Mirosława Zielińska

Bedingungen und Verlauf des Transfers polnischer Literatur im deutschsprachigen Raum 1958–2019

Bedingungen und Verlauf des Transfers polnischer Literatur im deutschsprachigen Raum 1958–2019


Die 1960er Jahre – die „polnische Welle“

Die frühesten Zeugnisse der Nachkriegsrezeption der polnischen Kultur im deutschsprachigen Raum stammen aus der Schweiz und aus Österreich sowie aus der DDR (Sauerland 2018; Kneip; Orłowski 1988).  In diesen drei Ländern fällt der Beginn des Kulturtransfers auf den Übergang von den 1940ern zu den 1950er Jahren. In die BRD gelangte die polnische Literatur erst mit gehöriger Verspätung – ein ganzes Jahrzehnt später. Ich möchte meine Ausführungen zum Transfer der polnischen Literatur auf dem (west)deutschen literarischen Feld mit einer Analyse des Kontexts beginnen, in dem sie gerade zu dieser Zeit in Erscheinung treten konnte (Zielińska 2011).  Den äußeren Impuls bildete das Jahr 1956 mit dem polnischen Oktober und dem Volksaufstand in Ungarn. Die Abkehr von der Doktrin des sozialistischen Realismus bewirkte eine vorübergehende Liberalisierung der Kulturpolitik, was die Veröffentlichung einiger literarischer Werke ermöglichte, die unter anderem gattungspoetische Innovationen geschickt mit einer kritischen Analyse der Wirklichkeit verbanden. Die brutale sowjetische Intervention in Ungarn hingegen veranschaulichte, welcher Preis gegebenenfalls für den allzu radikalen Versuch der Befreiung aus der sowjetischen Einflusszone zu zahlen war. Vor dem Hintergrund der ungarischen Ereignisse wurde das Aufkommen einer kritischen Strömung in der polnischen Literatur, die offen den Stalinismus verurteilte, für eine Ausnahmeerscheinung gehalten, die in den Ländern auf der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“ ein breites Echo auslöste.

Aus der Perspektive sowohl der Feldtheorie Pierre Bourdieus (Bourdieu 2001) als auch der Kulturtransferforschung (Sauerland 1999, S. 7–18) ist allerdings anzumerken, dass es für den Transfer der polnischen Literatur eines autonomen literarischen Feldes bedurfte, das zu ihrer Aufnahme bereit war. Zu Beginn der 1960er hatte die Gruppe 47 – eine elitäre literarische Gruppe, die ein Jahrzehnt zuvor den Prozess der Autonomisierung des literarischen Felds angestoßen hatte – eine dominierende Position erlangt und die Werte- und Deutungshoheit übernommen. Außerdem war es ihr gelungen, ein bedeutendes symbolisches Kapital anzusammeln. Kritische Stimmen gegen Mitglieder der Gruppe führten in den 1960er Jahren zu einer weiteren Öffnung des sozialen Raums – darunter auch des Verlagsfelds – für neue literarische Manifestationen. Die (auf dem Austausch von Kapital und der gegenseitigen Bestätigung des Prestiges beruhende) Symbiose des Verlagsfelds und des literarischintellektuellen Felds resultierte daraus, dass die Akteure beider Felder ein gemeinsames Ziel verfolgten: die Erneuerung der deutschen Nachkriegsliteratur und die Steigerung ihres Stellenwerts durch die Internationalisierung des literarisch-intellektuellen Felds wie auch des Verlagsfelds. Ein Beleg dafür ist etwa die Einberufung einer informellen Beratergruppe – bestehend aus Martin Walser, Hans Magnus Enzensberger und Uwe Johnson – für den Suhrkamp-Verlag durch Siegfried Unseld. In derselben Zeit reisten unter anderem Heinrich Böll, Günter Grass, Martin Walser und Siegfried Lenz nach Polen, die zugleich – was wichtig ist – von Anfang an den Transfer polnischer Kultur und in den 1970er und 1980er Jahren auch die polnische demokratische Opposition aktiv unterstützten. In diesem Kontext muss unbedingt auch Horst Bienek erwähnt werden. Im Vorwort zur zweisprachigen Neuauflage seiner ersten – und aus heutiger Perspektive in vielerlei Hinsicht bahnbrechenden – Anthologie polnischer Gegenwartslyrik Lektion der Stille (1959) erinnert Karl Dedecius daran, dass es Horst Bienek war, der ihn zur Herausgabe des Bandes ermutigte und in den Verhandlungen mit dem Verlag unterstützte (Dedecius 2003).

Das lawinenartig wachsende Interesse an neuen literarischen Erscheinungen, zu denen auch die polnische Literatur zählte, resultierte aus der Entstehung eines differenzierten Angebots an Werken im Verlagsfeld, die gleichzeitig auf vielen Subfeldern der deutschen Kultur sichtbar wurden, etwa in Bühnenverlagen oder auf Theater- und Festivalbühnen, in den frisch entstehenden Zeitschriften, die ‚neue Literatur‘ und ‚neues Theater‘ propagierten, oder auch in Form von Radiohörspielen, die über das literarische Feld hinaus breite Resonanz weckten. Hier sind zu nennen: Roman Brandtstaetters im Stückewettbewerb der Bregenzer Festspiele 1956 ausgezeichnetes Drama Das Schweigen, Marek Hłaskos im selben Jahr erschienene Erzählbände Der achte Tag der Woche und Der erste Schritt in den Wolken sowie Aleksander Fords Leinwandadaption der Titelerzählung des erstgenannten Bandes (1958; der Film Ósmy dzień tygodnia war zudem die erste [west]deutsch-polnische Koproduktion) oder nicht zuletzt auch Sławomir Mrożeks Erzählband Hochzeit in Atomweiler (1961) und das Drama Die Polizei, das erstmals 1959 in einem kleinen Theater in Frankfurt am Main aufgeführt wurde und nach dem Bühnenerfolg in der seit 1956 vom Suhrkamp-Verlag herausgegebenen Reihe Spectaculum (4/1961) erschien. Zu den am frühesten rezipierten Werken gehören auch Witold Gombrowiczs 1960 erschienener Roman Ferdydurke sowie Tadeusz Różewiczs an der Werkstattbühne des Berliner Schiller-Theaters aufgeführtes Stück Kartothek (Das Drama Kartoteka liegt in zwei deutschen Übersetzungen vor: Kartothek von Ilka Boll und Kartei von Henryk Bereska). Stanisław Jerzy Lec’ Aphorismensammlung Unfrisierte Gedanken wurde zum Beststeller und kam bis zum Jahr 2000 auf 40 Auflagen und ca. 350.000 verkaufte Exemplare  (Kneip 2011, S. 230). Eines der in beiden deutschen Staaten am häufigsten neu aufgelegten Bücher aus Polen war Jerzy Andrzejewskis Roman Asche und Diamant: Nach der Erstausgabe 1961 erschienen bis 1998 mindestens 18 Auflagen in 12 verschiedenen Verlagen in beiden Teilen Deutschlands sowie in Österreich. 1961 begann auch die Rezeption des Werks von Bruno Schulz (dt. Die Zimtläden, poln. Sklepy cynamonowe, 1933). Nicht übersehen werden dürfen in diesem Kontext Leszek Kołakowskis knapp zwei Jahrzehnte lang regelmäßig neu aufgelegter philosophischer Essay Der Mensch ohne Alternative, in dem der Autor eine undogmatische Version des Marxismus entwarf, sowie die Prosa des Literaturnobelpreisträgers von 1980, Czesław Miłosz.

Die Symbiose des Verlagsfelds und des literarisch-intellektuellen Felds sowie ihr gemeinsames Bemühen um einen Wandel des intellektuellen Klimas in der (west)deutschen Kultur ließ ein Rezeptionsfeld entstehen, in dessen Rahmen eine Gruppe von KulturmittlerInnen und InterpretatorInnen aktiv wurde, die dem (west)deutschen Rezipienten das Andere der polnischen Kultur erklärten und ihn von deren Attraktivität und Innovativität überzeugten. Das verbindende Element zwischen der deutschen und der polnischen Kriegsgeneration bestand damals in einer kritischen Distanz zum politischen Feld und dessen heteronomisierenden Mechanismen sowie in einem Verständnis von Literatur und intellektuellem Engagement als Instrumente zur Herbeiführung eines Wandels im gesellschaftlichen Bewusstsein, das an Jean Paul Sartres „intellektuelle Interventionen“ denken lässt (Glicher-Holtey 2007).  Die Revision der Opposition fremd (feindlich)-eigen war für die (west)deutschen Intellektuellen Voraussetzung und Prüfstein zugleich für den sich in der Bonner Republik vollziehenden Wandel.

Mit dem Moment ihres ersten Erscheinens in der Kultur der Bundesrepublik Deutschland wurde der polnischen Kultur ein spezifischer Status zugesprochen, der aus heutiger Sicht unverständlich wirken oder erstaunen mag: Die Literatur wurde einerseits als Gegenteil von Politik und andererseits als deren Ersatz verstanden. „Die einende Kraft der Dichtung“ sollte in den (west)deutsch-polnischen Beziehungen die Perspektive eines Dialogs ohne Konfrontation und Ideologie eröffnen. So lautete auch der Titel eines programmatischen Texts, den der Dichter und Germanist Hermann Buddensieg in der ersten Nummer der im April 1956 gegründeten Vierteljahresschrift Mickiewicz-Blätter (1956–1976) veröffentlichte. Von entscheidender Bedeutung war aber, dass Buddensieg, der Adam Mickiewiczs Pan Tadeusz ins Deutsche übersetzte, die Entdeckung der polnischen Literatur und den Dialog mit ihr als Form der Wiedergutmachung ansah. Das belegt ein Zitat aus dem Jahr 1968, das einer Würdigung von Buddensiegs Wirken, unter anderem in seiner Funktion als Herausgeber der Mickiewicz-Blätter, entnommen ist:

[E]s gilt, als eine wirkliche Wiedergutmachung, soweit diese nach den grauenhaften Verbrechen überhaupt möglich ist, zu erweisen, welche bedeutenden, von den Nazis verleugneten Werte auf allen Gebieten Polen geschaffen haben. So betrachten es Buddensiegs „Mickiewicz-Blätter“ als ihre Aufgabe, die bedeutenden Werke der polnischen Literatur […] in deutscher Sprache vorzuführen – was von den Polen geleistet wurde, aber bisher unbekannt war, erregt oft das Erstaunen der Leser“ (Röhl 1968, S. 132, hier zit. nach Nosbers 1999, S. 223).

 Das Bewusstsein einer aus der tragischen Vergangenheit resultierenden besonderen Verpflichtung gegenüber der polnischen Kultur finden wir auch bei Karl Dedecius. Erkennbar wird es vor allem im Kontext einer von ihm erstellten und übersetzten Auswahl polnischer Lyrik, die am 1. September 1959, dem 20. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs, als Sonderbeilage der Mickiewicz-Blätter erschien. Impulsgeber der Anthologie Leuchtende Gräber sowie Verfasser des Mottogedichts, das den Band eröffnete, war Hermann Buddensieg. Dieses Narrativ liegt am Ursprung des Diskurses über die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Verständigung bzw. Versöhnung nach dem Umbruch der Jahre 1989/1990.

Der politische Aspekt, der von Anfang an Motor des Transfers polnischer Kultur im (west)deutschen öffentlichen Raum war, ließ sich jedoch nicht ausblenden oder negieren (Lüsebrink 2003; Surynt; Zielińska 2014).  Die Notwendigkeit der kulturellen Translation, die Verstärkung der Stimmen polnischer AutorInnen durch zusätzliche Kommentare, resultierte in erster Linie aus einer dreifachen Stereotypisierung in Bezug auf 1) Polen als Erinnerungsort, 2) den Osten als mentale Landkarte sowie 3) das mit dem homogenisierenden Begriff „Ostblock“ bezeichnete Gebiet. Die Politisierung des Lektüremodells betraf insbesondere die als Reaktion auf den polnischen Oktober ‘56 entstandenen Texte, denen a priori eine kritische Haltung zum System des ‚real existierenden Sozialismus‘ unterstellt wurde. Die außerliterarischen Aspekte, darunter vor allem eine gewisse politische ‚Exotik‘, wurden in der breiteren Wahrnehmung zu einem untrennbaren Filter der Rezeption polnischer Literatur und prägten den Erwartungshorizont der deutschen bzw. deutschsprachigen Rezipienten. Die Reaktionen auf die Proteste hinter dem ‚Eisernen Vorhang‘ (1956, 1968, 1981, 1989) wurden natürlich auch durch die jeweils aktuellen Debatten im gesellschaftlich-politischen und im literarischen und intellektuellen Feld sowie durch die mediale Darstellung der konkreten Ereignisse beeinflusst, doch sie bekräftigten jedes Mal das Modell der außerliterarischen Lektüre polnischer Texte.

Viele der mit dem Prozess des Kulturtransfers zusammenhängenden oder mit ihm einhergehenden Ereignisse am Übergang von den 1950er zu den 1960er Jahren sind an der Schnittstelle des verlegerischen, literarischen und medialen Feldes zu verorten. So ist der Fall Marek Hłaskos und insbesondere seines Erzählbandes Der achte Tag der Woche (poln. 1954, dt. 1958) ein beredtes Beispiel für die negative Rückkopplung zwischen (kurzlebigem) medialem Interesse und (vorübergehendem) verlegerischem Erfolg. Der achte Tag der Woche erzählt die Geschichte zweier junger Menschen, die sich in einer Welt zurechtfinden müssen, auf der noch der lange Schatten der Verwüstungen des Kriegs und der stalinistischen Nachkriegszeit liegt. Das Paar sehnt sich nach Liebe und fürchtet sie zugleich – es stellt sich die Frage, ob Liebe in einer solchen Welt überhaupt möglich ist. Die zweite zentrale Frage betrifft die Chance auf einen ‚Neuanfang‘ und ein anderes Leben. Ein Entkommen aus dem alles umfassenden Zerfall scheint allerdings unmöglich. Das schon im Titel der Erzählung vorweggenommene Scheitern der jungen Protagonisten (einen „achten Tag der Woche“ wird es nie geben…) spiegelt die Atmosphäre der Tauwetterzeit nach 1956, den allgemeinen Schwebezustand zwischen der Hoffnung auf Veränderung und der tiefen Skepsis gegenüber den Versprechen des Regimes. Der achte Tag der Woche wurde zur Grundlage einer westdeutsch-polnischen Kino-Koproduktion (1957/1958). Produzenten des in Polen gedrehten Films waren auf polnischer Seite die Filmgruppe Studio und auf westdeutscher Seite die CCC-Filmkunst GmbH Westberlin. Regie führte Aleksander Ford, der Leiter der Filmgruppe Studio, dessen filmisches Schaffen bis in die Vorkriegszeit zurückreichte und dessen Nachkriegsfilme in Venedig (1948) und Cannes (1953) Preise gewonnen hatten. Die Hauptrollen spielten mit Zbigniew Cybulski und Sonja Ziemann die Gesichter des polnischen und (west)deutschen Kinos der 1950er Jahre. Das Medieninteresse in der Bundesrepublik konzentrierte sich vor allem auf das Privatleben der deutschen Schauspielerin, die den polnischen Autor heiratete. Für Aufsehen sorgte der Film auch in der Volksrepublik Polen: Nachdem der Film von der Zensur verboten wurde, beantragte Hłasko politisches Asyl in der BRD und kehrte aus Angst vor Repressionen nicht mehr nach Polen zurück. Im polnischen Kino wurde der Film erst mit 25-jähriger Verspätung gezeigt. Das Interesse des (west)deutschen Publikums war vor diesem Hintergrund naturgemäß umso größer.

Die 1970er und 1980er Jahre

 Transfer mit Hindernissen: Polnische Literatur in der DDR

 Ein gutes Beispiel für das Interesse von Mittlern des Transfers polnischer Kultur in der DDR der 1970er Jahre, wo die Kultur komplett der Zensur und der staatlichen Lenkung unterlag, ist das Wirken Henryk Bereskas, eines der produktivsten und vielseitigsten Übersetzer polnischer Literatur. Schon als junger Polonistikstudent der Humboldt-Universität übersetzte Bereska 1948 in Berlin Tadeusz Różewiczs Gedicht Ölzweig, das ein Jahr später in der Berliner Zeitung erschien. Die Anregung dazu war von dem damals als Kultur- und Presseattaché in Berlin arbeitenden Tadeusz Borowski gekommen. Bis 1989 übertrug Bereska einen breiten Querschnitt der polnischen Literatur von der Renaissance bis in die Gegenwart ins Deutsche, darunter AutorInnen wie Jan Kochanowski (1530–1584), Władysław Reymont (Literaturnobelpreisträger des Jahres 1924), Stefan Żeromski, der Fin-de-Siècle-Maler und Dramatiker Stanisław Wyspiański, Jarosław Iwaszkiewicz, Zofia Nałkowska, Stanisław Lem, Kazimierz Brandys oder die Lyrikerin Urszula Kozioł – um zur Orientierung nur einige ausgewählte Namen aus der mehr als zweihundert Positionen umfassenden Liste seiner Übersetzungen zu nennen. Bei der Übersetzung und Veröffentlichung der Werke des Erfinders des Theaters der ‚Reinen Form‘, Stanisław Ignacy Witkiewicz, der Prosa Jerzy Andrzejewskis, der Dramen Tadeusz Różewiczs und auch der Prosa von Bolesław Prus, der an der Wende vom 19. zum 20. Jh. schrieb, gab es vorübergehende Probleme (natürlich im Zusammenhang mit der Zensur). Die Dramatik von Sławomir Mrożek unterlag der Reglementierung, man näherte sich ihr mit großer Vorsicht – zumal nachdem der Autor 1968 in einem Text für die französische Tageszeitung Le Monde gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei protestiert hatte. Zbigniew Herbert wiederum wollte nicht, dass seine Werke in der DDR oder anderen sozialistischen Staaten gedruckt wurden, weshalb Bereska seine Übersetzung von Herberts Essay Atlas unter dem Pseudonym Guido von Birkenfeld in der Münchener Literaturzeitschrift Akzente (1980/8) veröffentlichte. Bereskas Übersetzungen von Czesław Miłoszs Tagebuch (poln. 1987) und Adam Zagajewskis Essays und Kurzprosa konnten erst Mitte der 1990er Jahre in der Zeitschrift Sinn und Form erscheinen, die von ihm übersetzten Gedichtbände von Herbert (Gewitter Epilog. Gedichte) und Zagajewski (Ich schwebe über Krakau. Erinnerungsbilder) erschienen im Jahr 2000 anlässlich der Frankfurter Buchmesse, bei der Polen als Gastland auftrat, im Suhrkamp-Verlag bzw. Carl Hanser-Verlag.

 Einen Wendepunkt im Prozess des Transfers polnischer Kultur nach Ostdeutschland markierte das Jahr 1975, für das man – im Rahmen der offiziellen Kulturpolitik und im Geist der „Freundschaft und Zusammenarbeit der Bruderstaaten“ – die „Tage der polnischen Theaterkunst“ (9.–19.10.1975) geplant hatte. Es war eine eigene Arbeitsgruppe einberufen worden, deren Aufgabe darin bestand, die ostdeutschen RezipientInnen auf den Kontakt mit dem polnischen Drama und der polnischen Kultur insgesamt vorzubereiten. Unter Mitwirkung des Verbands der Theaterschaffenden der DDR wurden spezielle Materialien zum polnischen Drama und zur Arbeit des polnischen Theaters erarbeitet, die allen Interessierten zugänglich waren. Außerdem ermöglichte man es ostdeutschen Theaterintendanten, Regisseuren, Dramaturgen und Bühnenbildnern, polnische Theater zu besuchen und sich vor Ort mit deren Arbeit bekannt zu machen. Das führte unweigerlich zu einem wachsenden Interesse am polnischen Drama und Theater. Gab es in den Jahren 1971–1974 lediglich drei bis fünf Inszenierungen polnischer Stücke auf ostdeutschen Bühnen, so waren es vom Beginn der Vorbereitung der „Tage der polnischen Theaterkunst“ bis Oktober 1975 insgesamt 58 Inszenierungen von 34 Werken (Drama, Oper, Ballett, Puppentheater) in 32 Theatern in der gesamten DDR.

Allein auf das Jahr 1975 entfielen 39 Inszenierungen. Während der „Tage der polnischen Theaterkunst“ im Oktober 1975 gab es – auch in Gestalt von Gastspielen polnischer Theater und Inszenierungen polnischer Regisseure an ostdeutschen Theatern – vier Aufführungen von Dramen Sławomir Mrożeks (darunter Tango in der Regie von Józef Gruda in Rostock), und Studenten der Staatlichen Theaterhochschule Warschau präsentierten Witold Gombrowiczs Trauung. Dass Aufführungen von Stücken Mrożeks, Różewiczs oder Gombrowiczs genehmigt wurden, war keineswegs selbstverständlich. Gombrowicz war als Autor in der DDR nicht präsent. Mrożeks Stück Karol hatte Jutta Janke trotz zweier negativer Gutachten über die Zusammenstellung des Bandes sowie skeptischer Anmerkungen der Zensoren in ihre 1966 erschienene Anthologie polnischer Gegenwartsdramatik ‚einschmuggeln‘ können (Janke 1966).  Von der Veröffentlichung eines Stücks wie Tango, das im selben Jahr von dem polnischen Regisseur Erwin Axer in Düsseldorf inszeniert wurde, konnte keine Rede sein. Im Rahmen der „Tage der polnischen Theaterkunst“ wurden 1975 darüber hinaus fünf Inszenierungen von Różewicz-Stücken gezeigt, was ebenfalls eine besondere Aussagekraft hat. Sein Text Die Laokoongruppe war schon in der Begutachtungsphase aus der erwähnten Anthologie von 1966 ausgeschlossen worden, und ein Jahr zuvor hatte die Inszenierung seines Stücks Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung [Świadkowie albo nasza mała stabilizacja, poln. 1962] durch ein Studententheater aus Leipzig die Macher in ernste Schwierigkeiten gebracht. (Letztlich waren Die Zeugen in der Übersetzung von Henryk Bereska in einem 1974 veröffentlichten Band mit Różewicz-Stücken erschienen.)

Der Erfolg der Tage der polnischen Theaterkunst (die Theateraufführungen wurden durch Rundfunk- und TV-Sendungen, Pressetexte, Ausstellungen und Filmvorführungen etc. flankiert) und die positive Aufnahme der Kultur beschränkten sich nicht auf den Oktober 1975. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre festigten sich die ostdeutschen Künstlermilieus, die sich für eine Lockerung des ideologisch-politischen Korsetts im kulturellen Leben einsetzten. Auf Initiative der Slawistin Elke Wiegand, Leiterin der Abteilung Internationale Arbeit beim Verband der Theaterschaffenden der DDR, beschloss man, die deutsch-polnischen Theaterkontakte zu formalisieren und zu intensivieren. Zu diesem Zweck wurde das sogenannte „Länderaktiv Polen“ ins Leben gerufen, dessen erklärtes Ziel es war, die Kooperation deutscher und polnischer Bühnen zu verstetigen, das polnische Drama und Theater besser kennenzulernen und das erworbene Wissen produktiv auf ostdeutschem Boden einzusetzen. Mitglieder der Gruppe waren die aktivsten Theater- und Dramenschaffenden, Regisseure, Verleger und Kritiker der DDR: Rolf Winkelgrund (Berlin und Potsdam), Karl-Georg Kayser (Leipzig), Herbert Olschok (Berliner Ensemble) und Gert Jurgons (Potsdam) die Dramaturgen Wolfgang Kröplin, Matthias Caffier (Leipzig) und Dieter Görne (Dresden), die Theaterwissenschaftlerin Eleonore Rebel, der Kritiker des Magazins Theater der Zeit Martin Linzer sowie Ingeborg Knauth, die Verantwortliche Dramaturgin für die Dramatik der Volksdemokratien des Theaterverlags henschel SCHAUSPIEL (Misterek 2002, S. 340ff.; vgl. auch Fischer; Steltner 2011).

Die Konstituierung des „Länderaktivs Polen“ fiel jedoch in eine Zeit neuer Spannungen, die Anfang der 1980er Jahre im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Solidarność im politischen Feld zwischen Ostberlin und Warschau entstanden. Ein maßgeblicher Faktor, der den Prozess des Transfers polnischer Kultur stark prägte, war auch die Spaltung des polnischen kulturellen Lebens infolge der an der Jahreswende 1975/1976 erfolgten Entstehung eines sogenannten „zweiten Umlaufs“ als Gegenentwurf nicht nur zur offiziellen Kulturpolitik, sondern auch zum offiziellen Literaturbetrieb der Volksrepublik. Die zeitliche Koinzidenz dieser beiden Phänomene – der Öffnung der ostdeutschen Kultur für die polnische Literatur sowie der Entstehung eines nicht nur alternativen, sondern gegenüber der offiziellen politischen Linie kritischen Gegendiskurses in Polen, wie ihn der sich dem Zugriff der Zensur entziehende zweite Umlauf darstellte – führte dazu, dass polnische Literatur und Kultur keine Chance mehr hatten, offiziell in der DDR in Erscheinung zu treten. Auch die Literatur der DDR, die in den 1970er Jahren in mit ideologischen Vor- und Nachworten sowie Kurzbiographien von Autorinnen und Autoren versehenen Ausgaben auf den polnischen Markt gebracht worden war, konnte nicht mehr auf wohlwollendes Interesse der polnischen Leserschaft hoffen. Obwohl die offizielle Kulturpolitik sowohl der DDR als auch der Volksrepublik die restriktive Zensur und Reglementierung bald ein wenig lockerten und auf einen Kurs der ‚Schadensbegrenzung‘ umschwenkten, erodierte das literarische Leben in DDR und Volksrepublik seit dem Übergang von den 1970er zu den 1980er Jahren unaufhaltsam – ähnlich wie die Grundlagen der Staaten des real existierenden Sozialismus. Zu erwähnen ist noch, dass es gegen Ende der 1980er Jahre auch der demokratischen DDR-Opposition gelang (in großem Maße dank des institutionellen Rückhalts der evangelischen Kirche), trotz Stasi-Überwachung und drohenden Repressionen eine „dezentrale Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen und Kontakte zu demokratischen Oppositionellen in anderen Ländern Ostmitteleuropas zu knüpfen, darunter in Polen.

2.2 Osten und Westen

 Die Institutionalisierung der Kontakte zwischen Osten und Westen (durch den sogenannten „Warschauer Vertrag“, das heißt den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen vom 7. Dezember 1970 sowie durch den sogenannten „Grundlagenvertrag“ über die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972) führte ungewollt zur Minderung der Attraktivität des polnischen Kulturangebots für das (west)deutsche Lesepublikum. Dies war eine Nebenwirkung der Eingliederung des Transfers polnischer Kultur in die Strukturen des institutionalisierten „deutschpolnischen Kulturaustauschs“. Die Übernahme der kulturellen Zusammenarbeit durch die von Warschau gesteuerte offizielle Kulturpolitik führte zu einer stärkeren Kontrolle durch staatliche Institutionen sowie zur zunehmenden Ideologisierung der nach Westeuropa gelangenden Informationen. Die Kulturpolitik der Volksrepublik musste die Doktrin von der Freundschaft zwischen Polen und der DDR widerspiegeln sowie die Erwartungen der DDR etwa hinsichtlich der Nichteinladung ungewünschter westdeutscher AutorInnen oder ausgereister DDR-AutorInnen berücksichtigen. Weitere Folgen von Willy Brandts neuer Ostpolitik waren außerdem eine erhöhte Wachsamkeit der Geheimdienste und eine engere Kooperation von KGB, Stasi und dem volkspolnischen Geheimdienst, die 1974 formalisiert wurde (Jaskułowski 2021).

In der BRD verlagerten sich vor diesem Hintergrund die Schwerpunkte des Interesses für den östlichen Nachbarn. In den Fokus der Aufmerksamkeit rückten zunehmend jene SchriftstellerInnen, die wegen ihrer kritischen Einstellung zur Wirklichkeit des real existierenden Sozialismus unter staatlichen Repressionen litten. Man könnte sagen, dass die Niederschlagung des Prager Frühlings ’68 in den Ländern des Ostblocks die Ära der Dissidenten einleitete – nicht nur derjenigen, die emigrierten, sondern auch derer, denen man die Staatsbürgerschaft entzog oder die aus ihren Ländern ausgewiesen wurden. Auf ihr Wirken und ihr Schaffen konzentrierte sich das Interesse des westlichen deutschsprachigen Publikums. In diesem Kontext ist vor allem Alexander Solschenizyn zu nennen, der Verfasser des Archipel Gułag und Literaturnobelpreisträger des Jahres 1970, der von den westdeutschen Medien zum „Dissident der Dissidenten“ ausgerufen wurde, nachdem ihm die Staatsbürgerschaft entzogen worden war und er nach der Ausweisung aus der UdSSR zunächst – auf Vermittlung von Willy Brandt und Heinrich Böll – in der Bundesrepublik Aufnahme fand, bevor er über die Schweiz in die USA ging. Nicht zu vergessen sind auch ein prominenter Teilnehmer des Prager Frühlings, Milan Kundera, oder der aus Hamburg stammende Liedermacher Wolf Biermann, der zunächst 1953 (im Alter von siebzehn Jahren) in die DDR zog und 1976 auf spektakuläre Weise – während einer Tournee durch Westdeutschland – von der DDR ausgebürgert wurde. Ausgelöst wurde das wachsende Interesse der westdeutschen Intellektuellen durch die systemkritische Literatur von DDR-AutorInnen, die immer häufiger außerhalb der DDR veröffentlicht wurde. Die Gruppe der politischen Flüchtlinge aus Ostmitteleuropa wuchs stetig an: Nach einer Welle von Repressionen gegen die Unterzeichner der berühmten tschechoslowakischen Charta 77 fanden sich unter ihnen nach der Verhängung des Kriegsrechts (13. Dezember 1981) auch zahlreiche polnische Solidarność-AktivistInnen.

Nach 1968 vertiefte sich sukzessive die Identitätskluft zwischen den Gesellschaften im Osten und im Westen Europas. Während es noch in den 1960er Jahren – so der britische Historiker Timothy Garton Ash – in beiden Teilen Europas Intellektuelle gab, die in Kategorien einer Konvergenz der beiden Systeme – des sozialistischen und des kapitalistischen – dachten, so wurde in den 1970er Jahren die Spaltung in einen kommunistischen/undemokratischen Osten und einen kapitalistischen/demokratischen Westen immer offensichtlicher (Timothy Garton Ash, Es lag etwas in der Luft, Spiegel (2004), Nr. 46, S. 70).

Die westdeutschen Protestbewegungen des Jahres 1968 initiierten Prozesse, die im Endeffekt zur Überwindung bestehender gesellschaftlicher Barrieren und zu einer umfassenden Liberalisierung führten. Sie trugen außerdem maßgeblich dazu bei, dass das im intellektuellen Feld mehr als zwei Jahrzehnte lang verdrängte und verschwiegene Thema der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf die Tagesordnung rückte (Osęka 2015).  Auf diese Weise wurden sie zum Beschleuniger der Veränderungen in der westdeutschen Gesellschaft und Identität. Zur selben Zeit vollzog sich in Polen ein nicht minder bedeutsamer Wandel. Am Übergang von den 1960er zu den 1970er Jahren wurde der Protest gegen den real existierenden Sozialismus unübersehbar und zog immer weitere Kreise. Nach 1975 kam es zu einem Bruch innerhalb der polnischen Kultur, das heißt zur Spaltung zwischen den nicht bzw. nicht offen systemkritischen AutorInnen und den SchriftstellerInnen des zweiten Umlaufs, die jenseits des Zugriffs der Zensur das offizielle literarische Leben der Volksrepublik kritisierten. Diese zweite Gruppe veröffentlichte ihre Werke entweder in sogenannten ‚Untergrundverlagen‘ oder im Exilverlag der Pariser Kultura. Gerade im Exil, unter den Dissidenten aus den sogenannten kleinen Kulturen Ostmitteleuropas, wurden grundlegende Diskussionen über die geopolitische Lage oder über Fragen der Identität und der zwischenmenschlichen Beziehungen geführt, welche die demokratischen Oppositionsbewegungen prägten, die im Wendejahr 1989 eine zentrale Rolle spielten (Ash 1987).

Der Umbruch von 1980/1981, der in Polen auch als Karneval der Solidarność bezeichnet wird, sowie die Verhängung des Kriegsrechts (13. Dezember 1981) erneuerten das politische Interesse an Polen, und die ideologische Kluft zwischen den beiden deutschen Staaten offenbarte sich auch in den Reaktionen auf die Ereignisse der 1980er Jahre. Die DDR-Führung reagierte auf Entstehung und Aktivitäten der Solidarność mit der Abschaffung der Anfang 1972 eingeführten Visafreiheit für Reisen aus der DDR nach Polen sowie mit der Einstufung von polnischen KünstlerInnen aus intellektuellen Kreisen als Staatsfeinde der DDR. Anfang Oktober 1980 formulierte der Stasi-Chef Erich Mielke einen Auftrag für die operativen Einheiten des Ministeriums für Staatssicherheit: den Schutz der DDR-Bürger vor einer „Ansteckung“ mit dem aus Polen kommenden konterrevolutionären Gedankengut (Gańczak 2020, S. 90ff).

Die Perspektive der Länder Westeuropas, darunter auch des deutschsprachigen Raums, und insbesondere des medialen Felds war diametral entgegengesetzt. Ein Beispiel für die Aktualisierung des politischen und affektiven Generators als bestimmendem Faktor der Wahrnehmung von AutorInnen aus Osteuropa ist die Ankündigung von Lesungen Tadeusz Różewiczs und Sarah Kirschs in einer Pressenotiz von März 1980. Dort heißt es:

Zwei erste Namen aus der zeitgenössischen europäischen Lyrik diese Woche in Wien: der Pole Tadeusz Różewicz sowie die vor zweieinhalb Jahren aus Ostnach West-Berlin übersiedelte Sarah Kirsch. Różewicz liest am Montag, dem 17. März, in der Alten Schmiede. Neben Sławomir Mrożek (jetzt meist in Paris), Zbigniew Herbert (schon eine Weile in West-Berlin) und Czesław Miłosz (schon lange in den USA) […] (Różewicz und Kirsch, Die Presse vom 14.3.1980).

 Durch das Prisma des affektiven und politisch-ideologischen Generators lässt sich die Notiz aus der Wiener Presse sowohl als Ausdruck der Bewunderung und Unterstützung für die Dissidenten als auch als Vision eines Zerfalls des Ostblocks lesen. Zugleich bezeugt sie das wachsende Prestige des autonomen dissidentisch-emigrantischen Feldes und den Bedeutungsverlust der von der Zensur unterdrückten literarischen Felder in Polen und der DDR.

Das Jahr 1980 – Literaturnobelpreis für Czesław Miłosz

 In dieser Atmosphäre wurde der Literaturnobelpreis für das Jahr 1980 an einen der wichtigsten Teilnehmer der Debatte über die Identität Ostmitteleuropas verliehen: den als Professor für Slawische Literaturen an der University of California in Berkeley und der Harvard University tätigen Czesław Miłosz (Schmid 2011).  Zwei Jahre zuvor, im Jahr 1978, hatte Miłosz bereits den (von der University of Oklahoma und dem Literaturmagazin World Literature Today vergebenen) Neustadt International Prize for Literature erhalten. 1979 erschien im Suhrkamp-Verlag der von Karl Dedecius herausgegebene und übersetzte Band Zeichen im Dunkel. Poesie und Poetik.

Fünf Jahr zuvor war die Berühmtheit eines anderen Nobelpreisträgers – Alexander Solschenizyn – und seines Buches zum Gatekeeper und Generator für die Neuauflage der deutschen Ausgabe von Miłoszs bekanntestem Essay Verführtes Denken (poln. Zniewolony umysł, 1953) geworden, dessen Erstauflage ein Vorwort von Karl Jaspers voranging. Interessant (zumal im Kontext der Prozesse des Kulturtransfers) ist dabei die Tatsache, dass der Schweizer Slawist und Übersetzer der Erstausgabe von 1953, Alfred Loepfe, für den Kölner Verlag Kiepenheuer und Witsch lediglich eine Rohfassung erstellte. Verantwortlich für die Endfassung des Textes war Heinrich Böll, damals Lektor des Verlags. Die Verleihung des Literaturnobelpreises an Czesław Miłosz war Anlass für Neuauflagen aller seiner bisher in deutscher Übersetzung erschienener Lyrik- und Prosabände sowie für neue Publikationen. 1982 erschien als erster Band der auf 50 Bände angelegten Polnischen Bibliothek im Suhrkamp-Verlag eine Auswahl von Miłoszs Gedichten aus den Jahren 1933–1981. Im selben Jahr veröffentlichte Kiepenheuer und Witsch Das Land Ulro, eine umfangreiche Sammlung von Essays in der Übersetzung von Jeannine Łuczak-Wild. Ein Jahr später veröffentlichte der Carl Hanser-Verlag Miłoszs HarvardVorlesungen (Das Zeugnis der Poesie, übersetzt von Peter Lachmann). Czesław Miłoszs Lyrik, Essayistik und Prosa erschien seit 1953 im Exilverlag der Pariser Kultura und seit 1976 auch im zweiten Umlauf in Polen. Allein von Zniewolony umysł erschienen in den Jahren 1980–1989 dreißig verschiedene Ausgaben im Untergrund (Pawelec 2011, S. 182).

Äußerst bemerkenswert ist das Fehlen von Neuauflagen des Romans Zdobycie władzy (wörtlich: Die Eroberung der Macht), der in der deutschen Übersetzung den Titel Das Gesicht der Zeit trägt. Das mit dem Preis der Europäischen Buchhändler (Prix Littéraire Européen) ausgezeichnete Werk beschreibt die Methoden der Machtübernahme durch die Kommunisten in Polen nach dem Krieg. Die Aussage des Buches stieß auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges auf heftigen Widerspruch, insbesondere von linken französischen Intellektuellen. Die von der Sowjetunion in den Ländern Ostmitteleuropas betriebene Politik als Totalitarismus zu bezeichnen, wurde – wenige Jahr nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien – als Häresie empfunden, als Verrat an den linken Idealen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit demokratischen, republikanischen und antifaschistischen Werten gleichgesetzt wurden (während ein Vergleich der beiden Totalitarismen als ideologisches Produkt des Kalten Krieges und als manipulativer Versuch einer Relativierung der Verbrechen des Dritten Reichs zurückgewiesen wurde). Ein Teil der intellektuellen Linken hielt Miłosz für einen enttäuschten Kommunisten, der nach der Flucht aus seinem Land das System denunzierte. Der andere Teil las das Buch als Manifestation eines radikalen Antikommunismus und beschuldigte Miłosz, einen Kreuzzug gegen die europäische Linke und die Linksintellektuellen zu führen (Walicki 1993).  Miłosz selbst distanzierte sich von seinem ersten in der Emigration entstandenen Text. Die anderen Werke wurden hingegen generell neu aufgelegt. Wichtiger ist aber, dass die Interpretation von Zdobycie władzy auch die Rezeption von Zniewolony umysł beeinflusste – eines Textes, in dem der noch vor dem Ersten Weltkrieg geborene Ostmitteleuropäer Miłosz die totalitären Erfahrungen des 20. Jhs. resümiert. Überdies heftete dem Autor das Etikett des Antikommunisten an, das den Vorwurf mangelnder schriftstellerischer Autonomie implizierte und den Verdacht weckte, er agiere im Interesse des – in diesem Fall durch die USA repräsentierten – dominierenden Herrschaftsfelds. Miłosz selbst sprach im Zusammenhang mit der Unterstellung einer politisch-ideologischen Motivierung seiner schriftstellerischen Tätigkeit und einer mangelnden literarischen Autonomie von einem „Kainsmal“:

mein essayistisches Werk wie Verführtes Denken oder West und Östliches Gelände [trug mir] das Kainsmal des „politischen Schriftstellers“ [ein]. Das ging so weit, dass man mir in den 50er-Jahren eine Professur für Politikwissenschaften anbot, weil man mich für einen strammen Antikommunisten hielt (Nur Engel singen zum Lobe des Herrn. Interview mit Czesław Miłosz von Denis Scheck, in: Focus 1999, Nr. 13).

Der Fall Miłoszs, das heißt sowohl die Vorwürfe der fehlenden künstlerischen Souveränität als auch das unterschiedliche Verständnis von Schlüsselwörtern wie „Linke“ / „links“, „Kommunismus“ / „Antikommunismus“ und vor allem des in Westeuropa und Ostmitteleuropa verwendeten Begriffs „Totalitarismen“ (im Plural), verweist auf eine deutliche Diskrepanz in der Wahrnehmung der Geschichte des 20. Jhs., deren Ursache in den unterschiedlichen Erfahrungen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Ausprägungen des kulturellen/ kollektiven Gedächtnisses zu sehen ist. Die in dissidentischen Nischen geführte Diskussion über die – durch die ideologisch motivierte Darstellung des Ostblocks als homogener Einheit unterdrückte – regionale Identität Ostmitteleuropas, während zur gleichen Zeit die reale europäische Integration voranschritt, veranschaulicht hingegen die asymmetrische Entwicklung im geteilten Europa sowie die grundlegend verschiedenen Schwerpunkte der jeweiligen Debatten. Trotz des Ansatzes einer gemeinsamen Erfahrung im Jahr 1968 vertiefte die drei Jahrzehnte währende kommunikative Anomie die gegenseitige Distanz. Aufseiten der E.E., das heißt der Eastern Europeans, wie Stanisław Barańczak nach Jahren selbstironisch die Identität der osteuropäischen Auswanderer in die USA in den 1970er und 1980er bezeichnete, wuchs das Gefühl der Entfremdung und des Vegetierens in den – mit dem Titel eines Gedichts von Julian Kornhauser gesprochen – Hinterhöfen der Imperien (Dedecius 1996, 495ff.).

Die 1980er Jahre: Den Shoah-Überlebenden eine Stimme geben

3.1 Hanna Krall

 Dreißig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bewirkte der vor allem in der (west)- deutschen Nachkriegsgeneration manifestierende Bewusstseinswandel einen sukzessiven Perspektivwechsel im Blick auf den Zweiten Weltkrieg. Der Wandel der politischen Kultur korrespondierte im gesellschaftlichen Feld der Bundesrepublik Deutschland (über das literarisch-intellektuelle Feld hinaus) mit einer deutlichen Akzentverlagerung hin zum Themenkreis Judenverfolgung und Narrationen über die Shoah-Überlebenden. So konnte Hanna Krall am Übergang von den 1970er zu den 1980er Jahren mit einer außergewöhnlichen Reportage die Aufmerksamkeit der deutschsprachigen Leserschaft auf sich lenken. Ihr Buch Zdążyć przez Panem Bogiem (poln. 1976) erschien fast zeitgleich in zwei deutschen Übersetzungen: 1979 unter dem Titel Dem Herrgott zuvorkommen in der DDR und 1980 unter dem Titel Schneller als der liebe Gott in der BRD. Die frühere ostdeutsche Ausgabe von 1979 wurde noch im gleichen Jahr neu aufgelegt, die ein Jahr später erschienene westdeutsche Ausgabe wurde vom Suhrkamp-Verlag in der Reihe Anne-Frank-Shoah-Bibliothek (Bd. 23) veröffentlicht und mit einem Vorwort von Willy Brandt versehen.

Hanna Kralls Buch handelt vom Aufstand im Warschauer Ghetto 1943, die zentrale Figur ist Marek Edelman, der letzte Kommandant der Jüdischen Kampforganisation (Żydowska Organizacja Bojowa). Die Reportage erschien 1976 zunächst in Abschnitten in der Breslauer Zeitschrift Odra, die Buchausgabe folgte ein Jahr später. Die Autorin ist selbst Shoah-Überlebende. Als fünfjähriges Mädchen wurde sie aus einem Transport gerettet, während ihre Eltern im Konzentrationslager Majdanek ermordet wurden. Sie überlebte in Verstecken bei Familien an verschiedenen Orten in Polen sowie unter anderem in einem Albertinnerinnen-Kloster in der heute slowakischen Žilina. Koordiniert, unterstützt und finanziert wurde die Rettungsaktion von der polnischen Judenhilfsorganisation „Żegota“ (Bartoszewski 2013).

Schon in den 1980er Jahren und damit in der für die Autorin sehr schweren Zeit des Kriegsrechts (Hanna Krall musste die Redaktion der Wochenzeitschrift Polityka verlassen, die komplette Auflage eines verkaufsfertigen neuen Buches wurde von der Zensur vernichtet) nahm Dorothea Rein, die Leiterin des Verlags Neue Kritik aus Frankfurt am Main, Kontakt zu ihr auf. Sie besuchte Hanna Krall in Warschau und schlug ihr eine Zusammenarbeit vor. 1983 veröffentlichte der Verlag Neue Kritik die literarische Reportagensammlung Unschuldig für den Rest des Lebens. In dieser Zeit trat Hanna Krall in Verbindung mit Exil- und Untergrundverlagen. Nachdem 1985 ihr Roman Sublokatorka im Pariser Verlag Libella (einem privaten Verlag polnischer Emigranten) erschienen war, wurde die Autorin mit dem Preis der Untergrund-Solidarność geehrt.

Ein Jahr später erschien im Verlag Neue Kritik die deutsche Fassung Die Untermieterin (übersetzt von Anna Leszczyńska). In dem bewusst autofiktionalen Roman verarbeitet Hanna Krall Motive aus ihrer eigenen Biographie und thematisiert die Problematik der Persönlichkeitsspaltung der Shoah-Überlebenden (Breysach 2005, S. 379ff.).  Die titelgebende Untermieterin Marta ist ein von der Shoah gezeichnetes Mädchen, das sich in immer neuen Warschauer Familien versteckt. Maria, die man Martas Freundin nennen könnte, stammt aus einer der ihr Unterschlupf gewährenden polnischen Familien. Sie wird von Hanna Krall zur Ich-Erzählerin gemacht; ihre Aufgabe ist es, Martas Geschichte zu erzählen. So wie Marta nur dank Marias Hilfe überleben konnte, so verdankt sich die Erinnerung an die Shoah sowie an Martas Schicksal und Rettung einzig und allein ihrer Erzählung. Beide Aspekte sind eng miteinander verbunden, denn das Zeugnis bildet einen wichtigen Bestandteil der Identität der Shoah-Überlebenden. Für ihre „Poetik des Weglassens“ (so Dan Diner) wurde Hanna Krall im Jahr 2000 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet (Diner 2000).  Seit Mitte der 1980er Jahre ist Hanna Krall Autorin des Verlags Neue Kritik. Dort erschienen von ihr insgesamt 12 Bücher, zuletzt 2014 Weiße Maria.

3.2 Andrzej Szczypiorski

 Ein weiterer Autor, dessen Werk in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auf breites Interesse in der deutschen Leserschaft stieß, war Andrzej Szczypiorski. 1986 erschien sein Roman Początek (wörtlich übersetzt: Anfang) zeitgleich im Exilverlag der Pariser Kultura und im zweiten Umlauf im Untergrundverlag Przedświt. Zwei Jahre später veröffentlichte der Züricher Diogenes-Verlag unter dem Titel Die schöne Frau Seidenman die deutsche Übersetzung. Die Idee zu dem zugkräftigen deutschen Titel stammte vom Übersetzer des Romans, Klaus Staemmler. Unter diesem Titel wurde das Werk im internationalen literarischen Feld bekannt. Das Wendejahr 1989, das den Beginn der demokratischen Transformation in Polen markierte, trug zur Intensivierung der Rezeption des Romans bei. Weil eine der zentralen Forderungen der nun offen agierenden demokratischen Opposition die Freiheit des Wortes war, erschien Początek unverzüglich auch im offiziellen Umlauf, und in der Öffentlichkeit begann eine breite Diskussion, in der auch auf die deutschen Lektüren des Textes reagiert wurde. Man kann die Behauptung wagen, dass es sich um die erste frei geführte Diskussion in beiden literarisch-intellektuellen Feldern handelte. In beiden Kulturen wurde der Text im Dialog mit den eigenkulturellen Dispositiven und im Einklang mit aktuell laufenden Debatten dekodiert. Vor diesem Hintergrund waren Meinungsunterschiede, Kontroversen und Missverständnisse vorprogrammiert (Grażyna Barbara Szewczyk, W dialogu z polską książką. O literaturze polskiej w Niemczech lat dziewięćdziesiątych, in: Śląsk (1998), Nr. 10, S. 42–44. Vgl. ferner: Gasse 2008), sobald sich herausstellte, dass die Interpretationen sowohl des Textes als auch der Autorintention nicht kongruent waren (Surynt; Zielińska 2014).

Zu der in polnischen Oppositionskreisen geführten Identitätsdebatte gehörte nicht zuletzt auch die Ergänzung sogenannter ‚weißer Flecken‘ (die nicht nur eine Folge des Wirkens der Zensur waren, sondern auch aus Verschweigen, Verdrängung und Unwissen resultierten) und die Revision ideologisierter Geschichtsnarrative und nationaler Mythen. Zu den tabuisierten Daten in der jüngsten polnischen Geschichte gehörte das Jahr 1968. Mit seinem Roman über das Schicksal der Irma Seidenman-Gostomska klagte Szczypiorski die polnische Gesellschaft an, indem er nach ihrer Haltung zu den Ereignissen des Jahres 1968 fragte, als Zehntausende polnische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen jüdischer Herkunft zur Ausreise aus Polen gezwungen wurden. Die erneute Hinwendung zum Zweiten Weltkrieg sowie zu konkreten Orten und Ereignissen im besetzten Warschau fungierte als Referenzpunkt und ermöglichte einen schärferen Blick auf das Jahr 1968 (Szczypiorskis erste Reaktion auf die Ereignisse dieses Jahres war der parabelhafte Roman Msza za miasto Arras, der 1971 im offiziellen Umlauf im (staatlichen) Warschauer Verlag Czytelnik erschien. Der Autor nutzt hier die historische Maskierung, indem er die Handlung ins 15. Jh. verlegt.In deutscher Übersetzung erschien der Roman Ende der 1970er Jahre).

Die unterschiedliche Dekodierung polnisch-jüdisch-deutscher Figurenkonstellationen im Kontext des Zweiten Weltkriegs durch das polnische und das deutsche Lesepublikum resultierte sowohl aus den unterschiedlichen Kontexten und Motiven der Auseinandersetzung mit der Shoah als auch aus den unterschiedlichen Orten, den diese im kollektiven Gedächtnis der beiden Gesellschaften am Übergang von den 1980er zu den 1990er Jahren einnahm. Während es sich – in diskursiver Hinsicht – in der polnischen Kultur um eine Frage der Darstellung handelte (Ziębińska-Witek 2005), so standen in der deutschen Kultur die Shoah und die Schicksale der Überlebenden im weit gefassten Kontext der Vergangenheitsbewältigung. Vor allem aber offenbarte sich hier eine Diskrepanz der kulturellen Dispositive:

Während die Erinnerung an den Krieg in den polnischen Dispositiven und den aus ihnen abgeleiteten Deutungsmustern in die Überzeugung mündet, dass „auch die Anderen Opfer waren“, konfiguriert eine dieser entgegengesetzte Perspektivierung die deutschen Dispositive und Vergangenheitsdeutungen: „auch die Anderen (v. a. Polen, Ukrainer, aber auch Juden) waren Opfer-Täter oder Täter“ (Surynt; Zielińska 2014, S. 896).

 Die bis 2004 erschienenen 13 Auflagen von Die schöne Frau Seidenman sowie literaturwissenschaftliche Besprechungen und Presserezensionen zeugen von einer breiten Rezeption des Texts (Gasse 2008, S. 82), die in den literarisch-intellektuellen und medialen Feldern beider Länder begann und dann in eine im interkulturellen Raum geführte Debatte überging (Surynt; Zielińska 2014).

Die 1990er Jahre: Neue Öffnung

Die erste Phase der Institutionalisierung von Kulturkontakten nach der Wende

 Mitte der 1990er Jahre starteten deutsche und polnische Literaten eine Initiative zur Institutionalisierung der deutsch-polnischen Kulturkontakte. 1994 wurde unter der Überschrift Syrena und Loreley im Duett der sogenannte ‚Loest-Plan‘ vorgestellt. Nachdem Erich Loest zum Vorsitzenden des Verbands deutscher Schriftsteller gewählt wurde, nahm dieser Plan im Jahr darauf konkrete Gestalt an. Zur selben Zeit entstand auf polnischer Seite der sogenannte ‚Szczypiorski-Plan‘. Andrzej Szczypiorski war im ersten Jahrzehnt nach der Wende 1989 nicht nur ein bekannter Schriftsteller, sondern wurde auch zur Stimme der polnischen demokratischen Opposition. Die institutionelle Unterstützung sollte der Intensivierung der deutsch-polnischen Kulturkontakte dienen. Man dachte an gemeinsame Autorenlesungen, die Herausgabe zweisprachiger Anthologien sowie die Förderung der polnischen Literatur in Deutschland und der deutschen in Polen. Wichtige Impulse für den Prozess des Kulturtransfers lieferten in den 1990er Jahren zwei Ereignisse: die Verleihung des Literaturnobelpreises an die Dichterin Wisława Szymborska 1996 und die Leipziger Buchmesse mit dem Länderschwerpunkt Polen im selben Jahr. Beides sorgte nach der Wende 1989/1990 für eine intensivere Medienpräsenz der polnischen Kultur im wiedervereinigten Deutschland. Die Leipziger Buchmesse war vor allem Anlass für Neuauflagen von bereits in deutscher Übersetzung vorliegenden Titeln. Die führenden Positionen im deutschen verlegerischen Feld (hinsichtlich der Anzahl der Ausgaben und Neuauflagen) belegten lange vor 1989 bis 2004 der ScienceFiction-Autor, Essayist, Futorologe und Philosoph Stanisław Lem sowie Witold Gombrowicz und Sławomir Mrożek, die schon in den 1960er Jahren als Dramatiker und Prosaautoren in Erscheinung getreten waren. Zu dieser Gruppe gehörte außerdem Janusz Korczak (eigentlich Henryk Goldschmit, 1878–1942), der für sein literarisches Schaffen 1972 posthum mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt und dessen Werk komplett in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Der am häufigsten neuaufgelegte Reportageautor war Ryszard Kapuściński. Texte von VertreterInnen der jüngeren Generation wurden in zwölf 1996 herausgebrachten Anthologien vorgestellt. Das in Analysen des in deutscher Sprache vorgelegten literarischen Angebots spürbare Ungenügen (Gasse 2008, S. 74) ändert nichts an der Tatsache, dass die Einladung Polens als Ehrengast zur Leipziger Buchmesse eine bedeutsame Geste in Richtung der polnischen Kultur darstellte, die nach der gesellschaftlichen und politischen Transformation in Ostmitteleuropa ein neues Kapitel in den gegenseitigen Beziehungen eröffnete. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich das polnische literarische Feld in einer Phase der Neuausrichtung befand: Die getrennten Umläufe mussten zusammengeführt werden, erst im Jahr nach der Leipziger Buchmesse wurde der prestigträchtigte Literaturpreis NIKE erstmals verliehen, und die Stabilisierung des polnischen Verlagswesens dauerte bis Ende der 1990er Jahre.

Gdańsk /Danzig als literarisches Thema und Erinnerungsort

 Das Thema Gdańsk /Danzig war neben der Shoah der zweite große thematische Bereich, der das Rezeptionsfeld der polnischen Literatur im letzten Jahrzehnt des 20. Jhs. dominierte. In Paweł Huelles Roman Weiser Dawidek (poln. 1987, dt. 1990, übersetzt von Renate Schmidgall) werden die beiden dominanten Themenstränge miteinander verflochten. Huelles literarisches Debüt galt in Polen als bester Roman der 1980er Jahre. Im deutschen literarisch-intellektuellen Feld wurde er zur Entdeckung der 1990er Jahre. Sowohl die Figur des Protagonisten als auch der Ort der Handlung – Gdańsk /Danzig – weckten die Aufmerksamkeit der deutschen Leserschaft. Als besonders interessant erwies sich freilich Huelles offensichtlicher intertextueller Dialog mit Günter Grass und dessen Danziger Trilogie, der später in gemeinsamen Veröffentlichungen, Podiumsgesprächen und auch in Form von Film- und Theateradaptionen von Grass’ Prosa seine Fortsetzung fand. Huelle schrieb das Drehbuch zur Verfilmung zu Grass’ Erzählung Unkenrufe (poln. Wróżby Kumaka, 1992) von 2005 sowie die Textfassung für die Inszenierung von Im Krebsgang (poln. Idąc rakiem, 2002) durch das Teatr Miejski in Gdynia 2012.

Eine Weiterentwicklung der Danzig-Thematik und zugleich eine Erweiterung des Diskussionsfelds um Bezüge auf die heutige Identität der Bewohner im Kontext der Vergangenheit und palimpsestartigen Identität der Stadt brachte Mitte der 1990er Jahre – acht Jahre nach Weiser Dawidek – der Roman eines anderen Danzigers: Stefan Chwins Hanemann (poln. 1995, dt. 1997, übersetzt von Renate Schmidgall), der in der deutschsprachigen Fassung den Titel Tod in Danzig trägt. Der Roman ist eine vielschichtige Erzählung, die durch den Versuch einer Rekonstruktion der traumatischen Erfahrungen des Jahres 1945 einen Bezug zur sehr konkreten gesellschaftlichen und politischen Gegenwart der 1990er Jahre herstellt: der endgültigen Bestätigung der Oder-Neiße-Grenze (14. November 1990; → Grenze) und dem damit verbundenen Opferdiskurs vom „verlorenen deutschen Osten“ bzw. vom „Heimatverlust“ (→ Vertreibung).

Mit der Erschaffung der Figur des Hanemann schreibt sich Chwin in die Traditionslinie der sogenannten „deutschen Apokryphen“ der polnischen Literatur ein (Balcerzan 1988).  Diese beruht auf einer (im Einklang mit den Dispositiven des eigenen kulturellen Gedächtnisses erfolgenden) Konstruktion deutscher Figuren, die der Selbstbefragung dienen (Czapliński 2009) und vor allem eine Erweiterung des eigenen Erkenntnishorizonts und eine Veränderung der eigenen Identität ermöglichen sollen. Eine unerlässliche Voraussetzung dafür ist die Veränderung des Bilds vom Anderen und der gegenseitigen Beziehungen. Der Protagonist von Chwins Roman ist, wie es der Literaturwissenschaftler Przemysław Czapliński formuliert,

eine Antithese nicht nur zum preußischen Junkertum oder zum Hitlerschen Willens zur Macht, sondern zum Willen zum Leben überhaupt. Hanemann ist ein Fremder aus eigener Wahl, ein existenziell Fremder – das heißt ein Mensch, der das Dasein als solches in Frage stellt. Wenn Szczypiorski den Deutschen entnazifizierte, dann entmilitarisierte ihn Chwin. […] [D]iese retrospektive Wiederherstellung des verwundeten Gedächtnisses hat im Grunde einen projektiven Sinn. Der Kern der von mir vorgeschlagenen Lesart besteht nämlich in der Überzeugung, das die Darstellung vom Deutschen dem Erfinden eines neuen Polen dient. Ohne eine Veränderung des Denkens über die fremde Identität ist eine Veränderung der Identität des Polen nicht möglich. Die Darstellung der anderen ist ein Entwurf einer eigenen Identität. […] Wozu könnte es somit dienen, wenn wir in der polnischen Literatur von Deutschen lesen? Dazu, dass wir uns befreien. Befreien von der Kategorie ‚Deutschland‘, die – wie jede kollektive Kategorie – nicht nur die von ihr erfassten Personen bindet, sondern auch die Weltanschauung derer beschränkt, die sich ihrer bedienen (Czapliński 2009).

 Während die Geschichte der Titelfigur Hanemann die Erzählachse des Romans bildet, wird das Trauma des Jahres 1945 auf viele miteinander verflochtene traumatische Schicksale verteilt. In Chwins Text erweisen sich alle eindeutigen Kategorien, die die Erfahrung des Jahres 1945 beschreiben und erhellen sollen – ‚Ende‘, ‚(Neu-) Beginn‘, ‚Bruch‘ – als zu oberflächlich und eindimensional und werden deshalb verworfen. Das allgegenwärtige Chaos macht es unmöglich, zwischen ‚noch Krieg‘ und ‚schon nach dem Krieg‘ zu unterscheiden. Dem in den 1990er Jahren (nach vierzigjähriger Präsenz) fest verankerten Narrativ der deutschen Vertriebenen, in dem auf der einen Seite das Leiden der vertriebenen Zivilisten und der Verlust der Heimat sowie auf der anderen Seite die Aggression der entpersonalisierten triumphierenden Sieger stehen, mit der am Jahreswechsel 1944/45 der Krieg in ihr Vaterland einbricht, stellt Chwin eine Konstellation von Figuren entgegen, die alle durch das Kriegstrauma gezeichnet sind. Jede von ihnen hat einen schmerzlichen Verlust erlitten, und aus den individuellen Schicksalen ergibt sich keine universalisierbare Erfahrung jenseits der allgemeinen Verfassung des ‚vom Krieg verstümmelten Menschen‘. Sie sind nicht als Erinnerungsgemeinschaft miteinander verbunden und sie bilden keine homogene Gruppe – weder ethnisch noch national. Nicht zuletzt die Einführung der parabolischen Gestalt eines schweigenden Jungen – eines Waisenkinds unbekannter Herkunft – in die Erzählung durchkreuzt jeden Versuch einer Kategorisierung und Hierarchisierung von Kriegsopfern und ihren traumatischen Erfahrungen. Mit Blick auf Aleida Assmanns „Regeln für einen verträglichen Umgang mit nationalen Erinnerungen“ (Assmann 2006, S. 264ff.) könnte man sagen, dass Stefan Chwins Roman alle dort genannten Bedingungen erfüllt.

Bedingungen und Verlauf des Transfers im 21. Jahrhundert

Der Osten als das Andere Europa

 Die Frage, wie die polnische Literatur (und Polen überhaupt) in Deutschland wahrgenommen werden, beschäftigt seit Jahren zahlreiche polnische ForscherInnen aus unterschiedlichen Disziplinen. Im medialen Raum griff Marta Kijowska das Thema schon anlässlich der erwähnten Leipziger Buchmesse auf, als sie fragte: Fremder Nachbar? (Marta Kijowska, Fremder Nachbar? Zur Aufnahme der polnischen Literatur in Deutschland, in: Süddeutsche Zeitung vom 27.3.1996). Die Auffassung, dass die polnische Literatur dem deutschen Publikum völlig unbekannt sei, äußerte Marcel Reich-Ranicki gleich zwei Mal: Im Jahr 1963 (Gasse 2008, S. 36) – das heißt, in dem Augenblick, in dem die Zahl der in deutscher Übersetzung veröffentlichten polnischen Titel anstieg – und im Jahr 2000 aus Anlass der Frankfurter Buchmesse, auf der sich Polen mit großem Erfolg als Gastland präsentierte (Marcel Reich-Ranicki, Polens Literatur ist fast unbekannt, in: Frankfurter Neue Presse vom 7.10.2000). Mit dem Abstand von zwei Jahrzehnten kann man rückblickend die Frage stellen, ob Reich-Ranicki auf diese Weise in Deutschland eine öffentliche Debatte über die Einstellung zur polnischen Literatur/ Kultur provozieren wollte.

Das Thema des geringen Wissens über die polnische Literatur/Kultur (und insgesamt über Polen), über die problematische Lektüre polnischer Texte und die Rezeptionsblockaden, die deutsche Leser überwinden müssten (Schultze 1999), taucht – als Frage oder als Diagnose – im Laufe der Jahrzehnte immer wieder auf (Kneip 1995 und 2011; Krzoska 2000; Zielińska 2011; Leyko; Pełka 2013).  Rolf Michaelis, damals Leiter des Literaturressorts der Zeit und einer der einflussreichsten Literatur- und Theaterkritiker – bezeichnete 1982 in einem Artikel die Idee der auf fünfzig Bände angelegten Reihe Polnische Bibliothek als „ein schönes, ein mutiges Wagnis“, dessen Ziel es sei, „nach Jahrhunderten mangelnder Kenntnis“ die polnische Literatur systematisch zu präsentieren (Rolf Michaelis, Land Regenbogen über blutigem Abgrund, in: Die Zeit vom 24.9.1982).  Diese Feststellung korrespondiert mit einer Äußerung des Initiators der Reihe und Gründungsdirektors des 1980 geschaffenen Deutschen Polen-Instituts Karl Dedecius’. Mit Blick auf die Möglichkeit einer breiteren Resonanz der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum sagte er: „Die polnische Literatur ist in Deutschland erfolgreich aus Gründen ihrer Qualität und ihrer Spezifität. Was wiederum die Chance, sie könnte zum Massenerfolg werden, im voraus ausschließt“ (Gasse 2008, S. 39).

Hedwig Nosbers gab dem der letzten Dekade des Untersuchungszeitraums gewidmeten Kapitel ihrer 1999 erschienenen Arbeit über die Rolle der polnischen Literatur im (west) deutschen Rezeptions- und Verlagsfeld in den Jahren 1944/45–1990 den Titel Präsent aber unbekannt (Nosbers 1999).  Eine Gegenposition zu dieser Auffassung bezog ein Jahrzehnt später Annegret Gasse in ihrer Untersuchung zur Präsenz deutschsprachiger Übersetzungen polnischer Belletristik in den Jahren 1990–2004, deren Untertitel lautet: Geschichte, Förderung und Präsenz einer vermeintlich unbekannten Nationalliteratur. Auch Gasse konstatiert allerdings eine „Asymmetrie zwischen Vermittlung und Verbreitung“ (Kneip 1995, S. 103–117) und findet aus ihrer Perspektive keine rationalen Gründe, die erklären könnten, warum eine auf dem Buchmarkt zugängliche und überdies durch zahlreiche Institutionen und Mittler des Kulturtransfers (Verleger und ÜbersetzerInnen, aber auch RezensentInnen, die regelmäßig Neuerscheinungen aus Polen besprächen, oder LiteraturwissenschaftlerInnen, die sich immer eingehender mit polnischer Literatur, aber auch Theater und Film befassten), nach allgemeinem Empfinden unverständlich, unbekannt oder einfach fremd bleibe. Als „Inhibitoren, die auf gesellschaftlicher Ebene der Rezeption polnischer Literatur im Weg stehen können“ (Gasse 2008, S. 48), nennt sie vor allem langlebige Stereotypen in Bezug auf Polen oder die Slawen allgemein (Gasse 2008, S. 48–51).  Schon der von Gasse gewählte Begriff „Inhibitoren“ regt zum Nachdenken an, weil er den potenziellen Doppelcharakter des Wirkens anspricht: „Inhibitoren“ sind einerseits verantwortlich für Störungen oder das Scheitern eines Prozesses, andererseits können sie immunisierend wirken.

Wie zwei Jahrzehnte nach dem Umbruch 1989/1990 die Kunsthistorikern Nawojka Cieślińska-Lobkowicz anmerkt, besteht die dominierende Einstellung des deutschen Rezipienten zur polnischen Kultur weder aus Sympathie noch aus Antipathie. Charakteristisch sei große, aus Unwissen erklärbare Reserviertheit, die man Cieślińska-Lobkowiczs zufolge als „höfliche Gleichgültigkeit“ bezeichnen könne (Cieślińska-Lobkowicz 2012, S. 344).  Der Ausdruck „höf­liche Gleichgültigkeit“ (civil innattention) ermöglicht den Anschluss an Erving Goffmans Kategorie der „nicht zentrierten Interaktion“ (unfocused interaction), die das Ritual der distanzierten Interaktion von einander fremden Menschen im öffentlichen Raum beschreibt. Die Anwesenheit der anderen, mit denen man nicht willentlich zusammengekommen ist, wird zur Kenntnis genommen, gleichzeitig wird ihnen (meistens nonverbal) zu verstehen gegeben, dass sie „kein Ziel besonderer Neugier oder Absichten“ sind (Hettlage; Lenz 1991, S. 35).

Eine distanzierte Interaktion dieser Art ist das Resultat eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren und muss zudem in der Perspektive der langen Dauer betrachtet werden. Das ins kollektive Gedächtnis eingeschriebene Bild des Polen als (feindlichem) Anderem ist eine Konsequenz der „negativen Polenpolitik“ (Zernack 1974 und 2001), die während des gesamten langen 19. Jhs. sowohl in historischen Narrativen (Kiemann 2018) als auch in literarischen Imaginationen immer wieder aktualisiert wurde (Surynt 2004 und 2012).  Im 20. Jh. wurde dieses Bild durch den aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs resultierenden Gedächtniskonflikt überlagert. In der Nachkriegszeit begünstigte ein unter den Bedingungen der ideologischen Ost-West-Konfrontation und der kommunikativen Anomie verlaufender und in entscheidenden Momenten vom politischen (und affektiven) Generator angetriebener Kulturtransfer eher die Aktualisierung gängiger Stereotypen und der Exotisierung der rezipierten Kultur als deren Revision. In der frühesten Phase der Rezeption polnischer Literatur, das heißt in den 1960er und 1970er Jahren, waren die zur Beschäftigung mit polnischer Kultur bereiten intellektuellen Eliten von der Notwendigkeit der Überwindung von Vorurteilen und der Revision starrer Stereotypen überzeugt, weil sie dies als Voraussetzung für den nötigen Wandel im Bewusstsein der deutschen Nachkriegsgesellschaft ansahen.

Brigitte Schultze verweist in ihrer Beschreibung der „Rezeptionsblockaden“ (Schultze 1999), denen der deutsche Leser im Kontakt mit kanonischen Texten der polnischen Kultur begegnet, vor allem auf den von dieser hervorgebrachten autarken diskursiv-symbolischen Mikrokosmos, der für das deutsche, mit den polnischen kulturellen Codes nicht vertrauten Publikum unverständlich sei. Blockaden dieser Art betreffen allerdings nicht alle polnischen Texte, und ihre problematische Lektüre resultiert nicht immer aus ihrer Hermetik (der sogenannten Polenspezifik). Das Problem liegt tiefer und betrifft die ‚Spezifik‘ des Aufeinandertreffens polnischer und deutscher kultureller Codes: Der Kontakt mit den Narrativen und Vorstellungen polnischer Texte stellt in vielen Fällen die Narrative und Vorstellungen der deutschen Kultur in Frage. Darüber hinaus bewegt sich die deutschpolnische Kommunikation jenseits der Literatur häufig auf einem Minenfeld zahlreicher Rich Points, die aus asymmetrisch (teils sogar konfrontativ) ausgeprägten kulturellen Codes und Kommunikationsstilen erwachsen (Surynt 2014).

Die mangelnde Bereitschaft zur Revision des Bilds des Ostens als dem Anderen Europa ist zum Teil auch eine Folge der Universalität stereotypisierender Darstellungen des Ostens (Happel; Werdt 2010, S. 7–9. Vgl. ferner Lemberg 1983, Schlögel 2003, Patrut 2004, Schenk 2013).  Die seit dem 18. Jh. geschaffene und mit Bedeutungen aufgeladene mentale Landkarte des Ostens bildete in der Situation der bipolaren Spaltung der Welt im 20. Jh. einen festen Bestandteil der Identität des Westens, der nicht (selbst)kritisch reflektiert oder in Frage gestellt wurde (Wolff 1994).  Erst der Spatial Turn initiierte intensive Diskussionen über die mentalen Landkarten des Ostens und des Westens. Und obwohl im letzten Jahrzehnt keine breite transnationale Debatte über diese Problematik zu erkennen ist, so belegt doch die Verleihung des deutsch-polnischen Samuel-Bogumil-Linde-Preises an Karl Schlögel und Adam Krzemiński im Jahr 2010 die Auseinandersetzung mit entsprechenden Fragestellungen im intellektuell-wissenschaftlichen Feld ebenso wie die Relevanz des Themas.

Der Erfolg der Frankfurter Buchmesse 2000

 Das Jahr 2000 stand vor allem im Zeichen der Frankfurter Buchmesse mit Polen als Gastland, die polnischen Autorinnen und Autoren erneut große Aufmerksamkeit verschaffte. Dieses Mal wurde die Präsentation der polnischen Literatur sorgfältig vorbereitet. Um die inhaltliche Seite kümmerte sich die Arbeitsgruppe Literatur unter Leitung des Übersetzers und langjährigen Direktors der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit Albrecht Lempp. Es entstanden deutschsprachige Übersetzungen ausgewählter Werke der polnischen Literatur der 1990er Jahre sowie spezielle Informationsmaterialien. Aus mindestens zwei Gründen kann das Jahr 2000 als Umbruch im Prozess des Transfers polnischer Kultur im deutschsprachigen Kulturkreis angesehen werden. Auf dem deutschen Buchmarkt erschienen 87 polnische Titel, was im Vergleich mit dem jährlichen Durchschnittswert von 35 Titeln in den Vorjahren einen bis dahin ungekannten sprunghaften Anstieg bedeutete. Die Palette der Neuerscheinungen des Jahres 2000 unterschied sich vor allem qualitativ von der des polnischen Auftritts auf der Leipziger Buchmesse 1996. Von den 45 Titeln, die seinerzeit veröffentlicht worden waren, waren 15 Neuerscheinungen und 30 Wiederauflagen gewesen (Gasse, S. 74f.).  Die Frankfurter Buchmesse 2000 demonstrierte die Präsenz polnischer Autorinnen und Autoren aus dem gesamten Gattungsspektrum und aus unterschiedlichen Generationen auf dem deutschen Buchmarkt – an die DebütantInnen der 1960er und 1970er Jahre ebenso wie an die AutorInnen des Umbruchs der 1980er und 1990er Jahre. Außerdem machte sie neue Gesichter bekannt.

Aus Anlass der Frankfurter Buchmesse erschienen unter anderem drei von Henryk Bereska übersetzte Bände: neue Gedichte von Tadeusz Różewicz, der letzte Gedichtband von Zbigniew Herbert sowie ein Band mit Essays von Adam Zagajewski. Außerdem erschien im Jahr 2000 Czesław Miłoszs zwei Jahre zuvor mit dem NIKE-Literaturpreis ausgezeichnete Sammlung Hündchen am Wegesrand in der Übersetzung von Doreen Daume. Den besonderen Platz der Lyrik Wisława Szymborskas in der deutschen Rezeption – zwischen ‚Poesie für unterwegs‘ und ‚postmoderner Relektüre‘ – belegt auch ein 2005 von Karl Dedecius vorgelegter zweisprachiger Band mit Gedichten der Krakauer Literaturnobelpreisträgerin. Grundlage dieser Ausgabe war Szymborskas Band Chwila (Der Augenblick, 2003), der um weitere Gedichte aus den Jahren 2002–2004 erweitert wurde. Der Band erschien 2006 auch in der populären Edition der Frauenzeitschrift Brigitte, während gleichzeitig literaturwissenschaftliche Arbeiten das Werk Wisławas Szymborskas im Kontext der postmodernen Ästhetik betrachteten (Vgl. zur Postmodernität von Szymborskas Poetik: Lütvogt 2018, S. 21f.).

Paweł Huelles anlässlich der Frankfurter Buchmesse erschienene Sammlung Silberregen. Danziger Erzählungen erneuerte das Interesse am Thema Gdańsk /Danzig. Drei Jahre später erschien Huelles Roman Mercedes Benz. Die sich aus anekdotischen Erzählungen entwickelnde Familiensaga, in der es nicht an dramatischen Wendungen mangelt, ist zugleich eine Hommage an Bohumil Hrabal. Im Jahr 2005 erschien Castorp, ein intertextueller Dialog mit Thomas Manns Zauberberg, der die Geschichte von Danzig / Gdańsk beleuchtet. Alle drei Titel wurden von Renate Schmidgall ins Deutsche übersetzt. Zu den weiteren Verlagsneuheiten des Jahres 2000 gehörten unter anderem: Roma Ligockas Das Mädchen im roten Mantel (mit Iris von Finckenstein), Henryk Grynbergs Drohobycz, Drohobycz. Zwölf Lebensbilder (übersetzt von Martin Pollack), Magdalena Tullis In Rot (W czerwieni, übersetzt von Esther Kinsky), Antoni Liberas Madame (übersetzt von Karin Wolff), Jerzy Pilchs Andere Lüste (Inne rozkosze, übersetzt von Albrecht Lempp), Stefan Chwins Die Gouvernante (Esther, übersetzt von Renate Schmidgall), Andrzej Stasiuks Die Welt hinter Dukla (übersetzt von Olaf Kühl, hinzu kam die Neuauflage von Der weiße Rabe [1997]) sowie zwei Titel von Olgi Tokarczuk: Ur und andere Zeiten (Prawiek i inne czasy) und Der Schrank. Erzählungen, beide übersetzt von Esther Kinsky. Den Überblick über die neueste polnische Literatur (auch der in Deutschland entstehenden) ergänzten zwei Anthologien: Napisane w Niemczech – antologia = Geschrieben in Deutschland. Anthologie sowie Landschaften und Luftinseln: polnische Erzählungen der Gegenwart. Die deutsche Literaturkritik pries Die Welt hinter Dukla als Meisterwerk und ernannte Andrzej Stasiuk zum neuen Gesicht der polnischen Literatur. Das breite Publikum hingegen bewegte die Geschichte des Mädchens im roten Mantel so sehr, dass die von Roma Ligocka (mit Hilfe Iris von Finckelstein) selbst auf Deutsch niedergeschriebenen Erinnerungen zum Beststeller wurden. Überdies wurde die Lebensgeschichte des Mädchens aus Steven Spielbergs Schindlers Liste hundertfach erzählt und beschrieben und in die vom Deutschen Polen-Institut Darmstadt für Schulen erarbeiteten Lehrmaterialen über Polen aufgenommen.

Die Frankfurter Buchmesse war ein wichtiges Ereignis (Vgl. Stelmaszyk 2008; Gasse 2008), und aus heutiger Sicht besteht kein Zweifel, dass sie dem Transfer polnischer Kultur im 21. Jh. entscheidende Impulse verlieh. Andrzej Stasiuk und Olga Tokarczuk können als Entdeckungen der Frankfurter Buchmesse gelten.

Die Stabilisierung des polnischen literarischen Felds und Mikrogeschichte statt ‚großer Geschichte‘

 Die Jahre 2000–2011 markierten das Ende einer Epoche und den Beginn eines Generationenwandels. Im Jahr 2000 starben unter anderem Andrzej Szczypiorski und Jerzy Giedroyć, der Gründer des in Maisons-Laffitte bei Paris ansässigen Exilverlags Instytut Literacki. Resümee und Abschluss eines Kapitels waren auch das Erscheinen des letzten Bandes der Polnischen Bibliothek (seit den 1980er Jahren erscheinen 50 Bände) und die Vollendung des von Karl Dedecius herausgegebenen Panoramas der Polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Schon drei Jahre zuvor hatte Karl Dedecius die Leitung des Deutschen Polen-Instituts aufgegeben und war in den Ruhestand gegangen.

Im polnischen literarischen Feld machte sich der Generationswechsel Ende der 1990er Jahre bemerkbar. 1997 wurde erstmals der NIKE-Literaturpreis verliehen. Der von einer Jury vergebene Hauptpreis ging an Wiesław Myśliwski (für den Roman Widnokrąg [Horizont]), den Publikumspreis erhielt mit Olga Tokarczuk jedoch eine Vertreterin der Nachwendeliteratur. Auch außerhalb Polens blieb Tokarczuks innovative Prosa nicht unbemerkt. Für ihren Roman Prawiek i inne czasy (poln. 1996, dt. Ur und andere Zeiten, 2000) wurde sie unter anderem für den französischen Prix du Meilleur Livre Etranger sowie für den International IMPAC Dublin Literary Award nominiert. Prawiek wurde in vierzig Sprachen übersetzt und ist Gegenstand zahlreicher interessanter Interpretationen. Prawiek (Ur) ist ein Dorf in Polen und zugleich der Archetyp eines Provinzorts, dessen Bewohner ihr Leben weit jenseits des Interesses der sogenannten großen Welt führen. Tokarczuk relativiert die Bedeutung von Zeit und Ort der Handlung (die polnische Provinz, zwei Weltkriege, Arbeiterproteste, Geburt der Solidarność) durch eine ganz auf die von Phantasmen durchsättigte Welt der Protagonisten fokussierte Narration, in die sich märchenhafte Elemente und philosophische Reflexionen mischen, weil die Figuren die Wirklichkeit auf eben diese Weise wahrnehmen und begreifen. Die Dimension des Märchenhaften ermöglicht es der Autorin, nicht nur die Welt der Natur als belebte darzustellen, sondern auch die Welt der die Menschen umgebenden Dinge (es handelt sich nicht um eine naive Märchenhaftigkeit, sondern um eine Anknüpfung an die Prosatradition des Vorkriegsmodernismus – an die Welten eines Bruno Schulz, Stanisław Ignacy Witkiewicz oder Witold Gombrowicz). Die so konstruierte Perspektive impliziert die Unmöglichkeit, die wahre Wahrheit der dargestellten Welt zu erkennen. Die von philosophischen Reflexionen durchzogene Narration distanziert sich von apodiktischen Deutungen, wie sie für die Ereignisgeschichte charakteristisch sind, und nähert sich der Optik der Mikrogeschichte an, welche die Vielstimmigkeit von Geschichten und Kulturen aufzeigt (Domańska 2005, S. 131).  In ihrem Mittelpunkt stehen das Individuum und die Suche nach dem Sinn des menschlichen Daseins in einer nicht selten leidvollen und grausamen Welt.

Das Jahr 2004 brachte neben dem Beitritt Polens zur Europäischen Union auch eine Stabilisierung des polnischen Buchmarkts, der sich seit mehr als einem Jahrzehnt in einem grundlegenden strukturellen Umbruch befunden hatte. Dies galt auch für die literarischen Institutionen, die für das Funktionieren des literarischen Feldes von zentraler Bedeutung sind. Der Kreis der PreisträgerInnen des NIKE-Literaturpreises erweiterte sich in den Jahren 2004–2008 um Wojciech Kuczok (mit Dreckskerl, dt. 2007), Andrzej Stasiuk (mit Unterwegs nach Babadag, dt. 2005), Dorota Masłowska (mit Die Reiherkönigin, dt. 2007) und Olga Tokarczuk (mit Unrast, dt. 2009), was als Beleg für die wachsende Relevanz junger, für Sprach- und Gattungsexperimente offener und erzählerisch innovativer literarischer Stimmen gesehen werden kann. Nachdem 2006 erstmals der Mitteleuropäische Literaturpreis Angelus verliehen wurde – an den ukrainischen Autor Jurij Andruchowytsch für den Roman Zwölf Ringe (dt. 2007, poln. Dwanaście kręgów, 2005) –, entwickelte sich Niederschlesien zu einem Ort des Dialogs und der Förderung ostmitteleuropäischer AutorInnen, der zugleich das Ziel der Stärkung und Wertschätzung der regionalen Identität verfolgt.

Beckett, Schengen und Stereotype ohne Grenzen

 Zwei Jahrzehnte nach dem Umbruch von 1989, fünf Jahre nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union und zwei Jahre nach dem Beitritt zum Schengener Abkommen schrieb Andrzej Stasiuk ein Drama, das als Kommentar zu den Veränderungen in Ostmitteleuropa gelesen werden kann. In Warten auf den Türken, das im Rahmen des vom Goethe-Institut durchgeführten Theaterprojekts After the Fall – Europe After 1989 (2009) entstand, thematisiert Stasiuk die Ambivalenz der mit dem Wandel verbundenen Haltungen – die Sehnsucht nach Veränderung und die Ängste im Zusammenhang mit den Umgestaltungen, die das Jahr 1989 mit sich brachte. Handlungsort des Stücks ist ein polnisch-slowakischer Grenzübergang, ein Symbol für die Abschaffung von Grenzen, nachdem die beiden Staaten dem Schengener Abkommen beigetreten waren. In Stasiuks Drama, das intertextuelle Bezüge zu Becketts Warten auf Godot und Mrożeks Tango (eine der Hauptfiguren trägt den Namen Edek) sowie zu Henryk Sienkiewiczs kanonischen historischen Romanen des 19. Jhs. (der Topos der fremden Bedrohung) aufweist, erscheinen alle Ängste der Figuren als überzeichnete Stereotype und Phantasmen. Sie sind Ursache der Trägheit der Figuren, ihrer Unfähigkeit zu konkretem, konstruktivem Handeln. Das Zusammenwirken von irrationalen Ängsten und Provinzkomplexen verursacht Ohnmacht, aus der die Hoffnung erwächst, jemand werde kommen und eine bessere Welt erschaffen. Das Finale des Stücks liefert eine doppelte Überraschung: Die Veränderung kommt, und zwar in Gestalt einer stereotyp schönen und sanften türkischen Geschäftsfrau (also des titelgebenden Türken). Ihre Vorstellung von einer besseren Welt – die Errichtung eines Vergnügungsparks und Freilichtmuseums, in dem alles bleiben könnte, wie es war – verwandelt sich allerdings rasch in die Dystopie der ewigen Wiederholung der Vergangenheit in der Welt der Simulakren.

Andrzej Stasiuk bezeichnete sich selbst in Reaktion auf das in den deutschen Feuilletons (in denen seine Werke durchgängig sehr positiv rezensiert wurden) von ihm gezeichnete Bild als Mensch des Ostens provokativ als „literarischer Gastarbeiter“. In seinem 2008 unter dem Titel Dojczland erschienenen Tagebuch einer Reise durch Deutschland beschreibt er anschaulich – und ohne Scheu vor provokant-stereotypen Kommentaren – die Alienation des Anderen in der individualistischen deutschen Distanzkultur, die ihr Glück und ihre Erfüllung in Pedanterie und technischer Perfektion finde. Viele Rezensenten nahmen dem Autor seine Selbstironie und sein Spiel mit Stereotypen und Autostereotypen nicht ganz ab, zumal an den Stellen, an denen er sich auf die für Deutsche schmerzliche Vergangenheit bezog.

Eine Antwort auf Stasiuks Text erschien drei Jahre später. Der deutsche Sachbuchautor Holger Schlageter (ein studierter Theologe, der als Coach und Motivationstrainer tätig ist und unter anderem das Buch Nach Burn kommt Out verfasste) veröffentlichte in den Jahren 2011 und 2012 unter dem Pseudonym Justyna Polanska zwei Bücher, die zu Bestsellern wurden: Unter deutschen Betten. Eine polnische Putzfrau packt aus sowie Nicht ganz sauber. Eine polnische Putzfrau räumt auf. Die von Schlageter erfundene Figur „Polanska“ bedient alle Stereotype hinsichtlich billiger Arbeitskräfte aus Polen/dem Osten: die Hinnahme erniedrigender Behandlung, die ständigen Diebstahlsverdächtigungen, das niedrige Einkommen oder den Mangel an größeren Lebenszielen, der in die Heirat mit einem Ausländer mündet – natürlich in einem teuren und kitschigen weißen Kleid. Wie attraktiv und selbstverständlich das in den vermeintlichen Bekenntnissen der Justyna Polanska aufgerufene Bild Polens/des Ostens ist, belegen die Reaktionen auf das erste der beiden Bücher – niemand unternahm auch nur den Versuch, die Authentizität der erzählten Geschichte zu hinterfragen, oder erkannte in ihr ein bewusstes Spiel mit Stereotypen. Auch nicht die RezensentInnen, die unterstrichen, dass das Buch die Doppelmoral der deutschen Arbeitgeber entlarve, oder die Aussage des Buches als „Aufruf – eben zu mehr Respekt“ (Sarah Elsing, FAZ) interpretierten. Man kann vermuten, dass alle übrigen RezensentInnen das Bild der Wirtschaftsmigranten aus Polen als Menschen, die als Schwarzarbeiter fügsam und für wenig Geld jede Arbeit verrichten, für bare Münze nahmen. Bei diesem Bild handelt es sich freilich sowohl um ein Stereotyp als auch um ein Autostereotyp. Viele Menschen aus Polen (nicht nur solche mit einem entsprechenden Erfahrungshorizont) identifizierten sich mit der Figur der Justyna Polanska, die ihren Arbeitgebern letztlich unverblümt zu verstehen gibt, was sie von ihnen hält. Unter deutschen Betten war Verkaufserfolg und diente 2016 als Grundlage einer Verfilmung, die ein Jahr später in die deutschen Kinos kam. Die Rolle der Justyna Polanska spielte die polnische Schauspielerin Magdalena Boczarska.

Kommunikationsstile: Vergleich des wissenschaftlichen und des politischen Feldes

 Das erste Jahrzehnt des 21. Jhs. stand im Zeichen der Erweiterung des Netzes deutschpolnisch-europäischer Kontakte sowie der Felder, auf denen Diskussionen geführt und gemeinsame Projekte realisiert werden – es wird zunehmend schwerer, alle Aktivitäten zu verfolgen und kompakt zusammenzufassen, und die Effekte werden oft erst nach einer tieferen Analyse sichtbar. Der Titel des 2005 von Dieter Bingen (seinerzeit Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt) und Anna Wolff-Powęska (damals Direktorin des Westinstituts in Poznań) herausgegebenen Bandes Nachbarn auf Distanz (Wolff-Powęska 2005), verweist auf eines der Hauptprobleme in den deutsch-polnischen Beziehungen: die Inkongruenz der Kommunikationsstile, die man als Gegensatz zwischen dem sichdistanzierenden Stil der deutschen und dem mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil der polnischen Kommunikation beschreiben könnte (Schulz von Thun 2013).  Interessanterweise spiegelt keiner der Stile die deutsche oder die polnische Kommunikationskultur in Gänze wider. Die Inkompatibilität offenbart sich erst im Moment der Interaktion/Konfrontation. Sie ist eine Resultante der gegenseitigen Wahrnehmung und der oft gegensätzlichen Erwartungen an die andere Seite (→ Kommunikationskultur). Schon die Auswahl der Schlüsselwörter in der Beschreibung der deutsch-polnischen Beziehungen nach der Wende 1989/1990 offenbart diese Asymmetrie. Im polnischen politischen Feld, in dem die demokratische Opposition eine Stimme erhielt, etablierten sich weitestgehend die Begriffe Versöhnung/Aussöhnung. Sie wurden aus dem religiösen und dem literarischen Feld übernommen, die – wie oben beschrieben – angesichts des Fehlens politischer Möglichkeiten lange eine Ersatzfunktion erfüllten. Dem besonderen Stellenwert der Kultur lässt sich wohl auch zuschreiben, dass Willy Brandt bei seinem Polen-Besuch im Dezember 1970 von einer Delegation von Schriftstellern und Kulturschaffenden – darunter Günter Grass, Siegfried Lenz oder Klaus von Bismarck – begleitet wurde. Aus heutiger Sicht könnte man mit Blick auf Brandts → Kniefall am Mahnmal des Warschauer Ghettos sagen, dass der Schock, den diese Geste in der (west)deutschen Öffentlichkeit hervorrief, nicht nur aus der mit ihr verbundenen Botschaft resultierte, sondern auch daraus, dass sie im Widerspruch zu einem Kommunikationsstil stand, den weitgehende Sachlichkeit kennzeichnet. Ein weiterer Aspekt, der die Übernahme des Begriffs Versöhnung im polnischen politischen Feld nach 1989/1990 erklärt, ist die ostentative Abgrenzung der oppositionellen Milieus von den ideologisierten Narrativen der Volksrepublik. Die Begriffe Versöhnung/Aussöhnung implizierten eine eindeutige Zurückweisung des Bildes von (West-) Deutschland als ideologischem Feind (Zielińska 2015).  Sie eigneten sich überdies als Signal für den Aufbau qualitativ neuer (enger) bilateraler Beziehungen. Demgegenüber erschienen auf deutscher Seite die sachlicheren und weniger auf die Beziehungsebene verweisenden Begriffe Normalisierung/Verständigung ausreichend pragmatisch und ausgewogen für eine adäquate Beschreibung der gemeinsamen Zielsetzungen, die zwei miteinander benachbarte Staaten verfolgen sollten.

Das letzte Jahrzehnt – Versuch einer Bilanz

 Die beiden Pole der wechselseitigen Beziehungen – der auf unterschiedliche Weise ausgedrückte Wille zur Annäherung und die zahlreichen damit einhergehenden Initiativen einerseits und die mitunter extremen Emotionen im Kontext bestimmter, das mediale Feld polarisierender Themen/Debatten sowie die ständige Aktualisierung von Stereotypen andererseits – bilden den Rahmen, in dem sich gegenwärtig der Transfer und die Rezeption polnischer Literatur/Kultur sowie die transnationale kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit abspielen. Dort, wo die → Zusammenarbeit Kultur (Theater, Kunst, Film) oder Wissenschaftsbereich (Geschichte, Kultur-, Literatur- oder Kunstwissenschaft) betrifft, herrscht offener Dialog und die Zusammenarbeit bringt positive Effekte hervor.

Die polnische Reportage-Schule

 Zu Hanna Krall und Ryszard Kapuściński gesellten sich im letzten Jahrzehnt zwei Autoren, die – mit gegensätzlichem Temperament – ganz unterschiedliche Thematiken aufgreifen. Der erste von ihnen ist Włodzimierz Nowak. Für seinen Reportageband Die Nacht von Wildenhagen. Zwölf deutsch-polnische Schicksale (poln. 2007, dt. 2009) erhielt Nowak 2009 den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis. Ein Jahr später wurden der Autor und seine Übersetzerin Joanna Manc zusammen mit dem ebenfalls als Übersetzer polnischer Literatur tätigen Autor Martin Pollack im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin mit dem Georg-Dehio-Buchpreis ausgezeichnet. Der zweite Autor ist Mariusz Szczygieł, der 2019 für sein Buch Nie ma den NIKE-Literaturpreis erhielt. Für den in mehr als zehn Sprachen übersetzten Reportageband Gottland (poln. 2006, dt. 2008) wurde er 2009 mit dem Europäischen Buchpreis ausgezeichnet. 2006 fand in mehreren deutschen Städten das Festival der Polnischen Reportage statt, das dem deutschen Publikum die neuesten Werke dieses Genres präsentierte. Wie wir auf der Homepage des Zsolnay-Verlags lesen können, der im selben Jahr eine von Martin Pollack herausgegebenen Anthologie polnischer Reportagen veröffentlichte, verdankt sich das Interesse an den Texten polnischer AutorInnen der „literarische[n] Gattung der Reportage, wie sie es bei uns fast nicht mehr gibt, in Polen aber hohe Tradition hat“ (https://www.hanser-literaturverlage.de/, 11.11.2021).

Literaturpreise

 Zu den literarischen Neuerscheinungen des letzten Jahrzehnts gehört unter anderem Andrzej Stasiuks mit dem Österreichischen Literaturpreis 2016 ausgezeichneter Roman Der Osten (übersetzt von Renate Schmidgall), der von der Kritik im deutschsprachigen Raum sehr positiv aufgenommen wurde. Unbedingt zu erwähnen ist unter den neuen Stimmen der polnischen Literatur des letzten Jahrzehnts Joanna Bator, die für ihren Roman Sandberg zusammen mit der Übersetzerin Esther Kinsky 2018 den Internationalen Hermann-Hesse-Preis erhielt. Dorota Masłowska erhielt für ihren jüngsten Roman Andere Leute den Samuel-Bogumił-Linde-Preis für das Jahr 2020 (zusammen mit der deutschen Autorin Dea Loher). Szczepan Twardochs Roman Der Boxer (dt. 2018, poln. Król, 2016) wurde 2016 mit dem Brücke Berlin Preis und 2019 mit dem Samuel-BogumiłLinde-Preis ausgezeichnet (zusammen mit Christoph Hein). Eine szenische Bearbeitung des Textes wurde 2019 am Hamburger Thalia Theater als deutsch-polnische Koproduktion aufgeführt. Regie führte Ewelina Marciniak. (Übersetzt wird Masłowskas und Twardochs Prosa von Olaf Kühl.) Magdalena Parys, die Autorin der sogenannten ‚Berliner Trilogie‘, wurde für ihr Schaffen 2018 mit dem Europäischen Literaturpreis der EU-Kommission und dem Literaturpreis der französischen Stadt Quimper ausgezeichnet. Außerdem wurde Parys als Ehrengast zur Livre Paris 2019 eingeladen. Der 2020 erschienene politische Thriller Der Fürst, der wieder in Berlin angesiedelt ist, wurde bisher durchweg positiv besprochen.

Bestseller: Genreprosa

 Nach 2000 konnte die polnische Genreprosa große Verkaufs- und Publikumserfolge im deutschsprachigen Raum verzeichnen. Zu nennen sind hier Marek Krajewskis RetroKrimis vor dem Hintergrund der Breslauer Stadtgeschichte und Andrzej Sapkowskis Fantasy-Romane. Vor allem die Bände der Hexer-Saga belegen auf den Bestsellerlisten seit Jahren vordere Plätze, und die 2019 auf ihrer Grundlage entstandene Netflix-Serie hievte den ersten Teil der Saga sogar an die Spitze. Es erschien auch eine spezielle FanEdition der Reihe. In den Jahren 2018 und 2019 kamen zwei Kriminalromane von Katarzyna Bonda hinzu: Das Mädchen aus dem Norden (poln. 2014) und 2019 Der Rat der Gerechten (poln. 2015).

Olga Tokarczuk – der Weg zum Nobelpreis

 Der „Tokarczuk-Effekt“ beruht auf mehreren Faktoren. Ein zentraler ist die seit ihrem Debüt ununterbrochene Präsenz der Autorin im verlegerischen und im literarisch-intellektuellen Feld des deutschsprachigen Raums (Autorenlesungen in allen deutschsprachigen Ländern, das Interesse von LiteraturwissenschaftlerInnen und KulturmittlerInnen an Tokarczuks Schaffen). Wenn keine neuen Werke vorliegen, erscheinen Neuauflagen oder Anthologien mit Texten der Autorin, und die Meinung der Experten gibt den Ton der Diskussion vor. Mitunter verlagert sich das Gespräch jedoch ins mediale Feld, in dem es zu Verzerrungen des Bilds der Autorin oder der Aussage eines Textes kommen kann. Das ist insofern wichtig, als es für das Gelingen des Transfers/der Rezeption darauf ankommt, dass ein Werk in den richtigen Rezeptionsorbit gelangt, in dem es um aktuelle Debatten der Zielkultur kreisen kann. Sowohl die Autorintention als auch der einem Text von der Ausgangskultur verliehene Sinn verlieren Gewicht, wenn das implementierte Werk keine für die Zielkultur relevanten Fragen oder Probleme anspricht. Eine offensichtliche verlegerische Strategie zur Lenkung der Rezeption eines Werkes in den gewünschten Orbit ist die Veränderung des Titels. Diese Maßnahme zielt auf den sogenannten Wiedererkennungseffekt, der einerseits die Attraktivität eines Werks für den deutschsprachigen Buchmarkt erhöhen und andererseits dem deutschsprachigen Lesepublikum eine klare Botschaft senden soll. Die Strategie von Verlegern, Kulturmittlern und Übersetzern zielt nicht selten darauf ab, Spuren von Fremdheit zu tilgen und den Text in bekannte Kontexte einzuschreiben. Vermieden werden sollen dabei potenzielle Hot Spots, die die Rezeption ernsthaft stören oder verhindern könnten.

Am Beispiel von Olga Tokarczuks Romanen Unrast (2009), Der Gesang der Fledermäuse (2011) und Die Jakobsbücher (2019) lassen sich die von den polnischen abweichenden Rezeptionsorbits des deutschsprachigen Raums charakterisieren. Der Roman Unrast weckte Aufmerksamkeit, weil ihm 2008 sowohl die Jury als auch das Publikum den NIKE-Literaturpreis zuerkannten. Der Zugang zum Problem der nomadischen Identität der Gegenwart und die besondere Erzählform galten als innovativ. Die Narration, die sich als mosaikartige oder konstellative bezeichnen ließe, fügt sich (statt zu einer einzigen linear erzählten Geschichte) zu einer Art Mini-Monographie über den Topos des Reisens. In mehr als hundert Geschichten verfolgen wir Reisen durch Zeit und Raum, Wanderungen im physischen Raum und in der Imagination sowie Erkundungen des geistigen Raums und Expeditionen zum Kern des menschlichen Bewusstseins. Zur Begründung – und gleichsam einer Art Legitimierung – des nichtlinearen Erzählens von einer Welt ohne feste Bezugspunkte und ohne das Gefühl von Stabilität und Beheimatung können im Falle von Unrast die breit rezipierten Diagnosen zur flüchtigen/ flüssigen Moderne Zygmunt Baumans herangezogen werden.

Der Gesang der Fledermäuse ist ein moralphilosophischer Thriller, dessen deutsche Übersetzung (als einzige der zahlreichen Übersetzungen in andere Sprachen) unter einem ganz anderen Titel erschien als das Original. Der polnische Titel Prowadź swój pług przez kości umarłych ist ein William-Blake-Zitat („Drive Your Plow Over the Bones of the Dead“). Ohne diesen intertextuellen Bezug sowohl auf die Fragen der Epoche als auch auf die Verschränkung von Leben und Literatur gelangt der Text in den Rezeptionsorbit entweder des Kriminalromans oder aber einer eskapistischen Mystik, die das Gegenteil einer nüchternen und sachlichen Analyse und Diagnose tatsächlicher gesellschaftlicher Probleme wäre. In Charakteristiken der Hauptfigur Janina Duszejko werden oft ihre Lektüre der Lyrik und Prosa William Blakes sowie ihr Interesse an Astrologie thematisiert, was die Exzentrik oder sogar den Wahnsinn der Figur sowie ihre Selbstisolierung infolge der Zurückweisung der Gemeinschaft unterstreichen soll. Erst die Ausweitung des Bezugsrahmens eröffnet einen anderen Blick auf die Protagonistin des Romans. Den Kontext von William Blakes Schaffen markieren zwei Pole: Zum einen die Erschütterung der Französischen Revolution und die Folgen der Industrialisierung, die in England und Schottland um 1760 einsetzte, und zum anderen die Reaktion der (prä)romantischen Literatur, die einen letzten Versuch unternahm, die Welt vor der endgültigen „Entzauberung“ (Max Weber) zu bewahren. Es ist kein Zufall, dass in vielen literaturgeschichtlichen Darstellungen Blake als Vertreter oder Vorläufer der Romantik figuriert. Wenn wir nach Parallelen in der Konstruktion der Figur der Janina Duszejko suchen (und zugleich das Lektüremodell der realistischen Prosa verwerfen), dann finden wir ebenfalls zwei Pole: das Rationale und das Irrationale. Für die rationale Welt stehen Berufstätigkeit und Sport – Duszejko ist pensionierte Brückenbauingenieurin und ehemalige (erfolgreiche) Kugelstoßerin. In die Sphäre des Irrationalen begibt sich die Figur in dem Maße, in dem in ihr das Bewusstsein der Unvollkommenheit der Welt und das Gefühl der Ohnmacht wachsen. Menschen Namen zu geben, der Wirklichkeit willkürliche Bedeutungen zu verleihen oder anderen vorschreiben, was sie denken sollen, sind Formen der Kompensation und der Erschaffung einer Heterotopie, eines „Orts ohne realen Ort“ (Foucault 2005).  Die Illusion, die Wirklichkeit zu kontrollieren und die Überzeugung von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns zur Erschaffung einer besseren Welt (sowie die Angst vor ihrer endgültigen Entzauberung) führen in Duszejkos Fall zur Tragödie. Neue Aufmerksamkeit erhielt der Roman 2017, als Agnieszka Hollands auf seiner Basis entstandener Film Die Spur im Rahmen der Berlinale lief. Mit dem Medienwechsel und im Kontext der damals aktuellen Debatten verschoben sich die Akzente der Rezeption – in den Mittelpunkt rückten die Themen Tierrechte und Frauenrechte sowie das Bild der polnischen Provinz.

Die Jakobsbücher gelangten in einen besonderen Rezeptionsorbit, weil das Erscheinen der deutschen Übersetzung (fünf Jahre nach der polnischen Erstveröffentlichung) zeitlich mit der Verleihung des Literaturnobelpreises an die Autorin zusammenfiel (2019 für das Jahr 2018, zusammen mit Peter Handke, der den Preis für das Jahr 2019 erhielt.) Interesse weckten vor allem jene Aspekte von Olga Tokarczuks Opus magnum, die als Bezüge auf die vielschichtige Wirklichkeit der Gegenwart gelesen werden konnten. Anerkennung fand vor allem das Bild einer komplexen, plurikulturellen Gesellschaftsstruktur, das die Autorin um die Biographie Jakob Franks (1726–1791) herum entwirft. Tokarczuk präsentiert Franks Lebensweg als Suche nach Identität in einer Welt fließender oder arbiträrer Grenzen sowie als Lob der transversalen Vernunft (Welsch 1998, S. 97–100).

Fazit: Die performative Kraft des Literarischen

 Bei der Betrachtung von sechs Jahrzehnten Kulturtransfer stellt sich zwangsläufig die Frage: Was hat sich im Laufe dieser Zeit verändert und welchen Platz nimmt die polnische Literatur/Kultur heute im deutschsprachigen Kulturraum ein? Pierre Bourdieus Feldtheorie ermöglicht die Unterscheidung einzelner Felder und einen komplexeren Blick auf die Präsenz der polnischen Kultur aus der Perspektive von Kulturtransferforschung und post-essentialistischen Kulturkonzepten. In Hinsicht auf die Asymmetrie zwischen ‚Vermittlung‘ und ‚Verbreitung‘ (Kneip 1995 und 2011) polnischer Literatur im deutschsprachigen Raum ist festzuhalten, dass es sich weniger um ein Problem der Rezeption (Rezeptionsblockaden) als um eines der Perzeption handelt. Auf der Grundlage eines post-essentialistischen Kulturbegriffs ist die These von der immanenten Fremdheit kultureller Texte (jeglicher, nicht nur polnischer) nicht haltbar. Vielmehr haben wir es mit Problemen der langen Dauer zu tun: Imaginationen des ‚Ostens‘ als des Anderen und dem „programmatische[n] Nicht-Wissen [dar]über“ (Patrut 2004, S. 110).  Albrecht Lempp konstatierte im Jahr 2000 so lapidar wie treffend: „Polen [muss] terra incognita bleiben, so lange, gerade in Deutschland, der Blick auf die eigene Vergangenheit gemieden wird“ (Lempp 2000, S. 6).

In Anlehnung an die Transferforschung können wir sagen, dass die spezifische Konstellation der 1960er Jahre – die Symbiose des (west)deutschen verlegerischen und literarisch-intellektuellen Feldes – zum einen die Voraussetzungen bot, unter denen die polnische Kultur in Erscheinung treten konnte, und zum anderen „dem Import einen neuen, von der Quelle unabhängigen und eigenständigen Wert“ verlieh (Espagne, S. 43. Vgl. ferner Muhs; Paulmann; Steinmetz 1998; Middell 2001).  Der Import polnischer Literatur im Rahmen des Prozesses der Internationalisierung der (west)deutschen Kultur wurde im literarischen Feld zu einem Faktor der Festigung der Autonomie dieses Feldes, und zwar unter anderem durch die programmatische Öffnung für das Andere/Fremde sowie durch die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der komplizierten Vergangenheit. Im verlegerischen Feld wiederum ermöglichte der ‚nichtkommerzielle‘ Charakter vor allem der polnischen Lyrik, aber auch der Prosa und Dramatik, die Ansammlung von symbolischem Kapital. Es ist kein Zufall, dass dies in einem Moment einer grundlegenden Transformation des literarischen Lebens, aber in einem weiteren Kontext auch der gesellschaftspolitischen Veränderungen der 1960er und 1970er Jahre möglich wurde.

Gegenwärtig verläuft der Transfer unter grundlegend anderen Bedingungen, schon allein deshalb, weil nach dem Umbruch von 1989/1990 Polen und andere Länder Ostmitteleuropas weitere Etappen des Wandels durchliefen (EU-Beitritt 2004, Beitritt zum Schengener Abkommen 2008). Man könnte sagen, dass unabhängig von der Darstellung der Medien Polens „Imageproblem“ in Deutschland (Vgl. Gasse 2008, S. 48–51), die häufig polarisieren, ihre Aufmerksamkeit auf Krisen und Konflikte konzentrieren und die LeserInnen mit schlechtesten Nachrichten überfluten, die performative Kraft der Literatur/des kulturellen Textes jede Art von Vorurteilen überwinden kann. Entscheidend ist der Wert, der sich aus dem Kontakt mit einer Kultur (ohne nationale Vorzeichen) ergibt. Er treibt gegenwärtig den Prozess des Kulturtransfers an. Eine wichtige Funktion als Katalysatoren spielen dabei zweifellos Literaturpreise, die Prestige und internationale Aufmerksamkeit generieren. Die in globalem Maßstab zu beobachtenden Veränderungen betreffen sowohl die Formen der kulturellen Teilhabe als auch die Formen des Lesens im weitesten Sinne. In diesem Kontext ist auch der Befund zu betrachten, dass die Zahl der Buchkäufer auf dem deutschen Buchmarkt in den Jahren 2013–2018 um 7 Mio. geschrumpft ist und die Zahl der Neuerscheinungen beständig sinkt. Der Anteil der aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzten Titel liegt seit drei Jahrzehnten konstant bei 0,5–0,6 Prozent.  Der Blick auf die Statistik allein gibt allerdings noch kein vollständiges Bild der Präsenz der polnischen Literatur im deutschsprachigen Kulturraum, zumal nach dem „Tokarczuk-Effekt“ des Jahres 2019.

Die Verleihung des Literaturnobelpreises für das Jahr 2018 an Olga Tokarczuk und Preiszeremonie für sie und Peter Handke (den Preisträger für das Jahr 2019) weckte in allen deutschsprachigen Ländern breites Interesse. Und es ist wohl kein Zufall, dass im Jahr 2020 die Belletristik ihre Schlüsselstellung auf dem deutschen Buchmarkt bestätigte („Die Warengruppe Belletristik hatte im Jahr 2020 mit 31,1 Prozent den größten Umsatzanteil” ,Weidenbach 2020).  Die deutschsprachige Übersetzung von Księgi Jakubowe erschien letzten Endes im Schweizer Kampa-Verlag. Eine entscheidende Rolle dabei spielten die beiden Übersetzer Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein sowie die institutionelle Förderung in Gestalt des Programms „Toledo“ (Programm des Deutschen Übersetzerfonds und der Robert Bosch Stiftung); ein von Palmes und Quinkenstein verfasstes Journal zur Übersetzung des Romans ‚Księgi Jakubowe‘ von Olga Tokarczuk ist auf den Internetseiten des Literarischen Colloqiums Berlin zu finden. Ein Beleg für die Resonanz der (teils auf Polnisch, teils auf Deutsch und teils auf Englisch gehaltenen) ersten Pressekonferenz der Preisträgerin nach der Verkündung der Entscheidung des Nobelpreiskomitees, von der sie in Deutschland erfuhr, war die Einladung Olga Tokarczuks zur Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse am 15. Oktober 2019, die simultan ins Polnische, Deutsche und Englische übersetzt wurde. Zwei Jahre später (am 19. September 2021) fand am Hamburger Thalia Theater die deutschsprachige Erstaufführung der Jakobsbücher (Regie: Ewelina Marciniak) statt. Im Mai 2020 waren die Jakobsbücher im Rahmen der Ruhrfestspiele Recklinghausen als Gastspiel des Warschauer Teatr Powszechny in polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt worden. Das Thalia Theater wiederum kündigte an, dass ein Teil der Aufführungen mit polnischen Übertiteln gezeigt werden solle.

Zu erwähnen ist auch, dass Ewelina Marciniak im November mit dem renommierten Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet wurde, was in der Theaterszene große Aufmerksamkeit weckte, weil die Preisverleihung online stattfand. Marciniak erhielt den Preis in der Kategorie Regie für ihre schon erwähnte Inszenierung Der Boxer (pol.  Król, 2016) nach dem Roman von Szczepan Twardoch. Man kann davon ausgehen, dass der Erfolg des Autors jenseits des Atlantiks (The King of Warsaw, 2020, übersetzt von Sean Bye) das Interesse an Twardochs Prosa sowie an Theaterbearbeitungen oder Verfilmungen noch steigern wird (als Ewelina Marciniak den „Faust“ erhielt, startete in Polen eine Serie auf Grundlage von Król). So verhielt es sich 2019 mit der Verfilmung von Joanna Bators Roman Dunkel, fast Nacht (poln. 2012, dt. 2016, übersetzt von Lisa Palmes), die auf DVD oder via VoD mit deutscher Synchronisation erhältlich ist. Interessanterweise wird der als Krimi oder Thriller eingestufte Film als „Verfilmung des mit dem Hermann-Hesse-Preis 2018 ausgezeichneten Bestsellers von Joanna Bator“ beworben. Ich erwähne das, weil es veranschaulicht, dass die heutige kulturelle Kommunikation immer weniger ‚buchzentriert‘ und ‚literaturzentriert‘, sondern zunehmend intermedial verläuft (Balbus; Hejmej; Niedźwiedź 2004).  Diese Intermedialität, die die Verbindungen zwischen den unterschiedlichsten kulturellen Texten (und Medien) betont (Hejmej 2014), manifestiert sich in den angeführten Beispielen unter dem Gesichtspunkt der Rezeption als kreative Bearbeitung /Aneignung – und eben dies ist der Zweck und der Sinn des Kulturtransfers (Kopij-Weiß; Zielińska 2015).

 Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann

 

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Zielińska, Mirosława, Dr., verfasste die Beiträge „Bedingungen und Verlauf des Transfers polnischer Literatur im deutschsprachigen Raum 1958-2019“ und „Das neue Theater in Polen nach 1989, der Theater-Mikrokosmos Berlins und das Theater des deutschsprachigen Kulturraums“. Sie arbeitet in den Bereichen Kulturtransfer, Interkulturelle Kommunikation, Erinnerung und Literatur und ist unabhängige Literaturwissenschaftlerin.

 

 

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