Paulina Żelazowska-Müller

Tourismus und die deutsch-polnischen Beziehungen

Tourismus und die deutsch-polnischen Beziehungen


Die Anfänge des Fremdenverkehrs zwischen Polen und den deutschen Staaten sind mit religiösen Kultstätten verbunden, die im frühen Mittelalter entstanden waren. Für die Entwicklung des Wallfahrtstourismus war der Tod des Prager Bischofs Adalbert in Preußen 997 von zentraler Bedeutung. Die Basilika in Poznań (deren Kirchenpatron der heilige Adalbert ist) und die Kathedrale von Gniezno (wo Adalbert bestattet liegt) zogen nicht nur Scharen deutscher PilgerInnen an, sondern auch Würdenträger der deutschen Kirche und Herrscher – wie z. B. Kaiser Otto III., dessen Besuch in Gniezno im Jahr 1000 zugleich geopolitische Bedeutung hatte, da er die symbolische Anerkennung pol­nischer Staatlichkeit durch das Heilige Römische Reich war.

Von Polen nach Deutschland wiederum reiste man damals, um als Kaufmann seinen Geschäften nachzugehen, um an Ritterturnieren teilzunehmen (das erste schriftlich be­legte Ritterturnier in Deutschland fand 1127 vor den Toren von Würzburg statt) oder aus wissenschaftlichen Gründen. Ende des 14., Anfang des 15. Jhs. kamen Studierende und Lehrende aus Polen an die Universitäten in Leipzig, Heidelberg und Kiel. Eine ähn­liche Bewegung in die Gegenrichtung fand Ende des 15. Jhs. statt, als die Jagiellonen- Universität in Krakau zu einem wichtigen internationalen akademischen Zentrum wur­de. Damalige Gelehrte wie Johannes Virdung aus Haßfurt (Professor an der Universität Heidelberg) und Johannes Volmar (Professor in Wittenberg) schlossen ihr Studium in Krakau ab. Bei den deutsch-polnischen Touristen handelte es sich zu dieser Zeit zumeist um Kaufleute, Diplomaten, Ritter, Adelige, Wissenschaftler und Studierende sowie um Magnaten und Gesellen.

Ende des 18., Anfang des 19. Jhs. begannen sich literarische Reisebeschreibungen zu ver­breiten, die davon zeugen, wie fremde Länder und ihre BewohnerInnen wahrgenommen wurden. Bernhard Struck zählte 116 Beschreibungen von Polenreisen deutscher Autoren zwischen 1750 und 1850. Ab Mitte des 18. Jhs. hörte das Reisen auf, die vorrangige Do­mäne Adeliger zu sein. Von da an begaben sich auch gebildete BürgerInnen mit litera­rischen Ambitionen auf Reisen. Polen Ende des 18., Anfang des 19. Jhs. gehörte jedoch nicht zu den klassischen Reisezielen deutscher Reisender. Das Fehlen großer Metropolen wie Paris oder städtischer Agglomerationen führte dazu, dass man hauptsächlich die polnische Provinz bereiste, um sich mit den Techniken des Ackerbaus und der Tierzucht vertraut zu machen. Darüber hinaus gab es diejenigen, die es aus politischen Motiven nach Polen zog, insbesondere während des Novemberaufstandes (1830). In den Beschrei­bungen deutscher Reisender werden auch das polnische Bildungssystem und dessen Vä­ter gelobt. Ende des 18., Anfang des 19. Jhs. spielten Beschreibungen von Polenreisen eine prominente Rolle in der deutsch-polnischen interkulturellen Kommunikation.

Der Beginn des Massentourismus und die Entstehung der ersten Tourismusorganisa­tionen und -unternehmen fällt in das 19. Jh. Zu dieser Zeit war Polen zwischen Preu­ßen, Russland und Österreich aufgeteilt und die Entwicklung des organisierten polni­schen Tourismus daher zwangsläufig eng mit der Entwicklung des Tourismus in den Teilungsländern verbunden. In den deutschen Staaten entstanden bereits zu Beginn des 19. Jhs. Kurorte. Durch die Schaffung neuer Transportmittel wie der Eisenbahn und des Dampfschiffes wurden rein touristische Reisen für immer breitere Gesellschafts­schichten erschwinglich. Dementsprechend stieg der Bedarf an Informationen über die Orte, die Ziel der Reise waren, sowie über Reisemöglichkeiten und Übernachtungen. Der aus einer Verlegerfamilie stammende Karl Baedeker (1801‒1859), ein Vielreisender, war der erste Autor und Herausgeber der Baedeker-Reiseführer (Baedeker) und auch außerhalb Deutschlands erfolgreich. Die Reiseführer setzten sich von Anfang an aus drei Teilen zusammen: aus allgemeinen Informationen über das Reiseziel, detaillierten Beschreibungen der touristischen Sehenswürdigkeiten und praktischen Tipps. Infor­mationen über Polen (Galizien und Krakau) erschienen bis 1914 im Reiseführer über Österreich-Ungarn, während Informationen über die übrigen polnischen Regionen im Russland-Führer zu finden waren. Obgleich die Baedeker als die ersten Reiseführer gel­ten, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass bereits 1821 in Warschau Józef Wawrzyniec Krasińskis Reiseführer für Polen und die Republik Krakau (Przewodnik dla podróżu­jących w Polsce i Rzeczpospolitej Krakowskiej) erschienen war, der für ausländische Touristen gedacht war und auch auf Französisch und Russisch herausgegeben wurde. Gedruckte Reiseführer wurden nicht nur zu einem wichtigen Informationsträger über bisher unbekannte Orte, sondern trugen auch zu einem besseren Verständnis anderer Kulturen und menschlicher Verhaltensweisen bei, was sich nicht zuletzt auf die interkul­turelle Kommunikation auswirkte.

Anfang des 19. Jhs. begann man in Deutschland, die ersten touristischen Wanderrouten auszuarbeiten. 1813 ernannte der preußische König Friedrich Wilhelm III. Franz Pabel (1773‒1861) zum ersten Bergführer Europas. Pabel entwickelte eine Wanderroute auf den Großen Heuscheuer (Szczeliniec Wielki) und führte TouristInnen durch die Su­deten. Henryk Waniek schreibt, Pabel habe u. a. Johann Wolfgang von Goethe auf den Heuscheuer gelotst, „der es dem späteren König Friedrich Wilhelm III. gleichtun wollte und daher beschloss, den Gipfel zu ersteigen (1790), […] wobei er allerdings die Dienste eines bezahlten Trägers in Anspruch nahm“. Fryderyk Chopin hingegen, der 1826 in Bad Reinerz (Duszniki-Zdrój) weilte, drückte sich vor einer ähnlichen Expedition mit der Begründung, seine körperliche Verfassung erlaube es ihm nicht: „ich war noch nicht dort, wohin alle fahren, es ist mir verboten worden […] auf den Heuscheuer zu gehen“ (Waniek 1994, S. 85f.). In den damals deutschen Sudeten und im Riesengebirge nahmen die ersten Berggasthö­fe ihren Betrieb auf. 1880 wurde der Riesengebirgsverein gegründet, der zur Entstehung vieler Wanderwege in der Region und zur Entwicklung der touristischen Infrastruktur beitrug. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verein in Westdeutschland wiederge­gründet. Derzeit hat er rund 1.200 Mitglieder und ist in Bamberg beheimatet.

Die Deutschen begannen auch den Fremdenverkehr in den Schlesischen Beskiden zu organisieren. 1893 wurde in Friedeck (Frýdek) nach dem Muster des Österreichischen Alpenvereins der Beskidenverein gegründet. Seine ersten Mitglieder waren Gymnasial­lehrer (R. Kolbenheyer in Bielitz-Biala/Bielsko-Biała, J. Matzura und J. Hadaszczok in Mährisch-Ostrau/Ostrava, A. Steiner in Teschen/Cieszyn). Der Beskidenverein setzte sich aus mehreren selbständigen Sektionen zusammen, deren Hauptzweck die touristi­sche Erschließung der Gebiete vom Kahlberg (Lysá hora) im Westen bis zum Weiberberg (Babia Góra) im Osten der Beskiden war. Auch nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens war der Beskidenverein der größte deutsche Wanderverein in der Zweiten Polnischen Republik. Sein härtester Rivale war die Polnische Tatra-Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Tatrzańskie), die 1873 von Feliks Pławicki, Tytus Chałubiński, Adolf Tetmajer und Józef Stolarczyk im österreichischen Teilungsgebiet gegründet wur­de. Man stritt um neue Mitglieder, die Markierung der eigenen Wege, Berghütten sowie um die Möglichkeit, die polnisch-tschechoslowakische Grenze zu überqueren (die pol­nischen Behörden stellten den Mitgliedern des Beskidenvereins keine Grenzscheine aus). Der Beskidenverein, in dem vor allem Deutsche aus Schlesien organisiert waren, zählte Anfang der 1930er Jahre etwa 3.000 Mitglieder. Er unterhielt mehrere Herbergen in den westlichen Beskiden, schilderte Wanderwege aus, veröffentlichte Karten, Reiseführer und für Werbezwecke Bildbände über die westlichen Beskiden. Der Beskidenverein er­kannte die Vorrangstellung der Tatra-Gesellschaft nicht an; der Konflikt zwischen den beiden Organisationen war eine der längsten deutsch-polnischen Auseinandersetzungen in der Zweiten Polnischen Republik.

Nach dem Ersten Weltkrieg schlossen sich 1928 nicht-polnische Vereine, die ihren deut­schen Charakter bewahren wollten, zum Verband Beskidenvereine in Polen, mit Sitz in Bielitz (Bielsko), zusammen. Nach 1933 betätigte sich der Verband polenfeindlich. In Schirk (Szczyrk) wurden als Skikurse getarnt Spione und Saboteure unter Anleitung von „Instrukteuren“ aus dem Dritten Reich ausgebildet. Im September 1939 begingen Verbandsmitglieder Sabotageakte, die gegen das sich verteidigende Polen gerichtet wa­ren – so z. B. Alojzy Wagner, der Betreiber der Lipowska-Hütte, der Wehrmachtsein­heiten als Bergführer diente. Dies veranlasste die Heimatarmee später, Vergeltungsakti­onen durchzuführen und Militärgerichtsurteile gegen Mitglieder des Beskidenvereins, die des Verrats für schuldig erklärt wurden, zu vollstrecken.

Der Verband Beskidenvereine in Polen wurde mit etwa 4.000 Mitgliedern zur stärksten nicht-polnischen Organisation. Von einem ähnlichen Charakter war der Wanderbund, in dem ebenfalls Deutsche in Polen organisiert waren. Auch diese Organisation führte antipolnische Aktivitäten durch. Eine andere Haltung legten die deutschen Sozialde­mokraten in Polen an den Tag, die mehrheitlich ein friedliches Zusammenleben mit den Polen befürworteten. Zu diesem Milieu gehörten Die Naturfreunde, ein Verein, der 1913 gegründet worden war und seinen Sitz in Jena hatte. In Łódź wiederum entstand der Sozialistische Kultur- und Bildungsverein Fortschritt (Socjalistyczne Stowarzysze­nie ds. Kultury i Oświaty Postęp), in dessen Rahmen ab 1931 die Ausflugskommission (Komisja Wycieczkowa) tätig war, die Reisen in Polen und Deutschland organisierte. In der Zwischenkriegszeit entwickelten sich auch Tourismusunternehmen. 1923 wurde in Lemberg das erste polnische Reisebüro namens Orbis gegründet, das 1933 von der Bank PKO übernommen wurde. Dies begünstigte die Expansion des Unternehmens in den folgenden Jahren. 1938 besaß Orbis bereits 155 Filialen, darunter viele im Ausland, u. a. in Berlin. Außer Reisen zu veranstalten, machte das Büro für Polen auch PR im Ausland.

Während des Zweiten Weltkrieges kam der Fremdenverkehr völlig zum Erliegen. Im besetzten Polen wurden sämtliche Institutionen, Organisationen und Vereine aufgelöst. Deren Vermögen wurde konfisziert. Bei der Bombardierung Warschaus im September 1939 wurde das Orbis-Gebäude zerstört. In Deutschland wurde der Auslandstourismus grundsätzlich verboten, gemäß Goebbels’ Maxime: „Erst siegen, dann reisen!“ Diese Pa­role wurde 1942 von der Deutschen Reichsbahn für eine Propagandakampagne benutzt. Auf Plakaten, die man an den Eisenbahnwagen befestigte, wurde die Bevölkerung auf­gefordert, auf Reisen zu verzichten, sodass mehr Züge der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden konnten (Engwert 2008, S. 115ff.).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fanden sowohl Deutschland als auch Polen veränderte Grenzen und neue politische Rahmenbedingungen vor. Die West- und Nordgebiete Polens, die nach den Bestimmungen der Potsdamer Konferenz 1945 in den polnischen Staat eingegliedert wurden, waren Regionen mit einer sehr guten tou­ristischen Infrastruktur, woran sich bis heute nichts geändert hat. Das Schienen- und Straßennetz ist dort dichter als in anderen Landesteilen. Vor dem Krieg waren die größten Städte der an Polen angeschlossenen Regionen durch Schnellzüge miteinan­der verbunden: Der Fliegende Schlesier (Latający Ślązak) bediente die Strecke Bytom, Opole, Wrocław, Legnica, Żagań, Berlin, während der Nordexpress (Ekspres północny) Gorzów, Piła, Chojnice, Tczew, Malbork, Danzig, Elbląg und Berlin verband. Die Züge erreichten Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 160 km/h. Selbst Städte mit 30.000 Einwohnern wie Gubin und Głogów hatten Bahnhöfe, Theater und Opernhäuser. Zwi­schen 1945 und 1950 wurden viele touristisch sehenswerte Gebäude abgerissen – z. B. das Stadttheater in Gubin. Bis 1947, als die UdSSR die Verantwortung über die → „wie­dergewonnenen Gebiete“ endgültig an die polnische Verwaltung abgab, kam es häufig zu „wilden Demontagen“ der Eisenbahninfrastruktur. Ein Beispiel ist die Bahnstrecke nach Szklarska Poręba, welche die Sowjets in einem völlig verwüsteten Zustand zurück­ließen. Vom einstigen Glanz der Kleinstädte in dieser Gegend ist wenig übriggeblieben. Dank der großen Städte wie Wrocław und Gdańsk sowie der malerischen Landschaften Westpommerns, des Ermlandes und Masurens erhielt Polen Gebiete von großem tou­ristischem Potential.

Die Politik der kommunistischen Machthaber in Polen und in der DDR führte in der Praxis ab den 1940er Jahren bis Mitte der 1950er Jahre zur Abschaffung des Aus- und Einreisetourismus. Man weigerte sich, Pässe für Reisen ins nicht-sozialistische Ausland auszustellen. Aber auch Reisen in befreundete sozialistische Staaten wurden in dieser Zeit erschwert. Besonders hermetisch wurde die Westgrenze Polens abgeriegelt, entlang derer man einen Kontrollstreifen errichtete, der von Einheiten der Grenztruppe (Wojska Ochrony Pogranicza) überwacht wurde. Viele Polen versuchten dennoch, die Grenze illegal zu überwinden. Fluchtziel war zumeist die Bundesrepublik Deutschland sowie, über die Ostsee, Schweden und Dänemark häufig die Insel Bornholm. Mancher emig­rierte von dort weiter in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und Australien. Flücht­linge, die auf frischer Tat ertappt wurden, erhielten langjährige Haftstrafen und wurden in einzelnen Fällen sogar zum Tode verurteilt. Erst am 1. Januar 1972 wurde der indi­viduelle Reiseverkehr zwischen der Volksrepublik Polen und der DDR eröffnet, sowie zwei Wochen später der Reiseverkehr mit der Tschechoslowakei und Ungarn. Für den Grenzübertritt wurden fortan keine Pässe und Visa mehr benötigt, sondern lediglich der Personalausweis. Außerdem konnten DDR-BürgerInnen ohne Probleme zum damali­gen Wechselkurs von 1:4,8 DDR-Mark in Zloty umtauschen. Polnische TouristInnen in der DDR mussten zusätzlich eine dreißigprozentige Provision bezahlen – dadurch betrug der Kurs für sie 1:6,2. Aufgrund der steigenden Gehälter in Polen während Gie­reks Regierungszeit hielt dies die Polen jedoch nicht davon ab, in die DDR zu reisen. Allerdings fallen nur wenige der Reisen, die polnische StaatsbürgerInnen in die DDR und ostdeutsche StaatsbürgerInnen in die Volksrepublik Polen machten, in die Kate­gorie Freizeittourismus. Hauptziel der Polen wie auch der Ostdeutschen war es, Waren zu kaufen oder zu verkaufen. Auf beiden Seiten der Oder florierte der Grenzhandel; die BürgerInnen kauften auf der jeweils anderen Seite der Grenze Produkte, die oftmals billiger oder im eigenen Land nur schwer zu bekommen waren. Nach den damaligen polnischen und deutschen Statistiken passierten die ostdeutsch-polnische Grenze jähr­lich etwa zwei Millionen Personen. In Wirklichkeit waren es Ende 1972 bereits sechzehn Millionen Personen: 9,4 Millionen Polen reisten in die DDR und 6,7 Millionen Ost­deutsche nach Polen. Meist handelte es sich um Tagesausflüge oder Übertritte an den Fußgängerübergängen in den Grenzstädten. Der Grenzverkehr von Polen in Richtung DDR verharrte in den 1970er Jahren auf einem Niveau von 7‒12 Millionen Grenzüber­tritten jährlich, von denen die meisten Kurzreisen in die DDR waren. Die Öffnung der ostdeutsch-polnischen Grenze trug zur Entstehung eines Handelstourismus bei. Die kommunistischen Behörden reagierten schnell auf die neue Situation und nahmen wieder Zollkontrollen auf. Auch der Geldumtausch wurde erschwert. Statt wachsender Freundschaft zwischen den beiden sozialistischen Ländern verbreiteten sich gegenseitige Stereotype. Die Polen, die in Busladungen zum Einkaufen nach Berlin kamen, wurden von den Ostdeutschen als „arbeitsscheue Polacken“ (→ polnische Wirtschaft) bezeichnet, während TouristInnen aus der DDR, die im Trabbi nach Polen reisten, oft als „Nazis“ (→ Kreuzritter) beschimpft wurden.

Ende der 1980er Jahre, als es einfacher war, einen Reisepass zu erhalten, begannen pol­nische Kleinhändler nach West-Berlin zu fahren. Der Markt im Zentrum der Stadt, auf dem schon bald Polen in Massen ihre Waren verkauften, wurde schnell in „Polenmarkt“ umbenannt und existierte noch Anfang der 1990er Jahre. Auch die umliegenden Stra­ßen, in denen die polnischen HändlerInnen Berge von Müll hinterließen, waren ein einziger Handelsplatz. Aufgrund fehlender Marktstände wurden die Waren in der Regel auf dem Boden auf Zeitungspapier ausgelegt, was das Bild von der polnischen Gesell­schaft (Schmutz und Unordnung; → polnische Wirtschaft) negativ beeinflusste.

Die Reisen der Polen in die DDR oder der Ostdeutschen nach Polen beschränkten sich zu dieser Zeit jedoch nicht nur auf den Handelstourismus. In der DDR organisierte das staatliche Reisebüro Reisen in das befreundete sozialistische Ausland, u. a. nach Polen, die zum Teil subventioniert wurden. Meistens waren dies Reisen an die Ostsee und nach Masuren. In Polen wurden DDR-Reisen u. a. von Orbis veranstaltet. Polen und Ostdeutsche machten auch gern Urlaub in betriebseigenen Ferieneinrichtungen. Die Betriebe verfügten über ein Netz von Ferienheimen. Häufig fand ein Austausch statt: TouristInnen aus Polen machten Urlaub in DDR-Ferienheimen, während im Gegen­zug ostdeutsche TouristInnen nach Polen kamen. Die Regierungen der Volksrepublik Polen und der DDR schlossen überdies ein Abkommen über den Ferienaustausch von Kindern und Jugendlichen. Polnische Jugendliche fuhren in DDR-Ferienlager, die von den Betrieben organisiert wurden, und nahmen an sogenannten Bildungslagern teil. Kinder und Jugendliche aus der DDR fuhren ihrerseits nach Polen in Lager für Erho­lung und Arbeit. Ziel dieser Reisen waren vor allem die „Vertiefung der Freundschaft“ und die „Stärkung des brüderlichen Bündnisses zwischen den Völkern“ der DDR und der Volksrepublik Polen.

Der gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Wandel in Polen nach den ersten freien Wahlen am 4. Juni 1989 zog auch in der Tourismusbranche grundlegende Änderungen nach sich. Ein Großteil der Unternehmen wurde privatisiert, was zu einer Kommerzi­alisierung der touristischen Dienstleistungen führte. Viele neue Touristikunternehmen erschienen auf dem Markt. Die Öffnung der Grenzen trug zur Entwicklung des Aus­landstourismus bei. Gleichzeitig bekam ein Großteil der Gesellschaft die schmerzhaf­ten Auswirkungen der wirtschaftlichen Reformen zu spüren, wodurch sich die Zahl der Urlaubsreisenden reduzierte. Die Polen begannen aus finanziellen Gründen, nach billigeren Urlaubsmöglichkeiten zu suchen. Die höheren Preise hatten auch damit zu tun, dass die Betriebe privatisiert wurden und damit die subventionierten Urlaube für Belegschaftsangehörige wegfielen. Auch die finanziellen Möglichkeiten des Bildungs­ministeriums wurden damals eingeschränkt, was zu einem Rückgang der jugendlichen TeilnehmerInnen an Ferienkolonien und -lagern, die von staatlichen Bildungseinrich­tungen organisiert wurden, führte. Zwischen 1989 und 1995 gingen die Ausgaben der privaten Haushalte für Kultur, Sport, Tourismus und Freizeit um ganze 50 % zurück.

Anfang der 1990er Jahre kam der sogenannte Heimwehtourismus in Polen auf. Deut­sche, vor allem jene, die nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen worden waren, die West- und Nordgebiete Polens zu verlassen (→ Vertreibung), kehrten als TouristInnen in die frühere Heimat zurück und suchten die Orte ihrer Kindheit, Friedhöfe oder Be­kannte und Verwandte auf. Befragungen der Regionalen Tourismusorganisation Opole (Opolska Regionalna Organizacja Turystyczna) ergeben, dass bis heute etwa dreizehn Prozent der deutschen TouristInnen, die in die Woiwodschaft Opole kommen, Heimat­orte besuchen. Die deutschen BesucherInnen werden immer jünger; es sind die Kinder und Enkel derer, die vor dem Zweiten Weltkrieg in dieser Region lebten.

Die Systemtransformation eröffnete die Möglichkeit, Polen an die Europäische Union (EU) heranzuführen. Den offiziellen Beginn der Zusammenarbeit markierte das Euro­pa-Abkommen zwischen der Republik Polen und der EU vom 16. Dezember 1991. Es regelte u. a. die Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus. Dies betraf vor allem Er­leichterungen im Tourismusaustausch und einen verbesserten Informationsfluss durch die Nutzung internationaler Netzwerke. Darüber hinaus wurde mit PHARE ein Hilfs­programm für Mittel- und Osteuropa entwickelt, das Mittel für die Umstrukturierung der Wirtschaft und nicht rückzahlbare Finanzhilfen zur Verfügung stellte. Im Bereich Tourismus wurde das PHARE-Programm im Rahmen des Unterprogramms TOURIN umgesetzt. Das Ergebnis war u. a. die Schaffung von neun Makroregionen zur Förde­rung des regionalen Tourismus in Polen.

Anfang der 1990er Jahre verstärkte sich auch die grenzüberschreitende Zusammenar­beit. Konkret führte dies zur Gründung von dreizehn Euroregionen, vier an der west­lichen Grenze Polens, sechs an der südlichen, zwei an der östlichen und eine an der nördlichen. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der deutsch-polnischen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit war 1991 die Schaffung der „Euroregion Nei­ße“ – die erste in Polen sowie in Mittel- und Osteuropa überhaupt. 1991‒1993 wurden im Rahmen dieser Euroregion die ersten institutionellen Grundlagen für eine grenz­überschreitende Zusammenarbeit ausgearbeitet. Ziel der „Euroregion Neiße“ wie auch der drei anderen Euroregionen an der westlichen Grenze Polens (Pomerania, Pro Europa Viadrina und Spree-Neiße-Bober) war es, gemeinsame Maßnahmen für eine gleichmä­ßige Entwicklung der Region zu ergreifen sowie die BewohnerInnen und Institutionen beiderseits der Grenze näher zusammenzubringen. Mittel aus dem PHARE-Programm ermöglichten den Ausbau des deutsch-polnischen Jugendaustausches. In der „Eurore­gion Pomerania“ findet jedes Jahr – abwechselnd in Deutschland und in Polen – das Deutsch-Polnische Jugendfestival statt.

Mitte der 1990er Jahre erlebte die Tourismusbranche in Polen einen Aufschwung, was mit der verbesserten wirtschaftlichen Situation der Polen und infolgedessen mit einer wachsenden Nachfrage im Bereich Tourismus und Freizeit zu tun hatte. Dies trug zu einem Anstieg der Auslandsreisen bei, insbesondere in den Jahren 1995‒2000. 1998 reisten polnische TouristInnen vor allem nach Deutschland (36,8 % aller Auslandsrei­sen), Italien und Tschechien (11,8 %), Frankreich und in die Slowakei (8,5 %) sowie nach Spanien (6,5 %). Die Grenzöffnung sorgte zudem für einen Zustrom ausländischer TouristInnen nach Polen. Die Zahl der ausländischen BesucherInnen stieg von 6,2 Mil­lionen 1988 auf 89,1 Millionen 1999. Die Deutschen machten etwa die Hälfte aller BesucherInnen aus, wobei der überwiegende Teil von ihnen nur zum Einkaufen nach Polen kam. Im Zuge des Andrangs aus Deutschland entstanden Grenzmärkte, u. a. in Słubice, Kostrzyn, Gubin, Zgorzelec und Świnoujście, die erst in den letzten Jahren an Bedeutung verloren, da die Preisunterschiede für Dienstleistungen und Konsumgüter kleiner wurden und damit auch der Wettbewerbsvorteil mehr und mehr wegfiel.

Polnischer und deutscher Tourismus nach 2004

Bereits in den ersten Monaten nach dem EU-Beitritt Polens stieg die Zahl der TouristInnen aus Deutschland um 16,7 %. Nach Angaben des Instituts für Tourismus (In­stytut Turystyki) kamen in diesem Zeitraum 3,85 Millionen Deutsche nach Polen, die dort mindestens zwei Tage verbrachten. Zur gleichen Zeit stieg die Zahl der deutsch-polnischen Grenzübertritte um 35 %. Aufgrund der niedrigeren Preise überquerten 24,9 Millionen Deutsche die Grenze, um auf der polnischen Seite Einkäufe zu machen oder zu tanken. Die Zahl der Deutschen, die Polen besuchen, ist nach wie vor hoch – 2005 kamen 5,6 Millionen deutsche TouristInnen nach Polen, 2007 waren es 5,3 Millionen und 2011 4,6 Millionen. Laut Erhebungen des deutschen Tourismusmarktes gehört Polen zu den zehn beliebtesten ausländischen Urlaubszielen der Deutschen und belegt Platz acht unter den europäischen Ländern. Es konkurriert mit Ländern wie Spanien, Italien, Österreich, Griechenland und Frankreich. Seine starke Position im deutschen Ranking verdankt Polen nicht zuletzt der geografischen Nähe und dem Beitritt zum Schengen-Raum 2007.

Bis heute ist Deutschland der wichtigste Auslandsmarkt für Polen. Deutsche TouristIn­nen machen etwa 40 % aller ausländischen TouristInnen aus, die Polen besuchen. Am häufigsten reisen BewohnerInnen von Mecklenburg-Vorpommern nach Polen – 83 % der TouristInnen aus diesem Bundesland überquerten 2009 die östliche Grenze. Ein beträchtlicher Teil der brandenburgischen TouristInnen besuchte das Nachbarland (67 %). 53 % der Berliner TouristInnen machten sich auf den Weg nach Polen sowie 10 % der sächsischen. Dies sind die Bundesländer, die unmittelbar an Polen grenzen beziehungsweise – wie im Falle Berlins – gute Verkehrsverbindungen nach Polen ha­ben. Der Berlin-Warschau-Express fährt viermal am Tag und wirbt mit vergleichsweise niedrigen Preisen. Eine Fahrt von Berlin nach Poznań dauert keine drei Stunden, nach Warschau sind es weniger als sechs.

Am häufigsten reisen TouristInnen in der Altersgruppe 35 bis 44 Jahre nach Polen (37 % aller Polenreisenden). 28 % der TouristInnen wiederum gehören zur Altersgruppe 45 bis 54 Jahre. Die wenigsten TouristInnen stammen aus den Altersgruppen bis 24 Jahre (2 %) und über 65 Jahre (5 %). 14 % der BesucherInnen gibt an, polnischer Herkunft zu sein. Der geringe Anteil der Altersgruppe bis 24 Jahre ist womöglich darauf zurückzuführen, dass sich deutsche Jugendliche, einschließlich der Studierenden, mehr für Reisen ins au­ßereuropäische Ausland interessieren, z. B. nach Australien, Neuseeland, Afrika sowie Süd- und Nordamerika. Solche Auslandsaufenthalte werden oft im Rahmen des Schüler­austauschs organisiert und von diversen Organisationen und Stiftungen finanziert, z. B. vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Diese Reisen werden oft mit dem Erlernen einer Fremdsprache oder einem Freiwilligendienst verbunden.

Die wichtigsten Gründe für deutsche TouristInnen, nach Polen zu reisen, sind seit Jahren die gleichen. An erster Stelle steht der Freizeittourismus – 31 % der deutschen Polenbesu­cherInnen kamen 2011 zu touristischen Zwecken nach Polen. 22 % besuchten Verwandte oder Freunde. Geschäftsreisen (21 %) sind ebenfalls ein häufiger Reisegrund. Dagegen fahren die Deutschen seit einigen Jahren nicht mehr nach Polen, um billig einzukaufen; 2011 gaben lediglich 5 % der deutschen TouristInnen dies als Zweck ihres Besuches an.

Die Heimwehreisen der älteren Generation nach Wrocław, Gdańsk und Schlesien treten immer mehr in den Hintergrund. Laut Beobachtungen der deutschen Tourismusbran­che, die Reisen nach Polen anbietet, steigt das Interesse an Städtereisen, sogenannten city breaks, u. a. nach Krakau, Poznań, Warschau (nicht zuletzt aufgrund des erweiterten Angebots der Billigfluglinien) sowie an die Ostsee, nach Kołobrzeg, Międzyzdroje und Świnoujście. In den Bergen waren die beliebtesten Ziele 2011 Świeradów-Zdrój, Polanica- Zdrój, Kudowa-Zdrój und Lądek-Zdrój. Neben den Masuren erfreuen sich Reisen nach Pommern sowie in andere Regionen mit Seen und Flüssen zunehmender Popularität.

Kurtourismus und aktive Erholung sind momentan die am schnellsten wachsenden Segmente des deutschen Tourismus in Polen. Grund dafür sind vor allem Änderungen im Abrechnungssystem der deutschen Krankenkassen: Fast alle Krankenversicherungen übernehmen die Kosten für den Aufenthalt ihrer Mitglieder in polnischen Kurorten. Deutsche TouristInnen schätzen zudem die Erholung in der Natur, fernab des Massen­tourismus. Zu beobachten ist deshalb auch ein zunehmendes Interesse am unberührten Białowieża-Urwald mit seiner weltgrößten Wisentpopulation, der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Vom wachsenden Interesse der Deutschen am pol­nischen Tourismusangebot zeugt die Tatsache, dass Polen im März 2011 offizielles Partnerland der weltweit größten Tourismusmesse, der ITB in Berlin (Internationalen Tourismus-Börse), war. Als einer der beiden Gastgeber der Fußball-Europameisterschaft 2012 präsentierte sich Polen als originelles Land, jung im Herzen, das auf Kreativität setzt. Mit einer entsprechenden Image-Kampagne unter dem Motto „Move Your Imagi­nation“ warb man auf der Messe und in ganz Deutschland für Polen.

Das veränderte Image Polens spiegelt sich auch in deutschen Presseartikeln wider. Noch 2002 warnte das einflussreiche deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel vor Diebstäh­len an Bahnhöfen, fingierten Verkehrsunfällen und falschen Polizisten in Polen. Nach dem EU-Beitritt Polens begannen die deutschen Medien von der touristischen „Ent­deckung des östlichen Nachbarn“ zu schreiben. Das Bild Polens aus deutscher Sicht ist jedoch weiterhin von Stereotypen (→ Stereotyp) geprägt. Personen, die wenigstens einmal in Polen waren, schätzen vor allem die günstigen Preise, die Natur, das Essen sowie die Kultur und historischen Sehenswürdigkeiten. Kritisiert wird dagegen der Zu­gang zum Internet, fehlende Sauberkeit, der öffentliche Nahverkehr und die Qualität der Unterkünfte. Die deutschen Reiseveranstalter bewerten Polen als Reiseziel über­wiegend positiv. Dies zeigt sich in qualitativen Untersuchungen, die 2009 von der Pol­nischen Tourismusorganisation (Polska Organizacja Turystyczna) in Auftrag gegeben wurden. Für Polen spricht die Natur, die Küste mit ihren Stränden und die Nachbar­schaft zu Deutschland. Besonders positiv beurteilt werden die Preise für Unterkünfte an der polnischen Ostsee. Die Wahrnehmung Polens als billiges Reiseziel gehört jedoch bereits der Vergangenheit an. Deutsche TouristInnen beklagen sich, laut den Reisever­anstaltern, mitunter Probleme zu haben, sich mit dem Personal vor Ort zu verständigen. Gelegentlich wird auch das Wetter zu den negativen Faktoren gezählt, insbesondere bei Urlaubsreisen. Definitiv ein Minuspunkt bei Polenreisen ist die Straßen- und Schienen­infrastruktur, Auto- und Zugfahrten durch Polen nehmen aufgrund des immer noch unbefriedigenden Zustandes der Straßen und Bahnstrecken sowie der geringen Zahl an Autobahnen zu viel Zeit in Anspruch. Nach Angaben des ADAC, des größten europäi­schen Automobilclubs, waren die Preise für Kraftstoff und Camping 2011 in Polen am günstigsten in Europa. Größter Beliebtheit erfreuen sich bei den Deutschen die polni­schen Campingplätze an der Ostsee.

Während der Fußball-Europameisterschaft 2012 besuchten etwa 600.000 TouristInnen Polen, wovon 30.000 Fußballfans aus Deutschland waren. Auch wenn die Veranstalter mehr Gäste erwartet hatten, so geht man dennoch davon aus, dass viele derjenigen, die Polen anlässlich der Europameisterschaft besucht haben, wiederkommen werden, um in Polen Urlaub zu machen. In den deutschen Medien überwogen die positiven Stimmen, ging es um die Organisation der Euro 2012. Auch AusländerInnen, die auf der Straße befragt wurden, wie sie sich in Polen fühlten, äußerten sich positiv über die polnische Gastfreundschaft und die gute Organisation.

Reisen polnischer TouristInnen nach Deutschland stehen seit den 1990er Jahren im Ranking der polnischen Auslandsreisen an erster Stelle und machen etwa 35 % aller Reisen aus. Nach dem EU-Beitritt Polens reisten 2,3 Millionen Polen aus touristischen Gründen nach Deutschland. Die Zahl ist jedoch im Vergleich zu den Vorjahren nicht gestiegen. Ab 2007 nahm die Zahl der polnischen TouristInnen in Deutschland nach und nach ab und betrug 2011 1,1 Millionen Personen. Dies betrifft hauptsächlich tou­ristische Reisen, berücksichtigt werden nicht die Polen, die aus Erwerbsgründen nach Deutschland kommen. Nach Angaben des Instituts für Tourismus reisten 2010 9 % der Polen aus touristischen Gründen nach Deutschland, 15 % waren auf Dienstreise und 45 % besuchten Verwandte oder Freunde. Aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft reisen Polen zumeist mit dem Auto oder der Bahn nach Deutschland und verbringen dort durchschnittlich zehn Tage.

Seit einigen Jahren sind im deutsch-polnischen Reiseverkehr neue Trends zu beobach­ten. Die Gründe, weshalb noch bis vor kurzem die Deutschen nach Polen reisten, wer­den langsam zu den Gründen, weshalb die Polen nach Deutschland reisen. In Polen wächst derzeit die Zahl der Firmen, die Einkaufsfahrten nach Deutschland anbieten. Denn ungeachtet der Finanzkrise erfreute sich der Einkaufstourismus aufgrund der Stärkung der polnischen Währung 2008 zunehmender Beliebtheit. Seitdem fahren Po­len vor allem wegen der billigeren Haushaltschemikalien und Markenkleidung nach Deutschland. Manche Reisebüros in Polen bieten Fahrten zum Saisonschlussverkauf nach Berlin an. Ein weiterer Trend besteht darin, die Reisen direkt beim deutschen Reisebüro zu buchen. Die Deutschen fahren häufiger in den Urlaub als die Polen, daher sind die Angebote der deutschen Reisebüros bis zu 50 % günstiger. Die größten Preis­unterschiede sind bei Fernreisen in exotische Länder wie Kuba, die Dominikanische Republik oder Indonesien (Bali) zu beobachten. Auch die in Deutschland populären Pauschalreisen nach Ibiza und Mallorca sind um einiges billiger als in Polen. Darüber hinaus ist für polnische TouristInnen, die in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze leben, der Anfahrtsweg zum Berliner Flughafen kürzer als nach Warschau. Zudem wer­den von Deutschland aus auch auf den langen Strecken zumeist Direktflüge angeboten, während Reisende aus Polen auf Flüge mit Zwischenstopps angewiesen sind.

Die beliebtesten deutschen Reiseziele für polnische TouristInnen sind Bayern und Nordrhein-Westfalen; besonders attraktiv sind Städte wie Köln, mit seinem berühmten gotischen Dom, oder Bonn. Die meistbesuchte Stadt hingegen ist Berlin, gefolgt von München. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch kleinere Städte wie Rostock und Hei­delberg. Ein beträchtlicher Teil der polnischen UrlauberInnen kommt im Winter wegen der Skisaison in den Süden Deutschlands. Polnische TouristInnen schätzen an Deutsch­land vor allem die Sehenswürdigkeiten, die geschichtsträchtigen Orte und die schönen Landschaften. Zudem besuchen Polen in Deutschland Verwandte und Bekannte – zu­meist Landsleute, die im Nachbarland leben, arbeiten oder studieren.

Hat der statistische Pole jedoch die Wahl, ob er seinen Sommerurlaub in Deutschland oder lieber in Italien verbringen will, wird er sich eher für letzteres entscheiden, und sei es wegen des konstant schönen Wetters, der mediterranen Küche oder der attraktiven historischen Orte.

Interkulturelle Kommunikation und Tourismus

Reisen animieren nicht nur dazu, die materielle Kultur eines Landes kennenzulernen, sondern auch die Menschen, denen man dort begegnet. Die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung sind jedoch in der Regel von kurzer Dauer, oberflächlich und lassen sich nur schwer vertiefen. In dieser Situation können sich Vorurteile und Stereotype außer­ordentlich leicht verfestigen, wobei unterschiedliche Verhaltensweisen hauptsächlich auf tief verwurzelte kulturelle Unterschiede zwischen zwei Ländern und ihren BewohnerIn­nen zurückzuführen sind. Im Falle Polens und Deutschlands haben sich über die Jahr­hunderte gegenseitige Stereotype entwickelt. Polnische TouristInnen in Deutschland und deutsche TouristInnen in Polen können sich jedoch selbst davon überzeugen, dass viele dieser tiefsitzenden Vorstellungen falsch sind, was Raum schafft, um sich ein neues Bild von einem Land und seinen BewohnerInnen zu machen.

Einer Studie des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych) und der Bertelsmann Stiftung von 2013 zufolge geben 18 % der Deutschen an, ihr Wis­sen über Polen und dessen Bevölkerung auf Reisen in das Nachbarland erworben zu haben. Die Deutschen sehen Polen immer mehr als ein Tourismusland (20 % der Befragten). Ihre Assoziationen mit Polen beziehen sich hauptsächlich auf die landschaftli­chen Vorzüge (sehenswerte Natur, schönes Land, hübsche Orte), bestimmte Regionen (Masuren, Schlesien, Riesengebirge) und Städte (Krakau, Warschau, Danzig). Der kon­stante Zuwachs derartiger Assoziationen zeigt, dass die Deutschen Polen immer besser kennenlernen. Nicht nur das Allgemeinwissen über Polen nimmt zu, auch das Image Polens in Deutschland verbessert sich. Denn die Ergebnisse der Studie belegen, dass deutsche StaatsbürgerInnen, die Polen besuchen, allgemein eine bessere Meinung vom Nachbarland haben. Im Vergleich zum Jahr 2008 haben die Deutschen mehr Assoziationen, die mit den Charaktereigenschaften der Polen zu tun haben: Diese werden immer häufiger als höflich, gastfreundlich, modern und gesellig wahrgenommen (6 % der Befragten).

Für die Polen sind persönliche Kontakte und Reisen nach Deutschland eine wichtige Informationsquelle über die westlichen Nachbarn. Nach 1990 besuchte fast ein Drit­tel (30 %) der Polen Deutschland. Nahezu jeder zehnte Bewohner Polens (9 %) fährt ein- oder mehrmals pro Jahr über die Oder. 16 % der Polen haben dort Verwandte oder Freunde. Auch weiterhin wird das polnische Bild von den Deutschen vorrangig mit dem Zweiten Weltkrieg assoziiert (25 % der Befragten), eine viel geringere Rolle spielen mit dem Tourismus verbundene Assoziationen. 5,5 % der Befragten bringen die Deutschen mit Dingen wie Oktoberfest, Bundesliga, Berlin, Bier und Würste, schöne Landschaft und Urlaub in Verbindung. 2 % der Befragten assoziieren die Deutschen mit ihren Cha­raktereigenschaften. In der Studie werden an erster Stelle Begriffe wie Teutone, hoch­mütig, verschlossen, laut, raffiniert, kalt, boshaft und selbstbewusst genannt. Die Studie zeigt jedoch auf polnischer Seite konstant wachsende Sympathien für die Deutschen. Nahezu die Hälfte der Polen (47 %) erklärt, ein positives Verhältnis zum westlichen Nachbarn zu haben. Wie eh und je schätzen die Polen deutsche Eigenschaften wie gute Organisation, Disziplin, Unternehmergeist, Effizienz, Verantwortung und Fleiß.

Die unterschiedlichen Verhaltensweisen deutscher und polnischer TouristInnen, die hauptsächlich auf kulturelle Differenzen zurückzuführen sind, können jedoch zu Kon­flikten führen: eine andere Art und Weise, das Gespräch zu führen, mit Spannungen umzugehen, Kritik zu üben und anzunehmen, der Umgang mit gesellschaftlichen Un­terschieden und Autoritäten sowie Regeln und Vorschriften und schließlich verschie­dene geografische Terminologien (die Anwendung deutscher Toponyme in Bezug auf die Westgebiete des heutigen Polen oder dessen Verortung in Osteuropa). Dies sind nur einige mögliche Quellen für Missverständnisse. Das Wissen um deren historische, kul­turelle und gesellschaftliche Hintergründe, Akzeptanz und Respekt für das Anderssein, d. h. davon überzeugt zu sein, dass Differenz nicht unbedingt einer Einteilung in besser und schlechter bedarf, sowie die Neugier auf den anderen sind die wirksamsten Gegen­mittel gegen Konflikte und Missverständnisse. Nicht erst seit heute weiß man, dass dies produktiv sein kann. Die Konfrontation mit dem Anderssein oder die kognitive Neugier aus der Ferne bieten nicht nur Gelegenheit, etwas mehr über andere, sondern auch über uns selbst zu erfahren.

Aus dem Polnischen von Andreas Volk

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Żelazowska-Müller, Paulina, M.A., verfasste den Beitrag „Tourismus und die deutsch-polnischen Beziehungen“. Sie ist Beraterin und Projektmitarbeiterin in der Bundesagentur für Arbeit Hannover. Sie arbeitet in den Bereichen Demografischer Wandel, Arbeitsmigration und Interkulturelle Kommunikation.

 

 

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