Andrzej Dębski

Deutsche und Polen in polnischen und deutschen Filmproduktionen nach 1945

Deutsche und Polen in polnischen und deutschen Filmproduktionen nach 1945


Der Zweite Weltkrieg prägte die deutsch-polnischen Beziehungen und die gegenseitige Wahrnehmung von Polen und Deutschen. Im konfrontativen Klima des Kalten Krieges wurde er in Polen wie auch in den beiden deutschen Staaten zusätzlich instrumentali­siert. Daher sind die deutsch-polnischen Filmbeziehungen dieser Zeit nicht nur unter rein künstlerischem, sondern auch unter gesellschaftlichem und politischem Aspekt zu betrachten.

Das polnische Kino

Wie Eugeniusz Cezary Król in seiner Arbeit über das Bild des Deutschen im polnischen Spielfilm der Jahre 1946–1995 schreibt, behandeln von den 975 in diesem Zeitraum entstandenen Filmen 236 (24 %) deutsche Themen. Von diesen wiederum haben fast 80 % einen direkten oder indirekten Bezug zum Zweiten Weltkrieg. „Man strebte be­sonders danach, eine vielgliedrige Kette negativer Assoziationen aufzubauen, bis eine ag­gregatähnliche Formel des Feindbildes entstand. Abweichungen von dieser Formel gab es nur wenige; Bilder von guten Deutschen (z. B. eines hilfsbereiten Wehrmachtsoffiziers oder eines barmherzigen Polizisten und Beamten der NS-Verwaltung im besetzten Po­len) oder Versuche, die Charakterzüge zumindest etwas zu differenzieren, gehörten zu seltenen Ausnahmen, die die oben erwähnte Regel bestätigen“ (Król 2011, S. 40). Die Ausgestaltung des Motivs des feindlichen Deutschen (→ Kreuzritter) korrespondierte mit der Politik der Regierung, die nach gesellschaftlichem Rückhalt suchte. Das Bild des Deutschen erfüll­te gleichsam eine Ersatzfunktion, weil man „den bösen Russen“ nicht zeigen konnte. Die deutsche Thematik fungierte auch als Katalysator oder Spiegel innerpolnischer Diskur­se. Deshalb vollzog sich in der polnischen Nachkriegskinematographie eine Homogeni­sierung der Darstellungen des Deutschen „als grausamer Barbar und Massenmörder, als fanatischer Nazi-Anhänger; manche dieser Züge schrieb man auch – manchmal noch klarer – deutschen Frauen zu“ (Król 2011, S. 40). Das Bild des Deutschen konstituierte sich über eine Kette negativer historischer Assoziationen „von den mittelalterlichen Markgrafen im 10. Jh. über den Deutsche Orden, den Teilungsstaat Preußen und das Zweite Reich, die Weimarer Republik, das Dritte Reich bis schließlich zu den Revanchisten der Bonner Republik“ (Król 2011, S. 35). Anders als im von der Propaganda der Polnischen Volksrepublik oktroyierten Bild der Nachbarn, kamen DDR-Motive in der polnischen Kinematographie so gut wie überhaupt nicht vor: „Trotz der überaus starken Kontrastierung des Bildes des Deut­schen aus der Bundesrepublik und seines Nachbarn aus der Deutschen Demokratischen Republik blieb das Kino dieser Dichotomie gegenüber völlig gleichgültig“ (Gwóźdź 2005, S. 307). 

Frappierend ist, dass Filme mit deutscher Thematik zu großen Kassenschlagern wur­den. Den ersten Platz auf der Liste der meistbesuchten polnischen Kinofilme belegt mit 31,9 Mio. KinozuschauerInnen Aleksander Fords Krzyżacy [Die Kreuzritter, 1960], auf dem fünften Platz findet sich Leonard Buczkowskis Zakazane piosenki [Verbotene Lieder, 1946–1948] mit 15,2 Mio. Zuschauern (Hendrykowska 2012, S. 435). Beide Filme versammeln wie in einem Brenn­glas die charakteristischen Merkmale des polnischen Nachkriegskinos. Verbotene Lieder ist der erste polnische Nachkriegsspielfilm. Ursprünglich war der Film als mit Liedern aus der Besatzungszeit untermalte Dokumentation des Warschauer Kriegsalltags kon­zipiert, doch während der Arbeit entwickelten sich daraus konkrete Charaktere und Ereignisse. Als das Werk im Januar 1947 in die Kinos kam, berichtete die Presse von „erschütternden Szenen“ vor den Warschauer Filmtheatern. Der Film wurde von der Kritik positiv aufgenommen, bis der Kritiker und Dichter Adam Ważyk ihm „Nachsicht mit den Hitlerverbrechern“ und einen „unseriösen Umgang mit dem Grauen der Besatzung“ unterstellte (Hendrykowska 2012, S. 180). Die Filmkommission des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Ar­beiterpartei verfügte Änderungen (unter anderem wurden Szenen der Erschießung eines jungen Straßensängers und einer Razzia hinzugefügt), die überarbeitete Fassung kam im November 1948 in die Kinos. Das im Film präsentierte Bild des Deutschen stützt sich nicht nur auf das Motiv des Feindes, sondern auch des Kulturträgers (→ deutscher Kulturauftrag im Osten), der „einen fremden Lebensstil aufzuzwingen versucht, indem er Chopins Musik durch Jazz ersetzt, das Theater durch Tingeltangel, kurzum – die hohe Kultur durch billige Unterhaltung“ (Gwóźdź 2005, S. 309). In dieser Sichtweise erscheinen die Deut­schen als gleichsam „amerikanisierte“ Barbaren, was – wenngleich vom Regisseur nicht bewusst intendiert – der offiziellen ideologischen Linie entsprach.

Die Kreuzritter wiederum war „der mit größtem Aufwand produzierte erste so genann­te historische Supergigant“, (Jockheck 2013, S. 138) der erste polnische Breitwandfilm in Technicolor, dessen Produktion 33 Mio. Zloty kostete (Uffelmann 2015, S. 55). Die Verfilmung des 1900 erschienenen Romans von Henryk Sienkiewicz entstand zum 550. Jahrestag der Schlacht bei Tannenberg (→ große Schlachten) im Jahr 1960, in dem die bis 1966 andauernden Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Bestehen des polnischen Staates [Tysiąclecie Państwa Polskiego] begannen. Die zentrale Schlachtsequenz zeigte den Kampf der Polen und der mit ih­nen verbündeten slawischen Völker (Ford führte unter anderem die Figur des Fürsten Mścisław in den Film ein, die es bei Sienkiewicz nicht gibt) gegen den germanischen Aggressor und damit metaphorisch die Konfrontation zwischen Osten und Westen. Ins polnische kollektive Gedächtnis hat sich das Bild einheitlicher Truppen in Kreuzrittermänteln eingebrannt, obwohl in der historischen Wirklichkeit im 20.000-köpfigen Heer nur rund 250 Ordensritter kämpften, von denen 203 umkamen (Baczyński /Będkowski 2010, S. 3). „Im Film sieht man nur die bösen deutschen Ritter. […] Der ganze Ordensstaat offenbart Anzeichen der Vernachlässigung und des Verbrechertums, man sieht häufig brachliegende, nicht gepflügte Felder und Galgen manchmal mit den daran erhängten Menschen“, (Król 2011, S, 36). Der Film war ein politisches Propagandaspektakel über den Erfolg „der Polen“ im Kampf gegen „die Deutschen“. Nicht von ungefähr legte man – nach der Uraufführung des Films am 17. Juli 1960 in Olsztyn – die Warschauer Premiere auf den 1. September, den Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen 1939.

Die Tragkraft des deutschen Motivs zeigt sich auch in den beliebtesten polnischen Se­rien: Czterej pancerni i pies [Vier Panzersoldaten und ein Hund] in der Regie von Kon­rad Nałęcki (21 Folgen: 1965–1969, in Folge 20 führte Andrzej Czekalski Regie) und Stawka większa niż życie [Sekunden entscheiden] in der Regie von Janusz Morgenstern und Andrzej Konic (18 Folgen: 1967–1968). Vorbild für die erste Serie war Janusz Przy­manowskis – als Beitrag zu einem 1962 ausgeschriebenen Wettbewerb des Verteidigungsministeriums für ein Jugendbuch mit Bezug zu den Traditionen der Polnischen Volksarmee – entstandener und 1964 veröffentlichter Roman über die Abenteuer einer Panzerbesatzung. Den Anstoß zur Verfilmung gab der Kameramann, Regisseur und Drehbuchautor Stanisław Wohl, der gemeinsam mit Przymanowski auch das Seriendrehbuch verfasste. Die Protagonisten – der Pole Janek, der polnischstämmige Olgierd (später ersetzt durch den Polen Tomek), der Schlesier Gustlik, der Georgier Grigorij sowie der Hund Szarik – gelangen im Kampf gegen die deutschen Besatzer als Angehö­rige der 1. Panzerbrigade „Helden der Westerplatte“ von Sielce bis nach Berlin. Jan Józef Szczepański schrieb 1968 in der Wochenzeitung Tygodnik Powszechny: „Vier Panzersol­daten und ein Hund sind mittlerweile nicht mehr nur ein erfolgreiches Fernsehschau­spiel, sondern ein massenpädagogisches Phänomen, eine gigantische Jugendbewegung und eine feste Institution des Kulturlebens bestimmter Volksschichten“ (Zit. nach Hendrykowska 2012, S. 299). 1995 wurde Vier Panzersoldaten und ein Hund in einer Umfrage des staatlichen Fernsehens TVP zur besten Serie aller Zeiten gewählt, 2004 erfolgte die dreißigste Ausstrahlung. Zahlreiche Redewendungen aus der Serie sind in die Umgangssprache eingegangen.

Sekunden entscheiden wurde durch den Erfolg der ersten beiden James-Bond-Filme ins­piriert. Die Geschichte eines polnischen Offiziers der Heimatarmee (Armia Krajowa) im Dienste der Alliierten, der zu einem mit der Volksarmee (Armia Ludowa) kooperieren­den sowjetischen Agenten wird, wurde zunächst für das Fernsehtheater Kobra inszeniert (1965–1967), bevor man sich aufgrund der enthusiastischen Resonanz für die Produkti­on einer TV-Serie entschied. Ähnlich wie in Vier Panzersoldaten und ein Hund sind die Rollen der „Guten“ und der „Bösen“ klar verteilt: Hans Kloss „sabotiert im Alleingang selbst komplizierte Aktionen der Hitlerleute, er stiehlt Geheimdokumente, deckt die Widerstandsbewegung und verführt mit seinem Charme deutsche Blondinen, die für die feindliche Armee arbeiten. Seine beiden Hauptgegner – Brunner und der Sturmbannführer Stedtke – werden karikaturhaft als Sadisten und Dummköpfe gezeigt, die der als deutscher Offizier verkleidete Pole in Diensten des sowjetischen Geheimdienstes immer wieder an der Nase herumführt“ (Hendrykowska 2012, S. 299). Die Serie erfreute sich auch in der DDR großer Beliebtheit, und als der Hauptdarsteller Stanisław Mikulski sich 1972 anlässlich der Dreharbeiten zu Stanisław Lenartowiczs Opętanie [Besessenheit] in Dresden aufhielt, wurde er – wie Aleksander Sajkow berichtet – „ständig [von Deutschen] angesprochen, die ihm zu seiner Rolle in Sekunden entscheiden beglückwünschten. Sie sahen ihn in dieser Serie als uniformierten Deutschen, nicht als polnischen Spion!“ (Podsiadły/Sajkow 2011, S. 151). Unabhängig davon ist der Erfolg der Serie durchaus verständlich, denn die DDR verstand sich als ein antifaschistischer Staat mit antifaschistischen Bürgern – im Gegensatz zur BRD, die von der ostdeutschen Propaganda als Erbin des Drittens Reichs dargestellt wurde.

Auch Filme mit künstlerischem Anspruch griffen deutsche Themen auf. Ein promi­nentes Beispiel ist Andrzej Wajdas Ziemia obiecana [Das gelobte Land, 1975], eine Verfilmung des 1899 erschienenen Romans von Władysław Reymont. In einer Umfrage der Vierteljahresschrift Kwartalnik Filmowy belegte der Film 1995 den dritten Platz in der Kategorie der besten polnischen Filme, in einer Umfrage des Magazins Film ein Jahr später sogar den ersten Rang (für das erste Ranking wurden 72, für die zweite 140 Filmemacher, Kritiker, Journalisten und Filmwissenschaftler befragt). Die Geschich­te dreier Freunde – ein Pole, ein Deutscher und ein Jude –, die Ende des 19. Jhs. in der Industriestadt Łódź das große Geld machen wollen, bleibt bei der Darstellung des feindlichen Nachbarn als Aggressor: Selbst wenn „er seine Mission darin sieht, in einem rückständigen Land die Fundamente einer kapitalistischen Wirtschaft zu errichten, so handelt es sich gleichwohl um eine ambivalente Mission, weil sie lediglich den koloni­satorischen Mythos verdeckt“ (→ Drang nach Osten), weshalb im Endeffekt Das gelobte Land eine „mildere Variante des Topos des Eroberers [darstellt], die das noch immer lebendige Schema des Drangs nach Osten offenlegt und in beträchtlichem Maße die Funktion des Bildes vom Deutschen als Eroberer stützt“ (Gwóźdź 2005, S. 308). Andererseits ist festzustellen, dass Wajda eine im damaligen polnischen Kino seltene Differenzierung der deutschen Charaktere vornimmt und unter anderem „einen guten Deutschen“ zeigt, der mit den über ihre Kräfte arbeitenden Fabrikarbeiterinnen mitfühlt (Król 2011, S. 38). Man kann auch der Aussa­ge zustimmen, dass in Das gelobte Land „die Stereotype und Vorurteile aller drei Natio­nen bloßgestellt“ werden und der Film mithin „weder antisemitisch, anti-deutsch noch polnisch-nationalistisch“ ist (Schüller 2015, S. 128f.).

Es fällt auf, wie wenige Filme Nachkriegsdeutsche ohne Kriegsvergangenheit zeigen. Emblematisch hierfür steht Leon Jeannots Bumerang (1966), die Geschichte der Liebe einer jungen Polin und eines Polnisch sprechenden deutschen Slawisten (diese Rolle spielte Holger Mahlich, der sich dafür die Haare blond färben musste), der im Krieg in Breslau geboren wurde und zwanzig Jahre später in die Stadt kommt, um sein Elternhaus zu fotografieren. Der Film veranschaulicht, wie die Geschichte gleich einem Bumerang zurückkehrt und auf einer Generation lastet, die keinen Einfluss auf den Krieg hatte. Der junge Deutsche sieht in Wrocław einen Wochenschaubericht über die Forderungen westdeutscher Vertriebenenverbände und einen Film über die deutsche Besatzung, er begegnet auf einer Party einem ehemaligen Auschwitzhäftling mit eintätowierter Nummer auf dem Arm und sieht das Begräbnis eines bei der fehlgeschlagenen Entschärfung eines Blindgängers ums Leben gekommenen Polen. Die Familie der jun­gen Polin verurteilt die Beziehung, und am Ende stirbt das Paar bei einem Autounfall. Der Film beschränkt sich nicht auf die Feststellung, dass der Polin und dem Deutschen kein gemeinsames Leben beschieden ist. Die Unfallszene wird symbolisch aufgeladen – der am Steuer sitzende Deutsche kommt von der Fahrbahn ab, weil er einem auf die Straße gelaufenen Mädchen ausweicht. Mit diesem Manöver, mit dem er das Leben eines (polnischen) Kindes rettet, sühnt er teilweise die auf ihm als Deutschen – Angehö­rigen des Volkes, das den Krieg anfing – lastende Schuld.

Angesichts des einheitlichen Bildes des Deutschen im polnischen Kino verdienen die von den traditionellen Schemata abweichenden Ausnahmen besondere Aufmerksam­keit. Zu ihnen gehören die Filme Dziś w nocy umrze miasto [Heute Nacht stirbt eine Stadt, 1961] und Kiedy miłość była zbrodnią [Rassenschande, 1967] von Jan Rybkowski, der mehrere Jahre in Deutschland Zwangsarbeit leistete (→ Zwangsarbeiter) und im Februar 1945 die Bombardierung Dresdens überlebte. Heute Nacht stirbt eine Stadt zeigt die Zerstörung Dresdens und ist zugleich eine Metapher für den Untergang der Zivilisation. Damit „vertrat Rybkowski erstmals im polnischen Film die These, dass das Dresdner Requiem nicht einfach als Vergeltung im Rahmen des Krieges zu verbuchen sei“ (Lemann-Zajiček 2007, S. 22.). Ein Motiv des Films ist die Zuneigung zwischen einem aus dem Lager geflohenen Polen und einer jungen Deutschen. Das Thema der emotionalen Beziehungen über die Grenzen zwischen den Völkern hinweg spielt auch in Rassenschande eine Rolle. Der als Koproduktion mit der westdeutschen Allianz-Film entstandene Film handelt von den emotionalen Beziehungen zwischen Deutschen und Ausländern. Der Film wurde in Po­len nur kurz gezeigt, denn er zeigte „Bürger des Dritten Reiches als normale, gefühlvolle Menschen. Das passte nicht ganz in die Propagandarichtlinien, so dass der Film sehr schnell aus den polnischen Kinos verschwand“ (Król 2011, S, 37).

Zu den Ausnahmen im Umgang mit der deutschen Thematik gehören auch Pasażerka [Die Passagierin, 1963] von Andrzej Munk und Witold Lesiewicz nach dem Hörspiel Pasażerka z kabiny 45 [Die Passagierin aus Kabine 45, 1959] von Zofia Posmysz, die auch am Drehbuch des Films beteiligt war, sowie Aleksander Fords auf einem Drama von Leon Kruczkowski von 1959 basierende Film Pierwszy dzień wolności [Der erste Tag der Freiheit, 1964]. Die Passagierin spielt auf zwei Zeitebenen: im Heute an Bord eines Schiffes und retrospektiv in Auschwitz, wobei Munk vor seinem Unfalltod nur den retrospektiven Teil fertigstellen konnte. Anhand einer deutschen SS-Frau und einer ihr untergeordneten Gefangenen zeigt er, dass „die Deutschen als Volk keineswegs dazu prädestiniert sind, zu Mördern zu werden, weil weder die Biologie noch die Psyche noch die Geschichte Menschen zu Barbaren machen“ (Gwóźdź 2005, S. 311). Auf diese Weise wandte „er sich hier gegen die im kollektiven Bewusstsein sanktionierten Stereotypen“ (Jockheck 2013, S. 141). Die Handlung von Der erste Tag der Freiheit spielt gegen Kriegsende in einer Region, die bald darauf den Namen „Wiedergewonnene Gebiete“ erhalten sollte (→ Wiedergewonnene Gebiete). In diesem Film gibt es in Gestalt eines Kleinstadtarztes die erste Figur eines „guten Deut­schen“ im polnischen Kino. Der Arzt fühlt sich verpflichtet, Kranken und Verwundeten zu helfen, er fühlt sich verantwortlich für die Passivität seiner Landsleute gegenüber dem totalitären System. Im Hintergrund wird zugleich ein deutlich von den gängigen Stereo­typen abweichendes Bild der Polen präsentiert (→ Stereotyp), unter denen sich sowohl gute Charaktere als auch Zyniker, Räuber und Vergewaltiger finden. Gleichwohl zeigt das Ende des Films „das unumstößliche Primat nationaler Bindungen über Gefühle und individuelle Einstellungen der Einzelnen“ (Lubelski 2009, S. 237). Bemerkenswert ist auch Stanisław Lenarto­wiczs schon erwähnter Film Besessenheit. Das polnische Filmteam drehte nach der Öff­nung der Grenze zur DDR 1972 in Ostdeutschland, doch statt der Gegenwartswirklich­keit interessierten den Regisseur Raffaels Sixtinische Madonna in Dresden, das Denkmal des Fürsten Józef Poniatowski in Leipzig, die historische Altstadt von Meißen sowie die Schlösser Moritzburg und Wernigerode. Auf diese Weise wollte Lenartowicz mit seiner Geschichte von drei Polen, die auf der Suche nach einem Spezialisten für die Behand­lung von Unfruchtbarkeit die westliche Staatsgrenze überqueren, womöglich „das DDR-Bild von dem ideologischen Odium […] befreien und im Land der Arbeiter und Bauern kulturelle Ressourcen nichtsozialistischer europäischer Identität freilegen“ (Gwóźdź 2015, S. 121f.).

Obwohl das Kino der Volksrepublik Polen – von Ausnahmen abgesehen – ein einheitli­ches Bild des Deutschen schuf, lassen sich bestimmte Phasen unterscheiden. Es ist sicher kein Zufall, dass in den 1970er Jahren – also nach Abschluss des Normalisierungsver­trags mit der BRD 1970 und der Öffnung der Grenze zur DDR 1972 – die Zahl pol­nischer Filme mit (negativer) deutscher Thematik zurückging. Die deutsch-polnischen Geschichtskontroversen wurden damals weitgehend tabuisiert, doch nach der Ausru­fung des Kriegsrechts im Dezember 1981 wurden die alten Schemata in der Propaganda reaktiviert. Erst nach 1989 kam es zu einer Abkehr von dieser Praxis, doch auch in den 1980er Jahren entstanden deutsch-polnische Koproduktionen, etwa Filip Bajons Film Magnat [Der Magnat, 1986] in Zusammenarbeit mit der Westberliner Manfred Dur­niok Filmproduktion.

Das Kino der deutschen Besatzungszonen

Im deutschen Nachkriegskino nimmt das „polnische Thema“ deutlich weniger Raum ein als deutsche Motive im polnischen Film. Die Bezeichnung „deutsches Kino“ ist da­bei irreführend, weil nach 1949 in DDR und BRD eine jeweils eigene Kinematographie existierte. Bis dahin war Deutschland in vier Zonen geteilt, deren Filmproduktionen sich thematisch und stilistisch wenig unterschieden, so dass man vom Kino der Besat­zungszonen sprechen kann.

Im Jahr 1948 drehte Eugen York mit Genehmigung der französischen Besatzungsbe­hörden den Film Morituri. Der Titel verweist auf den römischen Gruß „Ave, Caesar, morituri te salutant“ [Ave Cäsar, die Todgeweihten grüßen dich], der hier auf die Si­tuation „todgeweihter“ Häftlinge eines Konzentrationslagers bezogen wird, die als ar­beitsunfähig eingestuft und zur Vergasung bestimmt worden sind. Der Lagerarzt ist ein Pole (dessen Frau von der SS ermordet wurde), der einigen Häftlingen unterschiedlicher Nationalität bei der Flucht hilft. Sie finden Zuflucht in einem nahen Wald, wo sie mit anderen Verfolgten das Eintreffen der Roten Armee erwarten. In der Darstellung „des polnischen Dorfes mit Strohdächern und Störchen, mit einem Wald, der eher an die Märchen der Gebrüder Grimm erinnert als an das polnische Waldreviere, und mit dem schlechten Polnisch, mit dem die Dialoge der Schauspieler synchronisiert wurden“ (Gwóźdź 2011, S. 1024), lässt sich das stereotyp verwurzelte Narrativ des exotischen Ostens erkennen (→ Osten; → Osten). Doch schon „allein, dass im Jahr 1948 von der Leinwand Polnisch als Sprache eines vom Hitlerismus unterdrückten Vol­kes erklingt und die positivste Figur des Films ein (mit einer Deutschen verheirateter) polnischer Lagerarzt ist, der einer Gruppe von Häftlingen unterschiedlicher Nationali­tät zur Flucht verhilft, verdient Respekt und Beachtung“ (Gwóźdź 2011, S. 1024f.).

Die Handlung Morituri stützt sich auf die Biographie von Artur Brauner, einem in Łódź geborenen polnischen Juden, dem während des Kriegs die Flucht aus dem Ghetto ge­lang. Nach dem Krieg gründete er in West-Berlin die Firma Central Cinema Compagnie- Film (CCC), die rund 250 Filme produzierte, darunter Morituri, aber auch Agnieszka Hollands Bittere Ernte [BRD 1983]. Als Koproduzentin war die CCC auch an Filmen anderer polnischer Regisseure beteiligt, etwa Aleksander Fords Der achte Wochentag (Polen-BRD 1958, polnische Premiere 1983) und Sie sind frei, Dr. Korczak (BRD-Israel, 1974), Andrzej Wajdas Eine Liebe in Deutschland (BRD-Frankreich 1983) oder Janusz Kijowskis Der Daunenträger (Deutschland-Frankreich-Polen 1992).

Das Kino der BRD

In der BRD-Kinematographie gibt es wenige Filme, in denen Polen als Land oder pol­nische Figuren vorkommen. Die wechselseitigen Beziehungen manifestieren sich vor allem in Koproduktionen und in Deutschland gedrehten Filmen polnischer Regisseure. Die erste bundesrepublikanisch-polnische Koproduktion war 1958 der schon erwähn­te Achte Wochentag von Aleksander Ford. Die Verfilmung einer Erzählung von Marek Hłasko (1954) behandelte keine deutsch-polnische Thematik (schuf aber gleichsam eine eigene, denn bei den Dreharbeiten in Wrocław lernte Hłasko seine spätere Frau, die Schauspielerin Sonja Ziemann kennen), doch sie wurde auch in Polen wahrgenommen. Władysław Gomułkas Empörung – „die Regisseure in Polen sehen nur das Wodka- Trinken!“ (Zit. nach Jockheck 2015, S. 42) – sorgte dafür, dass der Film nicht in die Kinos kam (die polnische Pre­miere fand 25 Jahre später statt). Außerdem übte man Druck auf den westdeutschen Koproduzenten aus, um den Auslandsvertrieb einzuschränken (weshalb der Film unter anderem nicht auf dem Festival in Cannes gezeigt wurde). Eine weitere Zusammenar­beit von Brauner und Ford wurde durch die Märzereignisse des Jahres 1968 vereitelt. Die polnische Seite kündigte den Vertrag über die Produktion eines Films über Janusz Korczak auf. Die von Ford geleitete Filmgruppe Studio wurde harsch kritisiert (ebenso die Gruppe Rytm des schon erwähnten Rybkowski), der Regisseur selbst aus den Rei­hen der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei ausgeschlossen (gedemütigt verließ er das Land, um den Film sechs Jahre später unter dem Titel Sie sind frei, Dr. Korczak ohne polnische Produktionsbeteiligung in der BRD zu realisieren) und Brauner als „Zionist“ und „westdeutscher Revanchist“ angeschwärzt (Wach 2011, S. 136).

Mit der Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Volksrepublik und der BRD 1970 verbesserten sich die Bedingungen. 1979 drehte Volker Schlöndorff in Polen seine Ver­filmung von Günter Grass’ Die Blechtrommel (BRD-Frankreich) und Franz Peter Wirth eine 11-teilige Serienfassung von Thomas Manns Roman Die Buddenbrooks (BRD-Po­len-Österreich). Polnische Regisseure drehten Filme in der BRD nicht nur in Koope­ration mit Brauners CCC. Mehrere deutsche Filme realisierte etwa Krzysztof Zanussi, darunter Nachtdienst (1975), Haus der Frauen (1977), Anatomiestudie (1977), Wege in der Nacht (1979), Imperativ (BRD-Frankreich 1982) oder Blaubart (BRD-Schweiz 1984). Andere Zanussi-Filme waren bundesrepublikanisch-polnische Koproduktionen: Das Jahr der ruhenden Sonne (BRD-Polen-USA 1984), Wo immer du bist… (1988), Liebes­fesseln (1989). Für polnische Filmemacher bedeutete die Kooperation mit westlichen Partnern größere Freiheit – sie konnten sich teilweise (bei Koproduktionen) oder kom­plett (wie bei Zanussis deutschen Filmen) „der Kontrolle des Staates als Financier und Monopolist […] entziehen“ (Wach 2015, S. 34).

Auch Andrzej Wajda drehte deutsche Filme: Pilatus und andere. Ein Film für Karfreitag (1971), Schuld und Sühne (BRD-Österreich 1988) sowie die schon erwähnte Adaption von Rolf Hochhuths Roman Eine Liebe in Deutschland (1978), der von der verbote­nen Liebe zwischen einer Deutschen und einem polnischen Zwangsarbeiter während des Kriegs handelt. Dieser Film „arbeitet mit dem stereotypen Bild des Polen in der Fremde: ein Kriegsgefangener, dessen letzte Geste angesichts des Todes der Ruf »Lang lebe Polen!« ist“ (Kita 2004, S. 377). Obwohl „das Stereotyp des Deutschen aus der Kriegszeit hier leicht gebrochen wird: es ist nicht mehr die mit Helm und beschlagenen Stiefeln ausgestatte­te SS-Marionette in einem besetzten Land“, entspricht es letztlich den typischen pol­nischen Narrativen – Wajda zeigt „den gewöhnlichen Deutschen fern der Frontlinie“, „wie fanatisch er in seiner ideologischen Verblendung ist und wie sehr er zugleich jede Verantwortlichkeit für den Tod des Kriegsgefangenen und das Lagerschicksal des ‚Po­lenliebchens‘ vermeiden möchte“ (Kita 2004, S. 377). Weder in der BRD noch in Polen wurde der Film positiv aufgenommen. Die polnischen Behörden verweigerten polnischen Schauspielern die Ausreise in die BRD (weshalb Wajda die Darsteller der polnischen Figuren – Piotr Łysak und Daniel Olbrychski – aus Kanada und Frankreich holte) und untersagten spä­ter den inländischen Vertrieb des Films. Er wurde nur in geschlossenen Vorführungen gezeigt, und „die Kritiker vom Dienst ließen in der Presse des Kriegsrechts natürlich kein gutes Haar an den Machern“ (Lubelski 2006, S. 209).

Bundesdeutsche Filmmacher griffen selten Themen mit Polenbezug auf. Von Günter Grass’ Danziger Trilogie wurden zwei Teile verfilmt: Katz und Maus (1967) von Hans Jürgen Pohland und Die Blechtrommel von Volker Schlöndorff, die 1980 als erste deut­sche Produktion mit dem Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film ausge­zeichnet wurde. Die Blechtrommel ist auch im Hinblick auf die Verwendung von Stereo­typen interessant – nicht nur weil die Handlung Schicksale von Deutschen, Polen und Kaschuben miteinander verflicht, sondern auch unter inszenisatorischem Aspekt. Die Anfangs- und Schlussszenen des Films, die ein kaschubisches Kartoffelfeld darstellen sollen, wurden im Marschland der Weichsel gedreht. Die Erklärung des Regisseurs: „Die Kaschubei ist sehr hügelig, mit viel Seen und Wäldern, während ich mir beim Le­sen immer ein weites, unendlich flaches Land vorgestellt habe“ (Schlöndorff 2008, S. 283). Die von Schlöndorff imaginierte Landschaft entspricht der deutschen Vorstellung vom Osten, den Gustav Freytag in Soll und Haben suggestiv ausmalte: „Der Autor konstruiert das Bild einer ur­sprünglichen, archaischen Welt, die unveränderlich außerhalb der Zeit existiert. […] In der durchgehend flachen polnischen Landschaft gibt es keine Erhebungen, Berge oder Gipfel, die ein Zentrum symbolisieren, das heißt Macht und Herrschaft“ (Surynt 2007, S. 41). Natürlich sind in beiden kaschubischen Szenen auf dem flachen Kartoffelfeld Strommasten zu sehen und in der Schlussszene (die in der Chronologie der Erzählung fast ein halbes Jahrhundert später spielt) wird die Ebene von Eisenbahngleisen und einem Zug durch­schnitten, gleichwohl stehen jedoch die Symbole der Zivilisation hier in deutlicher Op­position zur archaischen Welt der alten Kaschubin, die – wie ihre Vorfahren – auf dem Kartoffelfeld arbeitet.

Grass äußerte sich zufrieden mit der Verfilmung seines Romans, wenngleich er an­merkte, im Film sei das heidnische, dem Christentum ferne Element des Katholizismus gänzlich ausgeblendet worden (Vgl. Stanisławski 2009, S. 79). Tatsächlich erklingen polnische Gebete und religiöse Gesänge am deutlichsten während des Begräbnisses der Mutter des Protagonisten und des Leichenschmauses. Letzteren zeigt Schlöndorff in leicht beschleunigtem Tempo, was ihm Züge des Grotesken und Phantastischen verleiht. Der Leichenschmaus findet übrigens nicht im Haus der Verstorbenen statt, sondern in einem Schuppen auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes, über den Gänse und Hühner spazieren – letztere sehen wir auch während der Bestattungszeremonie auf dem Friedhof. Damit gab der Regisseur der Szene nicht nur zusätzlichen exotischen Kolorit, sondern verortete sie auch im Kontext des Stereotyps von der → polnischen Wirtschaft. Andere Stereotypisierun­gen sind schon in der literarischen Vorlage angelegt. Die Mutter der Hauptfigur Oskar liebt ihren polnischen Cousin, heiratet aber einen soliden Deutschen. In der Ehe glänzt sie – gleichsam als → Polin– nicht durch Treue (wenngleich ihre Figur eher als Repräsentation des „Kaschubischen“ denn des „Polnischen“ zu sehen wäre). Erst nach ihrem Tod kann der Deutsche erneut heiraten – eine besser zu ihm passende deutsche Frau. Interessant ist die Darstellung des polnischen Cousins, eines im Buch „ewig pas­siven, oft weinerlichen, im Krieg feigen, im Leben eitlen polnischen Postsekretär[s]“, (Schlöndorff 2008, S. 285). Im Film wird die Figur von Daniel Olbrychski verkörpert, dem Schlöndorff erklärte, dass „seine Feigheit […] das einzig Vernünftige“ (Schlöndorff 2008, S. 285) sei. Olbrychski spielte die Rolle über­zeugend, wenngleich das nicht stereotype Bild eines Polen verwundern mag (→ der edle Pole), der den Kampf scheut und Karten spielt, während Hitler-Soldaten die Polnische Post in Danzig angreifen.

Die Blechtrommel ist zweifellos einer der weltweit bekanntesten Filme mit deutsch-pol­nischer Thematik und der – von einer der Hauptfiguren ausgesprochenen – humanisti­schen Botschaft, dass Deutsche, Polen und Kaschuben in Eintracht leben werden. Weil eine Szene die Vergewaltigung einer Deutschen durch einen sowjetischen Soldaten zeigt, aber auch wegen der angesprochenen Kartenspielszene, die angeblich den heroischen Kampf der Polen lächerlich machte, wurde der Film in Polen nicht zum Vertrieb zuge­lassen und kam mit dreizehnjähriger Verspätung erst nach der Wende 1989/1990 in die polnischen Kinos.

Etwas früher, im Juni 1989, wurde Michael Kliers Film Überall ist es besser, wo wir nicht sind (1989) auf dem Münchner Filmfestival uraufgeführt, ein authentisches Por­trät polnischer Emigranten in West-Berlin. Das von Klier gemeinsam mit dem jungen Krakauer Emigranten Gustaw Barwicki geschriebene Drehbuch schildert die Erlebnisse der Hauptfigur Jerzy, eines jungen Mannes aus Warschau, der sich mit krummen Ge­schäften über Wasser hält und von einem besseren Leben träumt – Berlin ist für ihn nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Amerika. Die schwarz-weißen Bilder unter­streichen das Klima des existenziellen Stillstands und „das Gefühl des Gefangenseins in einem zeitlich-historischen Vakuum“ (Wach 2015, S. 35). Die Aussage des Films reicht weit über soziale und ökonomische Aspekte hinaus. In New York stellen Jerzy und seine Bekannte Ewa fest, dass es nicht mehr sehr viel weiter „nach Westen“ geht und dass ihr Lebensglück nicht von der Geographie abhängt, sondern von den gegenseitigen Gefühlen. Der Re­zensent der Zeit schrieb in diesem Zusammenhang vom „Westen, den man nie erreicht, weil überall Osten ist, wo man ankommt“ (Andreas Kilb, Grenzenlos, in: Die Zeit vom 2.2.1990). Die Filmemacher veranschaulichen diese philosophische Frage, die Suche nach einem Sinn und einem Platz in der Welt, anhand polnischer Protagonisten, die sie damit umso buchstäblicher in die deutschen Ost-West- Vorstellungen einschreiben. Die Wertung des Ostens in deutschen Produktionen bleibt nach der Wende im Wesentlichen unverändert.

Das Kino der DDR

Das Verhältnis der DDR zum östlichen Nachbarn lässt sich als „Politik der Abgrenzung bis Abschottung“ (Wach 2011, S. 133) beschreiben. Trotz der in der Präambel des Görlitzer Vertrags von 1950 proklamierten „Freundschaftsgrenze“ erfolgte erst 1972 die tatsächliche Öffnung des Grenzverkehrs zwischen den beiden Staaten. Allerdings nur für acht Jahre: 1980 setzte die wegen der Streiks an der polnischen Küste beunruhigte DDR-Regierung die Reisefreiheit wieder aus. Als Folge dieser Politik entstanden gerade einmal vier Spielfil­me in polnischer und DDR-Koproduktion: die Science-Fiction-Filme Der schweigende Stern (1959) von Kurt Maetzig nach Stanisław Lems Roman Die Astronauten (1951) und Signale – Ein Weltraumabenteuer (1970) von Gottfried Kolditz nach Carlos Raschs Ro­man Asteroidenjäger (1961), der Historienfilm Copernikus (1973) von Ewa Petelska und Czesław Petelski (der Film entstand anlässlich des 500. Geburtstags des Astronomen) sowie Wanda Jakubowskas Begegnung im Zwielicht (1960). Nur der letztgenannte Film hatte einen Bezug zur Gegenwart: Er erzählt die Geschichte einer polnischen Pianistin (und ehemaligen Zwangsarbeiterin), der während einer Tournee durch Westdeutschland bewusst wird, wie gut die Profiteure des NS-Systems leben und wie schlecht die Oppo­sitionellen des Dritten Reichs.

Ostdeutscher Partner der genannten Produktion war die 1946 in Potsdam-Babelsberg gegründete DEFA, die während ihres Bestehens mehr als 700 Spielfilme produzierte. Einige dieser Filme enthielten polnische Motive. 1963 drehte Frank Beyer Nackt unter Wölfen, eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Bruno Apitz aus dem Jahr 1958, dessen Handlung im Konzentrationslager Buchenwald spielt und der gleichsam zum „Gründungsmythos“ der DDR heranwuchs. Der Film bediente ein Bedürfnis der Zeit, zumal nach dem Bau der Berliner Mauer (1961), indem er klar aufzeigte, auf welcher Seite sich die „guten Deutschen“ befanden. Er zeigt die kommunistische Widerstandsbewegung im Lager, in der neben den deutschen Antifaschisten auch Polen ak­tiv sind. Im Mittelpunkt der Handlung steht das Schicksal eines dreijährigen Jungen, dessen Eltern – polnische Juden aus dem Warschauer Ghetto – in Auschwitz vergast werden und den ein polnischer Häftling in einem Koffer ins Lager Buchenwald hinein­schmuggelt. Das Verstecken und der Kampf um das Leben des Jungen symbolisieren den Widerstand und die Hoffnung auf den Sieg über die Nationalsozialisten. In den Schlusssequenzen des Films, die den Aufstand der Häftlinge zeigen, ruft ein polnischer Häftling die Parole zum Kampf gegen die Lagerwachen. In dieser Erzählung von „guten Deutschen“ (Kommunisten) und Polen, die vereint gegen die „bösen Deutschen“ (Fa­schisten) kämpfen, hallt das Echo des alten Stereotyps der polnischen Freiheitskämpfer nach (→ der edle Pole), wobei es diesmal nicht nur um das eigene Volk geht und nicht die „bösen Russen“ die Gegner sind.

Ein ähnliches Schema lässt Christian Steinkes auf einer Novelle von Kurt David (1972) basierender Fernsehfilm Die Überlebende (1975) erkennen. Die Handlung des Films spielt auf zwei Zeitebenen – im Polen der Gegenwart und während des Zweiten Welt­kriegs. Ein DDR-Schriftsteller reist für Recherchen zu einem Buch über eine kleine Partisanengruppe, der neben Polen auch zwei deutsche Antifaschisten angehörten, nach Po­len. Er möchte das einzige Mitglied der Gruppe finden, das den Krieg überlebte – eine Musiklehrerin in Krakau. Sie zeigt dem Schriftsteller die Orte, an denen die Partisanen aktiv waren. Diese Erfahrung weckt Erinnerungen in ihr, unter anderem an die Liebe zu einem deutschen Widerstandskämpfer, der – wie der Rest der Gruppe – in einer von Hitlerleuten in die Luft gesprengten Scheune ums Leben kam. Der Kampf der „guten Deutschen“ an der Seite der Polen und die Liebe der Polin und des deutschen Antifaschisten bilden den Hintergrund der in der Gegenwart angesiedelten Beziehung zwischen der Polin und dem DDR-Bürger, der ein neues, ihm zuvor unbekanntes Bild der Besatzung in Polen bekommt. Als die Produktion in die polnischen Kinos kam, bemerkte der Rezensent von Film umgehend, die Figur des deutschen Schriftstellers besitze „be­stimmte Züge, die dem mentalen Bild des sogenannten anständigen Deutschen aus der Wehrmacht entsprechen“, doch er konstatierte auch, die Darsteller hätten es geschafft, „ein emotionales Bild des Übergangs von Abneigung zu Sympathie“ zu entwerfen (Wiśniewski 1978, S. 7).

Egon Günther drehte 1972 in Krakau einen Film über das Kennenlernen von DDR-Deutschen und Polen. Die Schlüssel ist „ein scharfsinniges Traktat über die schwierige Nachbarschaft“ (Gwóźdź 2015, S. 124). Der Film beginnt mit einer Szene auf dem Warschauer Flughafen, wo ein deutsches Paar ein in den Urlaub aufbrechendes polnisches Ehepaar kennen­lernt und von diesem die Schlüssel zu dessen Krakauer Wohnung erhält. Schon vor der Ankunft in Polen waren die Deutschen überzeugt, dass die Polen „lockerer“ seien. In Krakau sammeln sie weitere Erfahrungen. Die Liste der Eindrücke und Erlebnisse der ostdeutschen Touristen umfasst: Czesław-Niemen-Konzert, Studententage (Juwenalia), Stanislaus-Prozession, Marienkirche, Leninhütte. In der Wohnung ihrer Gastgeber be­trachten die deutschen Gäste Bilder von Jacek Malczewski und hören auf Schallplat­te die deutsche Fassung der Habanera aus George Bizets Oper Carmen (zufällig das Lieblingsstück der deutschen Touristin). Die Polen, denen sie begegnen, erweisen sich als freundlich und sprechen vielfach (mehr oder weniger gut) Deutsch. Aber auch die Deutschen lernen schnell Polnisch. Gerade weil der Film auf ideologische Klischees ver­zichtet, missfiel er den offiziellen Stellen. Die ostdeutsche Zensur verlangte Änderungen (unter anderem wurden eine Szene mit Kardinal Wyszyński und eine Szene vor einer Gedenktafel für die Opfer von NS-Verbrechen geschnitten), und in den DDR-Kinos lief der Film erst mit zwei Jahren Verspätung und nur kurz. In Polen war es ähnlich: Der Film wurde als zu tristes Bild der polnischen Realität eingestuft und kam deshalb nicht in den Vertrieb.

Man kann Günthers Blick auf die Deutschen, die sich in Krakau einem ihnen bis da­hin unbekannten kulturellen Milieu annähern und in diese „lockere Welt“ eintauchen, durchaus als Beitrag zur deutsch-polnischen Verständigung und als „eine der schönsten Brücken zwischen unseren Ländern“ (Gwóźdź/Günther 2013, S. 468) betrachten. Man kann den Film aber auch anders sehen: „Die Krakauer Straße strotzt beispielsweise vor Plakaten zu Veranstaltungen, von denen man in der DDR nur träumen konnte, […] und die Jockeys tauchen im Bild parallel zum rasenden VW-Käfer auf, als wäre dies ein Zitat aus einer englischen Land­schaft“ (Gwóźdź 2015, S. 126). Das von Gwóźdź zitierte Bild wie auch die Niemen-Episode sind „Szenen, die uns der liebe Gott geschenkt hat“, weil sie – wie der Regisseur sagt – „ursprünglich nicht vorgesehen waren“ (Gwóźdź/Günther 2013, S. 470). Sie verliehen der „polnischen Lockerheit“ eine exotische Färbung, die auch an anderen Stellen des Films aufscheint: In einer Szene beschreibt ein deut­scher Journalist die Juwenalia als Kostümparade und Touristenattraktion. Eine ähnliche Aussage hat die Szene in der Marienkirche am Ende der Prozession: Auf der Leinwand sehen wir eine von Weinkrämpfen geschüttelte betende Frau – ein eindeutiger Verweis auf eines der in Deutschland am weitesten verbreiteten Stereotype von Polen, die tiefe Bindung an die katholische Kirche (→ katholischer Pole vs. protestantischer Deutscher). Aufmerksamkeit verdienen auch die Charakterzüge des deutschen Paares, das eine Be­ziehungskrise durchlebt. Der Mann wirft der Frau vor, sie sei faul, sie hält ihm entgegen, er verbrenne sogar alte Dokumente in alphabetischer Reihenfolge. Ihre Haltung ist ein Gegengewicht nicht nur zum Verhalten des Mannes, sondern auch zum deutschen Au­tostereotyp Ordnung muss sein. Nicht von ungefähr ringt sie sich gerade „hier in Polen“ zur diesem Bekenntnis durch, womit sie gleichsam (zumindest leihweise) das mit dem „Polnischen“ verknüpfte Wertekapital übernimmt. Sie lernt mit größerer Begeisterung Polnisch und übernimmt polnische Bräuche (so erwartet sie etwa vom Mann, dass er ihr die Hand küsst); ihr genügen die Betrachtung des Veit-Stoß-Altars und der Prozession, während ihr Partner – wie in Berlin – ins Theater oder in die Philharmonie möchte. Am Ende stirbt die Frau unter den Rädern einer Straßenbahn – womöglich ein Sym­bol dafür, wie gefährlich das „polnische“ Andere sein kann. Selbst wenn die im Film gezeigten Deutschen von dieser „Lockerheit“ – die sich unter anderem in Offenheit, Gastfreundschaft und Einladungen zu Festen manifestiert – sichtbar angetan sind, so bleibt sie doch ein kulturell fremdes Phänomen, akzeptabel allenfalls im Rahmen eines Ferienabenteuers, das überdies tragisch endet.

Für Kontroversen sorgte auch Frank Beyers Der Aufenthalt (1983) nach dem gleichna­migen Roman von Hermann Kant (1976). Ein junger deutscher Kriegsgefangener wird irrtümlich der SS-Mitgliedschaft und des Mordes beschuldigt und in einem Warschauer Gefängnis inhaftiert. Er wird vom Sicherheitsdienst verhört und begegnet offenem Hass seitens eines polnischen Mitgefangenen. Dem Deutschen werden die schwersten Aufga­ben übertragen; bei der Erledigung eines Auftrags bricht er sich den Arm und landet im Krankenhaus. Obwohl der Protagonist später mit fanatischen Nationalsozialisten eine Zelle teilt und sich über das Ausmaß der deutschen Verbrechen klar wird, wurde der Film von polnischer Seite als antipolnisch angesehen, weshalb die DDR-Führung eine Vorführung im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in West-Berlin verhin­derte. Hierbei spielte womöglich das Kriegsrecht in Polen eine Rolle. Als der Film fünf Jahre später in die polnischen Kinos kam, wurde er „als hervorragender Film, der die Anklage des Faschismus mit dem Verständnis für schwierige menschliche Entscheidun­gen verbinden konnte, positiv aufgenommen“ (Zwierzchowski 2015, S. 181).

Nach der Wende 1989/90

Mit der neuen Epoche eröffneten sich Perspektiven für ein besseres Kennenlernen von Polen und Deutschen, auch im Kino. Das zeigt schon die deutlich wachsende Zahl der Koproduktionen. In den Jahren 1991–2020 entstanden etwa 50 Langspielfilme unter Federführung polnischer oder deutscher Produzenten (Für die Hilfe bei der Erstellung der Tabelle (bis 2009) danke ich Joanna Wiśniewska von der Nationalfilmothek (Filmoteka Narodowa) in Warschau. Darüber hinaus habe ich folgende Datenbanken genutzt: filmpolski.pl, filmportal.de, lumiere.obs.coe.int. Nicht berücksichtigt wurden Filme, bei denen Polen oder Deutschland nicht das Hauptproduktionsland waren. Deshalb fehlen u.a. Roman Polańskis Der Pianist (Frankreich-Polen-Deutschland-Großbritannien 2002), Małgorzata Szumowskas Das bessere Leben (Frankreich-Deutschland-Polen 2011) oder Michael Glawoggers Contact-High (Österreich-Deutschland-Polen 2009). Die Tabelle kann aufgrund abweichender Daten, zumal hinsichtlich der Produktionsländer, unvollständig sein. Ein Beispiel dafür ist etwa Jakob Ziemnickis Polnische Ostern (2011) – filmpolski.pl und lumiere.obs.coe.int führen den Film als deutsch-polnische Koproduktion, doch die Angaben auf filmportal.de deuten auf eine rein deutsche Produktion. Filmportal.de erwähnt einige deutsch-polnische Koproduktionen aus dem Jahr 2020, die – möglicherweise wegen Covid-19 – noch nicht in die Kinos kamen und deshalb in der Aufstellung nicht berücksichtigt wurden):

 

Polnischer Titel Deutscher Titel Regie Jahr
Akwarium Aquarium Antoni Krauze 1995
Król olch Der Unhold Volker Schlöndorff 1996
Podróż do śmierci Die Reise in den Tod Wolfgang Panzer 1996
Deszczowy żołnierz Der Soldat aus dem Regen Wiesław Saniewski 1996
Cudze szczęście Unser fremdes Kind Mirosław Bork 1997
Brat naszego Boga Die Farbe des Lebens Krzysztof Zanussi 1997
Bandyta Bastard Maciej Dejczer 1997
Ognisty jeździec Feuerreiter Nina Grosse 1998
Sto minut wakacji Hundert Minuten Ferien Andrzej Maleszka 1999
Weiser Weiser Wojciech Marczewski 2000
Tam, gdzie żyją Eskimosi Wo die Eskimos leben Tomasz Wiszniewski 2001
Julia wraca do domu Julies Reise Agnieszka Holland 2002
Dwie miłości Brücken der Liebe Mirosław Bork 2002
Ono Leben in mir Małgorzata Szumowska 2004
Wróżby kumaka Unkenrufe – Zeit der Versöhnung Robert Gliński 2005
Mistrz Der Meister Piotr Trzaskalski 2005
Strajk. Bohaterka Gdańska Strajk – Die Heldin von Danzig Volker Schlöndorff 2006
Graficiarze Wholetrain Florian Gaag 2006
Futro - Tomasz Drozdowicz 2007
Nadzieja Hope Stanisław Mucha 2007
33 sceny z życia 33 Szenen aus dem Leben Małgorzata Szumowska 2008
Tulpan Tulpan Sergiej Dworcewoj 2008
Nie opuszczaj mnie - Ewa Stankiewicz 2009
Świnki Ich, Tomek Robert Gliński 2009
Weselna polka Hochzeitspolka Lars Jessen 2010
Zimowy ojciec Wintertochter Johannes Schmid 2010
Święta krowa Sommer auf dem Land Radosław Węgrzyn 2010
W ciemności In Darkness Agnieszka Holland 2011
Zdjęcie The Photograph Maciej Adamek 2012
Sieniawka Sieniawka Marcin Malaszczak 2013
Letnie przesilenie Unser letzter Sommer Michał Rogalski 2015
Maria Curie Marie Curie Marie Noëlle 2016
Zud Zud Marta Minorowicz 2016
Pokot Die Spur Agnieszka Holland 2017
Kapitan Der Hauptmann Robert Schwentke 2017
- Whatever happens next Julian Pörksen 2018
Wilkołak Warewolf Adrian Panek 2019
Pod słońce Sunburned Carolina Hellsgård 2019
Śniegu już nigdy nie będzie Der Masseur Małgorzata Szumowska 2020
Dezerter Der Überläufer Florian Gallenberger 2020
Geniusze Adventures of a Mathematician Thorsten Klein 2020

 

Angesichts der Tatsache, dass in vielen (wenngleich nicht allen) Koproduktionen deutsch-polnische Themen angesprochen werden, ist im Folgenden die Staatsangehörig-keit des Regisseurs das entscheidende Kriterium, wenn von der polnischen oder deut­schen Perspektive die Rede ist. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass etwa in den Filmen von Lars Jessen und Johannes Schmid die Zusammenarbeit mit polnischen Part­nern – Przemysław Nowakowski als Ko-Autor des Drehbuchs und Ko-Regisseur von Hochzeitspolka und Mikołaj Pokromski als Ko-Produzent von Wintertochter – maßgeb­lichen Einfluss hatte. Pokromski sorgte etwa dafür, dass das Thema des Verlusts der Hei­mat infolge der Grenzverschiebungen nach dem Krieg (→ Vertreibungen) in Schmids Film um die polnische Sicht ergänzt wurde (die Figur eines Umsiedlers aus Lemberg).

Die polnische Perspektive

In den Jahren 1996–2005 entstanden in Polen 244 Kino-Spielfilme, davon 24 mit Bezug zu deutschen Themen. Das bedeutet einen Anteil von 10 %, also fast zweieinhalb Mal weniger als in der Zeit bis 1995. Von den 24 Filmen mit deutschen Themen behandeln zehn unmittelbar oder mittelbar den Zweiten Weltkrieg – hier beträgt der Anteil 42 %, also nur etwas mehr als halb so viel wie vor 1995 (Król 2012, S. 200). Die wichtigste Tendenz dieser Phase besteht darin, dass das Bild des Deutschen als Feind an Bedeutung verliert, wenngleich sich noch kein neues Bild entwickelt, das die bis dahin überwiegend mit den Deutschen verknüpften Assoziationen ersetzen könnte.

Es gibt Ausnahmen von diesem allgemeinen Befund. Zu ihnen zählt Die Abfahrt von Małgorzata und Piotr Łazarkiewicz (1991). Der Film handelt von zwei Frauen in den Masuren, die in einem Seniorenheim in einem polnischen Umfeld leben, für das sie „be­schissene Deutsche“ sind, wenngleich beide Frauen die nationale Zugehörigkeit als Fra­ge „des Herzens, nicht der Politik“ begreifen (Gwóźdź 2005, S. 314). Die Masuren spielen auch bei Mirosław Bork eine große Rolle, einem aus der Kaschubei stammenden Regisseur, der gekonnt mit deutsch-polnischen Stereotypen arbeitet. In seinem 1997 entstandenen Film Unser fremdes Kind (das Drehbuch schrieb Bork gemeinsam mit Hans-Werner Honert, Regis­seur und Produzent der populären deutschen Krimireihen Polizeiruf 110 und Tatort) zeigt er zwei Paare (ein deutsches und ein polnisches), die erfahren, dass aufgrund einer Verwechslung in einem Danziger Krankenhaus ihre achtjährigen Söhne nicht ihre bio­logischen Kinder sind. Der psychologische Schock der Eltern verknüpft sich mit einem Kulturschock – die polnische Familie erfährt, dass sie acht Jahre lang einen „biologi­schen“ Deutschen aufgezogen hat, der deutschen Familie ergeht es unter umgekehrten Vorzeichen ebenso. Das zwingt beide Paare zu einer Revision ihrer bisherigen Ansichten, zum gegenseitigen Kennenlernen und Verstehen und letztlich zu der Erkenntnis, dass die Nationalität dem Empfinden gegenüber sekundär und zufällig ist – niemand ent­scheidet schließlich selbst, wo er geboren wird. Das einzige verbindliche Gesetz ist das Gesetz der Liebe, das viel wichtiger ist als biologisch-ethnische Aspekte.

Diesen Gedanken entwickelt Bork in Brücken der Liebe (2002) auf Basis des Drehbuchs der deutschen Autorin Marlis Ewald weiter. Der Film zeigt die entstehende Liebe zwi­schen einer in die Masuren reisenden deutschen Journalistin und einem polnischen Fo­tografen. Von großem Einfühlungsvermögen zeugt auch die Darstellung der mitreisen­den Großmutter der Deutschen, die bis 1945 in den Masuren lebte. Die Rückkehr in die alte Heimat lässt verschüttete Erinnerungen aufleben, unter anderem an den Geliebten, dessen Spur sich nach der Einberufung in die Wehrmacht 1943 verloren hat. Wie sich herausstellt, wollte er sich nach der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft ein neues Leben aufbauen, Mitte der 1980er Jahre ist er nach Hamburg gezogen. Geblieben ist ihm aber die Sehnsucht nach den Masuren, wo er sich schließlich niedergelassen hat, um kurz vor dem Tod seine alte Liebe wiederzusehen – die Großmutter der deutschen Journalistin. Die Konstruktion der Geschichte ermöglicht es Bork, nicht nur von einer Liebe über Staatsgrenzen hinweg zu erzählen, sondern auch von der Sehnsucht nach einer Heimat, in der sich die Schicksale mehrerer Völker verflechten. Der Film ist ein seltenes Beispiel für einen empathischen Blick auf die Problematik des Heimatverlustes von Deutschen und Polen. Das Verstehen der Geschichte trägt zum Brückenbau zwi­schen Polen und Deutschland bei (was der deutsche Filmtitel unterstreicht) – ähnlich wie das Spiel mit Stereotypen. In die Masuren fährt die Journalistin mit dem Auto ihrer Großmutter, weil ihres zuvor in Erfurt gestohlen wurde. Im Hintergrund tritt ein „böser“ Deutscher auf: der karrierebesessene Verlobte der Protagonistin, für den die Ehe vor allem ein Steuersparmodell ist. Wenn er in die Masuren kommt, um seine Verlobte „zurückzuholen“, wirkt er wie ein Eindringling, der das Glück der beiden Hauptfiguren und die Harmonie des Ortes zerstören will.

Über Robert Glińskis Unkenrufe (2005), die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Günter Grass (1992), schreibt Kamila Żyto: „Der Zufall lenkt die Geschicke der Haupt­figuren und zwingt sie dazu, sich einander zu stellen, Vorurteile und Animositäten zu überwinden und sogar die zerstrittenen Völker zur Versöhnung zu führen“ (Żyto 2007, S. 169). Der Film spielt 1989 in Gdańsk, Hauptfiguren sind ein deutscher Professor und eine polnische Konservatorin, die nicht nur die Liebe verbindet, sondern auch ein gemeinsames Inter­esse (Kunstgeschichte), der Heimatverlust infolge der Grenzverschiebungen nach dem Krieg (der Deutsche ist gebürtiger Danziger, die Polin kam in Wilna zur Welt) sowie die Zugehörigkeit zu ähnlichen Jugendorganisationen (Hitlerjugend und die kommu­nistische Jugendorganisation ZMP, obwohl dieses Motiv bei Grass nicht vorkommt). Sie kommen auf die Idee, eine polnisch-litauisch-deutsche Friedhofsgesellschaft zu gründen (letztlich wird es eine polnisch-deutsche) und einen Versöhnungsfriedhof zu errichten, auf dem in Danzig geborene Deutsche ihre letzte Ruhe finden können. Das Angebot, diesen Film zu drehen, erhielt Gliński von deutscher Seite, weil Grass keinen deutschen Regisseur wollte. Grass las verschiedene Fassungen des Drehbuchs (das Resultat der Zu­sammenarbeit deutscher und polnischer Autoren: Cezary Harasimowicz, Paweł Huelle und Klaus Richter) und bestimmte, welche Motive und Handlungsstränge ihm wichtig waren und im Film vorkommen sollten.

Der Film arbeitet selbstverständlich mit polnischen und deutschen Stereotypen, wobei das Liebespaar, das die tradierten Muster und Vorurteile überwindet, vor dem Hinter­grund der übrigen, in stereotypen Rollen agierenden Figuren eine Ausnahme darstellt. Die Tochter des Professors versteht die Ehe als Vermögensgemeinschaft, die polnischen Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft sind eigennützig und streitsüchtig, deut­sche Unternehmer erscheinen als kalte Kapitalisten oder gar Kolonisatoren, die aus dem Versöhnungsfriedhof eine profitorientierte Siedlung für deutsche Senioren machen. Wenngleich Unkenrufe in der Darstellung der deutsch-polnischen Beziehungen Mut beweist, ist der Film doch nicht frei von bitterer Skepsis, zumal angesichts des tragischen Finales. Der Unfalltod des Liebespaares lässt sich (wie schon in der literarischen Vorlage) im Kontext des deutschen Stereotyps der schönen, für den Deutschen faszinierenden wie gefährlichen und letztlich ins Verderben führenden Polin begreifen (→ die schöne Polin).

Unter den Filmen, die sich dem „Narrativ der Versöhnung“ zuordnen lassen, ist unter dem Aspekt des Umgangs mit Stereotypen auch Konrad Szołajskis schwarze Komödie Kop głębiej [Tiefer graben, 2011] interessant, deren Drehbuch der Regisseur zusammen mit dem deutschen Dramatiker Fred Apke verfasste. Der grotesk-makabre Film entblößt die polnische Provinzialität und dekonstruiert deutsch-polnische Stereotype durch ab­surde Übertreibung. Die Handlung spielt auf einem heruntergekommenen masurischen Bauernhof, auf dem eines Tages der Vorkriegseigentümer mit seinem Enkel auftaucht, um im Garten die Gebeine seiner (von sowjetischen Soldaten erschossenen Eltern) aus­zugraben und sie würdig zu bestatten. Weil die polnischen Bauern die Überreste schon vor Jahren in einen See geworfen haben, kommen sie auf die Idee, vom nahen Fried­hof Knochen „auszuleihen“. Es gelingt ihnen aber nicht, sie rechtzeitig an der richtigen Stelle zu vergraben. Die Deutschen stoßen auf zwei Schädel, die sie für die Überreste ihrer Vorfahren halten. An der Fundstelle wird eine Kapelle der Muttergottes der Ver­söhnung errichtet, die der örtliche Priester weiht und vor der Deutsche und Polen ge­meinsam beten. Wie in einem Zerrspiegel zeigt der Regisseur die → polnische Wirtschaft: das vernachlässigte Bauernhaus (abbröckelnder Putz, schmutzige Wände mit Wasserfle­cken, eine defekte Vorkriegsuhr, ein Staubsaugerrohr als Verständigungskanal zwischen Erd- und Obergeschoss, unverputzte Ziegelwände im Wohnzimmer, eine herabfallende Regenrinne, das löchrige Dach), den von Gestrüpp überwucherten Vorkriegsfriedhof mit zertrümmerten Grabsteinen und die Bigotterie (die große Marienstatue, vor der die Familienälteste ganze Tage verbringt). Auf ebenso stereotype Weise wird der alte Deutsche gezeichnet, der in Arbeitshosen bis auf den Zentimeter ausmisst, wo seine Eltern begraben wurden, und der den polnischen Gastgebern als Gastgeschenk einen Gartenzwerg überreicht.

Während aber in den Filmen aus der Zeit der Volksrepublik die Polen die Deutschen an der Nase herumführen, verläuft die Trennlinie bei Szołajski anders. Die Wahrheit über die ausgegrabenen Schädel (neben den Notizen in russischer Sprache gefunden) finden erst die Enkel (ein Deutscher und eine Polin) heraus. Sie behalten ihre Entdeckung aber für sich. Während die ältere Generation sich symbolisch vor der Kapelle versöhnt und knieend Maryjo, królowo Polski [Maria, Königin Polens] singt, geben sich die jungen Leute in einem nahegelegenden Schuppen der Leidenschaft hin. Der Regisseur zeigt die beiden Szenen in Synchron-Montage, der Film endet mit einer Einstellung auf die Enkel, die zum Kontrast mit den Klängen des religiösen Liedes unterlegt wird. Auf diese Weise werden nicht nur die Unterschiede zwischen den Generationen, sondern auch die eher kitschige offizielle (durch die Autorität der Kirche sanktionierte) und die private Dimension der deutsch-polnischen Beziehungen veranschaulicht.

Die filmischen „Versöhnungserzählungen“ sind meist in den einstmals deutschen Gebie­ten angesiedelt (→ das einstmals Deutsche), die als Bindeglied zwischen polnischer und deutscher kultureller Identität fungieren. Die Handlung von Die Abfahrt, Unser fremdes Kind, Brücken der Liebe, Unkenrufe und Tiefer graben spielt in den Masuren oder in Gdańsk. Wojciech Marczewski verlegt die Handlung seines Films Weiser (2000), einer Adaption eines „Danziger“ Romans von Paweł Huelle (1987), nach Wrocław und Nie­derschlesien. Auch hier wird ein deutsch-polnisches Paar gezeigt. Eine Deutsche kommt nach Wrocław zu ihrem dort lebenden Freund, den sie in Hamburg kennengelernt hat. Aus Liebe ist sie bereit, in Polen zu arbeiten und zu leben. Die Beziehung ist aber nicht von Dauer, was durch einen Streit im Taxi gleich nach ihrer Ankunft angedeutet wird, als der Mann Deutschland, Deutschland über alles anstimmt und damit seinen (antideut­schen) Ressentiments Ausdruck verleiht.

Im Gegensatz zu den einstmals deutschen Gebieten ist Deutschland selten Handlungs­ort polnischer Spielfilme. Eine Ausnahme bilden die Filme von Mirosław Bork – Unser fremdes Kind spielt teilweise in Dresden, Brücken der Liebe teils in Erfurt. Ins Auge fällt vor diesem Hintergrund auch Wiesław Saniewskis Der Fremde muß fliegen – Berlin Bres­lauer Platz (1993), der von den Schicksalen polnischer Emigranten in Berlin nach dem Mauerfall erzählt. Der Regisseur zeigt in diesem Film „sympathische deutsche Nach­barn, die er […] mit bestimmten polnischen Untugenden ‚ausstattet‘“ (Czerkawski/Saniewski 2013, S. 479). Diese bilden aber eine Ausnahme unter den übrigen Einwohnern Berlins. Symptomatisch ist eine Sequenz, die während der Fußballweltmeisterschaft spielt. Zu Bildern der nächtlichen Leidenschaft eines polnischen Paares hört man von der Straße den Jubel deutscher Fans über ein Tor ihrer Mannschaft. Der Mann schließt das Fenster und kommentiert ver­ärgert: „Deutschland, Deutschland über alles“. In einer anderen Szene lässt er sich von einem Polen in einem vor dem Haus parkenden „Maluch“ (polnischer Fiat 500) Feuer geben und geht – an einer Wand mit dem Schriftzug „NAZIS“ vorbei – zur Hauptstra­ße, um den Autokorso der jubelnden Fußballfans zu beobachten, die schwarz-rot-golde­ne (die heutigen Nationalfarben Deutschlands) und schwarz-weiß-rote (die NS-Farben der Jahre 1933–1945) Fahnen schwenken. Kurz darauf taucht neben dem „Maluch“ ein an den Krieg erinnerndes Motorrad mit Beiwagen und schwarz-weiß-roter Flagge auf. Fahrer und Beifahrer demolieren mit Baseballschlägern das polnische Auto. Die Kamera schwenkt auf einen nahen Balkon, auf dem ein Zuschauer lauten Applaus spen­det, der beim Rückschwenk auf den zerstörten „Maluch“ in den Klang marschierender Soldatenstiefel übergeht. Wie in einem Brennglas veranschaulicht diese Sequenz das historische Erbe des heutigen Deutschland und die mit diesem zusammenhängenden Gefahren. Zur Vervollständigung des Bildes zeigt der Regisseur eine Szene, in der pol­nische Skinheads in einem Zug von Berlin nach Warschau einen Deutsch sprechenden Polen (den sie in ihrem Hass für einen Deutschen halten) zusammenschlagen und aus dem fahrenden Waggon werfen.

Das Motiv des feindlichen Deutschen bleibt also im polnischen Kino präsent. Piotr Mularuks Yuma (Polen-Tschechien 2012, der Titel verweist auf das umgangssprach­liche polnische Wort ‚jumać’ [stehlen]) befasst sich mit dem Treiben polnischer Diebe in deutsch-polnischen Grenzstädten während der 1990er Jahre. Die Mutter einer Figur rechtfertigt die Diebstähle: „Du hast doch nie etwas gestohlen, das wurde alles nur den Deutschen weggenommen.“ Robert Glińskis ebenfalls an der deutsch-polnischen Gren­ze spielender Film Ich, Tomek (2009) reaktiviert in Gestalt reicher deutscher Pädophiler, die polnische Jungen missbrauchen, das Stereotyp des Deutschen als Räuber und Mör­der (einer der Jungen wird brutal ermordet). Die Dichotomie von „Reichtum“ und „Ar­mut“ betrifft nicht nur ungerechte soziale Verhältnisse, sondern evoziert zugleich auch die im polnischen kollektiven Gedächtnis präsente Opposition „Unterdrücker“ versus „Unterdrückte“, die auf die Bilder der „Teilungsmacht“, des „Kreuzritters“ und des „Hit­lerdeutschen“ verweist. Glińskis verknüpft diesen Diskurs mit den Gefahren, die aus der europäischen Integration resultieren, weil durch die Abschaffung der Grenzkontrollen Diebesbanden ungehindert über Ländergrenzen hinweg agieren können. Sinnbildlich ist hier der Kontrast zwischen der Berliner Love-Parade und dem Fischfest in Lednica, das als Hort der polnischen katholischen Moral gegenüber dem „verdorbenen Westen“ erscheint.

Im Kontext des Bilds vom „bösen Deutschen“ sind insbesondere Kriegsfilme interessant. Alte Ressentiments erneuert etwa Patryk Vega in der Serienfortsetzung Hans Kloss. Stawka większa niż śmierć [Hans Kloss – Spion zwischen den Fronten, 2012], die auf hohe Zuschauerzahlen abzielte (neben der Kinoversion wurde eine fünfteilige TV-Fassung produziert), Der Film lockte 210.000 BesucherInnen in die Kinos, doch waren an­dere Produktionen mit Kriegsthematik 2012 noch erfolgreicher: Agnieszka Hollands In Darkness (1.181.000 ZuschauerInnen), Wojciech Smarzowskis Róża [Rose, 2011, 429.000], Władysław Pasikowskis Pokłosie [Nachwirkungen, 2012, 308.000] und Mar­cin Kryształowiczs Obława [Die Menschenjagd, 2012, 211.000]. Die charakteristische Gemeinsamkeit dieser Produktionen – ausgenommen Hollands Film über einen Polen, der Juden aus dem Ghetto rettet – besteht in der Entmythisierung der polnischen Ge­schichte und der Abrechnung mit dem nationalen Märtyrertum. Auch wenn die Filme weit davon entfernt sind, „gute Deutsche“ zu zeigen, wie es etwa Steven Spielberg in Schindlers Liste [Schindler’s List, USA 1993] oder Roman Polański in Der Pianist [The Pianist, Frankreich-Polen-Deutschland-Großbritannien 2002] tun, verändert sich doch sukzessive das Bild des Deutschen. In Die Menschenjagd gibt es einen Heimatarmee- Soldaten, der kaltblütig tötet, denn „Befehl ist Befehl“ (nach dieser Maxime handeln üblicherweise die Deutschen). Mit einem SS-Mann, der ebenso aus Schlesien stammt wie er, erinnert er sich an schlesische Vorkriegsfußballer, bevor er das Todesurteil der Untergrundregierung an ihm vollstreckt. Rose wiederum, die Geschichte der Liebe zwischen einer autochthonen Masurin (Witwe eines Wehrmachtssoldaten) und einem Heimatarmee-Soldaten, macht den ZuschauerInnen bewusst, dass „das heutige Polen auf Unrecht, Gewalt und ethnischem Hass gegründet ist. Und dass wir nicht immer die alles rechtfertigende Opferrolle innehatten“ (Anita Piotrowska, Rozminowywanie, in: Tygodnik Powszechny vom 31.1.2012). Erwähnenswert ist unter diesem Aspekt auch Michał Rogalskis Koproduktion Unser letzter Sommer (2015), deren Handlung 1943 im besetzten Polen spielt: „Es gibt einen guten Deutschen, einen bösen Deutschen und einige komische Deutsche; es gibt gute und böse Polen“, wenngleich die Kritikerin zurecht anmerkt, der Film sei allzu sehr geglättet worden: „Die interessante Ausgangs­idee fiel übergroßer Vorsicht zum Opfer – man wollte sowohl polnische als auch deut­sche Erwartungen erfüllen und keine Seite verletzen“ (Saryusz-Wolska 2016).

Die deutsche Perspektive

Zwischen ostdeutschen und westdeutschen Bundesländern lag eine wirtschaftliche und infrastrukturelle Kluft, zu deren Überwindung die Bundesrepublik bis 2009 insgesamt 1,6 Billionen Euro aufwendete. Die Bildung einer deutschen Identität nach der Wie­dervereinigung war jedoch nicht nur ein deutsch-deutscher Prozess, auch die deutsch-polnische Grenze spielte dabei eine Rolle: „Man könnte meinen, in Deutschland habe man die Grenze als Ende der Zivilisation betrachtet, hinter der sich ein Abgrund auf­tue – Polen als finsterer Hort der Rückständigkeit, Anarchie und moralischen Verkom­menheit. Die Verbreitung dieses Bildes implizierte letztlich die Aussage, dass angesichts des entlang der deutsch-polnischen Grenze verlaufenden kulturellen Grabens alle inner­deutschen Differenzen verblassen“ (Kopp 2012, S. 282f.). Die entsprechenden Vorstellungen manifestieren sich in den 1990er Jahren in zahlreichen deutschen Filmen, die das Motiv der polni­schen Kriminalität aufgreifen. In Michael Kliers Ostkreuz (1991) und Helke Misselwitz’ Engelchen (1996) geht die Gefahr von polnischen Betrügern in Berlin aus, in Kaspar Heidelbachs Polski Crash (1993) und Oskar Roehlers Silvester countdown (1997) werden deutsche Polenreisende zu Opfern von Verbrechen oder geraten in die Fänge mafiöser Organisationen. Mit der Zeit wandelte sich aber das Bild Polens und der Polen in deut­schen Produktionen. Hans Christian Schmids auf beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze spielender Film Lichter (2003) zeigt zwar das niedrigere Wohlstandsniveau in Polen, aber er deutet auch das Potenzial einer fruchtbaren Zusammenarbeit nach dem polnischen EU-Beitritt an.

Deutsche Filme von Anfang des 21. Jhs. lassen ein wachsendes Interesse an Polen erken­nen: Polnische Figuren werden in der deutschen Wirklichkeit gezeigt, sie bringen Ret­tung und lösen die Probleme der Deutschen. Oder aber deutsche Figuren dringen in den – in der Regel als märchenhaft „Phantasie vom Wilden Westen (oder besser Osten)“ – dargestellten polnischen Raum vor und suchen dort „individuelle Befreiung“ (Kopp 2012, S. 286). Eine gute Illustration des ersten Trends ist Michael Gutmanns Film Herz im Kopf (2002), der von der erwachenden Liebe zwischen einem jungen Deutschen und einem polnischen Au-pair-mädchen handelt. Ein anderes Beispiel ist Franziska Meletzkys Film Nachba­rinnen (2004) über die Freundschaft einer einsamen Deutschen und einer polnischen Kellnerin. In Sabine Michels Nimm dir dein Leben (2005) wiederum erfährt ein junger Deutscher vom Land in der Begegnung mit einer jungen Polin zum ersten Mal, was Liebe ist. Zur zweiten Gruppe zählt Kristin Kopp Henner Wincklers Film Klassenfahrt (2002), in dem eine deutsche Schulklasse in eine Kleinstadt an der polnischen Küste reist, Jan Krügers Unterwegs (2004), dessen Hauptfiguren aus Abenteuerlust ebenfalls nach Polen ans Meer fahren, und Christoph Hochhäuslers Milchwald (2003), eine Tra­vestie des Märchens von Hänsel und Gretel, in der ein Geschwisterpaar auf der pol­nischen Seite der Grenze in einem Wald ausgesetzt wird. Hochhäusler verknüpft die „doppelte räumliche Ordnung des Märchens (die vertraute Alltagswelt versus den magi­schen Raum des Waldes) mit der gegenwärtigen Aufteilung in den sicheren und reichen Westen und den armen und gefährlichen Osten“ (Kopp 2012, S. 279).

Polen als Land des Märchenhaften ist auch später ein Motiv deutscher Filme. In Monika Wojtyłłos Polska Love Serenade (2008) zwinkert der Papst von einem Bild, ein Auto fährt ohne Batterie und der Mobilfunkempfang kommt und verschwindet in den unerwar­tetsten Momenten. In Jakob Ziemnickis Polnische Ostern (2011) wird ein Auto wegen zu niedriger Geschwindigkeit von der Polizei angehalten, die Bewohner eines Hauses waschen sich an Gründonnerstag gegenseitig die Füße, eine Taufe findet im Haus der Familie über einer Wasserschüssel statt. In Lars Jessens Hochzeitspolka (2010) holt die Braut vor der Trauung den Rat eines Indianers ein, Deutsche retten sich durch Flucht von einer polnischen Hochzeit, das von ihnen gesteuerte Auto landet in einem Fluss. Die polnische Anders- und Fremdartigkeit ist ein zentrales Motiv dieser Filme, doch am Ende entwickeln die Protagonisten Sympathie für Polen. Die jungen Deutschen in Polska Love Serenade beschließen nach einem erlebnisreichen Weihnachtfest, auch Silvester in Polen zu verbringen; der deutsche Atheist in Polnische Ostern akzeptiert, dass seine Enkelin bei ihrem polnischen Vater in Częstochowa leben wird statt im kom­fortablen Haus des Großvaters in Deutschland; der deutsche Direktor in Hochzeitspolka entscheidet sich nach einigen Verwicklungen auf der eigenen Hochzeit und trotz man­cher Zweifel letztlich – angesichts der Liebe (zu) seiner Frau – für ein Leben in Polen. Die genannten Filme stehen für einen neuen Zugang zum Thema des „Wilden Ostens“ – den Versuch der Aneignung und Akzeptanz, oft in komödiantischer Form. Radosław Węgrzyns Koproduktion Sommer auf dem Land (2010) zeichnet das Bild einer länd­lichen Idylle, in der die verstorbene Ehefrau der Hauptfigur in Gestalt einer wunder­samen Kuh wiedergeboren wird. „Die Burleske des HFF-Potsdam-Absolventen strotzt vor Klischees über das vormoderne, skurrile Dorfleben in Polen und vor Schematismen des Figurenensembles bis an die Grenze zum Kalauer“ (Wach 2015, S. 41). Die Regisseure einiger der an­gesprochenen Filme haben einen polnischen Migrationshintergrund, was ihr Interesse an „polnischen“ Themen erklären kann: Monika Wojtyłło wurde in Wrocław geboren (1977), Jakob Ziemnicki (1975) und Radosław Węgrzyn (1977) in Gdańsk.

Die deutschen Filmemacher gehen auch andere Wege, indem sie unter anderem versu­chen, das Nachbarland zu erkunden. Dies ist vorrangig eine Domäne der Dokumentar­filmer, doch auch im Spielfilm finden sich entsprechende Ansätze. Robert Thalheims Am Ende kommen Touristen (2007) erzählt von einem jungen Deutschen, der seinen Ersatzdienst in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim leistet, wo er sich um einen ehemaligen Häftling des Konzentrationslagers Auschwitz kümmert und – mit Hilfe einer einheimischen Fremdenführerin, in die er sich verliebt – das Leben der Stadtbewohner kennenlernt. Der Film basiert auf persönlichen Erfahrungen des Regisseurs, der Ende der 1990er Jahre als Freiwilliger in Oświęcim arbeitete. Thalheim konfrontiert den deutschen Protagonisten mit der Erinnerung an den → Holocaust, doch im Mittelpunkt seiner Geschichte steht der polnische Zeitzeuge. Eine solche Fokussierung auf die polnischen Kriegsopfer ist im deutschen Kino eine Ausnahme. Im Film prallen verschiedene Erinnerungen aufeinander, nicht nur polnische und deutsche, sondern auch die Erinnerungen unterschiedlicher Generationen. In einer Szene erzählt der polnische ehemalige KZ-Häftling deutschen Jugendlichen von seinem Aufenthalt in Auschwitz. Anschließend fragt eine Schülerin, was die Gefangenen aßen, ein anderer Schüler möchte die in den Unterarm eintätowierte Häftlingsnummer sehen und kom­mentiert, sie sei etwas verblasst. Andererseits blendet der Film die Gegenwart keineswegs aus: „Die Deutschen bei Thalheim sind außerordentlich ernst – die Erinnerung an die eigene Schuld erlaubt ihnen nicht, sich von der Überzeugung zu befreien, dass sie zu Tätern des, wie Sven sagt, ‚größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte‘ wurden; für die dort lebenden Polen ist Oświęcim eine gewöhnliche Stadt, in der sie arbeiten, sich vergnügen, sich verlieben, über die sie Witze machen und aus der sie letztlich fliehen möchten, allerdings nicht wegen der Vergangenheit, sondern wegen der Zukunft oder vielmehr ihres Fehlens“ (Fiuk 2012, S. 39).

Ein „Generationenfilm“ ist auch Johannes Schmids Wintertochter (2010). Hauptfiguren sind zwei Berlinerinnen, die 12-jährige Kattaka und ihre 75-jährige Nachbarin, die auf der Suche nach der eigenen Identität nach Szczecin, Gdańsk und in die Masuren rei­sen. Das Mädchen will ihren biologischen Vater – einen russischen Seemann – finden, dessen Schiff im Szczeciner Hafen ankert, die alte Frau kehrt ins Land ihrer Kindheit zurück, aus dem sie im Winter 1945 vor der Roten Armee fliehen musste – damals verlor sie ihre Mutter, die es nicht auf das Flüchtlingsschiff schaffte. Die Reise der bei­den Frauen, die einander in der Konfrontation mit den eigenen Traumata beistehen, steht symbolisch nicht nur für das Verhältnis zwischen der Kriegsgeneration und der Generation der Enkel, sondern auch für die grenzübergreifende Dimension derartiger Begegnungen. Unterwegs treffen Kattaka und ihre Begleiterin den 13-jährigen Waldek (der als Reiseführer durch Polen fungiert) und dessen Großvater (einen Flüchtling aus Lemberg, der wegen der Ähnlichkeit ihrer Schicksale die alte Deutsche verstehen kann) sowie ein altes Ehepaar aus einem Dorf bei Olsztyn (beide ehemalige Zwangsarbeiter). Im Haus der alten Masuren sitzen drei Polen (die Gastgeber und Waldek) und drei Deutsche (neben Kattaka und ihrer Nachbarin noch ein Freund des Mädchens, der die Frauen auf der Reise begleitet) an einem Tisch: drei Vertreter der Kriegsgeneration und drei Kinder (in beiden Fällen jeweils Polen und Deutsche). Diese Konfrontation führt im Falle der Alten zu einer schwierigen Versöhnung, für die Kinder bildet sie den Be­ginn einer Freundschaft.

Angesichts des Interesses deutscher Filmemacher für Polen stellt sich die Frage nach ihrem Umgang mit Stereotypen. Es finden sich Versuche einer Revision, oft über das bewährte Mittel des Rollentauschs. So stehlen in Hochzeitspolka Deutsche ein Auto und erscheinen mit ihrem eigenen Schnaps auf der polnischen Hochzeit. In Wintertochter und Polska Love Serenade reisen die deutschen Figuren in kaputten Autos, in letztge­nanntem Film versucht eine Deutsche (entgegen dem Stereotyp der deutschen Redlich­keit als einer Variante des Ordnung muss sein), ihr altes Auto in Polen „loszuwerden“, um Geld von der Versicherung zu erschleichen.

Die Diskrepanz zwischen dem entwickelten Westen und dem (wirtschaftlich und men­tal) rückständigen Osten bleibt in den deutschen Produktionen präsent. In Milchwald, einem Paradebeispiel, werden die Unterschiede nicht nur auf der Erzählebene thema­tisiert, sondern auch durch die Schnittmontage von Bildern der „Zivilisation“ (auf der deutschen Seite) und des „Waldes“ (auf der polnischen Seite), durch die Ausgestaltung der Wohnorte der Figuren – eine schöne Villa und ein obskures Hotel – oder durch kon­trastierende Bilder von Badezimmern und Autos konstruiert. Der Hauptgrund dafür, dass der deutsche Großvater in Polnische Ostern seine Enkelin nach dem Unfalltod der Mutter nicht bei ihrem polnischen Vater aufwachsen lassen möchte, sind die ökonomi­schen Lebensbedingungen in einer Tschenstochauer Plattenbausiedlung. Am Ende baut – mit seiner finanziellen Unterstützung – die polnische Familie ein Haus und beweist damit, dass sie den Bedürfnissen des Kindes gerecht werden kann. Der Deutsche repa­riert auch das seit Jahren defekte Licht in der Tschenstochauer Wohnung (was der Pole zuvor nicht hinbekam). Der deutsche Unternehmer in Hochzeitspolka ist ein einfacher Mann, der in seinem Land keine Chance auf sozialen Aufstieg hätte. Seine Situation ändert sich grundlegend, als er Direktor einer deutschen Fabrik in einem kleinen polni­schen Ort wird. Charakteristisch ist, dass in deutschen Film häufiger polnische Dörfer und Kleinstädte dargestellt werden als Großstädte. Eine Ausnahme bildet Gdańsk: Die ProtagonistInnen von Wintertochter kommen auf ihrer Reise durch die Stadt, Volker Schlöndorff setzt in seinem Film Strajk – die Heldin von Danzig (2006) der Danziger Werft – Wiege der „Solidarność“ – ein Denkmal. Die polnischen Kleinstädte erscheinen als überaus rückständig: Częstochowa steht in Polnische Ostern für den polnischen Ka­tholizismus, Oświęcim erscheint in Am Ende kommen Touristen als Ort ohne Zukunft, Wałbrzych ist in Emily Atefs Molly’s Way (2006) ein Relikt aus kommunistischer Zeit und Sinnbild für das abgehängte „Polen B“.

Die gezeigte wirtschaftliche Rückständigkeit Polens verbindet sich mit einer „anachro­nistischen“ Mentalität, die durch den Katholizismus und Konservatismus sowie die Exotik ihrer Bewohner unterstrichen wird. In Milchwald stoßen die Kinder zu ihrer Verwunderung aus dem polnischen „Wald“ auf eine Prozession. Ihre Reaktion deutet darauf hin, dass es die erste ist, die sie in ihrem Leben sehen. Der Eindruck wird durch die Kameraführung verstärkt, die sich mehr auf die Verhaltensweisen der Menschen als auf die sakralen Objekte konzentriert. Der nicht allzu aufgeweckte Ingenieur Krukow­ski in Michael Schorrs Film Schröders wunderbare Welt (2006) hat am Monitor seines Computers ein Bild von Johannes Paul II. und betet vor jeder Mahlzeit. Eine Szene, in der Krukowski und seine Frau zwischen religiösen Objekten (ein großes Bild der Mut­tergottes mit Kind, eine Marienfigur und ein Foto des Papstes) am Mittagstisch sitzen, kontrastiert die oberflächliche Frömmigkeit mit der düsteren Atmosphäre zwischen den Figuren, die während der gemeinsamen Mahlzeit kein einziges Wort wechseln. Nach dem Kontrastprinzip ist auch die Szene der Trauung von Gosia und Frieder in Hoch­zeitspolka konzipiert: Während der Zeremonie stürzen vier Freunde des Bräutigams in die Kirche und parodieren die Melodie des von den Gläubigen gesungenen Liedes. Der Deutsche, der den Freunden die (ihnen offensichtlich nicht bewusste) Unangemessen­heit ihres Verhaltens erklärt, kann zu den in einer Kirche geltenden Regeln nur sagen, dass sie für Menschen wichtig sind, die ihm am Herzen liegen. Nicht von ungefähr spielt auch die Handlung von Polnische Ostern und Polska Love Serenade an den wichtigs­ten polnischen Feiertagen – im erstgenannten Film, in dem ein deutscher Atheist nach Częstochowa kommt, zudem noch im „geistigen Herzen“ Polens.

Die Motive, vermittels derer die Nähe zwischen Deutschen und Polen illustriert werden soll, sind Kinderfreundschaften (etwa in Wintertochter) und deutsch-polnische Partner­schaftsbeziehungen (→ deutsch-polnische Ehen). Ins Auge fällt demgegenüber fast das völlige Fehlen positiver polnischer Männerfiguren im deutschen Film. Darin reflektiert sich die stereotype Wahrnehmung polnischer Frauen und Männer in Deutschland. Das Bild der bezaubernden, aber nicht für dauerhafte Beziehungen prädestinierten → schö­nen Polin entwickelt sich weiter (in Hochzeitspolka entscheidet sich der Deutsche für eine Zukunft in Polen und an der Seite einer Polin), kaum aber das Bild des polnischen Man­nes. Symptomatisch ist in diesem Kontext insbesondere Schlöndorffs Strajk, der die Fi­gur der Agnieszka (deren historisches Vorbild Anna Walentynowicz ist) ins Zentrum der Ereignisse im August 1980 stellt und den ungeschickten Lech (nach dem Vorbild Lech Wałęsas) in den Schatten rückt. „Damit destruiert der Film einerseits eine Genealogie männlicher Helden, die mit der polnischen Romantik begonnen hat, und anderseits modifiziert er den Mythos der Matka Polka“ (Schahadat 2011, S. 230). Umso erwähnenswerter ist vor diesem Hintergrund die deutsch-dänische Koproduktion Giraffe (2019), in der eine in Berlin lebende Dänin im Zusammenhang mit dem Bau eines Tunnels zwischen Deutschland und Dänemark in ihre Heimat zurückkehrt und eine Liebesbeziehung mit einem dort arbeitenden Polen beginnt. Dass die Handlung zwischen Deutschland und Dänemark spielt, ist kein Zufall, denn die Regisseurin des Films, die Dänin Anna Sofie Hart­mann, lebt in Berlin. Ihr Film behandelt die Problematik von Migration und Identität im modernen Europa. Einige Nebenrollen wurden mit echten Arbeitsmigranten aus Polen besetzt. Hartmann sagt über sie: „Und sie wissen, welche Vorurteile es gegenüber Arbeiter*innen aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern in Dänemark gibt, des­halb waren sie sehr sensibel und vorsichtig in Bezug auf die Art und Weise, wie sie im Film dargestellt werden“ ( https://grandfilm.de/wp-content/uploads/2020/01/Pressemappe-GIRAFFE.pdf, 15.4.2021). Die Darstellung der polnischen Figuren in Giraffe zeugt vom Einfühlungsvermögen der Regisseurin. Zugleich zeigt der Film, wie ein von MigrantIn­nen in Deutschland geschaffenes Kino Stereotypen dekonstruieren kann.

Schluss

Die Instrumentalisierung des Bildes des Deutschen in der Nachkriegszeit führte im Kino der Volksrepublik Polen zu einer dominanten Stellung des Bildes vom „bösen Deut­schen“. Im ost- und westdeutschen Kino wurden nur selten polnische Themen aufgegrif­fen. Der Wandel in den deutsch-polnischen Beziehungen nach der Wende 1989/1990 schuf die Bedingungen für ein besseres Kennenlernen, was sich unter anderem in Ko­produktionen mit der deutschen und polnischen Beteiligung niederschlug.

Vor einem Jahrzehnt waren trotz des Wandels der nachbarschaftlichen Beziehungen polnische Filme in Deutschland kaum bekannt, ebenso wie umgekehrt deutsche Filme in Polen. Einige Jahre später war festzustellen, „dass im deutschen und polnischen Gegenwartskino sowohl ein Bruch, als auch eine Festigung der traditionellen Stereotype sichtbar ist“ (Dębski 2015, S. 21). Beide Feststellungen gelten bis heute, wobei im Kino beider Länder durchaus gegenseitige Einflüsse und Inspirationen zu erkennen sind und Filme wie Am Ende kommen Touristen insofern als „transnational“ gelten können, als in ihnen „die Überschreitung von nationalen Grenzen selbst eine zentrale Handlungsfigur ist“ (Ebbrecht 2011, S. 161). Am Ende kommen Touristen ist keine deutsch-polnische Koproduktion, was bedeutet, dass diese Form der Zusammenarbeit zwar ein begünstigender Faktor, aber keine unbedingte Voraussetzung für das Entstehen transnationaler Filme ist. Projekte dieser Art wurden ab 2005 vom Deutsch-Polnischen Co-Development Fonds gefördert, dessen Ziel darin bestand, „Stoffe zu entwickeln, die ‚ein Publikum auf beiden Seiten der deutsch-polni­schen Grenze, aber auch […] ein europaweites Publikum‘ ansprechen“ (Halle 2011, S.195). Im Jahr 2015 wurde daraus der Deutsch-Polnische Filmfonds, der die Entwicklung von Projekten und (anteilig) die Produktion von Filmen fördert. Ein Jahr später wurde seine institutionelle Basis erweitert (zu den Initiatoren – dem Polnischen Filminstitut, dem Medienboard Berlin-Brandenburg und der Mitteldeutschen Medienförderung – kam ein neuer Part­ner hinzu: die Filmförderungsanstalt) und 2017 sein Fördervolumen von 300.000 EUR auf 500.000 EUR erhöht (der Co-Development Fonds verfügte über 150.000 EUR). Zu den vom Filmfonds geförderten Projekten gehören unter anderem Wintertocher (2007) und Marie Curie (2011). Das Beispiel diesere Filme zeigt, dass zwischen Projektförde­rung und Fertigstellung eines Films meist Jahre liegen. Es ist also möglich, dass wir im dritten Jahrzehnt des 21. Jhs. mehr Filme mit deutsch-polnischer Thematik zu sehen bekommen.

Festzuhalten ist auch, dass sich die politischen Veränderungen in Polen nach 2015 (der Machtübernahme durch die PiS) und das Schüren antideutscher Ressentiments durch RegierungsvertreterInnen die deutsch-polnischen Filmbeziehungen bisher nicht beein­flussen. Dies liegt vermutlich an der in den vergangenen drei Jahrzehnten gewachse­nen Intensität der Nachbarschaftsbeziehungen auf gesellschaftlicher Ebene. Es deutet zudem darauf hin, dass – trotz des (einstweilen) ungünstigen politischen Klimas – die Entwicklung weiter in Richtung des besseren Kennenlernens und der Vertiefung von Kontakten verlaufen wird. Diese Tendenz sollte sich in der Zeit „nach PiS“ beschleuni­gen, obwohl natürlich auch weniger optimistische Szenarios denkbar sind.

Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann

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Dębski, Andrzej, Dr. habil., verfasste die Beiträge „Deutsche und Polen in der polnischen und deutschen Kinematografie bis 1939“ und „Deutsche und Polen in der polnischen und deutschen Kinematografie nach 1945“. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Wrocław und arbeitet in den Bereichen Frühes Kino, Regionale Kinogeschichte und Deutsch-Polnische Filmbegegnungen.

 

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