Arkadiusz Lewicki

Die Filmindustrie in Deutschland und Polen im 21. Jahrhundert

Die Filmindustrie in Deutschland und Polen im 21. Jahrhundert


Die Filmindustrie und der Filmmarkt in Deutschland und Polen unterliegt in den letz­ten Jahren größtenteils denselben globalen (oder zumindest europaweiten) Trends und Entwicklungen. Unterschiede resultieren vor allem aus den unterschiedlichen demogra­fischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Deutschland hat doppelt so viele Einwohner wie Polen, das deutsche Pro-Kopf-BIP betrug 2010 das Zweifache und 2019 das Anderthalbfache des polnischen) und weniger aus den Eigenheiten des Kinos der beiden Länder, wenngleich es auch hier signifikante Unterschiede gibt, die im Folgen­den besprochen werden

Filmproduktion

Wie ein Vergleich der jährlichen Filmproduktion in Polen und Deutschland zeigt, wer­den in Deutschland in den letzten Jahren weitaus mehr Filme produziert als in Polen (Schaubild 1).

Schaubild 1. Filmproduktion in Polen und Deutschland in den Jahren 2001–2018. Für Polen wurden nur Spielfilme berücksichtigt, für Deutschland auch Langdokumentarfilme.


Eigene Bearbeitung auf Basis von: FOCUS. World Film Market Trends (Berichte 2002–2019)

Zu dieser Übersicht ist anzumerken, dass für die polnische Filmproduktion das Jahr 2005 von entscheidender Bedeutung war. Die Verabschiedung des Filmgesetzes vom 30. Juni 2005 und die Gründung des Polnischen Filminstituts [Polski Instytut Sztuki Filmowej, PISF] führten in der Folge zu einem signifikanten Wachstum der polnischen Filmpro­duktion. Von den 1990er Jahren bis 2005 entstanden in Polen im Schnitt rund 20 Filme pro Jahr (die wenigsten 1997 [15], die meisten 2001 [28]). Nach 2007, als die ersten durch das PISF geförderten Projekte fertiggestellt wurden, stieg diese Zahl auf mehr als 35 Filme pro Jahr (39 im Jahr 2007, je 35 in den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2012, 42 im Jahr 2011 und sogar 71 im Jahr 2017). Erklärbar wird dieser Anstieg, wenn man die Film­förderbudgets vor und nach der Einführung des Filmgesetzes betrachtet. In den Jahren 2002–2005 förderte der Staat die Filmproduktion mit 16 Mio. Euro. Das PISF unter­stützte in den Jahren 2006–2009 die polnische Filmindustrie mit 70 Mio. Euro und im Jahr 2011 allein die Filmproduktion (dem Institut obliegen auch andere Aufgaben) mit einer Summe von 111 Mio. Zloty, also rund 27 Mio. Euro. Das sind für polnische Ver­hältnisse bedeutende Summen, wie der Anstieg der Menge der pro Jahr entstehenden Fil­me nachdrücklich belegt, die sich aber relativieren, wenn man sich vor Augen führt, dass eine einzige Hollywoodproduktion im Schnitt um die 90 Mio. Dollar kostet und dass der deutsche Film in den Jahren 2003–2005 mit 936 Mio. Euro, in den Jahren 2006–2009 mit 859,6 Mio. Euro und im Jahr 2011 mit 201,3 Mio. Euro aus Bundesmitteln sowie 142,8 Mio. Euro aus den Etats einzelner Bundesländer gefördert wurde.

Das mehr als zehnfach höhere Budget steht sinnbildlich für die ökonomischen Unter­schiede zwischen polnischem und deutschem Film. Zu berücksichtigen ist überdies eine (wohl gleichfalls aus den größeren finanziellen Möglichkeiten der deutschen Produzenten resultierende) Abweichung, die das obige Schaubild nicht darstellt, weil es nur Filme ent­hält, die ausschließlich oder federführend von deutschen oder polnischen Produzenten produziert wurden. Produktionen mit deutscher oder polnischer Minderheitsbeteiligung wurden nicht erfasst. Doch gerade in der Beteiligung an Koproduktionen liegen mögli­cherweise die größten Unterschiede zwischen deutschem und polnischem Kino.

Von den 200 meistgesehenen polnischen Filmen der Jahre 2001–2018 wurden nach An­gaben der Datenbank Lumiere (http://lumiere.obs.coe.int) 161 ausschließlich mit polni­schem Kapital finanziert, 19 mit einer Minderheitsbeteiligung ausländischer Koprodu­zenten und 20 mit einer Minderheitsbeteiligung polnischer Filmstudios (Schaubild 2).

Unter den Koproduktionen mit polnischer Mehrheitsbeteiligung auf der Liste der 200 meistgesehenen Filme finden sich vier Filme mit Produzenten aus drei oder mehr Län­dern, darunter aus Deutschland, aber keine ausschließlich polnisch-deutsche Koproduk­tion. Der meistgesehene Film unter den Koproduktionen mit polnischer Minderheits­beteiligung war die amerikanische Superproduktion Die Chroniken von Narnia: Prinz Kaspian von Narnia (2008, Regie Andrew Adamson), an der Koproduzenten aus fünf an­deren Ländern beteiligt waren und die in Europa insgesamt 12.825.592 ZuschauerInnen in die Kinos lockte. Den zweiten Platz belegt Roman Polańskis mehrfach preisgekrönte französisch-britisch-deutsch-polnische Koproduktion Der Pianist (2002) mit europaweit 8.231.713 ZuschauerInnen. Der Pianist ist auch mit Abstand der in Deutschland meist­gesehene Film mit unmittelbar polnischer Thematik (923.204 Zuschauer).

Schaubild 2. Anteil der Koproduktionen unter den 200 meistgesehenen polnischen Filmen 2001–2018.

Eigene Bearbeitung auf Basis von Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 10.10.2020).

Ein ganz anderes Bild ergibt sich aus der Liste der 200 europaweit meistgesehenen Pro­duktionen mit deutscher Beteiligung: Lediglich etwas mehr als ein Viertel der Filme wurde ausschließlich mit deutschem Kapital produziert, nur 16 Filme mit deutscher Mehrheitsbeteiligung und die übrigen 133 Filme mit deutscher Minderheitsbeteiligung (Schaubild 3).

Schaubild 3. Anteil der Koproduktionen unter den 200 meistgesehenen deutschen Filmen (2001–2018).

Eigene Darstellung nach Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 10.10.2020).

Die Titel auf dieser Liste können selbst eingefleischte Kinoliebhaber überraschen, denn die Datenbank der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle führt als Koproduktionen mit deutscher Beteiligung unter anderem die fünf Erstplatzierten des europäischen Zuschauerrankings: Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Köngis (2003, US-NZ-DE), Mamma Mia! (2008, US-GB-DE), James Bond 007: Casino Royale (2006, GB-US-DE-CZ), Asterix und Obelix: Mission Kleopatra (2002, FR-DE) und Die fabel­hafte Welt der Amélie (2001, FR-DE). Weitere Koproduktionen mit deutscher Beteili­gung sind Mr. Bean macht Ferien (2007, GB-FR-DE-US), Hangover (2009, US-DE) oder Mission: Impossible III (2006, US-DE) – um nur einige der mehr als hundert Titel zu nennen. Von den ersten fünfzig Filmen in diesem Ranking wurden nur neun aus­schließlich mit deutschem Kapital finanziert; die beste Platzierung erreichte mit Platz 12 Michael Herbigs Der Schuh des Manitu (2001, rund 14 Mio. Zuschauer). Rankings dieser Art zeigen deutlich, dass (anders als das polnische – der einzige verzeichnete Film mit polnischer Beteiligung ist Der Pianist) das deutsche Kino im globalen Filmgeschäft eine bedeutende Rolle spielt, wenn auch vor allem in finanzieller und weniger in künstle­rischer Hinsicht – nur von wenigen Koproduktionen ließe sich behaupten, dass sie deut­sche Kultur, Literatur, Sprache (die meisten Koproduktionen mit deutscher Beteiligung wurden in englischer Sprache gedreht) oder Schauspieler in der Welt bekannt machen.

Filmvertrieb und Filmrezeption in Deutschland und Polen

Die umrissene Problematik betrifft einen der wichtigsten Aspekte des zeitgenössischen Filmmarkts, und noch deutlicher als auf dem Gebiet der Filmproduktion offenbart sie sich im Vertrieb von Kinofilmen und in den Vorlieben der ZuschauerInnen. Bevor wir uns jedoch Detailbetrachtungen zuwenden, soll auf einige allgemeine statistische Be­funde hingewiesen werden. Die deutschen Kinos weisen deutlich höhere Zuschauerzah­len auf als die polnischen (Schaubild 4). Die Gründe liegen in der Demografie sowie in der besseren Infrastruktur (2018 gab es in Deutschland 4.849 Kinosäle, in Polen 1.270), wobei die deutschen Kinos in den letzten Jahren eine Krise durchlaufen. Im Rekordjahr 2001 gingen in Deutschland noch 177,9 Millionen Menschen ins Kino (durchschnitt­lich 2,2 Kinobesuche pro Kopf), zehn Jahre später waren es fast ein Drittel weniger – 2011 nur mehr 129,6 Mio. Zuschauer (1,6 Besuche pro Kopf), 2018 sogar nur 105,4 Mio. (1,3 Besuche pro Kopf).

Während also die Deutschen immer seltener ins Kino gehen, ist in Polen ein entgegen­gesetzter Trend zu beobachten. Während in den 1990er Jahren die schlechtesten Zu­schauerzahlen seit Beginn der statistischen Erfassung in den 1950er Jahren verzeichnet wurden (den Tiefpunkt markierte das Jahr 1992 mit nur 10,5 Mio. Kinobesuchen), wächst die Zahl der KinobesucherInnen in den letzten Jahren signifikant und konti­nuierlich an. Zu Beginn der 2010er Jahre lag sie jeweils um die 38 Mio., was statistisch gesehen einem Kinobesuch pro Kopf und Jahr entsprach. Die letzten Jahre brachten deutliche Zuwächse: Im Jahr 2016 lag die Zahl der Kinobesuche bei 52,1 Mio., 2017 bei 56,6 Mio. und 2019 bei 59,7 Mio., was bedeutet, dass in den letzten Jahren die Polen häufiger ins Kino gingen als ihre westlichen Nachbarn. Im Jahr 2018 lag die Zahl der Kinobesuche pro Kopf bei 1,6.

Schaubild 4. Besucherzahlen deutscher und polnischer Kinos in ausgewählten Jahren (in Mio. BesucherInnen).

Eigene Bearbeitung auf Basis von: FOCUS. World Film Market Trends, 2002–2019.

Natürlich bedeuten die höheren absoluten Besucherzahlen höhere Einnahmen (zumal in Deutschland ein Kinoticket fast doppelt so viel kostet wie in Polen, 2018 lag der Durch­schnittspreis bei 10,1 USD in Deutschland und 5,2 USD in Polen). Schätzungen nach erzielte die Filmindustrie in Deutschland 2018 einen Gewinn in Höhe von 1,06 Mrd. USD, in Polen war es nur etwas mehr als ein Drittel dieser Summe (312,3 Mio. USD). Doch auch hier ist eine deutliche Entwicklung zu erkennen, denn noch 2011 betrugen die Einnahmen der polnischen Kinos nur ein Fünftel der Einnahmen deutscher Kinos.

Ebenso wichtig wie die allgemeinen Besucherzahlen ist freilich die Frage, welche Filme die KinobesucherInnen sehen möchten. In Deutschland und Polen interessiert sich (wie in fast allen anderen europäischen Ländern) das Publikum vor allem für amerikanische Filme und – in weit geringerem Ausmaß – für einheimische Produktionen. Denn wenn­gleich die Europäische Union eine wirtschaftliche und politische Gemeinschaft bildet, so herrschen auf dem Feld der Kultur (oder wenigstens des Kinos) immer noch einerseits der Primat der USA als Hauptlieferant kultureller oder popkultureller Inhalte und ande­rerseits ein starker „Kulturisolationismus“. Letzterer manifestiert sich wohl nicht so sehr auf Feldern, die zur „Hochkultur“ gezählt werden, doch im Kino – in dem sich von An­fang an künstlerische und kommerzielle Interessen vermengen – ist er unübersehbar und statistisch belegbar. Als Konsequenz aus der Tatsache, dass europäische Filme mit nur wenigen Ausnahmen vor allem vom Publikum ihres jeweiligen Entstehungslands gese­hen werden, konzentrieren sich die Filmemacher auf Themen mit Bezug zum „eigenen Hinterhof“ und arbeiten mit kulturellen Codes, die oft nur das einheimische Publikum versteht (wenngleich die wachsende Zahl von Koproduktionen zeigt, dass man immer häufiger an ein „europäisches“ Publikum denkt).

Natürlich werden in Polen wie in Deutschland Produktionen aus Europa oder anderen Erdteilen gezeigt, doch dominiert (um nicht zu sagen monopolisiert) wird der Film­markt von Hollywood – genauer gesagt: den fünf großen Hollywood-Studios Warner Bros, Paramount, Columbia, Universal und Disney. Zumindest im Bereich des Kinos heißt Globalisierung Amerikanisierung, und dieser Prozess betrifft nicht nur die Seh­gewohnheiten des Publikums, sondern auch die Übernahme von in der amerikanischen „Traumfabrik“ entwickelten Genrekonventionen und filmischen Verfahren durch fast den ganzen Rest der Welt sowie die Verdrängung der nationalen Filmindustrien, die gegen die Produktions- und Vertriebsmaschinerie der Hollywood-Giganten kaum eine Chance haben, wie ein Vergleich der ZuschauerInnenanteile einheimischer Produktio­nen in deutschen und polnischen Kinos verdeutlicht (Schaubild 5)

Schaubild 5. ZuschauerInnenanteil einheimischer Filme an der Gesamtzuschauerzahl (in Prozent des Gesamtticketverkaufs des jeweiligen Jahres).

Eigene Bearbeitung auf Basis von: FOCUS. World Film Market Trends, 2002–2019.

Das Schaubild veranschaulicht die Unstetigkeit des Filmmarktes insbesondere in Polen, wo der Unterschied zwischen 59,1 % Marktanteil polnischer Produktionen im Jahr 1999 (in dem mit Ogniem i mieczem [Mit Feuer und Schwert], Pan Tadeusz und Kiler-ów 2-óch [Zwei Killer]) und 3,4 % im Jahr 2005 eklatant ist. Gleichwohl ist der durchschnittliche Marktanteil einheimischer Produktionen sowohl in Polen als auch in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern durchaus beachtlich – im Jahr 2010 etwa betrug der Anteil einheimischer Produktionen in Irland 1,3 %, in Portugal 1,8 %, in Estland 2 %, in Rumänien 2,2 %, in der Slowakei 2,8 % oder in Spanien 12,2 %. Nur in drei Ländern lag dieser Anteil über 30 %, nämlich in Italien (32 %), in Tschechien (34,8 %) und in Frankreich (35,5 %), das traditionell den höchsten Wert verzeichnet und die heimische Filmindustrie und den Vertrieb französischer Filme intensiv fördert (Schaubild 6).

Schaubild 6. Prozentualer Anteil einheimischer Produktionen am Gesamtticketverkauf auf den Filmmärkten einzelner Länder im Jahr 2010.

Eigene Bearbeitung auf Basis von Daten der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle.

Polnische Filme in Polen, Deutschland und Europa

Welche polnischen Filme interessieren das polnische Publikum? Welche Filme sind in Deutschland bekannt bzw. wurden auf dem europäischen Markt wahrgenommen? Die Analyse der entsprechenden Daten führt uns zu weiteren Problematiken, die umso kla­rer hervortreten, wenn wir die entsprechenden Zahlen zum deutschen Film zum Ver­gleich heranziehen.

Betrachten wir zunächst die Aufstellung der polnischen Produktionen (bzw. Koproduk­tionen mit polnischer Mehrheitsbeteiligung) mit mehr als einer Million Kinozuschaue­rInnen ab dem Jahr 2001.

Tabelle 7. Polnische Filme mit mehr als einer Million ZuschauerInnen in Europa (2001–2018).

 

lfd. Nr. Titel Produktion Jahr Zuschauer in der EU Zuschauer in Polen Anteil polnischer Zuschauer an der Gesamtzuschauerzahl
1. Kler (Klerus) PL-CZ 2018 5.389.807 5.183.080 96,1 %
2. Quo Vadis? PL-USA 2001 4.417.397 4.302.445 93,4 %
3. Listy do M. 3 (Briefe an M. 3) PL 2017 3.101.165 3.013.235 97,2 %
4. Pitbull. Niebezpieczne kobiety
(Pitbull. Gefährliche Frauen)
PL 2016 3.008.920 2.884.415 95,7 %
5. Katyń (Das Massaker von Katyn) PL 2007 2.968.140 2.768.533 93,3 %
6. Listy do M. 2 PL 2015 2.968.327 2.968.327 100 %
7. Listy do M. PL 2011 2.638.922 2.560.692 97 %
8. Lejdis (Ladies) PL 2008 2.529.122 2.529.122 100 %
9. Botoks (Botox) PL 2017 2.475.667 2.319.702 93,7 %
10. Zimna wojna (Cold War – Der
Breitengrad der Liebe)
PL/FR/
GB
2018 2.374.695 931.339 39,2 %
11. Bogowie (Götter) PL 2014 2.302.077 2.266.644 98,5 %
12. W pustyni i w puszczy (In Wüste und Wildnis) PL 2001 2.226.920 2.226.920 100 %
13. Kobiety mafii (Die Frauen der
Mafia)
PL 2018 2.173.891 2.037.202 93,7 %
14. Planeta Singli (Planet der Singles) PL 2016 2.019.951 1.926.090 95,3 %
15. Zemsta (Die Rache) PL 2002 1.976.675 1.976.675 100 %
16. Loving Vincent PL/GB/
CH/NL
2017 1.910.333 442.965 23,2 %
17. Sztuka kochania Historia: Michali-
ny Wisłockiej
PL 2017 1.832.768 1.812.220 98,9 %
18. Miasto 44 (Warschau 44) PL 2014 1.772.947 1.755.263 99 %
19. Przedwiośnie (Vorfrühling) PL-FR 2001 1.738.259 1.738.259 100 %
20. Planeta Singli 2 PL 2018 1.718.179 1.685.864 98,1 %
21. Och, Karol 2 (Ach, Karol 2) PL 2011 1.708.659 1.708.659 100 %
22. Tylko mnie kochaj (Just love me) PL 2006 1.668.224 1.668.224 100 %
23. Nigdy w życiu! (Nie im Leben!) PL 2004 1.623.935 1.623.935 100 %
24. Dywizjon 303. Historia praw-
dziwa
PL/GB 2018 1.544.176 1 516.443 98,2 %
25. 1920 Bitwa Warszawska (1920 –
Die letzte Schlacht)
PL 2011 1.518.240 1.518.240 100 %
26. Pitbull. Nowe porządzki (Pitbull.
Neue Ordnungen)
PL 2016 1.502.553 1.433.466 95,4 %
27. Jesteś Bogiem (Du bist Gott) PL 2012 1.487.654 1.444.061 97 %
28. Wołyń (Sommer 1943 – Das Ende
der Unschuld)
PL 2016 1.460.660 1.449.304 99,2 %
29. Ida PL-DK 2013 1.410.983 243.466 17,2 %
30. Nie kłam, kochanie (Lüge nicht,
Liebling)
PL 2008 1.399.677 1.399.677 100 %
31. Testosteron PL 2007 1.360.072 1.360.072 100 %
32. Kochaj i tańcz (Liebe und tanze) PL 2009 1.351.453 1.336.102 98,8 %
33. Popiełuszko. Wolność jest w nas (Po-
piełuszko. Die Freiheit ist in uns)
PL 2009 1.324.461 1.312.230 99 %
34. In Darkness PL/DE/CA 2011 1.305.559 1.181.455 90 %
35. Jack Strong PL 2014 1.195.438 1.180.010 98,7 %
36. Ja wam pokażę! (Ich werd’s euch
zeigen!)
PL 2006 1.179.378 1.179.378 100 %
37. Dlaczego nie! (Warum nicht!) PL 2007 1.151.998 1.151.998 100 %
38. 7 rzeczy, których nie wiecie o facetach PL 2016 1.146.862 1.146.862 100 %
39. Narzeczony na niby (Der Sche-
inverlobte)
PL 2018 1.140.308 1.127.083 98,8 %
40. Podatek od miłości (Liebessteuer) PL 2018 1.071.051 1.044.687 97,5 %
41. Pitbull. Ostatni pies (Pitbull. Der
letzte Hund)
PL 2018 1.069.798 1.014.213 94,8 %
42. Wałęsa. Człowiek z nadziei (Wałę-
sa. Mann aus Hoffnung)
PL 2013 1.060.068 970.247 91,5 %
43. Świadectwo (Das Zeugnis) PL 2008 1.039.901 1.039.901 100 %
44. Drogówka (Die Straßenpolizei) PL 2013 1.024.895 1.024.895 100 %
45. Śluby panieńskie (Mädchenschwüre) PL 2010 1.001.866 1.001.866 100 %

 

Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten von https://lumiere.obs.coe.int/search (Zugriff 14.10.2020).

Der polnische Film mit den meisten ZuschauerInnen nach 2001 war Wojciech Smar­zowskis Kler mit 5.389.807 ZuschauerInnen, davon mehr als 96 % in Polen. Der Film wurde, was einer in den vergangenen Jahren öfter zu beobachtenden Strategie polni­scher ProduzentInnen entspricht, auch in Großbritannien (181.655 Zuschauer), den Niederlanden (24.022 Zuschauer), Norwegen (12.270 Zuschauer) und in Island (2.944 Zuschauer) vertrieben, das heißt in Ländern, die zu den Hauptzielen polnischer ArbeitsmigrantInnen gehören und in denen in den letzten beiden Jahrzehnten eine große pol­nische Diaspora entstand.

Anhand der Aufstellung lässt sich zunächst konstatieren, dass polnische Filme vor allem in Polen gesehen werden – bei der überwiegenden Mehrheit der größten Publikums­erfolge lag der ZuschauerInnenanteil außerhalb Polens unter 10 %. Es gibt nur drei Ausnahmen: Paweł Pawlikowskis Filme Ida und Cold War sowie Dorota Kobielas und Hugh Welchmans außergewöhnlicher Animationsfilm Loving Vincent. Alle drei Filme waren für den Oscar nominiert (Ida erhielt die Auszeichnung als bester nicht-englisch­sprachiger Film) und fanden in vielen Ländern Europas und der Welt ihr Publikum. So hatte Ida in Frankreich, wo mehr als eine halbe Million Menschen den Film sahen, mehr ZuschauerInnen als in Polen (etwas mehr als 230.000 KinobesucherInnen).

Die genannten Filme gehören auch in Deutschland zu den meistgesehenen polnischen Filmen. Die Liste ist nicht besonders lang, doch wenn wir bedenken, dass zwischen 1996 und 2011 nur vier polnische Filme in Deutschland breit vertrieben wurden, ist auch hier eine gewisse Verbesserung zu notieren.

Tabelle 8. Die beliebtesten polnischen Filme in Deutschland (2001–2018).

 

lfd. Nr. Titel Produktion Jahr Zuschauer in Deutschland
1. Loving Vincent PL-GB-CH-NL 2017 384.481
2. Marie Curie PL-DE-FR 2016 111.513
3. Zimna Wojna PL-FR-GB 2018 109.051
4. Imagine PL-PT-FR-GB 2012 64.619
5. Ida PL-DK 2013 33.551
6. Sponsoring (Das bessere Leben) PL-DE-FR 2011 30.135
7. Sztuczki (Kleine Tricks) PL 2007 27.861
8. Młyn i krzyż (Die Mühle & das Kreuz) PL-SE 2011 27.503
9. Chce się żyć (In meinem Kopf ein Universum) PL 2013 22.489
10. Pokot (Die Spur) PL-DE-CZ-SE
-SK-FR
2017 19.362
11. W imię... (Im Namen des...) PL 2013 14.751
12. W ciemności (In Darkness) PL-DE-CA 2011 7.204
13. Płynące wieżowce (Tiefe Wasser) PL 2013 6.555
14. Ciało (Body) PL 2015 4.459
15. Another Day of Life PL-ES-DE-
BE-HU
2018 3.411
16. Katyń (Das Massaker von Katyn) PL 2007 3.249
17. Twarz (Die Maske) PL 2018 3.247
18. Papusza (Papusza – Die Poetin der Roma) PL 2013 2.565
19. Demon (Dibbuk – Eine Hochzeit
in Polen)
PL-IL 1477 1.477

 

Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten von https://lumiere.obs.coe.int/search (Zugriff14.10.2020).

Der polnische Film hat im deutschen Kinobetrieb keine starke Position, wenngleich sich die Situation in den letzten Jahren gebessert hat, was nicht zuletzt mit der zuneh­menden internationalen Präsenz polnischer FilmkünstlerInnen zusammenhängt. Unter den in Deutschland vertriebenen polnischen Filmen dominierten nämlich „künstlerisch anspruchsvolle Filme“, die ihr „kulturelles Kapital“ vor allem durch internationale Aus­zeichnungen und Festivalteilnahmen erwarben. Sie finden meist ein kleines, auf spezi­fische Weise „kinophiles“ Publikum, das polnische Filme mit der gleichen Begeisterung anschaut wie koreanische, brasilianische oder hinduistische. Vielleicht handelt es sich also nicht um eine lokale Besonderheit, sondern um ein weiteres Symptom der Amerika­nisierung des Kinos und des Erfolgs von Hollywood, das insbesondere im Segment des Unterhaltungskinos die Konkurrenz effektiv verdrängt und den übrigen Produzenten lediglich die weitaus weniger lukrative Nische des Kunstfilms überlässt.

Deutsche Filme in Deutschland, Polen und Europa

Im Hinblick auf die absoluten ZuschauerInnenzahlen hat der deutsche Film in Polen eine bessere Position als der polnische Film in Deutschland. Insgesamt 160 Filme deut­scher Produzenten (oder mit Mehrheitsbeteiligung deutscher Produzenten; Produktio­nen mit deutscher Minderheitsbeteiligung wurden nicht berücksichtigt) erreichten in den Jahren 2001–2018 in Europa ZuschauerInnenzahlen von über einer Million – 115 Filme mehr als das polnische Kino zu verzeichnen hatte. Weil die vollständige Liste zu lang würde, beschränken wir uns in der folgenden Übersicht auf Produktionen mit europaweit mehr als 4 Mio. ZuschauerInnen. Sie bieten ausreichendes Material, anhand dessen sich bestimmte Tendenzen in der Rezeption des deutschen Films aufzeigen las­sen. Bei der Analyse der Daten ist zu berücksichtigen, dass die Filme einen Teil ihres Publikums in deutschsprachigen Ländern wie Österreich oder der Schweiz fanden.

Tabelle 9. Die meistgesehenen deutschen Filme der Jahre 2001–2018.

 

lfd. Nr. Titel Jahr Produktion Zuschauer in der EU Zuschauerin in Deutschland Anteil
deutscher Zuschauer
an der Gesamtzuschauerzah
l in der EU
1. Der Schuh des Manitu 2001 DE 13.909.952 11.723.126 84,2 %
2. Perfume: The Story of a Murderer 2006 DE / ES/FR 10.840.780 5.590.816 51,5 %
3. Good Bye, Lenin! 2003 DE 10.651.233 6.574.961 61,7 %
4. (T)Raumschiff Surprise – Periode 1 2004 DE 10.372.379 9.151.025 88,2 %
5. Der Untergang 2004 DE / IT 9.266.358 4.643.043 50,1 %
6. Fack ju Göhte 2 2015 DE 8.767.724 7.731.703 88,1 %
7. Fack ju Göhte 2013 DE 8.138.576 7.412.993 91 %
8. Honig im Kopf 2014 DE 7.703.263 7.283.220 94,5 %
9. Sieben Zwerge 2004 DE 7.676.346 6.773.582 88,2 %
10. Das Leben der Anderen 2006 DE 7.234.558 2.377.376 32,8 %
11. Fack ju Göhte 3 2017 DE 7.025.027 6.136.891 90,1 %
12. Keinohrhasen 2007 DE 6.639.595 6.286.012 94,6 %
13. Wickie und die starken Männer 2009 DE 6.515.644 4.923.512 75,5 %
14. Werner - Das muß kesseln!!! 1996 DE 5.329.449 4.953.394 94,7 %
15. Resident Evil 2002 DE / GB/FR 5.142.742 959.427 18,7 %
16. The Physician 2013 DE 5.042.048 3.633.961 72 %
17. Kokowääh 2011  DE 4.627.459 4.317.017 93,2 %
18. Zweiohrküken 2009 DE 4.579.066 4.255.103 92,9 %
19. The Three Musketeers 2011 DE-GB-/FR 4.341.753 1.220.831 28,1 %
20. Die Konferenz der Tiere 2010 DE 4.255.637 1.518.025 35,6 %
21. 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug 2006 DE 4.184.787 3.579.984 85,6 %
22. Cloud Atlas 2012 DE/US 4.099.934 1.147.114 27.9 %
23. Deutschland. Ein Sommermärchen 2006 DE 4.017.592 4.009.091 99,8 %
24. Enemy at the Gates 2001 DE / US/GB
IE
4.011.307 204.605 5,1 %
25. Willkommen bei den Hartmanns 2016 DE 4.003.125 3.841.620 95,9 %

Eigene Bearbeitung nach Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 25.10.2020).

Aus dieser Tabelle lassen sich mehrere bemerkenswerte Befunde ableiten: Sechs der 25 Filme mit europaweit mehr als 4 Mio. ZuschauerInnen waren englischsprachige Koproduktionen mit deutscher Mehrheitsbeteiligung. Zwei weitere Filme (Wickie und die starken Männer und Die Konferenz der Tiere) liefen als Kinderfilme in fast allen Ländern in synchronisierten Fassungen, weshalb auch in ihnen das „Deutsche“ nicht im Vordergrund stand. Interessant ist auch, dass die englischsprachigen Produktionen in Deutschland keine großen Erfolge waren – so lag im Fall von Enemy at the Gates der Anteil deutscher ZuschauerInnen an der europäischen Gesamtbesucherzahl bei nur knapp über 5 %, in vier anderen EU-Staaten hatte der Film mehr ZuschauerInnen als in Deutschland.

Die übrigen Produktionen lassen sich im Prinzip in zwei Kategorien einteilen, die nicht nur für die 25 aufgelisteten Filme, sondern für das gesamte deutsche Kino Geltung beanspruchen können. Die erste Kategorie sind die „künstlerisch anspruchsvollen Fil­me“ (überwiegend, aber nicht ausschließlich zu Themen der näheren oder ferneren Ver­gangenheit), die Auszeichnungen erhalten, an internationalen Festivals teilnehmen und auch im Ausland vergleichbar viele (wie Der Untergang) oder sogar mehr ZuschauerIn­nen anziehen – ein eindrücklichstes Beispiel hierfür ist Florian Henckel von Donners­marcks mit dem Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film ausgezeichneter Film Das Leben der anderen mit knapp 2,5 Mio. ZuschauerInnen in Deutschland und 5 Mio. ZuschauerInnen in anderen europäischen Ländern (zählt man die amerikanischen Zu­schauerInnen hinzu, waren es mehr als 6,5 Mio. ausländische ZuschauerInnen).

Die zweite Kategorie sind die Komödien. Im Gegensatz zu den „künstlerisch anspruchs­vollen“ Filmen findet der deutsche Humor außerhalb des deutschsprachigen Raums freilich keine LiebhaberInnen: Der Schuh des Manitu, (T)Raumschiff Surprise - Periode 1, Werner – Das muß kesseln!!!, Sieben Zwerge und 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug, Keinohrhasen und Zweiohrküken, Kokowääh oder Fack ju Göhte und die Fortsetzungen lockten mit wenigen Ausnahmen nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz mehr als 100.000 ZuschauerInnen in die Kinos.

Eine Aufstellung der erfolgreichsten deutschen Filme in Polen bestätigt diesen Befund. Auch hier sind gewisse Veränderungen zu beobachten, die mit dem Wachstum des polni­schen Filmmarkts zusammenhängen, das einer deutlich größeren Zahl von Filmen den Weg auf die polnischen Leinwände (und zum polnischen Publikum) ebnet. Während in den Jahren 19992008 42 deutsche Filme in den polnischen Kinos liefen, waren es in den Jahren 20092018 bereits 92. Für die Jahre 20012018 ergibt sich folgende Liste der 50 meistgesehenen Filme mit federführender deutscher Produktionsbeteiligung:

Tabelle 10. Die 50 erfolgreichsten deutschen Filme im polnischen Kinovertrieb 2001–2018.

 

lfd. Nr. Titel Jahr Produktion Zuschauer in Polen
1. Cloud Atlas 2011 DE/US 534.499
2. Perfume: The Story of a Murderer 2006 DE/ES/FR 505.374
3. Maya the Bee: The Honey Games 2018 DE/AU 443.697
4. Maya the Bee Movie 2014 DE/AU 376.182
5. Der 7bte Zwerg 2014 DE 311.167
6. Der Untergang 2004 DE / IT 290.576
7. Die Konferenz der Tiere 2010 DE 293.254
8. Ooops! Noah is Gone... 2015 DE/BE/LU/IE 279.332
9. Urmel aus dem Eis 2006 DE 264.193
10. Sieben Zwerge 2004 DE 242.105
11. Happy Family 2017 DE/GB 235.125
12. Pinocchio 2013 DE 214.588
13. Good Bye, Lenin! 2003 DE 192.115
14. Die Häschenschule: Jagd nach dem goldenen Ei 2017 DE 173.169
15. Happily N‘Ever After 2007 DE 170.854
16. The Three Musketeers 2011 DE/GB/FR 154.836
17. A Stork‘s Journey 2017 DE/BE/LU/NO 137.009
18. Luis & the Aliens 2018 DE/LU/DK 133.852
19. Gespensterjäger 2015 DE/AT/IE 129.077
20. Tristan + Isolde 2006 DE/GB/CZ/US 127.705
21. Love, Rosie 2014 DE/GB 123.567
22. 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug 2006 DE 110.684
23. Lauf Junge lauf 2013 DE/FR 109 069
24. Der kleine Drache Kokosnuss 2014 DE 108 729
25. Desert Flower 2009 DE / AT / FR 107.068
26. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 2018 DE  100.156
27. Heaven 2002 DE / FR / US 95.722
28. Resident Evil 2002 DE / GB / FR 89.299
29. Toni Erdmann 2016 DE/AT/CH 81.967
30. Das Leben der Anderen 2006 DE 74.280
31. Die große Stille 2005 DE / CH / FR 73.021
32. Enemy at the Gates 2001 DE/US/GB/IE 68.886
33. Tarzan 2013 DE 62.824
34. Pina 2011 DE 58.133
35. Ritter Rost – Eisenhart und voll verbeult 2012 DE 52.373
36. Das weiße Band 2009 DE / AT / FR / IT 50.086
37. Only Lovers Left Alive 2013 DE/CH/CY/GB 49.087
38. Die weiße Massai 2005 DE 39.034
39. The Little Vampire 2000 DE / NL / US 36.529
40. Aus dem Nichts 2017 DE/FR 34.486
41. Soul Kitchen 2009 DE 34.462
42. The Physician 2013 DE 33.196
43. Hexe Lilli: Der Drache und das magische Buch 2009 DE/AT/ES/IT 33.072
44. Pettersson und Findus 2 – Das schönste
Weihnachten überhaupt
2016 DE 31.370
45. Hexe Lillis eingesacktes Weihnachtsfest 2017 DE 30.061
46. Das Experiment 2001 DE 25.566
47. Nirgendwo in Afrika 2001 DE 24.770
48. Auf der anderen Seite 2007 DE / TR 23.015
49. Tschick 2016 DE 22.461
50. Lissi und der Wilde Kaiser 2007 DE 19.521

Eigene Bearbeitung nach Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 25.10.2020).

Die Zusammenstellung lässt vermuten, dass in Polen (wie im übrigen Europa) vor allem Filme Anklang finden, die nicht „allzu“ deutsch sind. Unter den 26 deutschen Produkti­onen, die in Polen mehr als 100.000 Zuschauer hatten, sind 17 synchronisierte Filme für die jüngsten Zuschauer, die in unterschiedlichen Phantasiewelten spielen, sechs in engli­scher Sprache gedrehte Filme und nur zwei Filme (Der Untergang und Good Bye, Lenin!) aus der Kategorie „künstlerisch anspruchsvoll“, die von der Kritik gelobt wurden und auf Festivals oder in Wettbewerben internationale Anerkennung fanden. Ein Sonderfall ist Pepe Danquarts Lauf Junge lauf – formal handelt es sich um eine deutsch-französische Koproduktion, an der freilich polnische SchauspielerInnen mitwirkten, was sicher den Erfolg des Films auf dem polnischen Markt erklärt.

Signifikant ist auch, dass sich auf der Liste der populärsten deutschen Kinofilme keine Unterhaltungsfilme (Komödien, Thriller) für Erwachsene finden. In diesen Kategorien scheint die Dominanz von Hollywood so erdrückend, dass die Vertriebe außerhalb der Ent stehungsländer erst gar nicht mit Produkten „made in USA“ in Konkurrenz tre-ten (dies gilt insgesamt für europäische Produktionen in diesem Segment). Selbst der größte deutsche Kassenerfolg der letzten Jahre, Der Schuh des Manitu, hatte in Polen nur etwas mehr als 15.000 Zuschauer, was insofern verwundert, als es sich um eine Persi flage auf Filme handelt, die seinerzeit auch in Polen sehr beliebt waren. Unter den 100 meistbesuchten Kinofilmen der Jahre 19452000 befinden sich sieben deutsche Fil me – allesamt deutsch-jugoslawische Koproduktionen nach Romanen von Karl May: Auf Platz 4 steht Winnetou (polnische Premiere 1966, 23.010.125 ZuschauerInnen), auf Platz 34 Old Surehand (1968, 7.542.248 ZuschauerInnen), auf Platz 77 Winnetou und das Halbblut Apanatschi (1969, 4.936.519 ZuschauerInnen), auf Platz 81 Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten (1971, 4.897.366 ZuschauerInnen), auf Platz 91 Der Öl-prinz (1970, 4.557.276 ZuschauerInnen), auf Platz 93 Der Schatz im Silbersee (1965, 4.506.522) und auf Platz 100 Unter Geiern (1970, 4.383.233 ZuschauerInnen), (Siehe dazu Kucharski 2002, S. 388f.).

Zusammenfassung

Die besprochenen Listen und Statistiken erfassen nur Teilaspekte der Produktion und des Vertriebs von Kinofilmen. Globalisierungsprozesse und der technologische Fort­schritt machen das Kino heute zu einem (und keineswegs dem wichtigsten) Vertriebskanal von vielen. Außerdem berücksichtigen die analysierten Daten nur den breiten Vertrieb, nicht aber andere Formen wie Festivals, Retrospektiven oder Sondervorführungen, die ebenfalls wichtige Faktoren des Kulturaustauschs sind. Nicht betrachtet wurden auch Vertriebswege wie Fernsehen, DVD/Blu-ray und vor allem das Internet. Diese Kanäle sind analytisch weitaus schwerer zu erfassen. Man kann die Verkaufszahlen von digitalen Träger wie DVDs untersuchen (obwohl die entsprechenden Statistiken nicht allgemein zugänglich sind), doch lassen sich etwa die Zuschauerzahlen einzelner Filmen im polnischen Fernsehen kaum ermitteln. Es gibt derzeit mehr als 250 polnischsprachi­ge Fernsehsender, hinzu kommt eine wegen der Vielzahl der Bezugswege (Satelliten-TV, Online-Plattformen, Internetfernsehen usw.) nahezu unmöglich zu bestimmende Zahl von allgemein empfangbaren deutschsprachigen Sendern. Unmöglich ist auch die Ana­lyse der statistisch nicht erfassbaren illegalen oder zumindest juristisch zweifelhaften Internetrezeption polnischer Filme in Deutschland und deutscher Filme in Polen. Die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle liefert seit kurzem in der Rubrik „lumiere­vod“ länderspezifische Angaben zum Filmangebot von Streamingdiensten, doch fehlen dort detaillierte Angaben zu den ZuschauerInnenzahlen.

Dennoch lassen sich anhand der präsentierten Zahlen zur Kinorezeption deutscher und polnischer Filme bestimmte Tendenzen benennen, die durch Analysen anderer Ver­triebskanäle bestätigt würden. Natürlich werden im polnischen Fernsehen gelegentlich deutsche Filme gezeigt, von denen manche (etwa aufgrund eines guten Sendeplatzes) ein Millionenpublikum erreichen, doch sind dies Ausnahmen, die die Regel – das heißt die Dominanz der amerikanischen Massenkultur – bestätigen. Die vorgestellten Statistiken illustrieren zudem die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem deutschen und dem polnischen Kino. Zum einen entwickelt sich das deutsche Kino aufgrund der weitaus besseren finanziellen Möglichkeiten dynamischer als das polnische: Es produziert mehr Filme, zieht mehr ZuschauerInnen an und (hier liegt wohl der größ­te Unterschied) ist wesentlich häufiger in große internationale Projekte involviert. Zum anderen sind die nationalen Filmindustrien (wohl fast aller Länder) auf dem Gebiet des Unterhaltungskinos international so gut wie chancenlos gegen die Übermacht der großen Hollywood-Studios und konzentrieren sich in diesem Segment auf die eigenen Märk­te und ansonsten auf das Feld des von vorneherein weniger auf ein breites Publikum, sondern auf KritikerInnen, ExpertInnen oder Filmförderungsgremien ausgerichteten „künstlerisch anspruchsvollen“ Films (wobei in Ausnahmefällen durchaus auch Filme von hohem kognitivem oder ästhetischen Wert zu Kassenerfolgen werden können).

Als Medium der interkulturellen Kommunikation befindet sich der Film somit in einer paradoxen Situation. Die landesweite TV-Ausstrahlung kann einem für die deutsche oder die polnische Kultur repräsentativen Film im jeweils anderen Land ein Millionenpublikum bescheren – und damit mehr RezipientInnen als in Deutschland polnische Bücher lesen oder in Polen deutsche Theaterstücke anschauen. Zugleich zeigt der Ver­gleich mit den ZuschauerInnenzahlen (nicht nur) amerikanischer Produktionen, dass deutsche Filme in Polen und insbesondere polnische Filme in Deutschland nur auf ein sehr überschaubares Publikumsinteresse stoßen (so belegt Der Untergang als in Polen meistgesehener deutschsprachiger Kinofilm im allgemeinen ZuschauerInnenranking des Jahres 2004 lediglich den 24. Platz). Darüber hinaus verzichten viele Filme auf jegliches „Lokalkolorit“; selbst in der jeweiligen Landessprache gedrehte Filme sind oft reine Nach­ahmungen von Hollywood-Vorbildern und folgen dezidiert globalen Genrekonventionen.

Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann

Literatur:

FOCUS. World Film Market Trends. Berichte 2002–2019.

Kucharski, Krzysztof: Kino Plus. Film i dystrybucja kinowa w Polsce 1990–2000, Toruń 2002.

Lumiere, Datenbank über Filmbesucherzahlen in Europa, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, http://lumiere.obs.coe.int [aufgerufen am 13.04.2021].

 

Lewicki, Arkadiusz, Dr. habil., ist zusammen mit Sylwia Dec-Pustelnik, Peter Klimczak und Izabela Surynt Mitherausgeber des vorliegenden Handbuchs der deutsch-polnischen Interaktionen und verfasste den Beitrag „Filmindustrie in Deutschland und Polen im 21. Jahrhundert“. Er ist Professor an der Universität Wrocław und arbeitet in den Bereichen Film, Medien und Popkultur.

 

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