Maciej Górny

Polnische Autostereotype

Polnische Autostereotype


Stereotype sind Generalisierungen, die den Anspruch auf allgemeine und dauerhafte, wenn nicht gar auf ewige Gültigkeit erheben. Polnische Autostereotype bilden hierbei keine Ausnahme von der Regel. Sie haben sich im Laufe der Geschichte angesammelt, ein Gemenge voller Widersprüche, und lassen sich allein durch die Geschichte erklären. Vor allem drücken sie kollektive Emotionen aus und mobilisieren diese. Sie sind ein Spiegelbild der gesellschaftspolitischen Verhältnisse und der internationalen Lage – denn wenn von den Polen die Rede ist, sind häufig auch, und sei es nur als Kontrast, die Nachbarn gemeint. Die Teilungen waren eine einschneidende Zäsur in der Geschichte der polnischen Selbstwahrnehmung. Doch nicht der Untergang der polnischen Adelsrepublik setzte die kritische Betrachtung des politischen Systems und der Gesellschaft auf die Tagesordnung, der Verfall des Staates ließ nur den Konflikt zwischen dem apologetischen und dem kritischen Ansatz in diesem Zusammenhang deutlicher hervortreten. Ersterer stammte aus den immer ferneren, nahezu mythischen Zeiten der großen Polnisch-Litauischen Union. Unter deren Bürgern – polnischen, litauischen und ruthenischen Adeligen – herrschte die Überzeugung vor, der gemeinsame Staat sei die höchste menschliche Errungenschaft und genieße darüber hinaus die besondere Gunst des Allmächtigen. „Den Polen ermangelt es an nichts“, schrieb Sebastian Fabian Klonowic Ende des 16.Jhs. Der polnische Adel sah mal in den Römern, mal in den Sarmaten oder Trojanern seine noblen Vorfahren. Das Polnische war – glaubt man dem katholischen Geistlichen Wojciech Dębołęcki, der vierzig Jahre nach Klonowic geboren wurde – die älteste Sprache der Welt, auch Adam und Eva bedienten sich seiner, und vom Polnischen leiteten sich sowohl das Griechische als auch das Lateinische ab. In den Augen der Bürger der Rzeczpospolita war die Freiheit (→ polnische Freiheit) das höchste Gut. Garantiert werden sollte sie durch ein in Europa einzigartiges politisches System, in dem jeder polnische Adelige – zumindest potenziell – zum König gewählt werden konnte. Auch wenn dieser Freiheit in der Praxis Hindernisse in den Weg gelegt wurden, so hegte man dennoch ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber ausländischen Adeligen, deren Schicksal womöglich von der Laune eines Herrschers abhängig war.

„Freiheit“ war ein faszinierendes und gefährliches Wort; alle verteidigten diese Freiheit vor eingebildeten Gefahren, alle hielten sie für das Fundament des Staates, doch sie wurde sehr unterschiedlich verstanden. […] der breite Adel betrachtete seine Freiheit als einen absoluten Wert, der beliebig – und immer weiter – ausgelegt wurde: Dies führte zur Anarchie politisch-rechtlicher Begrifflichkeiten. Der Adelige ist Herr, mehr noch, er ist ein freier, bisweilen ungezügelter, unkontrollierter, nicht disziplinierter, bedingungsloser Wille, den man weder ignorieren noch missachten darf (Bystroń 1994, S. 270).

Es war daher die heilige Pflicht der Bürger der Rzeczpospolita, die Freiheit zu verteidigen, zumal das Heimatland sich in einer schwierigen Lage befand. Die Siege in den verheerenden Kriegen des 17.Jhs. und der siegreiche Entsatz durch das Heer von Jan III. Sobieski vor Wien galten als Beweis eines besonderen göttlichen Schutzes – umso mehr, als zumeist Andersgläubige der Feind waren. Mitte des 17.Jhs. führte die polnische Rzeczpospolita Krieg mit den orthodoxen Kosaken (ab 1648), mit dem orthodoxen Moskauer Zarenreich (1654), dem lutherischen Schweden (1655), dem lutherischen Brandenburg-Preußen (1656) und dem calvinistischen Siebenbürgen (1657). Dies festigte und stärkte im polnischen Adel den Glauben, die Rzeczpospolita sei nicht nur ein Bollwerk der Christenheit, sondern auch die katholische Festung Europas. Besagtes Bollwerk – ein Titel, um den Polens politische Schriftsteller mit zahlreichen anderen „Grenzvölkern“ Europas konkurrierten – hielt abwechselnd den Andersgläubigen und den Schismatikern stand, mal war es gegen den Osten gerichtet, dann wieder sollte es diesen vor einer germanischen Expansion schützen. Die Flexibilität dieser Konstruktion veranlasste Janusz Tazbir zu der ironischen Bezeichnung Polens als „Drehbollwerk“ (Tazbir 1987, S. 132f).

Die „Goldene Freiheit“ musste jedoch auch gegenüber dem inneren Feind verteidigt werden: gegenüber dem immer wieder beschworenen, aber nie konkrete Gestalt annehmenden Gespenst der absoluten Herrschaft und den Bauernaufständen. Oppositionelle des Großen Sejm lehnten den Entwurf der Verfassung gerade wegen der angeblich bedrohten Freiheit ab, und argumentierten, die Rzeczpospolita habe ohne diese keine Daseinsberechtigung. Doch die Väter der Verfassung sahen bereits anders auf ihr Land. Die Einzigartigkeit des politischen Systems der Rzeczpospolita war in ihren Augen kein Ruhmesblatt, eher eine Unzulänglichkeit, ein Hindernis auf dem Weg zum Fortschritt. Der Konflikt zwischen den beiden Sichtweisen, dem apologetischen und dem kritischen Ansatz, war unvermeidlich, die Chancen, beide Standpunkte miteinander zu versöhnen, verschwindend gering. „Die Skala der universellen Werte der europäischen Aufklärung war fast das genaue Gegenteil der sarmatischen Werteskala. Gemäß der einen Skala hatte Polen die vortrefflichste Regierung und die besten Sitten, gemäß der anderen die schlechtesten in Europa“ (Jedlicki 2002, S. 30). Die Teilungen verschärften beide Positionen und lenkten die Aufmerksamkeit der polnischen intellektuellen Eliten auf die Gründe für den Untergang des Staates. Der Streit drehte sich um die Frage, ob die Rzeczpospolita von neidischen Despoten zu Fall gebracht worden war, von den Feinden der auf polnischem Boden blühenden Freiheit und – mit Ausnahme der Habsburger – des Katholizismus, oder ob die Adelsrepublik unter der Last eigener Fehler, der Anarchie und Ohnmacht zusammengebrochen war. Mit anderen Worten: War sie ein unschuldiges Opfer oder hatte sie im Gegenteil ihr Schicksal selbst verschuldet. Es gab auch differenziertere Diagnosen: doppeldeutige Urteile und solche, die um Kompromisse bemüht waren. Jede Option hatte ihre FürsprecherInnen und jede hinterließ Spuren im Konglomerat der unterschiedlichen Haltungen, aus denen sich das polnische Autostereotyp speist. Die Apologie der Rzeczpospolita durch den polnischen Adel feierte in leicht veränderter Form im Schaffen der Romantiker (→ Romantik) ihre Wiedererstehung. Zwar teilten sie den Glauben an den Fortschritt, waren jedoch zugleich fest davon überzeugt, dass jedes Volkes Geschichte dem ihm eigenen Schicksalsweg folgt. Aus dieser Perspektive war es keineswegs zwingend, dass Polen die gleichen Entwicklungsstadien durchlief wie die Staaten Westeuropas. Manche meinte man „überspringen“ zu können, andere schienen der Mühe nicht wert zu sein. Mehr noch, man glaubte, es sei das Schicksal Polens, der Retter der Menschheit, oder zumindest der Slawen zu sein. Paradoxerweise war ausgerechnet Russland, der Erzfeind der polnischen Unabhängigkeit, der erste Kandidat der Radikalen für eine Errettung. Diese Überzeugung hatte ergreifende Gesten zur Folge, wie die symbolische Beerdigung der Dekabristen im aufständischen Warschau 1831 oder der Aufruf des Nationalkomitees in Paris an die „russischen Brüder“ vom Dezember 1831. Die Gesten zeigten das Sendungsbewusstsein der Polen und den Wunsch, anderen Völkern die „frohe Botschaft“ zu bringen. Gleichzeitig kamen im Demokratismus der polnischen Nationalbewegung zahlreiche elitäre Eigenschaften zum Ausdruck. Sie zeigten sich im „polnischen Orientalismus“, in der diskursiven Ausgrenzung des „anderen“ (in diesem Fall Russlands) aus der europäischen Zivilisationsgemeinschaft (Janion 2006, S. 228–235). Die Idee Polens als „Christus der Völker“, die Adam Mickiewicz in seinen messianischen Büchern des polnischen Volkes und der polnischen Pilgerschaft (Księgi narodu polskiego i pielgrzymstwa polskiego; 1832) propagierte, stützte sich teilweise auf die adelige Überzeugung von der Außergewöhnlichkeit der Rzeczpospolita. Der polnische Staat existierte zwar nicht mehr, zurück blieb jedoch eine bewundernswerte Geschichte, die Erinnerung an früheren Glanz und der Glaube daran, diesen mit Gottes Hilfe wiederherstellen zu können. Ebensolchen Gefühlen verlieh der romantische Historiker und Dichter Karol Sienkiewicz Ausdruck, wenn er einige Jahre nach Mickiewicz schrieb:

Keines der Brudervölker hat eine Geschichte wie unsere. Kein slawischer Staat überdauerte so viele Jahrhunderte in Unabhängigkeit und Stammesreinheit wie Polen, keiner stand so viele innere wie äußere Abenteuer durch, brachte so viele ehrbare Leute hervor, keiner tat so viel für die Wissenschaft, schenkte dem Herzen so viel Inspiration, offenbarte so viel Unbill, dass er die ganze Welt rührte (Zitiert nach Serejski 1963, S. 93f.).

In den Augen der polnischen Romantiker verdienten sogar die nationalen Niederlagen das Prädikat „von historischer Größe“. Der Glaube an die Mission des polnischen Volkes, an seine Einzigartigkeit und besondere Rolle in der Geschichte hatte bis zu einem gewissen Grad eine kompensatorische Funktion. Solange die Rzeczpospolita existierte, hatte die These von der eigenen Macht eine konkrete Grundlage, die mit dem Verschwinden des polnischen Staates jedoch wegfiel. Jedlicki schreibt:

Die Begeisterung über die eigene Andersartigkeit und Überlegenheit war keine Erfindung der Romantik: Sie war ein unverzichtbarer Bestandteil der polnischen Adelskultur, überdauerte die Wellen aufklärerischer Selbstkritik und feierte nach jeder Niederlage fröhlichen Urständ. […] Doch allein schon die Fülle ähnlicher Parabeln und Moralitäten sowie deren Kontexte zeigen deutlich, dass der darin zutage tretende Nationalstolz im Grunde defensiv war, gezeichnet vom tiefen Trauma unerwiderter Liebe. Frankreich, der Westen oder Europa sind in diesen Texten der Bezugsrahmen der aufgeklärten polnischen Schichten: Von dort […] erwartete man schließlich Anerkennung, Akzeptanz. Stattdessen erntete man zumeist nur Geringschätzung, Desinteresse, gelegentlich gar Verachtung, die sofort als nationale Verleumdung empfunden wurde (Jedlicki 2002, S. 77f).

Das Fehlen eines eigenen Staates erschwerte es, ein Narrativ zu schaffen, das sich auf Modernisierung und Organisation berief und kritisch war gegenüber der eigenen Gesellschaft. Die polnischen Historiker haben die Kontinuität solcher Haltungen lange ignoriert – vor lauter Bäumen sah man nicht den Wald. Erst Maciej Janowski setzte sie in einen logischen Zusammenhang und skizzierte die Geschichte des polnischen Liberalismus von den Anfängen der Aufklärung über die „romantischen“ Liberalen bis hin zu den Positivisten. Dieser „untypische und sonderbare Liberalismus – vergleicht man ihn mit seinem englischen Namensvetter – wird zu etwas völlig Typischem und Gewöhnlichem, wenn man ihn ähnlichen politischen Formationen aus derselben historischen Region gegenüberstellt“ (Janowski 1998, S. 272). Oft liegt ihm eine allzu kritische Zustandsbeschreibung des eigenen Landes zugrunde; diese fokussiert sich nicht so sehr auf dessen wirtschaftliche oder zivilisatorische Rückständigkeit als vielmehr auf seine mentale Stagnation und geistige Trägheit. Vor der Zweiten Teilung schrieb Stanisław Staszic über die Starostei N.:

Ich sah […] die Überreste einer in früher Piastenzeit errichteten Burg, vier Ruinen und ein Stück der Bastei. In dieser Eule und Marder unbequemen Wohnstätte ohne Fenster, Türen und Dach moderte das Archiv vor sich hin. In der Starostei von N., in einem uralten, windschiefen Speicher, dem Reich von Ratten und Mäusen, ernährten sich die Bewohner von den Dokumenten der Bürger. […] In der Starostei von NN.AA., in der Schenke, lagen unter einer Bank neben dem Starostenwodka die Stammbäume der Adelsgüter; bekümmert sah ich, wie einem hässlichen jüdischen Weib die Manifeste gegen S.H. Schatzmeister N., dass man ihm das Stehlen untersage, gegen I.H. Hetmane, dass man ihnen die Macht entzöge, ihren Mitbürgern Gewalt anzutun, und gegen den Herzog N.A. an den Sabbatmatzen kleben blieben (Staszic 1951, S. 81f).

Die Meinungen über den polnischen Nationalcharakter pendeln zwischen den beiden oben skizzierten Polen. Nicht zufällig kam es mit der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit zu einer Flut apologetischer Werke. Der seinerzeit von den Experten für nationale Charakterologie beschriebene polnische psychologische Typ zeichnete sich durch Harmonie und Sanftmut aus. Diese Eigenschaften waren, nach Ansicht mancher Beobachter, derart ausgeprägt, dass zu befürchten stand, sie könnten sich nachteilig auf das Land und seine Bürger auswirken. Allerdings bestand aus breiterer Sicht kein Korrekturbedarf. Erörtert wurde das Problem in den äußerst populären Abhandlungen von Antoni Chołoniewski und Artur Górski: „Zugegeben, wäre die moralische Haltung des polnischen Stammes eine andere gewesen, hätte sie den aggressiven Drang des Westens in sich getragen, ginge es den Polen heute vielleicht besser, menschlich gesehen; Europa jedoch wäre zu beklagen gewesen“ (Górski 1918, S. 199). Außer einem ungewöhnlich stark ausgeprägten moralischen Sinn bestand das polnische psychologische Selbstporträt anno 1918 aus Toleranz, Gewaltabscheu, Ehrlichkeit, tiefer Religiosität und Freiheitsliebe. „Es ist unmöglich […] den Ursprung dieser außergewöhnlichen moralischen Integrität Polens, als Staat, nicht im menschlichen Individuum zu erblicken, dessen typische, kategorische Führungsfähigkeit einen psychischen Einfluss auf den Staat, als entsprechende Organisationsform der Nation, gehabt haben muss“, stellte Jan K. Kochanowski 1917 fest (Kochanowski 1917, S. 117). Insbesondere die schillernden Auswüchse dieser Denkrichtung stießen bei manchen polnischen Intellektuellen auf Kritik, die jedoch eher einzelne Begründungen der polnischen Außergewöhnlichkeit und deren inhaltliche Ausgestaltung denn den Glauben an die Besonderheit der Polen als solchen betraf.

Die den Polen (nicht nur von sich selbst) zugeschriebene Freiheitsliebe wurde zum Ausgangspunkt für weitere Autostereotype. Zur Verteidigung der Freiheit sei der Pole bereit, Heroisches zu vollbringen, sich aufzuopfern. Das Martyrium fürs Volk, die Religion der Vorfahren und die Ehre waren Bestandteil des romantischen Heldenideals. Dieses Heldentum hörte zugleich auf, Domäne der aristokratischen Heroen zu sein; es demokratisierte sich und stand jedem offen. Nach dem Scheitern des Novemberaufstandes diskutierten polnische Emigranten, darunter Adam Mickiewicz, über Das polnische Martyrologium (Martyrologia polska), ein Verzeichnis der nationalen Märtyrer, als Lehre und Vorbild für nachfolgende Generationen. Die Helden und Heldinnen patriotischer Verschwörungen waren in der Regel junge Menschen, die unter dem Gefühl der gesellschaftlichen Entfremdung litten, sich gleichzeitig aber für die gesamte nationale Gemeinschaft verantwortlich fühlten. Rückblickend, wie auch von außen betrachtet, waren die Hoffnungslosigkeit ihrer Anstrengungen und der utopische Charakter ihres Handelns offensichtlich.

Die Literatur vermittelte das Stereotyp des todesmutigen Verschwörers, des opferbereiten Draufgängers, der sich einer von vornherein aussichtslosen Sache verschreibt, und verankerte es im gesellschaftlichen Bewusstsein. Der Verschwörer ist ein Leidenswilliger, der sich selbst als Opfer darbringt, er ist das Sprachrohr von Ideen, die dank ihm die Chance haben, im Gedächtnis zukünftiger Generationen zu überdauern, um unter günstigen Umständen erneut aufgegriffen und verwirklicht zu werden“ (Śliwowska 2012, S. 171).

Natürlich handelt es sich hierbei um das Bild des polnischen Verschwörers; die Konspiranten selbst glaubten stets an den Sinn und die Erfolgschancen ihres Tuns. Der Mythos von einem Kampf, der nicht zu gewinnen ist, stammte nicht von ihnen, war jedoch ihr ständiger Begleiter. Die Devise „Gloria victis“, Ruhm den Besiegten, bezieht sich im polnischen kulturellen Gedächtnis nicht nur auf den Januaraufstand, sondern auch auf den Warschauer Aufstand. Die Erzählstrategien der polnischen Niederlagen folgen, bei allen historischen Unterschieden, dem gleichen romantischen Mythos. Er ist derart dominant, dass er auch heute noch das Bewusstsein der ForscherInnen prägt:

Das polnische Unabhängigkeitsbewusstsein […] stellt das Irrationale über das Rationale, das Emotionale und Willensabhängige über das Verstandesmäßige und Vernünftige, das Fantasievolle und Utopische über das Realistische, jugendliche Begeisterung über reifes und gemäßigtes Verhalten, den naiven Glauben an die Gunst und Hilfe transzendenter Kräfte oder außergewöhnliche Umstände über die objektive Bewertung der eigenen Aktiva und Möglichkeiten, das Vertrauen, dass ‚es irgendwie schon wird‘, über den voraussichtlichen Lauf der Ereignisse, die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf über wirtschaftliche und wissenschaftliche Aktivitäten, das Sendungsbewusstsein und der Glaube, eine historische Mission zu haben, über eine realistische Selbsteinschätzung; mit anderen Worten, es stellt das romantisch-mythische und militärisch-aktivistische Element über das rational-positive Denken und ,organische‘ Handeln (Szmyd 1998, S. 26).

Das Autostereotyp entsteht als Kontrast zum Stereotyp der anderen, vor allem der unmittelbaren Nachbarn. Bezugspunkt der polnischen Charakterologen waren vor allem die Russen, Deutschen und Juden. Ersteren bescheinigte man eine zivilisatorische Fremdheit, bedingt durch das mongolische kulturelle beziehungsweise biologische Erbe (mancher polnischer Autor stellte in Abrede, dass die Russen überhaupt zum Kreis der slawischen Völker gehörten). Die beiden anderen Gruppen teilten viele der russischen Eigenschaften, wodurch ein recht kohärentes Feindbild geschaffen wurde. Ähnliche Motive kehrten im polnischen öffentlichen Diskurs regelmäßig wieder und erreichten in Konfliktsituationen ihre größte Intensität. Auch in diesem Fall liefert die Zeit des bewaffneten Kampfes um die Grenzen der unabhängigen polnischen Republik besonders viel Anschauungsmaterial. Zwar seien die Juden nirgends so schlecht behandelt worden wie in Russland, merkte seinerzeit Zygmunt Wasilewski an, sie fühlten sich aber psychisch gerade dort am besten. Der Grund sei die geistige Verwandtschaft, die sich aus den gemeinsamen Traditionen der Nomadenvölker ergebe. Nomaden bleiben psychologisch gesehen Kinder: pflichtvergessen, außerhalb des Zugriffs der Obrigkeit, ohne Privateigentum. Früher seien sie ununterbrochen umhergewandert, schrieb Mieczysław Geniusz 1920, in neuerer Zeit drücke sich ihr rastloser Geist in territorialer Aggression aus. Das Konzept des Nomadismus wurde von Jan K. Kochanowski, Wincenty Lutosławski und Feliks Koneczny weiterentwickelt und auch auf die Deutschen übertragen. Lutosławski bezog sich dabei direkt auf die Kriegspropaganda und erinnerte daran, dass „man in Frankreich und England nicht ohne Grund bis heute die Deutschen als Hunnen bezeichnet. In ihnen fließt das turanische Blut der Hunnen, daher ihre Verachtung für Recht und Gerechtigkeit“ (Lutosławski 1920, S. 27). Im Zentrum geschichtsphilosophischer Konzepte, die die Geschichte Europas zu deuten versuchten, stand die Einteilung in sesshafte und nomadische Völker:

Innerhalb der arischen Rasse […] begegnen wir zwei gegensätzlichen Typen: der eine kriegerisch, nomadisch, aggressiv und protestantisch (Zarathustra ist ein geistiger Vorfahre Luthers und überwindet mit seinem Dualismus die präarische Einheit oder Dreifaltigkeit), der andere sesshaft, freiheitsliebend, politikbesessen, nach Demokratie strebend und dabei künstlerisch ungemein schöpferisch und von katholischer Religion, sprich er liebt die universelle Einheit (Lutosławski 1920, S. 14).

Es bestand kein Zweifel, dass die Polen, die – wie Kochanowski ausführte – seit Urzeiten das Lechland besiedelten, die Wiege des Slawentums und das Bollwerk der westlichen Kultur, der Inbegriff des sesshaften Typs waren. Das kritische polnische Autostereotyp bezog sich in noch größerem Maße als die apologetische Strömung auf Stereotype, die von anderen geschaffen worden waren. Viele seiner Bestandteile sind Zitate und Aneignungen fremder Beobachtungen; häufig ist die ursprüngliche Autorschaft nicht mehr feststellbar. Dies gilt zum Beispiel für den Plica polonica (Weichselzopf), der nicht nur von deutschen Zeitgenossen, sondern auch von polnischen Heilkundigen für eine typisch polnische Krankheit gehalten wurde. Obwohl der Weichselzopf seit dem tiefsten Mittelalter in ganz Europa bekannt war, begannen westeuropäische Reisende ihn Ende des 17.Jhs. mit Polen in Verbindung zu bringen. Ab der zweiten Hälfte des 18.Jhs. gehörte er, wie Hubert Orłowski feststellt, bereits zum festen Bildrepertoire bei der Beschreibung des polnischen Unrats und der Rückständigkeit (Orłowski 1998, S. 265). Ein anderes Beispiel: Roman Buczyński, der in der zweiten Hälfte des 19.Jhs. den „moralischen Zustand“ der polnischen Gesellschaft untersuchte, konstatierte seinerzeit, dass die zur Verfügung stehenden Statistiken auf eine außerordentlich hohe Zahl an Verbrechen gegen den Staat und die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Königreichs Polen hindeuteten. Bolesław Prus stellte seinen Landsleuten das Stereotyp vom organisierten, disziplinierten Deutschen gegenüber. Es fehlte auch nicht an polnischen Autoren, die der These der deutschen Publizistik von der besonderen „Weiblichkeit“ des polnischen Nationalcharakters beipflichteten. Publizisten wie Lutosławski und Kochanowski gaben dieser Eigenschaft eine positive Konnotation, indem sie erklärten, dass nur die Synthese des männlichen und des weiblichen Elements zu einem „arischen“ Schaffen führe. Ihre Bewertung des weiblichen Charakters war wesentlich positiver als im deutschen bürgerlichen Diskurs. Wenngleich die Selbst- und Fremdwahrnehmungen bisweilen übereinstimmten, so unterschieden sich die daraus gezogenen Schlüsse jedoch erheblich. Dort, wo das westeuropäische Stereotyp vom Polen die festen, unverändert negativen Eigenschaften hervorhob, sahen polnische Beobachter den Einfluss ungünstiger äußerer Faktoren am Werk. Man hoffte, durch deren Beseitigung die Fehler ausmerzen und den nationalen Charakter vervollkommnen zu können, mit anderen Worten, die zivilisatorische und mentale Rückständigkeit auszugleichen. Dies war nicht die einzige mögliche Antwort. Ab dem 19.Jh. erlagen viele polnische Autoren dem Charme der slawophilen Utopie. Diese ermöglichte, in Bezug auf das kritische Stereotyp Polens (das sich in vielem mit dem Stereotyp der Slawen deckte), die Hierarchien umzukehren und die westeuropäische Idee des Fortschritts in Frage zu stellen. Dort, wo der Westen und insbesondere die Deutschen Rivalität und Kampf propagierten, sollten die Slawen auf Zusammenarbeit und Friedfertigkeit setzen. Psychologisch war dies mit ihrer vermeintlichen Weiblichkeit verbunden, die diesmal nicht als Fehler, sondern als Tugend des Nationalcharakters verstanden wurde. Die Maskulinisierung der nationalen Konstruktionen in der deutschen Kultur ging mit einer Feminisierung in der polnischen Kultur einher. „Wenn wir die Slawen im Allgemeinen und die Polen im Besonderen als Vertreter des weiblichen Elements betrachten“, erklärte Buczyński, „müssen wir sowohl die Vorzüge als auch die Schwächen am weiblichen Ideal messen, das dem männlichen völlig gleichwertig ist“ (Buczyński 1905, S. 135). Die Slawen in Bezug auf das Mittelalter mit dem Kreativen und die Deutschen mit dem Destruktiven zu assoziieren, führte beispielsweise zu der konkreten Schlussfolgerung, dass die Hanse nicht das Werk deutscher Kaufleute gewesen sein konnte. Eine derart umfangreiche Koexistenz und Zusammenarbeit der Städte und Kaufleute passte nur zur slawischen Psyche: „Eine derartige Hanse waren die gesellschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Abodriten, Wilzen, Pomoranen und Hevellern, die gesamte westliche lechitische Gemeinschaft, die dem slawischen Geist treu war, dessen historischer Grundsatz der Gleichheit und des Föderalismus dem germanischen Geist zuwiderlief, der dem historischen Grundsatz der Hegemonie und des Separatismus huldigte“ (Grzegorzewski 1885, S. 83). Die Ablehnung und Kritik des westlichen Fortschritts im Namen geistiger Werte – der slawischen Seele oder des christlichen Gewissens – war in Polen, ähnlich wie in anderen Ländern der Peripherie, paradoxerweise eine Kopie intellektueller Strömungen Westeuropas; die Verachtung für den Westen ahmte dessen eigene innere Kritik nach.

Bereits vor der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens galt die Aufmerksamkeit der Publizisten den polnischen Ingenieuren: den herausragenden Leistungen Ernest Malinowskis, dem Erbauer einer Eisenbahnstrecke durch die Anden, oder des Geologen Ignacy Domeyko. Auch Joseph Conrad wurde, trotz aller Kontroversen (schließlich schrieb er nicht auf Polnisch, sondern auf Englisch), zu einem Symbol des Könnens, das polnische Talente unter günstigen Umständen erreichen können. Der unabhängige polnische Staat machte sich diese Motive zu eigen und baute seine „Staatsideologie“ darauf auf. Den Staat, als entscheidenden Faktor zu betrachten, war mit einer Aufwertung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sphäre verbunden. Der Bau des Hafens von Gdynia wurde zu einem Wahrzeichen des jungen Staates. Dieses Motiv gewann nach dem Zweiten Weltkrieg, in einer Situation permanenten Legitimitätsdefizits, noch zusätzlich an Bedeutung. Der Mythos von der achten Wirtschaftskraft der Weltwirtschaft oder die Losung „Der Pole kann’s“ („Polak potrafi“), die der Erste Sekretär des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) Edward Gierek gerne benutzte, waren Versuche, das Stereotyp der polnischen Rückständigkeit positiv umzudeuten. Mit überschaubarem Erfolg, wie sich herausstellen sollte, nicht nur wegen der schwachen Fundamente, sondern auch aufgrund der Langlebigkeit selbstkritischer Vorstellungen. Der Kampf gegen Stereotype ist eine ebenso beliebte wie utopische Beschäftigung. Sie sind immun gegen Fakten und sachliche Argumente. Sie verschwinden erst dann, wenn sie nicht länger den geistigen Zustand der jeweiligen Gemeinschaft reflektieren und dadurch aufhören, nützlich zu sein. Der Kampf, den die Volksrepublik Polen den beiden übergeordneten polnischen Autostereotypen erklärte, ist in diesem Kontext ein faszinierendes Phänomen, dessen Echos bis heute nicht verstummen. Ihre Sturmtruppen wurden von Oberst Zbigniew Załuski angeführt, einem produktiven historischen Publizisten, der der nationalistischen Fraktion von Mieczysław Moczar in der PZPR angehörte. In seinem bekanntesten Buch, Die sieben polnischen Todsünden (Siedem polskich grzechów głównych; 1962), wies er die Kritik am „falsch verstandenen Heldenmut“ zurück, indem er darlegte, dass den legendenumwobenen Beispielen wahnwitziger Waghalsigkeit polnischer Soldaten und Aufständischer rationale Argumente zugrunde lagen. Die Sturmangriffe der Sensenträger gegen Geschützstellungen, der Kavallerie gegen deutsche Panzer und der Chevaulegers auf dem Gebirgspass von Somosierra, die heroische Verteidigung der Westerplatte – all diese Aktionen waren militärisch sinnvoll, oder sie entsprachen in Wirklichkeit nicht „dem Mythos vom selbstmörderischen Wahn der Polen“ (Załuski 1965, S. 83). Doch Załuski geht noch einen Schritt weiter. Sein Buch ist eine Art Kriegserklärung, eine Kontroverse, die in leicht veränderter Form bis heute fortdauert. Załuskis Angriffe galten der liberalen, westlich orientierten Warschauer Intelligenzija, die der polnischen nationalen Tradition spottete: „Machen wir uns nichts vor“, schrieb der kämpferische Oberst, „der Spott oder vielmehr das System des Spotts hat eine todernste Wirkung. Vor allem auf die kritische, suchende Jugend, die Autoritäten stürzt und unter großen Mühen neue gebärt, erschafft“ (Załuski 1965, S. 83). Als einer der gefährlichsten Spötter erwies sich Witold Gombrowicz. Wegen ihm und anderer Liberalen würden junge Menschen denken: „Lasst uns fliehen vor all diesen polnischen Tragödien und Aufständen, Gewissensbissen und Pflichtgefühlen, in eine Märchenwelt des Glücks, lasst uns nach Australien fliehen, Engländer sein, Amerikaner…“ (Załuski 1965, S. 204). Ein gestandener Patriot konnte angesichts dieses Eskapismus nur deshalb die Ruhe bewahren, weil es sich um die Jugend handelte, die mit der Zeit die wahren Ideale erkennen würde: „Es sind im Grunde genommen sehr unglückliche junge Menschen, denen man beigebracht hat, sich für das eigene Vaterland zu schämen, das eigene Volk zu verachten, denen man einen Selbstekel eingeimpft hat. Natürlich werden sie daraus herauswachsen. Sie wachsen schon daraus heraus. Sie sind beinah vollständig daraus herausgewachsen. Zurück bleibt ein schlechter Nachgeschmack, Katerstimmung, Bitterkeit und Apathie“ (Załuski 1965, S. 204).

Seit den Anschuldigungen Załuskis gegen „die feine Warschauer Gesellschaft“ sind mehrere Jahrzehnte vergangen. Das politische System hat sich verändert, und die kritisierten Jungen von damals haben ihre besten Jahre längst hinter sich. Und dennoch hat die Teilung in „Patrioten“ („wahre Polen“) und „Liberale“ weiterhin Bestand. Beide Seiten bedienen sich polnischer Autostereotype, wobei sie sich auf ihre apologetische oder ihre kritische Version beziehen. Die Teilung der polnischen Gesellschaft in zwei Gruppen, die unterschiedlichen, von den historischen Gegebenheiten geprägten Stereotypen anhängen, hätte ohne Zweifel den Vorteil der Einfachheit. Dies würde die Kommunikation erleichtern, nicht nur über nationale Grenzen hinweg, sondern auch innerhalb derselben, da man einen Schlüssel bekäme, um die vorherrschenden Haltungen zu identifizieren. Das Problem liegt jedoch darin, dass die beiden übergeordneten polnischen Autostereotype miteinander verbunden sind und häufig gemeinsam auftreten. Die Mitglieder der polnischen Kulturgemeinschaft sind mit Elementen ausgestattet, die sich sowohl auf die apologetische Tradition als auch auf die kritische beziehen. Dass diese sich in einem Menschen vereinigen können, gleich einer bipolaren Störung (die manische Phase entspräche dabei der Selbstverherrlichung, die depressive dem Bewusstsein, die zivilisatorische Rückständigkeit Polens nie überwinden zu können), sorgt in der Forschung für Besorgnis. Soziologische Untersuchungen zeigen, dass die polnischen Autostereotype Gegensatzpaare bilden: Unternehmergeist versus Hilflosigkeit und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge; Toleranz versus Schämen für im Umlauf befindliche Vorurteile; Scharfsinn versus Leichtsinn und Inkonsequenz, wodurch Talente und Ideen ungenutzt bleiben. Die von den Soziologen Befragten gaben noch mehr solcher Gegensätze an. Bei der Nennung der fünf typischen Eigenschaften von Polen wurden in einem Atemzug widersprüchliche Charakterzüge angeführt: Schlitzohrigkeit und Fleiß, Heuchelei und Ehrlichkeit, Offenheit und Argwohn – ohne dass deren sich gegenseitig ausschließendes Wesen reflektiert wurde. Obwohl das polnische Autostereotyp sich ständig verändert, bleibt sein bipolarer Mechanismus davon unberührt. Die Umfragen unter Jugendlichen, die Ewa Nowicka Anfang der 1990er Jahre durchführte, ergaben ein strengeres Polenbild als die Untersuchungen von Maria Rogaczewska und Aleksandra Gołdys gut zehn Jahre später. Die von Nowicka Befragten sahen insbesondere die Eigenschaften im Zusammenhang mit der Arbeit und Organisation kritisch. Es wurde zwar hingewiesen auf die Wärme und Authentizität der Familienbeziehungen (und dabei auch auf die Figur der „Mutter Polin“ Bezug genommen), auf die Gastfreundschaft und die nationale Fähigkeit, mit untypischen Situationen zurechtzukommen, vorherrschend war jedoch eine hyperkritische Haltung gegenüber der polnischen Schlitzohrigkeit, dem gegenseitigen Hass und der Unordnung. Die Schlussfolgerungen waren beunruhigend: Das polnische Autostereotyp zu Beginn der Transformation des politischen Systems war das Spiegelbild eines gewaltigen Minderwertigkeitskomplexes gegenüber Westeuropa. Die Reaktion war ein Überlegenheitskomplex gegenüber Osteuropa. In neueren Untersuchungen hat dieses Problem an Bedeutung verloren, die Komplexe sind schwächer geworden. An deren Stelle trat die Überzeugung, dass die im Ausland geäußerten kritischen Urteile über die Polen ungerecht sind, dass man die Polen nicht schätzte. Nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat hingegen die Einschätzung, die polnische öffentliche Debatte sei inhaltlich von geringer Qualität und das gesellschaftliche Kapital auf einem niedrigen Niveau, kurz gesagt: Man sei nicht nur unfähig, sich mit anderen nationalen Gemeinschaften zu verständigen, sondern auch innerhalb der eigenen Gemeinschaft dazu nicht in der Lage. Es fällt schwer, diese Beobachtung nicht mit dem simultanen Auftreten gegensätzlicher Stereotype, dieser ideologischen Extreme, in Verbindung zu bringen (Nowicka 1996, Rogaczewska; Gołdys 2009, S. 5–14).

Das polnische Autostereotyp basiert, ungeachtet wechselnder gesellschaftlicher Umstände, weiterhin auf zwei Narrativen. Das Erste gründet auf der adeligen Identität der Bürger der Rzeczpospolita, wobei die Tatsache ignoriert wird, dass diese gesellschaftliche Gruppe bei weitem nicht die Mehrheit der LandesbewohnerInnen repräsentierte. Das historische Sendungsbewusstsein und das Gefühl der eigenen Außergewöhnlichkeit sind mit konfessionellen Konflikten verbunden, die sich tief im kulturellen Gedächtnis eingegraben haben, und beziehen sich auf eine katholische Vorstellungswelt, den Messianismus und das Martyrium. Das zweite Narrativ betrifft Polens Randlage, seine Rückständigkeit, die es zu überwinden gilt, sofern das möglich ist. Sind dies außergewöhnliche Konstruktionen, für den neutralen Beobachter unverständliche Blockaden der interkulturellen Kommunikation? Jede einzelne für sich wohl nicht. Verwundern mag den außenstehenden Betrachter höchstens ihr Anachronismus, wenn das Narrativ allzu deutlich seine neuzeitlichen Wurzeln enthüllt. Die zweite Konstruktion ist ein typischer Peripheriediskurs, die Kritik und Selbstkritik der Rückständigen und Kolonisierten – dieser unterscheidet sich kaum von seinem Pendant in anderen Ländern Ostmitteleuropas und auf anderen Kontinenten. Was die Transparenz einschränkt, ist die Vermischung beider Narrative.

Aus dem Polnischen von Andreas Volk

Literatur:

R. Buczyński, Czem byliśmy, czem jesteśmy a czem być możemy? Przyczynek do historiozofii polskiej…, cz. I, tom 2, Kraków 1905.

J. S. Bystroń, Megalomanja narodowa, Warszawa 1935.

M. Geniusz, Co człowiek i Polak wiedzieć powinien, Warszawa 1920.

A. Górski, Ku czemu Polska szła, Warszawa 1918.

J. Grzegorzewski, Z kresów połabskich, Kraków 1885.

M. Janion, Niesamowita Słowiańszczyzna. Fantazmaty literatury, Kraków 2006

M. Janowski, Polska myśl liberalna do 1918 roku, Kraków 1998.

J. Jedlicki, Jakiej cywilizacji Polacy potrzebują. Studia z dziejów idei i wyobraźni XIX wieku, Warszawa 2002.

J. K. Kochanowski, Trzy odczyty o Polsce, Warszawa 1917.

W. Lutosławski, Wojna wszechświatowa. Jej odległe przyczyny i skutki, Lwów 1920.

E. Nowicka, Co o sobie myślimy?, „Wiedza i Życie” 4/1996.

H. Orłowski, „Polnische Wirtschaft”. Nowoczesny niemiecki dyskurs o Polsce, tłum. I. Sellmer, S. Sellmer, Olsztyn 1998.

M. Rogaczewska, A. Gołdys, Polacy – w pułapce autostereotypów?, Gdańsk 2009.

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Górny, Maciej, Dr. hab., verfasste die Beiträge „Die deutsch-polnische „Grenzmark“ (Osten) in den Wissenschaften vom Menschen (19.-20. Jh.)“, „Polnische Autostereotype“ und „Ostdeutsch-polnische Historikerbegegnungen: Die Grenzen der Verständigung(Wissenschaft)“. Er ist stellvertretender Direktor am Tadeusz Manteuffel Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. Er arbeitet in den Bereichen Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert, Wissenschaftsgeschichte und Vergleichende Geschichte.

 

 

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