Vertreibung der Polen erfolgen könne (Vgl. Łuczak 1990, S. 58). An den Volksschulen wurde der Deutschunterricht auf ein Minimum begrenzt. Entsprechend den Vorgaben wurden nur einfachste Grundkenntnisse und elementare Fähigkeiten im Sprechen, Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt. Die deutschen Grundkenntnisse waren für die einfache Kommunikation am Arbeitsplatz gedacht, dagegen war die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache bei Polen unerwünscht, ja verboten. Gauleiter Arthur Greiser zog hier eine klare Grenze: In den polnischen Schulen solle Deutsch nur so weit gelehrt werden, „als es notwendig ist, dass der polnische Arbeiternachwuchs, den wir zur Erfüllung der Kriegs- und der Arbeitsaufgabe brauchen, sich in deutscher Sprache verständlich machen kann: d. h. die deutsche Sprache wird vokabelmäßig gelernt, darf aber grammatikalisch nicht richtig gesprochen werden“ (Hansen 1994, S. 84). Eine solche Bildungspolitik hätte zu einer vereinfachten und entstellten Form der deutschen Sprache geführt, wodurch im Wartheland als Arbeitskräfte lebende Polen zusätzlich stigmatisiert worden wären.

Im Generalgouvernement wurde anfangs in den höheren Volksschulklassen Deutschunterricht eingeführt, der aber kurz vor Ende des Schuljahres im Juni 1940 wieder gestrichen wurde (Król 1979, S. 66). Zum einen sollten die polnischen Kinder nicht germanisiert werden, zum anderen wollte man verhindern, dass sich die polnische Bevölkerung durch zu gute Deutschkenntnisse einen Vorteil gegenüber dem Besatzer verschaffte. In einem Dokument aus dem Distrikt Radom verstieg man sich 1940 zu der Behauptung, die Polen würden sich Deutschkurse geradezu wünschen. Diese vermeintliche Lernbereitschaft wurde von den Besatzungsbehörden als eindeutig reichsfeindlich interpretiert, schließlich könnten die Deutschkenntnisse von den Polen als wirtschaftliche und politische Waffe eingesetzt werden. Die Wachsamkeit der Besatzer war nicht völlig unbegründet, denn selbst im Rahmen des geheimen Unterrichts hatte die deutsche Sprache ihren festen Platz. Dies hatte nicht nur damit zu tun, dass man sich im Untergrund an den Lehrplänen aus der Vorkriegszeit orientierte, in denen das Deutsche eine wichtige Rolle gespielt hatte, sondern auch mit der Tatsache, dass polnische LehrerInnen und SchülerInnen sich der Notwendigkeit bewusst waren, die Sprache des Feindes zu kennen, da diese im Untergrundkampf sowie in verschiedenen Situationen des Besatzungsalltags nützlich sein konnte.

Deutsch unterrichtet wurde dagegen im Rahmen der Berufsausbildung und beruflichen Weiterbildung für jene polnischen ArbeiterInnen, die von der deutschen Wirtschaft und Armee gebraucht wurden. So wurden z.B. für die polnischen MitarbeiterInnen der Post, der Bahn, der Emissionsbank und der Finanzämter Sprachkurse organisiert. Auch in der Berufsschule lernte man in der Regel Deutsch; Ziel war es, ein Niveau zu erreichen, das es ermöglichte, sich im Berufsleben und im Kontakt mit den Behörden zu verständigen.

Deutschunterricht in der Volksrepublik Polen

 Der Zweite Weltkrieg veränderte die Situation der deutschen Sprache in Polen auf zweierlei Weise. Eine direkte Folge war, dass man den Deutschen wie auch der deutschen Kultur und Sprache mit Abneigung oder gar Hass begegnete; dagegen hatten die politischen Veränderungen nach dem Krieg, die Polen zu einem sozialistischen Satellitenstaat der Sowjetunion degradierten und die polnische Bildungspolitik stark ideologisierten, auch indirekt Auswirkungen auf die deutsche Sprache in Polen.

Die negative Einstellung der Polen gegenüber Deutschland und den Deutschen war in den ersten Nachkriegsjahren vielfach ein Hemmnis, Deutsch zu lernen. Berichte von DeutschlehrerInnen zeugen davon, dass sich die Situation bereits in den 1960er Jahren zu ändern begann, und selbst die Eltern sperrten sich immer weniger dagegen, dass ihre Kinder Deutsch lernten. Dennoch beeinflusste der politische Faktor das gesamte Bildungssystem mehr als vier Jahrzehnte lang. Die politischen und ideologischen Bedingungen führten zu einem vollständigen Verbot des muttersprachlichen Deutschunterrichts und zu einer drastischen Reduzierung des fremdsprachlichen Deutschunterrichts während des Stalinismus. Der zahlenmäßig stärkste Rückgang wurde zwischen 1950 und 1955 verzeichnet (Grucza 2001, S. 120). Dieser Zeitraum war allgemein von einer dramatischen Krise des Fremdsprachenunterrichts und des Chaos in der Glottodidaktik gekennzeichnet. Die Ideologisierung des Unterrichts, die Isolation von westlichen Ländern und der fehlende Zugang zur westlichen Literatur waren ungünstige und demotivierende Faktoren.

Nach dem „Tauwetter“ 1956 brachen bessere Zeiten für den Deutschunterricht an. Während die Beziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland in der Adenauer-Ära weiterhin angespannt blieben, stellte die Existenz der Deutschen Demokratischen Republik eine Chance für den Deutschunterricht in Polen dar. Die polnischen Bildungsbehörden begannen die Sprache der DDR-BürgerInnen, der Verbündeten der Volksrepublik Polen, zu fördern. Nur in Oberschlesien und im Oppelner Land war Deutsch als Schulfach bis 1989 verboten.

Die Geopolitik hatte einen starken Einfluss auf die Bildungspolitik und damit auch auf den Fremdsprachenunterricht in der Volksrepublik Polen. Die russische Sprache, die vor dem Krieg im polnischen Schulwesen eine marginale Rolle gespielt hatte, war bis 1989 ab der fünften Klasse Pflichtfach in der Grundschule. Im Lyzeum wurde eventuell eine zweite Fremdsprache gelernt, und da in den sozialistischen Bruderländern Europas außer Deutsch keine modernen westlichen Sprachen gesprochen wurden, war Deutsch oft auch die zweite Fremdsprache an polnischen Oberschulen. Die DDR wurde in der polnischen Öffentlichkeit als fortschrittlicher und antiimperialistischer Staat gepriesen, wodurch das Unterrichten und Erlernen der Sprache eine gewisse Legitimität erhielt. Der Preis für die Unterstützung des Deutschunterrichts staatlicherseits war eine außergewöhnliche Politisierung und Ideologisierung der Lehrinhalte, was sich vor allem in den 1960er Jahren bemerkbar machte. Die LehrerInnen standen unter ideologischem Druck und mussten sich in ihrer didaktischen Arbeit an den Leitlinien der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR) orientieren. So wurde den LehrerInnen 1964 z.B. nahegelegt, welche deutschsprachigen Texte sie benutzen sollten, um auch im Deutschunterricht die Beschlüsse des XIII. Plenums der PZPR umzusetzen. Empfohlen wurden Materialien, die berühmte deutsche Revolutionäre zum Gegenstand hatten oder ein aktuelles Bild von den sozialistischen Errungenschaften der DDR zeichneten. Wurde Westdeutschland und seine Gesellschaft im Unterricht thematisiert, dann hauptsächlich im Zusammenhang mit der deutschen Schuld für die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges oder in Bezug auf die schwierige Lage der ArbeiterInnen in der kapitalistischen Wirtschaft Westdeutschlands. LehrerInnen westeuropäischer Sprachen, und vor allem DeutschlehrerInnen, hatten damals eine ideologische Mission zu erfüllen:

Die richtig verstandene Aufgabe des Fremdsprachenlehrers besteht darin, den Jugendlichen zu einer nüchternen Sicht auf die Errungenschaften der kapitalistischen Staaten, wie auch auf die Widersprüche, die mit diesem Gesellschaftssystem unweigerlich einhergehen, zu verhelfen, die Grundsätze des Internationalismus und der Solidarität mit den Werktätigen des Westens beizubringen sowie die ungesunde Bewunderung der Jugend für Mode, Filme und Musik zu bekämpfen (Kawowa 1964, S. 1).

 Während sich die westdeutsch-polnischen Beziehungen mit dem Warschauer Vertrag zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland (1970) entspannten, blieb das wichtigste kulturkundliche Ziel des Deutschunterrichts in Polen, der in erster Linie erzieherischen Zwecken diente, die Vermittlung eines positiven DDR-Bildes. DeutschlehrerInnen behandelten auch weiterhin Themen rund um den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Besatzung, wobei der sowjetische Feldzug gegen das Dritte Reich hervorgehoben wurde, was Teil der pädagogischen Arbeit im Deutschunterricht war.

In den 1970er Jahren, in denen die polnischen BürgerInnen eine Öffnung zur DDR – und in weit geringerem Ausmaß auch eine Öffnung nach Westdeutschland und Westeuropa – erlebten, wuchs die Motivation zum Fremdsprachenlernen, wodurch auch das Deutsche an Attraktivität gewann. Dies bestätigen die damals steigenden Teilnehmerzahlen an außerschulischen und -universitären Deutschkursen. Pragmatische Motive gewannen sicherlich an Bedeutung, da es zu häufigeren Kontakten mit Deutschen, insbesondere mit DDR-BürgerInnen, kam. Die Aufhebung der Visumpflicht in den Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1972 und die Möglichkeit, nur mit Personalausweis die Grenze zu überqueren, führten zu einem enormen Anstieg des Tourismus. Vereinbarungen über die Beschäftigung von polnischen Fachkräften und die Intensivierung der wissenschaftlichen und kulturellen Kontakte hatten zudem zur Folge, dass es immer mehr Polen in die DDR zog.

Trotz der immer häufigeren bewussten Entscheidung erwachsener Polen, Deutsch zu lernen, spielten die modernen westlichen Sprachen in den Schulen der 1970er und 1980er Jahre immer noch keine bedeutende Rolle. Grundschüler ab der fünften Klasse sowie Gymnasiasten und Berufsschüler mussten Russisch lernen, während Anfang der 1980er Jahre nur 20 % der Schüler im Alter von 15–19 Jahren Deutsch, Englisch oder Französisch lernten (Komorowska 1982, S. 208). Am Ende der Volksrepublik Polen lernten 23 % der Grundschüler westliche Sprachen, wobei Deutsch mit einem Anteil von über 12 % die beliebteste westliche Fremdsprache war (Komorowska 1989, S. 404). Am Lyzeum, wo neben dem Russischen eine westeuropäische Sprache Pflichtfach war, lernte etwa ein Drittel der Schüler Deutsch, etwas weniger als Englisch. Auch an der Universität rangierte Ende der 1980er Jahre Deutsch hinter Englisch an zweiter Stelle. Gleichzeitig verzeichnete man hier, im Vergleich zu den späten 1970er Jahren, einen deutlichen Rückgang der Studierenden, die Fremdsprachen lernten (Komorowska 1989, S. 405).

Aktuelle Situation der deutschen Sprache in Polen

 In den 1990er Jahren dominierte Englisch als Lingua franca den schulischen Fremdsprachenunterricht. Obwohl Englisch bereits zuvor eine „Großmachtstellung“ innehatte, bildete der politische Wandel nach 1989 einen Wendepunkt. Die RussischlehrerInnen bekamen den „Wind der Veränderung“ fast augenblicklich schmerzhaft zu spüren. Der deutschen Sprache schien es anfangs zu gelingen, sich der wachsenden Dominanz der englischen Sprache zu erwehren. Die Deutschsektionen hatten in den neu entstandenen Lehrerkollegien für Fremdsprachen Anfang der 1990er Jahre eine starke Stellung. Deutsch galt neben Englisch als Sprache, die den Weg nach Europa öffnete. Die geopolitischen Veränderungen in Europa führten zunächst dazu, dass das Deutschangebot an den polnischen Schulen durch die Öffnung Polens nach Europa und das allgemeine Bewusstsein des Potenzials des wiedervereinigten Nachbarn im Westen an Bedeutung gewann. 1992 fehlten in Polen schätzungsweise 10–12.000 DeutschlehrerInnen (Glück 2002, S. 16). Der Bedarf war folglich groß genug, dass massiv DeutschlehrInnen/GermanistInnen ausgebildet wurden, auch auf verkürztem, außeruniversitärem Weg, über Kollegien und Qualifizierungskurse. Viele RussischlehrerInnen wurden im Rahmen von Sonderprogrammen zu DeutschlehrerInnen umgeschult. Derartige Initiativen wie auch andere Schulungen für polnische DeutschlehrerInnen wurden häufig aus deutschen Mitteln finanziert (das Goethe-Institut spielte dabei eine wichtige Rolle).

Rückblickend lässt sich sagen, dass die deutsche Sprache in Polen bereits damals, zu ihrer Hochzeit, langfristig von einer erheblichen Schwächung ausgehen musste. Das Englische gewann schnell an Boden und begann in Polen als globale Sprache andere Fremdsprachen zu verdrängen. Seine Position verstärkte sich parallel zur wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Vereinigten Staaten, der einzigen verbliebenen Weltmacht, und fortschreitenden Amerikanisierung. Die allgegenwärtige und leicht zugängliche englischsprachige Popkultur vergrößerte auf natürliche Weise das Interesse am Englischen, insbesondere bei jungen Menschen. Hinzu kam, dass amerikanische und britische staatliche Stellen die Chance erkannten, die eigene Sprache und Kultur in Mittelosteuropa zu verbreiten. Die ergriffenen Fördermaßnahmen sowie das gesellschaftliche Bewusstsein in Polen, dass Englisch ein Muss darstellt, ergänzten sich in diesem Fall auf ideale Weise. Dagegen wurde der Glaube an den praktischen Nutzen der deutschen Sprache für Polen, insbesondere für SchülerInnen, von Jahr zu Jahr schwächer. Obwohl von 1996–2002 Deutsch als schulisches Pflichtfach laut Statistik weiter stetig steigende Zahlen aufwies (Centralny Ośrodek Doskonalenia Nauczycieli 2009, S. 7), erlitt die deutsche Sprache – bei einer gleichzeitig wesentlich schnelleren Verbreitung der englischen Sprache und dem allgemeinen Gefühl, es beim Englischen mit der dominierenden Weltsprache zu tun zu haben – einen „Imageverlust“, wodurch die Motivation sank, Deutsch zu lernen. Gerade das Nützlichkeits- und das Prestigemotiv haben in den letzten Jahren an Zugkraft verloren, was sich langfristig nicht nur auf die Zahl der Lernenden, sondern auch auf die Lernqualität und -fortschritte negativ auswirkt.

Nach 2009 gab es im Vergleich zu früheren Jahren einen recht deutlichen Anstieg der Zahl der SchülerInnen, die Deutsch lernten, was hauptsächlich mit der Einführung einer zweiten Fremdsprache als Pflichtfach am Gymnasium zusammenhing (heute, nach der Reform des Bildungssystems, ist dies die siebte Klasse der Grundschule). Und so hatten, laut dem Bericht über die Verbreitung des Fremdsprachenunterrichts an den Schulen (Ośrodek Rozwoju Edukacji 2013), der erstmals alle drei Gymnasialklassen mit einer obligatorischen zweiten Fremdsprache berücksichtigte, im Schuljahr 2011/2012 rund 1,869 Millionen SchülerInnen in sämtlichen Schultypen Deutsch als Pflichtfach, was fast 39 % der Gesamtschülerzahl ausmachte. Gleichzeitig belegt die Statistik ein größeres Interesse an der deutschen Sprache in den westlichen Regionen Polens, was auf einen direkten Zusammenhang zwischen dem Verbreitungsgrad des Deutschunterrichts und der Nähe zur deutschen Grenze hinweist.

Der Bericht des Statistischen Hauptamtes (Główny Urząd Statystyczny) für das Schuljahr 2018/2019 (Główny Urząd Statystyczny 2019) zeigt, dass 34,4 % der polnischen SchülerInnen Deutsch lernen. Dies bedeutet einen Rückgang, obwohl Deutsch nach Englisch weiterhin einen starken zweiten Platz einnimmt, deutlich vor anderen Sprachen (Russisch liegt mit einem Anteil von 3,6 % auf Platz drei). Der leicht negative Trend wird durch den Bericht des Auswärtigen Amtes für das Jahr 2020 (Auswärtiges Amt 2020) bestätigt, der bei den DeutschschülerInnen, im Vergleich zu 2015, ein Minus um 14 % verzeichnet. Am stärksten war der Rückgang, dem Bericht zufolge, an den Hochschulen: Während 2015 Deutschkurse von 97.000 Studierenden besucht wurden, waren es 2020 nur etwa 56.000. Dieser Negativtrend der letzten Jahre ist umso erstaunlicher als die Studierenden, die den Arbeitsmarkt im Blick haben beziehungsweise auf diesem bereits aktiv sind, sich des praktischen Nutzens der deutschen Sprache im Berufsleben bewusst sind, da Deutschland der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner Polens ist. Außerhalb der Hochschulen registriert der Bericht jedoch ein wachsendes Interesse an Deutschkursen für Erwachsene, die sich auf die Kommunikation im Beruf vorbereiten, was den Zusammenhang zwischen Deutschkenntnissen (zumeist als Zweitsprache nach Englisch) und besseren Karrierechancen bestätigt.

Unabhängig von den quantitativen Schwankungen der letzten Jahre hält sich die aktuelle Zahl der DeutschschülerInnen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in Polen auf einem relativ hohen Niveau und beträgt etwa 1.950.000 (Auswärtiges Amt 2020), womit Polen immer noch weltweit an erster Stelle steht.

Fazit und Ausblick

 Die Geschichte von Deutsch als Fremdsprache in Polen spiegelt den jeweiligen Stand der deutsch-polnischen Beziehungen und der interkulturellen Kommunikation zwischen Deutschen und Polen wider. Die Motive zum Deutschlernen, die Verbreitung des Deutschunterrichts, seine Stellung im Vergleich zu anderen Fremdsprachen kennzeichneten die kulturelle Bedeutung des Deutschen in verschiedenen Phasen der über tausendjährigen deutsch-polnischen Nachbarschaft. In all den Jahrhunderten war die deutsche Sprache zumeist ein praktisches Kommunikationsmittel. Dabei geht dieser pragmatische Faktor im 19. und 20.Jh. oft mit affektiven, negativen Einstellungen gegenüber dem Deutschen und dem Deutschtum einher. Doch selbst die dramatischen Erfahrungen und Vorurteile konnten die Bereitschaft, Deutsch zu lernen, nicht immer bremsen. So ist z.B. die Zweite Polnische Republik, in der die Erinnerung an die Germanisierungsversuche im preußischen/deutschen Teilungsgebiet noch sehr lebendig war, eine Zeit, in der Deutsch die meistgelernte Fremdsprache war. Deutschlernen in Polen kann daher als ein von einer gewissen Ambivalenz geprägtes Unterfangen betrachtet werden: Zum einen galt Deutsch zumeist nicht als eine Sprache, die mit besonderem Prestige verbunden war, sondern häufiger als die Sprache des Feindes, zum anderen aber war Deutsch der Schlüssel zu einer hoch angesehenen Kultur und ein nützliches Instrument, um wirtschaftliche, wissenschaftliche oder alltägliche zwischenmenschliche Kontakte zu fördern. Die ausgeprägt antideutsche Stimmung in Polen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, die auch den Deutschunterricht stark beeinflusste, ist in diesem Zusammenhang eher als vorübergehende Ausnahmesituation zu betrachten. Auch die neuere Entwicklung ist von einer sonderbaren Ambivalenz geprägt: Deutsch wird nicht besonders „gemocht“, doch der praktische Nutzen dieser Sprache wird nicht in Frage gestellt. Gleichzeitig spielt das Interesse an der deutschen Kultur als Motivation, Deutsch zu lernen, nur eine geringe Rolle (Mackiewicz 2014).

Die Vorherrschaft des Englischen im internationalen und interkulturellen Kontext ist eine Tatsache. Tatsache ist allerdings auch, dass Deutschland und Polen als unmittelbare Nachbarn durch unzählige Kontakte miteinander verbunden sind. Die künftige Bedeutung des Deutschen als Fremdsprache in Polen ist nicht nur von den kultur- und bildungspolitischen Maßnahmen der polnischen Seite abhängig, sondern auch von der Frage, welchen Nutzen Deutsch als Kommunikationsplattform in Europa heutzutage noch hat. Die Zukunft von Deutsch als Fremdsprache (DaF) in Polen liegt also nicht zuletzt in den Händen deutscher EntscheidungsträgerInnen, Institutionen, Unternehmen und Medien, die dazu beitragen können, das Ansehen der deutschen Sprache im Ausland zu steigern.

Aus dem Polnischen von Andreas Volk

 

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Mackiewicz, Maciej, Dr. habil., verfasste den Beitrag „Deutsch als Fremdsprache in Polen aus diachroner Perspektive (Sprache)“. Er ist Professor an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań. Er arbeitet in den Bereichen Didaktik und Methodik Deutsch als Fremdsprache, L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache und Interkulturelle Kommunikation.

 

 

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