Ilona Rodzeń, Izabela Surynt
Polnische und deutsche Popkultur – gegenseitige Wahrnehmung in der Satire
„Humor mildert die Sitten“, könnte man nach dem Studium der TV-Unterhaltungsprogramme eine beliebte polnische Redensart paraphrasieren. Einerseits mildert sie die Derbheit des Gesagten, andererseits erlaubt sie durch ihre Unbestimmtheit, die Grenzen des im öffentlichen Raum Zulässigen und Akzeptablen zu verschieben. Die in den Medien gezeigten Sketche gehen häufig über den Rahmen des Anstands und der politischen Korrektheit hinaus, denn genau darum geht es. Sich über die Eigenschaften – insbesondere die negativen Eigenschaften – einzelner gesellschaftlicher Gruppen, der eigenen oder einer fremden Nation lustig zu machen, diese zu überzeichnen, gleichsam die Wirklichkeit in einem Zerrspiegel darzustellen, das ist das Privileg des Kabaretts und der Unterhaltungsprogramme.
In Polen erfreuen sich Fernsehsendungen, in denen verschiedene Kabaretts auftreten, großer Beliebtheit. Programme dieser Art erfahren in den letzten Jahren eine wahre Renaissance. Viele Kabarettgruppen erleben einen Hype, ihre Fangemeinden füllen bei Live-Auftritten die Veranstaltungssäle – dank privater Aufzeichnungen sind die meisten Shows im Internet zugänglich. In Deutschland dagegen sind Stand-up-Comedys, Solovorträge eines Komikers, sowie Late-Night-Shows die beliebteren Formate. Auch für die Unterhaltungsprogramme werden Sketche vorbereitet, diese werden aber meistens vorher aufgezeichnet und in Form separater, kurzer Filme eingespielt.
Einer der bekanntesten deutschen Komiker war Harald Schmidt. Es heißt, er habe die „Polenwitze“ in Deutschland salonfähig gemacht. Er erzählte sie hauptsächlich in seiner Late-Night-Show Die Harald Schmidt Show, die von 1995–2003 auf Sat.1 zu sehen war (die Show wurde in späteren Jahren erneut ins Programm aufgenommen). Allein in den ersten zwanzig Episoden gab es nicht weniger als achtzehn solcher Witze. In ihnen treten die Polen in praktisch allen denkbaren stereotypen Rollen auf – vor allem als Autodiebe und Alkoholiker (→ polnische Wirtschaft). Schmidt ist der Autor des berühmten Spruchs: „Besuchen Sie Polen, Ihr Auto ist schon da“, er witzelte u. a.: „Katholiken trinken mehr Alkohol als Muslime. Kein Wunder, schließlich ist der Papst Pole“ oder „Jeder Pole darf stehlen, denn die Verfassung verbietet das nicht“ (Piotr Cywiński, I śmieszno, i smutno, in: Wprost 2006, Nr. 46). Ein anderer Witz ging so: „Ich hab’ einen Filmbericht gesehen – ich dachte erst die Queen trägt eine Halskette bei ihrer Ankunft in Polen, aber sie hatte nur ihre Brosche festgekettet. Fünftausend Polizisten sind beim Queenbesuch in Polen auf den Beinen – zwei bewachen die Queen, der Rest das Flugzeug“ (https://www.sueddeutsche.de/kultur/schmidts, 16.9.2022). Schmidt parodierte auch Audi-Werbung: Der polnische Botschafter kommt mit einem Autotransporter, der die gestohlenen Wagen seiner Botschafterkollegen geladen hat, zu einem diplomatischen Empfang. Andere Witze lauteten so: „Ein Satz mit zehn Wörtern und vier Lügen: Ein ehrlicher Pole fährt nüchtern mit seinem Wagen zur Arbeit“; „Woran erkennt man, dass es zu viele Polen in Deutschland gibt? Die Zigeuner schließen Hausratsversicherungen ab.“ „Das Gute an dem kalten Wetter ist, die Polen lassen ihre Hände in den eigenen Taschen“ oder „Was ist in Polen der Unterschied zwischen einer Hochzeit und einer Beerdigung? Auf letzterer ist einer weniger besoffen“ (Piotr Cywiński, I śmieszno, i smutno, in: Wprost (2006), Nr. 46.). Schmidt stützte sich in seinen Witzen, in denen die Polen als Diebe, Alkoholiker und tiefreligiös gezeigt werden, hauptsächlich auf das negative Stereotyp der polnischen Wirtschaft.
In einem Interview für die Wochenzeitschrift Wprost sagte Schmidt: „Glauben Sie mir, der wahre Grund für meine Polenwitze ist, dass ich den polnischen Akzent imitieren kann. Die Wirkung meiner Satire hat mich selbst überrascht, und als ich gemerkt habe, in welche Richtung sich das entwickelt, habe ich damit aufgehört. Man hat aus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Im Übrigen ging es bei den meisten Witzen um Autodiebstahl“ (Piotr Cywiński, Polska mnie interesuje, in: Wprost 2007, Nr. 51/52.). Zudem erklärte Schmidt, dass man in Deutschland über verschiedene Nationen Witze mache, doch nur die Polen seien derart empfindlich. Es ist wohl keine Übertreibung zu behaupten, dass die Polen auf Schmidts Witze häufig sehr emotional reagierten. Sogar der polnische Botschafter in Berlin intervenierte in dieser Angelegenheit. Die gereizten Reaktionen auf polnischer Seite ließen das deutsche Publikum unbeeindruckt, im Gegenteil: Man hatte noch mehr Spaß. Und hielt den Polinnen und Polen vor, sie seien überempfindlich, was die eigene Person betrifft, und würden sich als Opfer inszenieren, die den Blick ausnahmslos in die Vergangenheit richten. Damals schien sich auch Harald Schmidt gut zu amüsieren. Jahre später änderte er jedoch seine Meinung, 2019 bekannte er in einem Interview: „Heute würde ich mir sehr genau überlegen, was ich auf einer Bühne mache. […] Mit den heutigen Maßstäben, auch der political correctness, der Sprachpolizei und des linksliberalen Mainstreams, hätte ich meine Show nach einer Woche abgenommen bekommen“ (HARALD SCHMIDT im Gespräch mit Peter Fässlacher youtube.com, 16.9.2022). Nach Meinung von Tatjana Schmalz, der Autorin des Artikels Polen-Witze in Deutschland: Zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, hat sich das Verhältnis zu kultureller Verschiedenheit, Ethnizität und Verhaltensweisen, die von der eigenen Gemeinschaft als normabweichend angesehen werden, in den letzten Jahren, zumindest in Deutschland, so stark verändert, dass es schon etwas von Rassismus und Chauvinismus an sich hat, wenn man Scherze über Minderheitengruppen macht. Aus diesen Gründen hätte Harald Schmidts Programm in den Mainstream-Medien heute keine Chance, wäre höchstens in Nischenkanälen im Internet denkbar. Die Autorin resümiert: „Witze verraten weniger über den Bewitzelten als über den Witzelnden, so auch die deutschen Polen-Witze. Sie wollen und können nicht,das spezifisch Polnische‘ dingfest machen, offenbaren dafür aber die Erwartungen und Sorgen der Deutschen. Nach der Wiedervereinigung schnellten überall in Deutschland die Arbeitslosenzahlen in die Höhe, viele sahen sich um ihre Existenz und um ihre Lebensleistung betrogen. Die Nachkriegszeit war endgültig vorüber, doch zurück blieb die Brüchigkeit der kulturellen Identität der Deutschen […]. In diesem historischen Kontext erweisen stumpfe Witze über vermeintliche Marotten der polnischen Nachbarn einen Disziplinierungseffekt“ (Schmalz 2019). In späteren Jahren ließ die polnische Öffentlichkeit anderen Komikern interessanterweise viel mehr durchgehen. Die Gründe für die heftige Kritik an dem deutschen Entertainer Harald Schmidt dürften u. a. in der damaligen außenpolitischen Situation Polens – eines Staates, der erst kurz zuvor sich vom Einfluss der Sowjetunion befreit hatte und den Anschluss an westeuropäische internationale Institutionen suchte – begründet liegen. Polen bemühte sich damals, der Europäischen Union beizutreten, was die Deutschen eher als Bedrohung, insbesondere für ihren Arbeitsmarkt, betrachteten. Es war auch eine Zeit, in der in den politischen Beziehungen zu Deutschland aus polnischer Sicht nicht immer alles nach Wunsch lief.
Das, wofür Schmidt in Polen kritisiert wurde, nimmt man Steffen Möller, einem in Polen bekannten Kabarettisten, Schauspieler und Conférencier, nicht krumm. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Möller stets darauf achtet, die Grenzen des guten Geschmacks nicht zu überschreiten. Als er 1993 für einen Sprachkurs das erste Mal nach Polen kam, hielt er es für ein außerordentlich „exotisches“ Land. Ein Jahr später zog er – wie er augenzwinkernd bemerkt – „freiwillig“ an die Weichsel. 2002 belegte er den zweiten Platz beim Kabarett-Festival PAKA in Krakau. Größere Bekanntheit erlangte er durch seine Teilnahme an der Talkshow Europa lässt sich mögen (Europa da się lubić), die von 2003 bis 2008 auf TVP 2 ausgestrahlt wurde. Die Gäste waren AusländerInnen, die von ihrem Leben in Polen und ihren Heimatländern erzählten. Im Programm verglich man u. a. Feiertagsbräuche, nationale und regionale kulinarische Vorlieben, Sport und Populärkultur sowie verschiedene Aspekte des Alltags wie z.B. die Verkehrsregeln. Möller war ständiger Gast der Sendung und gewann die Sympathien des Publikums u. a. durch sein kabarettistisches Talent. Gleichzeitig spielte Möller in der beliebten Fernsehserie L wie Liebe (M jak miłość) einen deutschen Bauern, der in Polen Ackerland kaufen will.
Anfänglich stößt er mit seinem Anliegen bei den Einheimischen auf Ablehnung – dies spiegelt reale polnische Ängste wider, Deutsche würden polnisches Land aufkaufen wollen und ihr ehemaliges Eigentum zurückfordern, worüber in den Medien immer wieder berichtet wird. Nachdem ihn die NachbarInnen im Film akzeptieren, erhält seine Figur einen festen Platz in der Serie. Die Teilnahme an der Produktion verschaffte Möller einen hohen Bekanntheitsgrad, nicht zuletzt, weil L wie Liebe seit Jahren die meistgesehene polnische Serie ist (bis zu zehn Millionen Fernsehzuschauer).
Nach der letzten Staffel von Europa lässt sich mögen trat Möller häufig in Unterhaltungsund Kabarettprogrammen auf, in denen er in Form von Stand-up-Monologen von Erlebnissen und Beobachtungen in Polen und Deutschland erzählte. Glaubt man den Polen, so Möller, fährt der Deutsche einen Mercedes, hat einen Bierbauch, ist langweilig und völlig humorlos (http://www.youtube.com/watch?v=6NyLZnMgRJw&feature=related. 22.10.2012). Dagegen überrascht ihn bei den Polen die Neigung zum Aberglauben, die überlangen Verabschiedungen und das gegenseitige Schöntun. Er bewundert ihr Improvisationstalent und die Fähigkeit, Ost und West miteinander zu verbinden, was er als eine „Mischung von slawischer Herzlichkeit, Gastfreundschaft, Höflichkeit, gemischt mit englischem Humor, diesem Sinn fürs Absurde“ beschrieb (https://www.youtube.com/watch?v=0Laf6zGPAEs, 22.10.2012). Damit bezog er sich ausdrücklich auf das Stereotyp der polnischen Wirtschaft, insbesondere auf jene Bedeutungsinhalte, die den polnischen Irrationalismus, die Emotionalität und Spontaneität sowie den starken Einfluss von Kirche und Aberglauben („Rückständigkeit“) unterstreichen, worum es u. a. auch in seinen Büchern über Polen geht: Viva Polonia: als deutscher Gastarbeiter in Polen (2008) und Expedition zu den Polen: Eine Reise mit dem Berlin-Warszawa-Express (2012). Für sein Wirken um die deutsch-polnische Verständigung wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und für seine Verdienste zur Stärkung der Position Polens im Ausland mit dem polnischen Ehrenabzeichen „Bene Merito“.
Möller machte auch in seiner Heimat Karriere. Er hat zahlreiche Gastauftritte in verschiedenen Unterhaltungsprogrammen und wirbt mit einem Kabarettprogramm für seine Bücher. 2010 drehte er zusammen mit Kurt Krömer für den Fernsehsender 3Sat eine Art Roadmovie, Polen für Anfänger. Es ist eine Kombination aus Dokumentarfilm und Reportage über eine zehntägige Reise durch Polen mit einem klapprigen roten Fiat 126p (der unterwegs tatsächlich den Geist aufgibt). Die Reise ist eine hervorragende Gelegenheit für Möller, als Polenexperte, seinem Begleiter, der über Polen nichts weiß, außer dass es dort billiges Benzin gibt, das polnische Alltagsleben zu zeigen und die Eigenheiten der polnischen Mentalität zu erklären. Der Film zielt darauf ab, negative Stereotype zu dekonstruieren. Dies gelingt nur zum Teil. Denn auf der Reise stellt sich heraus, dass Warschau eine große, moderne Stadt ist, und die Polen nicht so konservativ sind, wie das deutsche Polenstereotyp behauptet. Der Film vermittelt auch einiges Wissenswertes über Sprache, Aberglaube, Frauen, Religiosität (z.B. Marienverehrung) und Geschichte. Stereotype erscheinen in der Handlung, um zeigen zu können, dass sie nicht stimmen. Die Rede ist z.B. davon, dass die polnischen Frauen sehr hübsch (→ schöne Polin) sind, gleichzeitig wird aber auch ihr Unternehmergeist hervorgehoben – in keinem anderen Land der Europäischen Union gibt es so viele Firmengründerinnen. Dennoch lassen sich negative Bezüge nicht immer vermeiden. Der deutsche Zuschauer lernt aus diesem Film, dass die Polen sehr gastfreundlich sind, in Mehrgenerationen- und Großfamilien leben, überaus konservativen Überzeugungen anhängen und an traditionellen Werten festhalten. All diese Eigenschaften müssen nicht unbedingt positiv konnotiert sein, darüber hinaus sind sie Elemente des Stereotyps der polnischen Wirtschaft.
Steffen Möller, der sich in letzter Zeit in den polnischen Medien etwas rargemacht hat, gab noch vor der Pandemie 2019 das Buch Weronika, dein Mann ist da! – Wenn Deutsche und Polen sich lieben heraus, in dem es um das Thema → deutsch-polnische Ehen geht. Auf seiner Internetseite bewirbt Möller das Buch so: „Warum sind polnische Frauen die zweitbeliebtesten ausländischen Partnerinnen deutscher Männer? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbindung in die Brüche geht? Welche Probleme haben die Kinder aus deutsch-polnischen Ehen? Ich habe mit mehr als fünfzig Paaren gesprochen und typische Konflikte analysiert: Vom ersten Flirt und dem Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern bis hin zu sprachlichen Missverständnissen und unterschiedlichen Ansichten zur Kindererziehung; von der Drama-Queen bis zum Geizkragen. Nicht zu vergessen die Gardinen! Mit step-by-step-Anleitung zur perfekten Hochzeit“ (https://steffen.pl/de/meine-bucher/weronika-dein-mann-ist-da-wenn/, 22.6.2022). Auch die bereits feststehenden Veranstaltungstermine für 2022 und 2023 zeigen, dass sich deutsch-polnische Themen beiderseits der Grenze immer noch großer Beliebtheit erfreuen.
So wie Möller zuerst in Polen und erst später in Deutschland erfolgreich wurde, gehört der Komiker Marek Fis (eigentlich Wojciech Oleszczak) zu den populärsten und zugleich kontroversesten Polen jenseits der Oder. Seine Karriere begann 2006 mit einem zweiten Platz im Talentwettbewerb des Quatsch Comedy Clubs. Bei seinen Auftritten trägt er eine graue Jogginghose und ein rotes T-Shirt mit dem Aufdruck „Polska“ und dem polnischen Wappen. Die von ihm geschaffene Kunstfigur verkörpert den stereotypen Polen – haargenau so wie die Deutschen sich einen Polen vorstellen (als eine Mischung aus Malocher [„robol“], Nationalisten und religiösem Fanatiker, d.h. als einen „Abgehängten“). Er selbst bezeichnet sich als „Ostblocklatino – Ein Pole legal in Deutschland“ und benutzt mit Vorliebe das populäre vulgärsprachliche Füllwort „kurwa“. Fis spezialisiert sich auf Stand-up-Comedy (in seinem Parademonolog freut er sich, dass er endlich die Gesichter den Autos zuordnen kann, die bereits in Polen sind), trat aber auch in der Sendung Fun Club in RTL 2 auf. Für dieses Programm bereitete er längere Sketche vor, in denen er verschiedene Reality-Shows parodierte.
Der Sketch Pole sucht Frau, der bereits Kultcharakter hat, ist eine Persiflage auf die in Deutschland beliebte Doku-Soap (eine Kombination aus Reality-Show und DokuSerie), in der NormalbürgerInnen mit Hilfe eines Fernsehteams nach ihrer „anderen Hälfte“ suchen. In einer solchen Lebenssituation befindet sich auch Ziegenbauer Marek, der in einer verdreckten Baracke auf einem Feld lebt – das Bild vom Polen als einem verwahrlosten Landmann, das perfekt zum Stereotyp der polnischen Wirtschaft passt. Die Ehekandidatin, Ewa, eine Städterin, die bis über beide Ohren in Schulden steckt, muss mit Mareks Lieblingsziege Żubrówka um seine Gunst buhlen – wobei der potenzielle Ehemann auch nicht unbedingt dem Ideal von einem Mann entspricht.
Ein anderer Sketch, Polen sucht den Superstar, ist eine Parodie auf die beliebte Talentshow. Der Protagonist, Marek, bewirbt sich für die Sendung: Mit der Siegprämie will er für seinen Bruder Mirek, der als kleines Kind beim Großvater in einen Kessel mit selbstgebranntem Wodka gefallen ist, vom Schwarzmarkt eine Spenderleber kaufen. Wegen seines Unfalls hat Mirek immer drei bis fünf Promille Alkohol im Blut, worum ihn angeblich ganz Polen beneidet. Mareks Talent besteht darin, dass er Wodka trinken und gleichzeitig Autos knacken kann. In einem anderen Programm schlüpft Marek in die Rolle der Supernanny (Die Polen Nanny) und hilft der Familie Ostrowski, deren Sohn Piotrek auf die schiefe Bahn geraten ist: Er lernt freiwillig für die Schule und weigert sich zu stehlen. Seine Eltern machen sich zudem Sorgen, dass Piotrek womöglich studieren möchte. Supernanny Marek tauscht die Schulbücher des Jungen gegen einen Fernseher und eine Spielkonsole aus, bringt ihm das Rauchen und Trinken bei und erklärt ihm, wieso er beim Klauen mehr lernt als in der Schule – auch hier wird an das negative Stereotyp des ungebildeten und „unzivilisierten“ Arbeiter-Polen angeknüpft.
Fis hat darüber hinaus Gastauftritte in anderen Kabarett- und Talkshows. In einem bezog er sich auf den deutschen Karneval: „Das ist doch eigentlich schlechte Musik, langweilige Reden, alle sind betrunken, und es wird gefummelt. Bei uns in Polen das heißt Kirche!“ (https://www.youtube.com/watch?v=ExJis_9CJCw, 21.10.2012). Während eines Auftritts in Berlin, ein Jahr vor der Fußball-Europameisterschaft 2012, griff er u. a. das Thema → Sport auf. Dabei widersprach er dem Vorwurf, die Polen seien auf die EM nicht vorbereitet, und behauptete dagegen, die Polen seien in hervorragender Form, insbesondere die polnischen Hooligans. Er sagte auch: „Find ich toll, weil Deutschland kommt zu uns, und die schlagen ihr Lager an der Ostsee auf. Ich hoffe, es bleibt nur bei einem Lager“ (https://www.youtube.com/watch?v=bJyRzQz0gHU, 21.10.2012). Überdies zeigte er sich erfreut, dass man sich dadurch die Kosten für den Transfer der Autos spare, warnte zugleich aber die deutschen Schwulen, sie sollten in Polen auf sich aufpassen (eine Anspielung auf die vermeintliche Religiosität, Fremdenfeindlichkeit, Provinzialität und den Konservatismus der Polen). Als selbsternannter EM-Botschafter offerierte er – neben diversen SportGadgets vom Schwarzmarkt und dem offiziellen EM-Getränk (Wodka) – die DVD des Finalspiels, das Polen 2:0 gegen Deutschland gewinnt. Und kommentierte dies mit den Worten: „Man wird auch träumen dürfen.“ Erneut zeigte er das stereotype Bild vom Polen als einem Abzocker und Alkoholiker. In einem neuen Sketch trat Fiz gegen den deutsch-marokkanischen Kabarettisten Abdelkarim an. In dem Wettstreit ging es darum herauszufinden, wer der bessere Deutsche ist – auf den Sieger wartete ein deutscher Pass. Dazu wurden die beiden Komiker mit merkwürdigen deutschen Traditionen und Berufen konfrontiert. Natürlich entscheidet Marek das Duell für sich.
Fis nutzt in seinen Programmen die ganze Bandbreite von Polenstereotypen: die Vorliebe für Alkohol und Autodiebstahl, der Hooliganismus und der Dilettantismus der eigenen Fußballer; er zeigt Polen als ein verqueres, agrarisches Land (der Ziegenbauer, der eine Frau sucht, ist der Inbegriff des stereotypen polnischen Bauern). Entscheidend ist jedoch, Fis verspottet mit Hilfe von Ironie und Persiflage weniger die Polen, als vielmehr die Deutschen, deren Stereotype und Vorurteile. Er bezieht sich auf das polnische Bild vom Deutschen, erwähnt die Hässlichkeit deutscher Frauen (das Stereotyp von der „hässlichen Helga“ ist in Polen sehr beliebt) und verweist auf die Rolle der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Er ulkt über deutsche Fußballer und Promis, macht derbe Scherze, die auf historische Ereignisse anspielen – und oft unter die deutsche Gürtellinie zielen. Er lasse sich vom Alltag inspirieren, bekannte Fis, von der Art und Weise, wie die Deutschen ihm, dem polnischen Einwanderer, in verschiedenen Situationen begegnen. In einem Interview im polnischen Fernsehsender TVN erklärte er, „er halte den Deutschen den Zerrspiegel vor, durch den sie die Polen betrachten“ (http://www.youtube.com/watch?v=M3_FijCpNvg&feature=related, 20.10.2012). Fis macht sich zudem über verschiedene populäre Fernsehformate lustig.
Das Stereotyp vom Polen als Dieb benutzte auch der türkischstämmige Kabarettist Kaya Janar in seiner Comedy-Sendung Guckst du weita! auf Sat.1 Pole wird Auto geklaut ( https://www.youtube.com/watch?v=7dIdiyEvRiw, 22.10.2012). Der bestohlene Pole Roman Olszewski meldet den Diebstahl seines Autos; der deutsche Polizist nimmt die Anzeige belustigt entgegen. Dem Geschädigten schlägt er vor, sich erst einmal in seinem polnischen Bekanntenkreis umzuhören. Die Frage, ob sich im Auto persönliche Besitztümer befunden hätten, präzisiert der Beamte: „Ein Brecheisen?“ Zum Schluss vermisst der Polizist sein Portemonnaie und die Schreibmaschine ist vom Tisch verschwunden. Das Stereotyp vom Polen als Dieb wird in Janars Sendung auch in einem anderen Sketch abgerufen, in dem wir polnische Handwerker sehen, die einer jungen deutschen Hausfrau helfen, eine verkalkte Waschmaschine zu reparieren. Die Polen schlagen ihr vor, einen polnischen Wasserenthärter zu benutzen, jedoch ohne durchschlagende Wirkung. Wegen der Kalkablagerungen nehmen sie auch die Mikrowelle und den Herd zur Reparatur mit (um die Haushaltsgeräte nicht mehr zurückzugeben?). Wie sich herausstellt, sind die Polen nicht nur Diebe, sondern auch Dilettanten – und erneut wird an das Stereotyp der polnischen Wirtschaft angeknüpft ( https://www.youtube.com/watch?v=Aek7lD1Z-ww, 25.10.2012).
Das Stereotyp der kulturellen Rückständigkeit liegt auch Dem Popolski Show zugrunde, der eine Art Kabarett-Serie ist. Es ist die Geschichte der Familie Popolski, die aus einer Plattenbausiedlung in Zabrze stammt und deren Vorfahre Pjotr Popolski, so die Familienlegende, vor hundert Jahren die Popmusik erfand, und zwar im schlesischen Städtchen Pyskowice, nachdem er auf dem Pfarrfest 22 Gläser Wodka in sich hineingekippt hatte. Alle seine Hits (128.000 an der Zahl) wurden ihm jedoch gestohlen. Die musikalische Tradition wird von der jungen Generation der Popolski-Brüder fortgesetzt: vom blinden Danusz (Gesang und Keyboard), den Zwillingen Henjek und Stenjek, Mirek, Janusz und Pawel, dem Ältesten, der als Conférencier durchs Programm führt. Zur Familie gehören des Weiteren: Cousin Tomek, der Superstar, und die Cousinen Apolonia und Dorota. Allein schon der Familienname der Protagonisten klingt in deutschen Ohren schräg und reizt zum Lachen: Er wird einerseits mit dem Polnischen, dem Andersartigen, assoziiert (Namen, die auf „ski“ enden, sind in Deutschland nicht ungewöhnlich, offenbaren allerdings ihre fremde Herkunft), andererseits, durch die zwei ersten Silben des Namens, mit der familiären Bezeichnung fürs Gesäß. Das Programm enthält – aufgrund der Familiengeschichte – viel Live-Musik, die hauptsächlich von der Kapelle der Familie Popolski gespielt wird. Deren Songs sind „verbesserte“ Versionen bekannter Hits, da diese, nach Ansicht der Popolskis, die ursprüngliche Idee der Popmusik „verhunzen“. Die Entstehung jedes einzelnen Hits ist mit einer absurden Geschichte verbunden, die Pawel Popolski bei passender Gelegenheit zum Besten gibt. Nicht ohne Grund gastieren in der Show bekannte Musiker, die einräumen müssen, dass auch ihr musikalisches Schaffen auf dem Diebstahl des Popolski-Werkes gründet.
Alle Mitglieder der Familie Popolski sprechen gebrochenes Deutsch, imitieren einen östlichen Akzent – man hört häufig das vertraute „na sdrowje!“ (beim Leeren eines Wodkaglases), „schibko, schibko!“ und andere pseudo-polnische Einwürfe, wie z.B. die exotische Kombination „Kurva, Scheiße!“ Zum Bild der polnischen Provinzialität, Rückständigkeit und Armut passen auch die Rautenpullover im Stil der 1980er Jahre, die altmodische Ausstattung und Einrichtung der Zabrzer Familienwohnung, der seinerzeit populäre Fiat 126p, das veraltete Tonaufnahmegerät sowie die (u. a. auf dem Akkordeon gespielte) Volksmusik im Vorspann zur Sendung (https://www.youtube.com/watch?v=ejpEY1AwT5k, 16.9.2022). Der Familienhit trägt den anmutigen Titel Aj dobsche, dobsche, tralla. Die Popolskis sind die Parodie einer typisch schlesischen Familie – eine laute, eingespielte Mischpoke. Sie sind einfache, nicht allzu intelligente und sehr altmodische Menschen. Zudem sind sie gesellig und für Familienfeiern und Gelage immer zu haben. Das Bild der Popolskis reproduziert negative Stereotype über Polen, zum Teil steht es aber auch im Widerspruch zu ihnen, denn diesmal bestehlen die Polen niemanden, sondern werden bestohlen, um ihr kulturelles Werk gebracht. Schon allein die Vorstellung vom bestohlenen Polen ruft beim deutschen Publikum (als etwas völlig Unwahrscheinliches) allgemeine Heiterkeit hervor. Ähnlich amüsant müssen Popolskis Enthüllungen erscheinen, die die kulturellen (musikalischen) Errungenschaften des Westens in Frage stellen und die eigene (polnische) Kultur (die in Deutschland als unmodern und deshalb als etwas Minderwertiges betrachtet wird) glorifizieren.
Die Sendung wurde von März 2008 bis 2014 vom WDR ausgestrahlt (mit Wiederholungen auf anderen Fernsehsendern). Der Gründer der Show ist Achim Hagemann, ein Musiker, der erzählt, einmal die Gelegenheit gehabt zu haben, mit Polen Wodka zu trinken, und aus dieser Extremerfahrung heraus sei die Idee für sein Programm entstanden. Vom Genre her kann man seine Show irgendwo zwischen Comedy-Serie, Kabarett und Coverband ansiedeln. Der Popolski Show erhielt in Deutschland gute Kritiken, vor allem wegen seines Einfallsreichtums und seines hohen künstlerischen Niveaus. Was auch deshalb wichtig ist, weil die Band nicht nur im Fernsehen, sondern auch live auftritt. Die Popolskis sind seit kurzem auch im Internet aktiv und veröffentlichen einzelne Episoden als „Internetzshow“. Seit 2015 wird die Show als Der Popolski-Wohnzimmershow, bestehend aus Pawel und Dorota Popolski (Iva Buric Zalac), weitergeführt.
Ein Thema, das von polnischen Kabaretts im deutsch-polnischen Kontext häufig aufgegriffen wurde, war die Fußball-Europameisterschaft 2012 – u. a. vom Breslauer Kabaret Neo-Nówka ( https://www.youtube.com/watch?v=jz7OSJV3Y_U, 16.9.2022). Dessen Vision vom EM-Endspiel unterscheidet sich nur unwesentlich von Fis’ Wunschtraum: Polen besiegt im Finale Deutschland 1:0. In dem Sketch interviewt ein Journalist einen der polnischen Spieler, der ein weiß-rotes Trikot und grüne bayerische Lederhosen trägt (nach der Begegnung hat er mit einem deutschen Spieler die Hosen, nicht aber die Trikots getauscht). Im Gespräch wird u. a. erwähnt, die polnische Popsängerin Edyta Górniak habe erneut die Nationalhymne gesungen (ein versteckter Hinweis auf ihren missglückten Auftritt während der Fußballweltmeisterschaft 2002 in Südkorea und Japan) – diesmal habe ihre Interpretation der Bogurodzica, dem ältesten polnischen religiösen Lied, das im Mittelalter zur Einstimmung auf den Kampf gesungen wurde, geähnelt. Die Anspielungen auf die Schlacht bei Grunwald und das Stereotyp des Kreuzritter-Deutschen (also des Eroberers und Besatzers → Kreuzritter) werden im Weiteren noch verstärkt: Der Journalist berichtet, „die Deutschen hätten sich beschwert, dass sie die ersten fünfundvierzig Minuten der prallen Sonne ausgesetzt gewesen seien, während ihr euch in den Büschen, im Schatten versteckt hättet.“ Wie sich herausstellt war dies jedoch nicht die geplante Taktik der polnischen Mannschaft – analog zur Strategie, die die polnischen Ritter während der Schlacht bei Grunwald angewandt hatten. Die Spieler mieden, verkatert wie sie waren, bloß die Sonne. Vor dem Spiel hatte man der deutschen Mannschaft „weiße, zu lange Trikots mit schwarzen Kreuzen“ (ähnlich den weißen Mänteln der Ordensritter) untergeschoben, während Michael Ballack zu den Polen sagte: „Wir haben zwei nackte Radios für euch, die Bedienteile habt ihr ja sicherlich schon“. Hier geht es bestimmt um das vordere, abnehmbare Bedienteil des Radios, eine beliebte Beute bei Autoeinbrüchen, dem Nationalsport der Polen nach Meinung der Deutschen – wie zur Bestätigung findet der deutsche Spieler Schweinsteiger in Gdańsk sein Auto wieder. Bei den zwei „nackten Radios“ handelt es sich hingegen um eine Parodie der berühmten Szene, in der der Deutsche Orden dem Polnischen Königreich den Krieg erklärt – der Hochmeister schickt dem polnischen König zwei nackte Schwerter als Symbol des Krieges. Darüber hinaus war das Spielfeld mit Wolfsgruben und Fallen gespickt, und den Siegtreffer für Polen erzielte Lukas Podolski, den sein polnischer Gegenspieler mit den Worten provoziert hatte, er würde sich bestimmt nicht trauen, ins gegnerische Tor zu schießen – Podolski trat sogleich den Gegenbeweis an.
Den Deutschen gelang der Ausgleich nicht mehr, obwohl sie bis zuletzt die Hoffnung hatten, die polnischen Bauarbeiter würden noch vor Spielende das zweite Tor errichten. Dieser Sketch verbindet auf witzige Weise die kämpferische Atmosphäre im modernen Sport und die Schlacht bei Grunwald – eine der wichtigsten Schlachten in der polnischen Geschichte, ein Sieg über die Kreuzritter, die heute stereotyp mit den Deutschen gleichgesetzt und als Eroberer und Aggressoren wahrgenommen werden. Das Stereotyp vom Kreuzritter-Deutschen wird häufig auch in öffentlichen Debatten in Polen benutzt. Im Vorfeld der Europameisterschaft bereitete Kabaret Młodych Panów aus Rybnik einen Sketch vor, in dem zwei polnische Polizisten – einer hat gerade einen Sprachkurs absolviert – es mit ausländischen Fans zu tun bekommen ( https://www.youtube.com/watch?v=nHd4FnaBUgs, 16.9.2022). Sie werden u. a. von einem älteren deutschen Herrn mit Stock und Schiebermütze angesprochen, der im Polizeiwagen seinen alten Passat wiedererkennt. Zum Beweis zeigt er den Polizisten ein Foto von demselben Auto, jedoch als Unfallwagen. Der Deutsche sucht ein bestimmtes Haus, was einer der Polizisten mit den Worten quittiert: „’39 hattet ihr keine Probleme, den Weg zu finden! Jetzt aber findet ihr euch nicht zurecht, weil alles modernisiert worden ist“, woraufhin der Deutsche antwortet: „Der Passat auch!“ In diesem Sketch geht es neben den offensichtlichen Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg auch um den Import von Unfallwagen aus Deutschland (und die Tatsache, dass der Dienstwagen der Polizisten ein Unfallauto war) sowie um das Motiv des polnischen Autodiebes. In einem anderen Sketch der Kabarettgruppe zitiert ein polnischer Fußballfan in Goralentracht, der einen weiß-roten Schal trägt, nach einem deutsch-polnischen Freundschaftsspiel die deutsche Presse, die die Überlegenheit der deutschen Offensive lobt – doch das stimme gar nicht, so der Fan, schließlich spielen im deutschen Angriff Klose und Podolski, und nicht viel anders sehe es in der Bundesliga aus, die besten Spieler der Liga seien ebenfalls Polen ( https://www.youtube.com/watch?v=tnRrRVEcu2s, 16.9.2022). Das Resümee des Goralen: „Da seht ihr’s, der polnische Fußball ist auf dem höchsten Niveau! Nur leider im Ausland. Naja, ist ja auch kein Wunder, dort gibt es keinen Polnischen Fußballverband, niemanden, der alles vermasselt.“ Ähnlich verhalte es sich, seiner Meinung nach, mit dem deutschen Film, auch hier spielen polnische Schauspielerinnen – wer sonst, schließlich seien „die deutschen Frauen, da hilft auch kein Beten!“, in ihrer Hässlichkeit als Schauspielerinnen völlig ungeeignet. Als Beispiel für eine polnische Aktrice nennt er Teresa Orlowski – die bekannte Darstellerin und Produzentin von Pornofilmen.
Kabaret Neo-Nówka greift häufig das in der polnischen Kultur beliebte Stereotyp von den hässlichen deutschen Frauen auf, die kollektiv „Helgas“ genannt werden (https://www.youtube.com/watch?v=IXd_xPRO09w, 16.9.2022). Die Protagonistinnen dieser Szene, Helga und Grita, sind nicht besonders attraktiv und nicht eben die Hellsten. Mitunter verhalten sie sich wie weibliche Stereotype, sie zeigen sich von ihrer launischen Seite, sind beleidigt und weinen ohne Grund. Die deutsche Mannschaft liegt im Spiel gegen Polen zurück. Die Nummern auf den Trikots der beiden Spielerinnen setzen sich zum bedeutungsvollen Datum „1410“ zusammen, „eine großartige Niederlage“, wie der Trainer bemerkt. Der Sketch bezieht sich einerseits auf die stereotype Wahrnehmung „deutscher Schönheit“, insbesondere der weiblichen – wobei die Frauen auch als emotional instabil gezeigt werden –, und dient andererseits dazu, die Polen von ihren Komplexen gegenüber Deutschland im Sport zu befreien.
In einem Sketch des Warschauer Kabaret Moralnego Niepokoju ist die Überraschung des Vaters groß, als der Sohn seinen neuen Verlobten, Andreas, einen Deutschen aus München, mit nach Hause bringt ( https://www.youtube.com/watch?v=ptN-7pGAhvs, 16.9.2022). Andreas trägt eine rote Lederjacke und ein farblich dazu passendes Halstuch, sein Auftritt wird begleitet von Musik der deutschen Band Modern Talking, die vor allem in den 1980er Jahren populär war. Dem Vater ist der Neue suspekt, er hält ihn automatisch für einen Zögling der Hitlerjugend, der frühere Verlobte seines Sohnes, ein gewisser (B)Aron Cukierman, war ihm lieber (eine Anspielung auf die polnisch-jüdischen Beziehungen und das polnische → Stereotyp vom Juden). Er beginnt, auf den potenziellen Schwiegersohn etwas wohlwollender zu blicken, als dieser ihm verspricht, einen Mercedes zu schenken. Im Sketch wimmelt es nur so von historischen Bezügen und Verweisen, u. a. auf die SS, Partisanen, Stockbetten in den Lagern oder die Sperrstunde während der Okkupation. Der Vater bemüht sich, tolerant zu sein, doch das will ihm nicht so recht gelingen. Dadurch wird ein selbstironisches Bild von einem rückständigen, konservativen Polen gezeichnet, der Probleme hat, die junge Generation zu verstehen. Der Deutsche dagegen wird als unkonventionell und etwas weibisch dargestellt (was eindeutig dem polnischen Stereotyp vom schematisch handelnden, stark maskulinisierten Eroberer widerspricht, obgleich man den Deutschen weiterhin als den Anderen stigmatisiert, nur dass ihm diesmal das stereotype Bild des Homosexuellen zugeschrieben wird), aber auch – im Einklang mit dem Stereotyp – als reich (Besitzer einer Hotelkette und des neuesten Mercedes-Modells).
In einem anderen Sketch des Kabaret Moralnego Niepokoju will ein Ehepaar mit „verdächtigem“ deutschem Akzent von einem polnischen Bauern Land kaufen (http://www.kabarety.odpoczywam.net/watch/kabaret-moralnego-niepokoju-sprzedaz-ziemi, 16.9.2022). Der misstrauische Verkäufer erkundigt sich zunächst, ob sie schon immer, d.h. seit Urväterzeiten, Polen gewesen seien, um sie dann in polnischer Geschichte abzufragen, angefangen beim Piasten Kołodziej. Das Paar wird entlarvt und kapituliert bei der Frage, wie viele Teilungen Polens es gegeben habe (die Deutsche beantwortet die Frage mit einer Gegenfrage: „Um wie viele Teilungen darf man sich irren?“). Nach der nicht bestandenen „Polenprüfung“ will das Paar wieder fahren, es stellt sich jedoch heraus, dass ihr Auto verschwunden ist, worauf der Bauer entgegnet: „Wir lassen nichts umkommen. Was man von euch nicht gerade behaupten kann!“ In diesem Sketch wird die Nationalität u.a. durch die Kleidung der Protagonisten unterstrichen – der polnische Bauer trägt eine Zottelweste und eine selbst hergestellte Ledermütze, während das deutsche Paar elegant gekleidet ist. Der Pole ist offensichtlich antideutsch eingestellt und mit der eigenen Scholle, dem eigenen Land verbunden, das „viel Leid erdulden musste – Kriege, Aufstände, die LPGs, afghanische Terroristen“ (was sich offensichtlich auf das Stereotyp des patriotischen Polen und Opfers der Geschichte bezieht). Mit dem Thema „Deutschland“ setzt sich auch das Danziger Kabaret Limo auseinander. In einem seiner Sketche berichten zwei deutsche Soldaten vom Kriegsalltag, vermutlich während des Zweiten Weltkrieges (http://www.youtube.com/watch?v=P2dsYubqBNY, 21.10.2012). Nach dem wenig optimistischen Rapport von der Front sagt einer der Soldaten nachdenklich: „Nicht gut. Nicht mehr lange und unser Land wird nicht mehr dasselbe sein. Statt Oktoberfest werden wir gewöhnliche slawische Besäufnisse haben! Statt Volkswagen Polski Fiat! Wer weiß, womöglich werden in unserer Nationalmannschaft irgendwelche Kloses oder Podolskis kicken. Scheiße!“ Ihrer Meinung nach hassen die Polen die Deutschen wegen ihrer eigenen Komplexe: Weil sie nicht jodeln können, schlecht Deutsch sprechen, und alle berühmten Polen „entweder im Ausland aufwuchsen oder Agenten waren“. Sie machen sich ferner über den polnischen Größenwahn und die vielen Denkmäler lustig sowie über die Unfähigkeit, Autobahnen zu bauen. Wie sich herausstellt, will Günter Schriftsteller werden, und Otto ist der Opa eines bekannten polnischen Politikers (gemeint sind Günter Grass und Donald Tusks Großvater). Zusätzlich werden die homosexuellen Neigungen beider Soldaten angedeutet. Ein weiteres Mal taucht also in einem polnischen Unterhaltungsprogramm das Motiv der weibischen beziehungsweise homosexuellen deutschen Männer auf, womit suggeriert werden soll, dass „wir“ besser sind als die Fremden – was in diesem Zusammenhang männlicher und „normaler“ bedeutet.
Überreich an historischen Bezügen ist ein anderer Sketch des Kabaret Limo, der in einem polnischen Amt (vielleicht einem Standesamt) spielt. Ein Mann namens Alfons Hitler will seinen Namen ändern (sein Vorname ist nicht zufällig gewählt, da „alfons“ im Polnischen eine umgangssprachliche Bezeichnung für Zuhälter ist). Dies liefert dem Beamten eine Steilvorlage – er macht sich offen lustig über den Petenten, es folgt eine Anspielung auf die nächste (z.B. „Ich habe Sie nach Ihrem Namen gefragt, nicht nach Ihrem Beruf!“). Er bezieht sich u. a. auf den Schnurrbart des Führers, die Annexion der Tschechoslowakei, und schlägt Herrn Hitler vor, den Namen in Stalin oder Mao zu ändern. Zum Schluss fragt der verärgerte Antragsteller, wo er den Vorgesetzten des Beamten finde, worauf er zur Antwort bekommt: „An der Front!“ ( https://www.youtube.com/watch?v=6DJ0BgZcbxk, 16.9.2022).
In einer Episode aus der Reihe Polen im Ausland erzählt Kabaret Paranienormalni aus Jelenia Góra, wie es den polnischen Landsleuten in Deutschland ergeht ( https://www.youtube.com/watch?v=1cz8XBRAgr8, 16.9.2022). Gäste in dieser Folge sind das Ehepaar Schweinerewicz, dessen Name die Deutschen zu einem charmanten „Schweine“ verkürzen. Beide arbeiten in der Gegend von Salzburg (sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass Salzburg nicht in Deutschland liegt) auf einem exklusiven Ferienhof. Sie essen, was die Hofbesitzer übriglassen, zu denen auch Erika Steinbach gehört, die von den Schweinerewiczs angehimmelt wird. Dieser kurze Sketch, der nicht nur auf das Stereotyp der polnischen Wirtschaft (Polen als rückständige Nation und Reservoir an ungelernten Arbeitskräften) anspielt, sondern auch auf die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die in Polen außerordentlich unbeliebt war, kann als überspitztes Bild vom polnischen Durchschnittsemigranten interpretiert werden, der sich den Deutschen andient, strohdumm ist und den Ruf des eigenen Landes im Ausland beschädigt.
Zusammenfassend lassen sich zwei Bezugspunkte erkennen, mit deren Hilfe das gegenseitige Bild der Polen und der Deutschen in Unterhaltungsprogrammen konstruiert wird – die Geschichte und Stereotype. Die Rede ist hier vor allem von der polnischen Wahrnehmung der Deutschen, die größtenteils noch von den Teilungen und dem Zweiten Weltkrieg geprägt wird. Nicht ohne Grund assoziieren viele Polen den westlichen Nachbarn mit Krieg, Besatzung und Leid. Dagegen geht die deutsche Wahrnehmung vom dreckigen Polen und Diebsgesindel, das seine Güter nicht zu bewirtschaften weiß, auf die Zeit vor den Teilungen zurück – d.h. auf die Rzeczpospolita und die Anarchie, die vom Adel provoziert wurde. In allen erwähnten Szenen ist der Gegensatz „konservativer und rückständiger Pole – liberaler und gebildeter Deutscher“ deutlich sichtbar. Der Grund hierfür ist der Kontrast zwischen der vermeintlichen Religiosität der Polen und der vermeintlichen Sittenfreiheit und zivilisatorischen Überlegenheit der Deutschen, der vom Kabaret Moralnego Niepokoju und vom Kabaret Limo betont wird. In ihren Sketchen werden die deutschen Männer – direkt oder etwas versteckt – als weibisch oder Homosexuelle dargestellt (dieses Bild ist in Polen eher negativ). Hinzu kommt das in Polen gegenwärtig überaus beliebte Stereotyp der hässlichen deutschen Frau, das der schönen Polin gegenübergestellt wird. Die Polen dagegen, insbesondere die älteren, die im konservativen Geist erzogen wurden, haben Schwierigkeiten, Andersartigkeit zu akzeptieren. Darüber hinaus werden sie oft als Landleute gezeigt (Fis als Ziegenbauer, der eine Frau sucht, und der polnische Bauer, der den Deutschen Land verkauft) oder als Personen, die einen ungesunden, wenig rationalen Lebensstil pflegen (wie die Familie Ostrowski, deren Sohn lieber für die Schule lernt als auf der Konsole spielt). Viele Szenen sind zudem voller historischer Anspielungen, Klischees und übertriebener Bilder – die, wenngleich sie seit vielen Jahrzehnten in der polnischen und deutschen Öffentlichkeit funktionieren, aktualisiert wurden, damit sie besser der Gegenwart entsprechen. Man hat den Eindruck, dass die Polen sich, was das Aussehen und die sexuelle Attraktivität betreffen, aufwerten wollen, um auf diese Weise sportliche Misserfolge zu kompensieren. Der Sport, vor allem der Fußball, spielt eine wichtige Rolle im heutigen Bild der Deutschen in Polen. Betrachtet man die sportliche Rivalität als einen Ersatz für die in der Vergangenheit geführten Kriege (was auf witzige Weise die Sketche suggerieren, die die Partien gegen Deutschland mit der Schlacht bei Grunwald vergleichen), kann analog gefolgert werden, dass sich die militärische Ohnmacht gegenüber Deutschland auf sportlichem Terrain fortsetzt. Die bereits legendären „Spiele gegen Deutschland“, die in den Rang nationaler Symbole erhoben werden, sind Straßenfeger, während derer die Fans – unabhängig von Alter und Geschlecht – in den Nationalfarben gekleidet vor den Fernsehern sitzen und ihrer Mannschaft die Daumen drücken, in der Hoffnung, dass diesmal ein Wunder geschehe. Da der Sport starke, begreifliche Emotionen weckt, lassen sich diese in Unterhaltungsformaten leicht wiedergeben und überzeichnen.
Legen wir ausschließlich deutsche Unterhaltungsprogramme zugrunde, dann sind Wodka trinken und Stehlen die Disziplinen, die die Polen als Nation perfekt beherrschen. Besonders hervorgehoben wird das Talent zum Autoknacken (worauf auch polnische Kabaretts Bezug nehmen). Diese Vorstellung funktioniert in Polen auch als Autostereotyp, ergänzt um positive Fähigkeiten: Denn der Pole ist auch ein geschickter Mechaniker, der in der Lage ist, auch schrottreife Autos zu reparieren, und auf den berüchtigten polnischen Straßen zurechtkommt, über deren Zustand die Polen genauso oft lachen wie die Deutschen, ähnlich wie über den termingerechten, reibungslosen Bau von Autobahnen. Haben wir etwa Distanz zu uns selbst?
Ein interessantes Phänomen ist der Erfolg von Steffen Möller in Polen und Marek Fis in Deutschland vor über einem Jahrzehnt. Beide befinden sich zwischen zwei Welten, für beide sind diese Wirklichkeiten zum Teil exotisch, zum Teil vertraut, was womöglich auch damit zu tun hat, dass sie in eine Kultur hineingewachsen sind, die sie ursprünglich als das Gegenteil jener Kultur, in der sie groß wurden, betrachtet haben. Während Möller stärker bemüht ist, Stereotype zu überwinden (auch wenn das oft misslingt), verstärkt Fis sie bis ins Groteske und stellt sie auf diese Weise in Frage. Doch trotz aller Unterschiede ist die Rolle der beiden Kabarettisten in der Populärkultur nicht zu überschätzen – vor allem aufgrund ihrer (spezifischen) kulturellen Vermittlungsfunktion. Möller und Fis haben sich die Sympathien der Zuschauer erworben, obwohl die Figuren, die sie erschaffen haben, sehr verschieden sind. Am Beispiel von Fis lässt sich auch beobachten, wie viel das Genre „Kabarett“ erlaubt. Obwohl seine Scherze nicht selten die Grenzen des guten Geschmacks überschreiten und nicht nur diejenigen verulkt werden, über die er spricht (die Polen), sondern vor allem diejenigen, zu denen er spricht (die Deutschen), mag ihn das deutsche Publikum sehr.
Die Analyse polnischer und deutscher Fernseh- und Internetprogramme bestätigt, dass Humor und Stereotype gut zusammenpassen. Sie ermöglichen es, über andere zu lachen, aber auch eine gewisse Distanz zu sich selbst zu wahren, und zeigen, dass man mit einem Witz unter die Gürtellinie manchmal mehr sagen kann als mit wohl abgewogenen Worten und gleichzeitig einen viel stärkeren Effekt der Komik erzielt. Ein anderes Mal befördert die Mischung aus Humor und ein klein wenig Sympathie die interkulturelle Kommunikation. Offen bleibt die Frage, ob sich das Kabarett durch den Gebrauch von Stereotypen von diesen abgrenzt oder die Klischees verstärkt. Ist die Benutzung von stereotypen Denkmustern in dieser Form der Kommunikation für den Durchschnittszuschauer verständlich? Eines jedenfalls ist sicher: Manchmal gibt es nichts Gesünderes, als ordentlich über sich selbst zu lachen.
Zum Schluss noch einige Anmerkungen über Memes, die neueste humoristische Gattung im deutsch-polnischen Kommunikationsraum im Internet. Die „satirischen Memes“ kommentieren die Wirklichkeit, machen sich über alles und jeden lustig, ihren Autorinnen und Autoren ist nichts heilig. Natürlich thematisieren sie häufig auch die deutsch-polnischen Beziehungen, u. a. die allgemein verbreiteten Stereotype. Eines davon ist die Vorstellung vom Deutschen als Kreuzritter beziehungsweise dessen Erbe, was die Dauerhaftigkeit der Assoziationen und deren emotionalen Charakter deutlich macht – es ist kein Zufall, dass dieses Motiv mit großem Erfolg bei polnischen Kabaretts zum Einsatz kam. Die Flut von Kreuzritter-Memes mag auf den ersten Blick überraschen, sie ist jedoch nur ein weiterer Beleg für die Verbreitung und Aktualität des Kreuzritter-Stereotyps. Sowie für dessen Flexibilität und Aufnahmefähigkeit, denn das Kreuzritter-Setting dient den Autoren der Memes dazu, die unterschiedlichsten, nicht nur deutsch-polnischen Themen aufzugreifen. Der narrative Rahmen des Deutschen Ordens und der Schlacht bei Grunwald wird auch benutzt, um sich über ganz andere Phänomene lustig zu machen, wie z.B. das ideologische Profil von Netflix-Produktionen, den Umgang nationalkonservativer PolitikerInnen, einschließlich des Regierungslagers, mit der LGBT+-Problematik, die Einführung der Datenschutzgrundverordnung (Rozporządzenie o ochronie danych osobowych, RODO) in Polen oder die wachsende Beliebtheit von Kurieren, die online bestellte Ware ausliefern. Mit der Figur des Kreuzritters – und entsprechenden Anspielungen auf die Vergangenheit – kann man sich über jedes beliebige Segment der polnischen Wirklichkeit lustig machen.
Im Internet finden sich viele deutsch-polnische Memes, auch solche, die polnische Stereotype „der langen Dauer“ festhalten und in neuer Form verbreiten. Allerdings sind diese in der Minderheit, was darauf hindeutet, dass die Requisiten und Komponenten, die traditionell einem bestimmten Stereotyp zugeordnet werden, sich zunehmend verselbständigen. Sie in neue Kontexte einzufügen (wie z.B. in den Netflix-Memes), untergräbt ihre emotionale Wirkkraft, gibt ihnen eine humoristische Wendung, verschiebt oder eliminiert die bisherigen Bedeutungen. Durch die Entschärfung eindeutig negativ konnotierter Stereotype – und zwar von unten, nicht von oben angeordnet – gelingt etwas, was weder PolitikerInnen, Journalistinnen und Journalisten noch Forschende zu leisten imstande sind, nämlich Stereotype von innen heraus zu zersetzen, ins Lächerliche zu ziehen und diejenigen zu verspotten, die stereotypen Denkmustern anhängen und diese benutzen, um Gesellschaften Angst zu machen, ihnen zu drohen und sie zu manipulieren.
Zum Schluss möchten wir noch ein Meme zitieren, das die polnischen Ängste und Komplexe, die im Klischee des Deutschen beschworen werden, hervorragend festhält, das Stereotyp zugleich aber demontiert und lächerlich macht. In den Top Ten der Fabelwesen, also in der Gesellschaft von Drachen, Basilisken, Minotaurus, Einhorn, Phönix und Hydra, steht an vierter Stelle „der Deutsche aus der Hauptnachrichtensendung des Polnischen Fernsehens, der die Polen ständig um etwas beneidet“. Hier werden auf witzige Weise zwei Motive gegenübergestellt: die jahrhundertealten Komplexe, die im polnischen Diskurs über den westlichen Nachbarn sichtbar werden – vor allem das Gefühl zivilisatorischer Rückständigkeit und der schon sprichwörtliche Neid, den der deutsche Wohlstand und die deutsche Solidität seit Jahren wecken (das Stereotyp der deutschen Ordnung gehört immer noch zu den in der polnischen Gesellschaft am weitesten verbreiteten Stereotypen) –, und die Kritik an der heutigen politischen Situation in Polen (die Propaganda des Regierungsfernsehens). Die Botschaft des Polnischen Fernsehens (Telewizja Polska, TVP), die seit Jahren lautet, unter der jetzigen Regierung gehe es allen in Polen so gut, dass sogar die Deutschen die Polinnen und Polen um ihr Glück beneiden, wird in diesem Meme lächerlich gemacht, indem man auf das polnische Stereotyp der deutschen zivilisatorischen und kulturellen Überlegenheit anspielt und dieses mit der aktuellen Situation in Polen konfrontiert. Den „Deutschen, der die Polen ständig um etwas beneidet“ den Fabelwesen zuzuordnen, verortet die Narrationen des staatlichen Fernsehens ins Reich der Märchen und Legenden, die nicht viel mit der Realität zu tun haben. Das Meme zeichnet sich durch seine Schlichtheit der Form und eindeutige Botschaft aus: Die Liste der magischen Wesen gleicht einem „Beliebtheitsranking“ und ist zusätzlich mit witzigen Bildern (gleich Profilbildern auf Facebook) versehen. Der Avatar des „Deutschen, der die Polen beneidet“ ist ein Bayer in Lederhose und Hut mit Feder, knüpft also an ein in ganz Europa und darüber hinaus bekanntes Folklore-Stereotyp an. Im Internet gibt es im Übrigen eine Vielzahl von Memes zu dieser Thematik, wobei meistens Einzelbilder aus der TVP-Nachrichtensendung Wiadomości bearbeitet werden, „der mythische Deutsche“ scheint uns jedoch die lustigste Art und Weise zu sein, mit Stereotypen zu spielen, da hierbei geschickt gängige Vorstellungen mit Elementen und Requisiten aus völlig anderen diskursiven Ordnungen kombiniert und kontrastiert werden. So verlieren Stereotype ihre Macht.
Aus dem Polnischen von Andreas Volk
Literatur:
Szczęk, Joanna: Man kann seine Nachbarn nicht wählen: Deutsche Polenwitze als Träger der Stereotype, in: Studia Germanica Gedanensia (2006), Nr. 14, S. 169–179.
Schmalz, Tatjana: Polen-Witze in Deutschland: Zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, 2019, https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/polen-witze-deutschland-zwischen-wahrnehmung-und-wirklichkeit (abgerufen am 16.9.2022).
Barełkowski, Matthias; Loew, Peter Oliver: Polenbilder in den deutschen Lebenswelten, o.J., https://www.porta-polonica.de/de/lexikon/polenbilder-den-deutschen-lebenswelten (abgerufen am 16.9.2022).
Rodzeń, Ilona, Mag., verfasste die Beiträge „Polnische und deutsche Popkultur – gegenseitige Wahrnehmung in der Satire“ und „Das gegenseitige Bild Polens und Deutschlands in der Presse“. Sie studierte Journalismus an der Universität Wrocław und arbeitete in den Bereichen Deutsche und Polnische Massenmedien, Stereotype und Popkultur.
Surynt, Izabela, Prof. Dr. habil., ist zusammen mit Sylwia Dec-Pustelnik, Peter Klimczak, Arkadiusz Lewicki und Christer Petersen Mitherausgeberin des vorliegenden Handbuchs der deutsch-polnischen Interaktionen und verfasste die Beiträge „Wie Polen und Deutsche miteinander kommunizieren. Oder: Über Unterschiede in den Kommunikationskulturen“, „Deutsche Ordensritter/Kreuzritter (Stereotyp)“ und zusammen mit Ilona Rodzeń den Beitrag „Polnische und deutsche Popkultur – gegenseitige Wahrnehmung in der Satire“. Sie ist Professorin an der Universität Wrocław und arbeitet in den Bereichen Interkulturelle Kommunikation, Deutsche Literaturwissenschaften und Deutsche Kulturgeschichte.