Arkadiusz Lewicki
Die Filmindustrie in Deutschland und Polen im 21. Jahrhundert
Die Filmindustrie und der Filmmarkt in Deutschland und Polen unterliegt in den letzten Jahren größtenteils denselben globalen (oder zumindest europaweiten) Trends und Entwicklungen. Unterschiede resultieren vor allem aus den unterschiedlichen demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Deutschland hat doppelt so viele Einwohner wie Polen, das deutsche Pro-Kopf-BIP betrug 2010 das Zweifache und 2019 das Anderthalbfache des polnischen) und weniger aus den Eigenheiten des Kinos der beiden Länder, wenngleich es auch hier signifikante Unterschiede gibt, die im Folgenden besprochen werden
Filmproduktion
Wie ein Vergleich der jährlichen Filmproduktion in Polen und Deutschland zeigt, werden in Deutschland in den letzten Jahren weitaus mehr Filme produziert als in Polen (Schaubild 1).
Schaubild 1. Filmproduktion in Polen und Deutschland in den Jahren 2001–2018. Für Polen wurden nur Spielfilme berücksichtigt, für Deutschland auch Langdokumentarfilme.
Eigene Bearbeitung auf Basis von: FOCUS. World Film Market Trends (Berichte 2002–2019)
Zu dieser Übersicht ist anzumerken, dass für die polnische Filmproduktion das Jahr 2005 von entscheidender Bedeutung war. Die Verabschiedung des Filmgesetzes vom 30. Juni 2005 und die Gründung des Polnischen Filminstituts [Polski Instytut Sztuki Filmowej, PISF] führten in der Folge zu einem signifikanten Wachstum der polnischen Filmproduktion. Von den 1990er Jahren bis 2005 entstanden in Polen im Schnitt rund 20 Filme pro Jahr (die wenigsten 1997 [15], die meisten 2001 [28]). Nach 2007, als die ersten durch das PISF geförderten Projekte fertiggestellt wurden, stieg diese Zahl auf mehr als 35 Filme pro Jahr (39 im Jahr 2007, je 35 in den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2012, 42 im Jahr 2011 und sogar 71 im Jahr 2017). Erklärbar wird dieser Anstieg, wenn man die Filmförderbudgets vor und nach der Einführung des Filmgesetzes betrachtet. In den Jahren 2002–2005 förderte der Staat die Filmproduktion mit 16 Mio. Euro. Das PISF unterstützte in den Jahren 2006–2009 die polnische Filmindustrie mit 70 Mio. Euro und im Jahr 2011 allein die Filmproduktion (dem Institut obliegen auch andere Aufgaben) mit einer Summe von 111 Mio. Zloty, also rund 27 Mio. Euro. Das sind für polnische Verhältnisse bedeutende Summen, wie der Anstieg der Menge der pro Jahr entstehenden Filme nachdrücklich belegt, die sich aber relativieren, wenn man sich vor Augen führt, dass eine einzige Hollywoodproduktion im Schnitt um die 90 Mio. Dollar kostet und dass der deutsche Film in den Jahren 2003–2005 mit 936 Mio. Euro, in den Jahren 2006–2009 mit 859,6 Mio. Euro und im Jahr 2011 mit 201,3 Mio. Euro aus Bundesmitteln sowie 142,8 Mio. Euro aus den Etats einzelner Bundesländer gefördert wurde.
Das mehr als zehnfach höhere Budget steht sinnbildlich für die ökonomischen Unterschiede zwischen polnischem und deutschem Film. Zu berücksichtigen ist überdies eine (wohl gleichfalls aus den größeren finanziellen Möglichkeiten der deutschen Produzenten resultierende) Abweichung, die das obige Schaubild nicht darstellt, weil es nur Filme enthält, die ausschließlich oder federführend von deutschen oder polnischen Produzenten produziert wurden. Produktionen mit deutscher oder polnischer Minderheitsbeteiligung wurden nicht erfasst. Doch gerade in der Beteiligung an Koproduktionen liegen möglicherweise die größten Unterschiede zwischen deutschem und polnischem Kino.
Von den 200 meistgesehenen polnischen Filmen der Jahre 2001–2018 wurden nach Angaben der Datenbank Lumiere (http://lumiere.obs.coe.int) 161 ausschließlich mit polnischem Kapital finanziert, 19 mit einer Minderheitsbeteiligung ausländischer Koproduzenten und 20 mit einer Minderheitsbeteiligung polnischer Filmstudios (Schaubild 2).
Unter den Koproduktionen mit polnischer Mehrheitsbeteiligung auf der Liste der 200 meistgesehenen Filme finden sich vier Filme mit Produzenten aus drei oder mehr Ländern, darunter aus Deutschland, aber keine ausschließlich polnisch-deutsche Koproduktion. Der meistgesehene Film unter den Koproduktionen mit polnischer Minderheitsbeteiligung war die amerikanische Superproduktion Die Chroniken von Narnia: Prinz Kaspian von Narnia (2008, Regie Andrew Adamson), an der Koproduzenten aus fünf anderen Ländern beteiligt waren und die in Europa insgesamt 12.825.592 ZuschauerInnen in die Kinos lockte. Den zweiten Platz belegt Roman Polańskis mehrfach preisgekrönte französisch-britisch-deutsch-polnische Koproduktion Der Pianist (2002) mit europaweit 8.231.713 ZuschauerInnen. Der Pianist ist auch mit Abstand der in Deutschland meistgesehene Film mit unmittelbar polnischer Thematik (923.204 Zuschauer).
Schaubild 2. Anteil der Koproduktionen unter den 200 meistgesehenen polnischen Filmen 2001–2018.
Eigene Bearbeitung auf Basis von Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 10.10.2020).
Ein ganz anderes Bild ergibt sich aus der Liste der 200 europaweit meistgesehenen Produktionen mit deutscher Beteiligung: Lediglich etwas mehr als ein Viertel der Filme wurde ausschließlich mit deutschem Kapital produziert, nur 16 Filme mit deutscher Mehrheitsbeteiligung und die übrigen 133 Filme mit deutscher Minderheitsbeteiligung (Schaubild 3).
Schaubild 3. Anteil der Koproduktionen unter den 200 meistgesehenen deutschen Filmen (2001–2018).
Eigene Darstellung nach Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 10.10.2020).
Die Titel auf dieser Liste können selbst eingefleischte Kinoliebhaber überraschen, denn die Datenbank der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle führt als Koproduktionen mit deutscher Beteiligung unter anderem die fünf Erstplatzierten des europäischen Zuschauerrankings: Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Köngis (2003, US-NZ-DE), Mamma Mia! (2008, US-GB-DE), James Bond 007: Casino Royale (2006, GB-US-DE-CZ), Asterix und Obelix: Mission Kleopatra (2002, FR-DE) und Die fabelhafte Welt der Amélie (2001, FR-DE). Weitere Koproduktionen mit deutscher Beteiligung sind Mr. Bean macht Ferien (2007, GB-FR-DE-US), Hangover (2009, US-DE) oder Mission: Impossible III (2006, US-DE) – um nur einige der mehr als hundert Titel zu nennen. Von den ersten fünfzig Filmen in diesem Ranking wurden nur neun ausschließlich mit deutschem Kapital finanziert; die beste Platzierung erreichte mit Platz 12 Michael Herbigs Der Schuh des Manitu (2001, rund 14 Mio. Zuschauer). Rankings dieser Art zeigen deutlich, dass (anders als das polnische – der einzige verzeichnete Film mit polnischer Beteiligung ist Der Pianist) das deutsche Kino im globalen Filmgeschäft eine bedeutende Rolle spielt, wenn auch vor allem in finanzieller und weniger in künstlerischer Hinsicht – nur von wenigen Koproduktionen ließe sich behaupten, dass sie deutsche Kultur, Literatur, Sprache (die meisten Koproduktionen mit deutscher Beteiligung wurden in englischer Sprache gedreht) oder Schauspieler in der Welt bekannt machen.
Filmvertrieb und Filmrezeption in Deutschland und Polen
Die umrissene Problematik betrifft einen der wichtigsten Aspekte des zeitgenössischen Filmmarkts, und noch deutlicher als auf dem Gebiet der Filmproduktion offenbart sie sich im Vertrieb von Kinofilmen und in den Vorlieben der ZuschauerInnen. Bevor wir uns jedoch Detailbetrachtungen zuwenden, soll auf einige allgemeine statistische Befunde hingewiesen werden. Die deutschen Kinos weisen deutlich höhere Zuschauerzahlen auf als die polnischen (Schaubild 4). Die Gründe liegen in der Demografie sowie in der besseren Infrastruktur (2018 gab es in Deutschland 4.849 Kinosäle, in Polen 1.270), wobei die deutschen Kinos in den letzten Jahren eine Krise durchlaufen. Im Rekordjahr 2001 gingen in Deutschland noch 177,9 Millionen Menschen ins Kino (durchschnittlich 2,2 Kinobesuche pro Kopf), zehn Jahre später waren es fast ein Drittel weniger – 2011 nur mehr 129,6 Mio. Zuschauer (1,6 Besuche pro Kopf), 2018 sogar nur 105,4 Mio. (1,3 Besuche pro Kopf).
Während also die Deutschen immer seltener ins Kino gehen, ist in Polen ein entgegengesetzter Trend zu beobachten. Während in den 1990er Jahren die schlechtesten Zuschauerzahlen seit Beginn der statistischen Erfassung in den 1950er Jahren verzeichnet wurden (den Tiefpunkt markierte das Jahr 1992 mit nur 10,5 Mio. Kinobesuchen), wächst die Zahl der KinobesucherInnen in den letzten Jahren signifikant und kontinuierlich an. Zu Beginn der 2010er Jahre lag sie jeweils um die 38 Mio., was statistisch gesehen einem Kinobesuch pro Kopf und Jahr entsprach. Die letzten Jahre brachten deutliche Zuwächse: Im Jahr 2016 lag die Zahl der Kinobesuche bei 52,1 Mio., 2017 bei 56,6 Mio. und 2019 bei 59,7 Mio., was bedeutet, dass in den letzten Jahren die Polen häufiger ins Kino gingen als ihre westlichen Nachbarn. Im Jahr 2018 lag die Zahl der Kinobesuche pro Kopf bei 1,6.
Schaubild 4. Besucherzahlen deutscher und polnischer Kinos in ausgewählten Jahren (in Mio. BesucherInnen).
Eigene Bearbeitung auf Basis von: FOCUS. World Film Market Trends, 2002–2019.
Natürlich bedeuten die höheren absoluten Besucherzahlen höhere Einnahmen (zumal in Deutschland ein Kinoticket fast doppelt so viel kostet wie in Polen, 2018 lag der Durchschnittspreis bei 10,1 USD in Deutschland und 5,2 USD in Polen). Schätzungen nach erzielte die Filmindustrie in Deutschland 2018 einen Gewinn in Höhe von 1,06 Mrd. USD, in Polen war es nur etwas mehr als ein Drittel dieser Summe (312,3 Mio. USD). Doch auch hier ist eine deutliche Entwicklung zu erkennen, denn noch 2011 betrugen die Einnahmen der polnischen Kinos nur ein Fünftel der Einnahmen deutscher Kinos.
Ebenso wichtig wie die allgemeinen Besucherzahlen ist freilich die Frage, welche Filme die KinobesucherInnen sehen möchten. In Deutschland und Polen interessiert sich (wie in fast allen anderen europäischen Ländern) das Publikum vor allem für amerikanische Filme und – in weit geringerem Ausmaß – für einheimische Produktionen. Denn wenngleich die Europäische Union eine wirtschaftliche und politische Gemeinschaft bildet, so herrschen auf dem Feld der Kultur (oder wenigstens des Kinos) immer noch einerseits der Primat der USA als Hauptlieferant kultureller oder popkultureller Inhalte und andererseits ein starker „Kulturisolationismus“. Letzterer manifestiert sich wohl nicht so sehr auf Feldern, die zur „Hochkultur“ gezählt werden, doch im Kino – in dem sich von Anfang an künstlerische und kommerzielle Interessen vermengen – ist er unübersehbar und statistisch belegbar. Als Konsequenz aus der Tatsache, dass europäische Filme mit nur wenigen Ausnahmen vor allem vom Publikum ihres jeweiligen Entstehungslands gesehen werden, konzentrieren sich die Filmemacher auf Themen mit Bezug zum „eigenen Hinterhof“ und arbeiten mit kulturellen Codes, die oft nur das einheimische Publikum versteht (wenngleich die wachsende Zahl von Koproduktionen zeigt, dass man immer häufiger an ein „europäisches“ Publikum denkt).
Natürlich werden in Polen wie in Deutschland Produktionen aus Europa oder anderen Erdteilen gezeigt, doch dominiert (um nicht zu sagen monopolisiert) wird der Filmmarkt von Hollywood – genauer gesagt: den fünf großen Hollywood-Studios Warner Bros, Paramount, Columbia, Universal und Disney. Zumindest im Bereich des Kinos heißt Globalisierung Amerikanisierung, und dieser Prozess betrifft nicht nur die Sehgewohnheiten des Publikums, sondern auch die Übernahme von in der amerikanischen „Traumfabrik“ entwickelten Genrekonventionen und filmischen Verfahren durch fast den ganzen Rest der Welt sowie die Verdrängung der nationalen Filmindustrien, die gegen die Produktions- und Vertriebsmaschinerie der Hollywood-Giganten kaum eine Chance haben, wie ein Vergleich der ZuschauerInnenanteile einheimischer Produktionen in deutschen und polnischen Kinos verdeutlicht (Schaubild 5)
Schaubild 5. ZuschauerInnenanteil einheimischer Filme an der Gesamtzuschauerzahl (in Prozent des Gesamtticketverkaufs des jeweiligen Jahres).
Eigene Bearbeitung auf Basis von: FOCUS. World Film Market Trends, 2002–2019.
Das Schaubild veranschaulicht die Unstetigkeit des Filmmarktes insbesondere in Polen, wo der Unterschied zwischen 59,1 % Marktanteil polnischer Produktionen im Jahr 1999 (in dem mit Ogniem i mieczem [Mit Feuer und Schwert], Pan Tadeusz und Kiler-ów 2-óch [Zwei Killer]) und 3,4 % im Jahr 2005 eklatant ist. Gleichwohl ist der durchschnittliche Marktanteil einheimischer Produktionen sowohl in Polen als auch in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern durchaus beachtlich – im Jahr 2010 etwa betrug der Anteil einheimischer Produktionen in Irland 1,3 %, in Portugal 1,8 %, in Estland 2 %, in Rumänien 2,2 %, in der Slowakei 2,8 % oder in Spanien 12,2 %. Nur in drei Ländern lag dieser Anteil über 30 %, nämlich in Italien (32 %), in Tschechien (34,8 %) und in Frankreich (35,5 %), das traditionell den höchsten Wert verzeichnet und die heimische Filmindustrie und den Vertrieb französischer Filme intensiv fördert (Schaubild 6).
Schaubild 6. Prozentualer Anteil einheimischer Produktionen am Gesamtticketverkauf auf den Filmmärkten einzelner Länder im Jahr 2010.
Eigene Bearbeitung auf Basis von Daten der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle.
Polnische Filme in Polen, Deutschland und Europa
Welche polnischen Filme interessieren das polnische Publikum? Welche Filme sind in Deutschland bekannt bzw. wurden auf dem europäischen Markt wahrgenommen? Die Analyse der entsprechenden Daten führt uns zu weiteren Problematiken, die umso klarer hervortreten, wenn wir die entsprechenden Zahlen zum deutschen Film zum Vergleich heranziehen.
Betrachten wir zunächst die Aufstellung der polnischen Produktionen (bzw. Koproduktionen mit polnischer Mehrheitsbeteiligung) mit mehr als einer Million KinozuschauerInnen ab dem Jahr 2001.
Tabelle 7. Polnische Filme mit mehr als einer Million ZuschauerInnen in Europa (2001–2018).
lfd. Nr. | Titel | Produktion | Jahr | Zuschauer in der EU | Zuschauer in Polen | Anteil polnischer Zuschauer an der Gesamtzuschauerzahl |
1. | Kler (Klerus) | PL-CZ | 2018 | 5.389.807 | 5.183.080 | 96,1 % |
2. | Quo Vadis? | PL-USA | 2001 | 4.417.397 | 4.302.445 | 93,4 % |
3. | Listy do M. 3 (Briefe an M. 3) | PL | 2017 | 3.101.165 | 3.013.235 | 97,2 % |
4. | Pitbull. Niebezpieczne kobiety (Pitbull. Gefährliche Frauen) |
PL | 2016 | 3.008.920 | 2.884.415 | 95,7 % |
5. | Katyń (Das Massaker von Katyn) | PL | 2007 | 2.968.140 | 2.768.533 | 93,3 % |
6. | Listy do M. 2 | PL | 2015 | 2.968.327 | 2.968.327 | 100 % |
7. | Listy do M. | PL | 2011 | 2.638.922 | 2.560.692 | 97 % |
8. | Lejdis (Ladies) | PL | 2008 | 2.529.122 | 2.529.122 | 100 % |
9. | Botoks (Botox) | PL | 2017 | 2.475.667 | 2.319.702 | 93,7 % |
10. | Zimna wojna (Cold War – Der Breitengrad der Liebe) |
PL/FR/ GB |
2018 | 2.374.695 | 931.339 | 39,2 % |
11. | Bogowie (Götter) | PL | 2014 | 2.302.077 | 2.266.644 | 98,5 % |
12. | W pustyni i w puszczy (In Wüste und Wildnis) | PL | 2001 | 2.226.920 | 2.226.920 | 100 % |
13. | Kobiety mafii (Die Frauen der Mafia) |
PL | 2018 | 2.173.891 | 2.037.202 | 93,7 % |
14. | Planeta Singli (Planet der Singles) | PL | 2016 | 2.019.951 | 1.926.090 | 95,3 % |
15. | Zemsta (Die Rache) | PL | 2002 | 1.976.675 | 1.976.675 | 100 % |
16. | Loving Vincent | PL/GB/ CH/NL |
2017 | 1.910.333 | 442.965 | 23,2 % |
17. | Sztuka kochania Historia: Michali- ny Wisłockiej |
PL | 2017 | 1.832.768 | 1.812.220 | 98,9 % |
18. | Miasto 44 (Warschau 44) | PL | 2014 | 1.772.947 | 1.755.263 | 99 % |
19. | Przedwiośnie (Vorfrühling) | PL-FR | 2001 | 1.738.259 | 1.738.259 | 100 % |
20. | Planeta Singli 2 | PL | 2018 | 1.718.179 | 1.685.864 | 98,1 % |
21. | Och, Karol 2 (Ach, Karol 2) | PL | 2011 | 1.708.659 | 1.708.659 | 100 % |
22. | Tylko mnie kochaj (Just love me) | PL | 2006 | 1.668.224 | 1.668.224 | 100 % |
23. | Nigdy w życiu! (Nie im Leben!) | PL | 2004 | 1.623.935 | 1.623.935 | 100 % |
24. | Dywizjon 303. Historia praw- dziwa |
PL/GB | 2018 | 1.544.176 | 1 516.443 | 98,2 % |
25. | 1920 Bitwa Warszawska (1920 – Die letzte Schlacht) |
PL | 2011 | 1.518.240 | 1.518.240 | 100 % |
26. | Pitbull. Nowe porządzki (Pitbull. Neue Ordnungen) |
PL | 2016 | 1.502.553 | 1.433.466 | 95,4 % |
27. | Jesteś Bogiem (Du bist Gott) | PL | 2012 | 1.487.654 | 1.444.061 | 97 % |
28. | Wołyń (Sommer 1943 – Das Ende der Unschuld) |
PL | 2016 | 1.460.660 | 1.449.304 | 99,2 % |
29. | Ida | PL-DK | 2013 | 1.410.983 | 243.466 | 17,2 % |
30. | Nie kłam, kochanie (Lüge nicht, Liebling) |
PL | 2008 | 1.399.677 | 1.399.677 | 100 % |
31. | Testosteron | PL | 2007 | 1.360.072 | 1.360.072 | 100 % |
32. | Kochaj i tańcz (Liebe und tanze) | PL | 2009 | 1.351.453 | 1.336.102 | 98,8 % |
33. | Popiełuszko. Wolność jest w nas (Po- piełuszko. Die Freiheit ist in uns) |
PL | 2009 | 1.324.461 | 1.312.230 | 99 % |
34. | In Darkness | PL/DE/CA | 2011 | 1.305.559 | 1.181.455 | 90 % |
35. | Jack Strong | PL | 2014 | 1.195.438 | 1.180.010 | 98,7 % |
36. | Ja wam pokażę! (Ich werd’s euch zeigen!) |
PL | 2006 | 1.179.378 | 1.179.378 | 100 % |
37. | Dlaczego nie! (Warum nicht!) | PL | 2007 | 1.151.998 | 1.151.998 | 100 % |
38. | 7 rzeczy, których nie wiecie o facetach | PL | 2016 | 1.146.862 | 1.146.862 | 100 % |
39. | Narzeczony na niby (Der Sche- inverlobte) |
PL | 2018 | 1.140.308 | 1.127.083 | 98,8 % |
40. | Podatek od miłości (Liebessteuer) | PL | 2018 | 1.071.051 | 1.044.687 | 97,5 % |
41. | Pitbull. Ostatni pies (Pitbull. Der letzte Hund) |
PL | 2018 | 1.069.798 | 1.014.213 | 94,8 % |
42. | Wałęsa. Człowiek z nadziei (Wałę- sa. Mann aus Hoffnung) |
PL | 2013 | 1.060.068 | 970.247 | 91,5 % |
43. | Świadectwo (Das Zeugnis) | PL | 2008 | 1.039.901 | 1.039.901 | 100 % |
44. | Drogówka (Die Straßenpolizei) | PL | 2013 | 1.024.895 | 1.024.895 | 100 % |
45. | Śluby panieńskie (Mädchenschwüre) | PL | 2010 | 1.001.866 | 1.001.866 | 100 % |
Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten von https://lumiere.obs.coe.int/search (Zugriff 14.10.2020).
Der polnische Film mit den meisten ZuschauerInnen nach 2001 war Wojciech Smarzowskis Kler mit 5.389.807 ZuschauerInnen, davon mehr als 96 % in Polen. Der Film wurde, was einer in den vergangenen Jahren öfter zu beobachtenden Strategie polnischer ProduzentInnen entspricht, auch in Großbritannien (181.655 Zuschauer), den Niederlanden (24.022 Zuschauer), Norwegen (12.270 Zuschauer) und in Island (2.944 Zuschauer) vertrieben, das heißt in Ländern, die zu den Hauptzielen polnischer ArbeitsmigrantInnen gehören und in denen in den letzten beiden Jahrzehnten eine große polnische Diaspora entstand.
Anhand der Aufstellung lässt sich zunächst konstatieren, dass polnische Filme vor allem in Polen gesehen werden – bei der überwiegenden Mehrheit der größten Publikumserfolge lag der ZuschauerInnenanteil außerhalb Polens unter 10 %. Es gibt nur drei Ausnahmen: Paweł Pawlikowskis Filme Ida und Cold War sowie Dorota Kobielas und Hugh Welchmans außergewöhnlicher Animationsfilm Loving Vincent. Alle drei Filme waren für den Oscar nominiert (Ida erhielt die Auszeichnung als bester nicht-englischsprachiger Film) und fanden in vielen Ländern Europas und der Welt ihr Publikum. So hatte Ida in Frankreich, wo mehr als eine halbe Million Menschen den Film sahen, mehr ZuschauerInnen als in Polen (etwas mehr als 230.000 KinobesucherInnen).
Die genannten Filme gehören auch in Deutschland zu den meistgesehenen polnischen Filmen. Die Liste ist nicht besonders lang, doch wenn wir bedenken, dass zwischen 1996 und 2011 nur vier polnische Filme in Deutschland breit vertrieben wurden, ist auch hier eine gewisse Verbesserung zu notieren.
Tabelle 8. Die beliebtesten polnischen Filme in Deutschland (2001–2018).
lfd. Nr. | Titel | Produktion | Jahr | Zuschauer in Deutschland |
1. | Loving Vincent | PL-GB-CH-NL | 2017 | 384.481 |
2. | Marie Curie | PL-DE-FR | 2016 | 111.513 |
3. | Zimna Wojna | PL-FR-GB | 2018 | 109.051 |
4. | Imagine | PL-PT-FR-GB | 2012 | 64.619 |
5. | Ida | PL-DK | 2013 | 33.551 |
6. | Sponsoring (Das bessere Leben) | PL-DE-FR | 2011 | 30.135 |
7. | Sztuczki (Kleine Tricks) | PL | 2007 | 27.861 |
8. | Młyn i krzyż (Die Mühle & das Kreuz) | PL-SE | 2011 | 27.503 |
9. | Chce się żyć (In meinem Kopf ein Universum) | PL | 2013 | 22.489 |
10. | Pokot (Die Spur) | PL-DE-CZ-SE -SK-FR |
2017 | 19.362 |
11. | W imię... (Im Namen des...) | PL | 2013 | 14.751 |
12. | W ciemności (In Darkness) | PL-DE-CA | 2011 | 7.204 |
13. | Płynące wieżowce (Tiefe Wasser) | PL | 2013 | 6.555 |
14. | Ciało (Body) | PL | 2015 | 4.459 |
15. | Another Day of Life | PL-ES-DE- BE-HU |
2018 | 3.411 |
16. | Katyń (Das Massaker von Katyn) | PL | 2007 | 3.249 |
17. | Twarz (Die Maske) | PL | 2018 | 3.247 |
18. | Papusza (Papusza – Die Poetin der Roma) | PL | 2013 | 2.565 |
19. | Demon (Dibbuk – Eine Hochzeit in Polen) |
PL-IL | 1477 | 1.477 |
Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten von https://lumiere.obs.coe.int/search (Zugriff14.10.2020).
Der polnische Film hat im deutschen Kinobetrieb keine starke Position, wenngleich sich die Situation in den letzten Jahren gebessert hat, was nicht zuletzt mit der zunehmenden internationalen Präsenz polnischer FilmkünstlerInnen zusammenhängt. Unter den in Deutschland vertriebenen polnischen Filmen dominierten nämlich „künstlerisch anspruchsvolle Filme“, die ihr „kulturelles Kapital“ vor allem durch internationale Auszeichnungen und Festivalteilnahmen erwarben. Sie finden meist ein kleines, auf spezifische Weise „kinophiles“ Publikum, das polnische Filme mit der gleichen Begeisterung anschaut wie koreanische, brasilianische oder hinduistische. Vielleicht handelt es sich also nicht um eine lokale Besonderheit, sondern um ein weiteres Symptom der Amerikanisierung des Kinos und des Erfolgs von Hollywood, das insbesondere im Segment des Unterhaltungskinos die Konkurrenz effektiv verdrängt und den übrigen Produzenten lediglich die weitaus weniger lukrative Nische des Kunstfilms überlässt.
Deutsche Filme in Deutschland, Polen und Europa
Im Hinblick auf die absoluten ZuschauerInnenzahlen hat der deutsche Film in Polen eine bessere Position als der polnische Film in Deutschland. Insgesamt 160 Filme deutscher Produzenten (oder mit Mehrheitsbeteiligung deutscher Produzenten; Produktionen mit deutscher Minderheitsbeteiligung wurden nicht berücksichtigt) erreichten in den Jahren 2001–2018 in Europa ZuschauerInnenzahlen von über einer Million – 115 Filme mehr als das polnische Kino zu verzeichnen hatte. Weil die vollständige Liste zu lang würde, beschränken wir uns in der folgenden Übersicht auf Produktionen mit europaweit mehr als 4 Mio. ZuschauerInnen. Sie bieten ausreichendes Material, anhand dessen sich bestimmte Tendenzen in der Rezeption des deutschen Films aufzeigen lassen. Bei der Analyse der Daten ist zu berücksichtigen, dass die Filme einen Teil ihres Publikums in deutschsprachigen Ländern wie Österreich oder der Schweiz fanden.
Tabelle 9. Die meistgesehenen deutschen Filme der Jahre 2001–2018.
lfd. Nr. | Titel | Jahr | Produktion | Zuschauer in der EU | Zuschauerin in Deutschland | Anteil deutscher Zuschauer an der Gesamtzuschauerzah l in der EU |
1. | Der Schuh des Manitu | 2001 | DE | 13.909.952 | 11.723.126 | 84,2 % |
2. | Perfume: The Story of a Murderer | 2006 | DE / ES/FR | 10.840.780 | 5.590.816 | 51,5 % |
3. | Good Bye, Lenin! | 2003 | DE | 10.651.233 | 6.574.961 | 61,7 % |
4. | (T)Raumschiff Surprise – Periode 1 | 2004 | DE | 10.372.379 | 9.151.025 | 88,2 % |
5. | Der Untergang | 2004 | DE / IT | 9.266.358 | 4.643.043 | 50,1 % |
6. | Fack ju Göhte 2 | 2015 | DE | 8.767.724 | 7.731.703 | 88,1 % |
7. | Fack ju Göhte | 2013 | DE | 8.138.576 | 7.412.993 | 91 % |
8. | Honig im Kopf | 2014 | DE | 7.703.263 | 7.283.220 | 94,5 % |
9. | Sieben Zwerge | 2004 | DE | 7.676.346 | 6.773.582 | 88,2 % |
10. | Das Leben der Anderen | 2006 | DE | 7.234.558 | 2.377.376 | 32,8 % |
11. | Fack ju Göhte 3 | 2017 | DE | 7.025.027 | 6.136.891 | 90,1 % |
12. | Keinohrhasen | 2007 | DE | 6.639.595 | 6.286.012 | 94,6 % |
13. | Wickie und die starken Männer | 2009 | DE | 6.515.644 | 4.923.512 | 75,5 % |
14. | Werner - Das muß kesseln!!! | 1996 | DE | 5.329.449 | 4.953.394 | 94,7 % |
15. | Resident Evil | 2002 | DE / GB/FR | 5.142.742 | 959.427 | 18,7 % |
16. | The Physician | 2013 | DE | 5.042.048 | 3.633.961 | 72 % |
17. | Kokowääh | 2011 | DE | 4.627.459 | 4.317.017 | 93,2 % |
18. | Zweiohrküken | 2009 | DE | 4.579.066 | 4.255.103 | 92,9 % |
19. | The Three Musketeers | 2011 | DE-GB-/FR | 4.341.753 | 1.220.831 | 28,1 % |
20. | Die Konferenz der Tiere | 2010 | DE | 4.255.637 | 1.518.025 | 35,6 % |
21. | 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug | 2006 | DE | 4.184.787 | 3.579.984 | 85,6 % |
22. | Cloud Atlas | 2012 | DE/US | 4.099.934 | 1.147.114 | 27.9 % |
23. | Deutschland. Ein Sommermärchen | 2006 | DE | 4.017.592 | 4.009.091 | 99,8 % |
24. | Enemy at the Gates | 2001 | DE / US/GB IE |
4.011.307 | 204.605 | 5,1 % |
25. | Willkommen bei den Hartmanns | 2016 | DE | 4.003.125 | 3.841.620 | 95,9 % |
Eigene Bearbeitung nach Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 25.10.2020).
Aus dieser Tabelle lassen sich mehrere bemerkenswerte Befunde ableiten: Sechs der 25 Filme mit europaweit mehr als 4 Mio. ZuschauerInnen waren englischsprachige Koproduktionen mit deutscher Mehrheitsbeteiligung. Zwei weitere Filme (Wickie und die starken Männer und Die Konferenz der Tiere) liefen als Kinderfilme in fast allen Ländern in synchronisierten Fassungen, weshalb auch in ihnen das „Deutsche“ nicht im Vordergrund stand. Interessant ist auch, dass die englischsprachigen Produktionen in Deutschland keine großen Erfolge waren – so lag im Fall von Enemy at the Gates der Anteil deutscher ZuschauerInnen an der europäischen Gesamtbesucherzahl bei nur knapp über 5 %, in vier anderen EU-Staaten hatte der Film mehr ZuschauerInnen als in Deutschland.
Die übrigen Produktionen lassen sich im Prinzip in zwei Kategorien einteilen, die nicht nur für die 25 aufgelisteten Filme, sondern für das gesamte deutsche Kino Geltung beanspruchen können. Die erste Kategorie sind die „künstlerisch anspruchsvollen Filme“ (überwiegend, aber nicht ausschließlich zu Themen der näheren oder ferneren Vergangenheit), die Auszeichnungen erhalten, an internationalen Festivals teilnehmen und auch im Ausland vergleichbar viele (wie Der Untergang) oder sogar mehr ZuschauerInnen anziehen – ein eindrücklichstes Beispiel hierfür ist Florian Henckel von Donnersmarcks mit dem Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film ausgezeichneter Film Das Leben der anderen mit knapp 2,5 Mio. ZuschauerInnen in Deutschland und 5 Mio. ZuschauerInnen in anderen europäischen Ländern (zählt man die amerikanischen ZuschauerInnen hinzu, waren es mehr als 6,5 Mio. ausländische ZuschauerInnen).
Die zweite Kategorie sind die Komödien. Im Gegensatz zu den „künstlerisch anspruchsvollen“ Filmen findet der deutsche Humor außerhalb des deutschsprachigen Raums freilich keine LiebhaberInnen: Der Schuh des Manitu, (T)Raumschiff Surprise - Periode 1, Werner – Das muß kesseln!!!, Sieben Zwerge und 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug, Keinohrhasen und Zweiohrküken, Kokowääh oder Fack ju Göhte und die Fortsetzungen lockten mit wenigen Ausnahmen nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz mehr als 100.000 ZuschauerInnen in die Kinos.
Eine Aufstellung der erfolgreichsten deutschen Filme in Polen bestätigt diesen Befund. Auch hier sind gewisse Veränderungen zu beobachten, die mit dem Wachstum des polnischen Filmmarkts zusammenhängen, das einer deutlich größeren Zahl von Filmen den Weg auf die polnischen Leinwände (und zum polnischen Publikum) ebnet. Während in den Jahren 1999–2008 42 deutsche Filme in den polnischen Kinos liefen, waren es in den Jahren 2009–2018 bereits 92. Für die Jahre 2001–2018 ergibt sich folgende Liste der 50 meistgesehenen Filme mit federführender deutscher Produktionsbeteiligung:
Tabelle 10. Die 50 erfolgreichsten deutschen Filme im polnischen Kinovertrieb 2001–2018.
lfd. Nr. | Titel | Jahr | Produktion | Zuschauer in Polen |
1. | Cloud Atlas | 2011 | DE/US | 534.499 |
2. | Perfume: The Story of a Murderer | 2006 | DE/ES/FR | 505.374 |
3. | Maya the Bee: The Honey Games | 2018 | DE/AU | 443.697 |
4. | Maya the Bee Movie | 2014 | DE/AU | 376.182 |
5. | Der 7bte Zwerg | 2014 | DE | 311.167 |
6. | Der Untergang | 2004 | DE / IT | 290.576 |
7. | Die Konferenz der Tiere | 2010 | DE | 293.254 |
8. | Ooops! Noah is Gone... | 2015 | DE/BE/LU/IE | 279.332 |
9. | Urmel aus dem Eis | 2006 | DE | 264.193 |
10. | Sieben Zwerge | 2004 | DE | 242.105 |
11. | Happy Family | 2017 | DE/GB | 235.125 |
12. | Pinocchio | 2013 | DE | 214.588 |
13. | Good Bye, Lenin! | 2003 | DE | 192.115 |
14. | Die Häschenschule: Jagd nach dem goldenen Ei | 2017 | DE | 173.169 |
15. | Happily N‘Ever After | 2007 | DE | 170.854 |
16. | The Three Musketeers | 2011 | DE/GB/FR | 154.836 |
17. | A Stork‘s Journey | 2017 | DE/BE/LU/NO | 137.009 |
18. | Luis & the Aliens | 2018 | DE/LU/DK | 133.852 |
19. | Gespensterjäger | 2015 | DE/AT/IE | 129.077 |
20. | Tristan + Isolde | 2006 | DE/GB/CZ/US | 127.705 |
21. | Love, Rosie | 2014 | DE/GB | 123.567 |
22. | 7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug | 2006 | DE | 110.684 |
23. | Lauf Junge lauf | 2013 | DE/FR | 109 069 |
24. | Der kleine Drache Kokosnuss | 2014 | DE | 108 729 |
25. | Desert Flower | 2009 | DE / AT / FR | 107.068 |
26. | Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer | 2018 | DE | 100.156 |
27. | Heaven | 2002 | DE / FR / US | 95.722 |
28. | Resident Evil | 2002 | DE / GB / FR | 89.299 |
29. | Toni Erdmann | 2016 | DE/AT/CH | 81.967 |
30. | Das Leben der Anderen | 2006 | DE | 74.280 |
31. | Die große Stille | 2005 | DE / CH / FR | 73.021 |
32. | Enemy at the Gates | 2001 | DE/US/GB/IE | 68.886 |
33. | Tarzan | 2013 | DE | 62.824 |
34. | Pina | 2011 | DE | 58.133 |
35. | Ritter Rost – Eisenhart und voll verbeult | 2012 | DE | 52.373 |
36. | Das weiße Band | 2009 | DE / AT / FR / IT | 50.086 |
37. | Only Lovers Left Alive | 2013 | DE/CH/CY/GB | 49.087 |
38. | Die weiße Massai | 2005 | DE | 39.034 |
39. | The Little Vampire | 2000 | DE / NL / US | 36.529 |
40. | Aus dem Nichts | 2017 | DE/FR | 34.486 |
41. | Soul Kitchen | 2009 | DE | 34.462 |
42. | The Physician | 2013 | DE | 33.196 |
43. | Hexe Lilli: Der Drache und das magische Buch | 2009 | DE/AT/ES/IT | 33.072 |
44. | Pettersson und Findus 2 – Das schönste Weihnachten überhaupt |
2016 | DE | 31.370 |
45. | Hexe Lillis eingesacktes Weihnachtsfest | 2017 | DE | 30.061 |
46. | Das Experiment | 2001 | DE | 25.566 |
47. | Nirgendwo in Afrika | 2001 | DE | 24.770 |
48. | Auf der anderen Seite | 2007 | DE / TR | 23.015 |
49. | Tschick | 2016 | DE | 22.461 |
50. | Lissi und der Wilde Kaiser | 2007 | DE | 19.521 |
Eigene Bearbeitung nach Daten von http://lumiere.obs.coe.int (Zugriff 25.10.2020).
Die Zusammenstellung lässt vermuten, dass in Polen (wie im übrigen Europa) vor allem Filme Anklang finden, die nicht „allzu“ deutsch sind. Unter den 26 deutschen Produktionen, die in Polen mehr als 100.000 Zuschauer hatten, sind 17 synchronisierte Filme für die jüngsten Zuschauer, die in unterschiedlichen Phantasiewelten spielen, sechs in englischer Sprache gedrehte Filme und nur zwei Filme (Der Untergang und Good Bye, Lenin!) aus der Kategorie „künstlerisch anspruchsvoll“, die von der Kritik gelobt wurden und auf Festivals oder in Wettbewerben internationale Anerkennung fanden. Ein Sonderfall ist Pepe Danquarts Lauf Junge lauf – formal handelt es sich um eine deutsch-französische Koproduktion, an der freilich polnische SchauspielerInnen mitwirkten, was sicher den Erfolg des Films auf dem polnischen Markt erklärt.
Signifikant ist auch, dass sich auf der Liste der populärsten deutschen Kinofilme keine Unterhaltungsfilme (Komödien, Thriller) für Erwachsene finden. In diesen Kategorien scheint die Dominanz von Hollywood so erdrückend, dass die Vertriebe außerhalb der Ent stehungsländer erst gar nicht mit Produkten „made in USA“ in Konkurrenz tre-ten (dies gilt insgesamt für europäische Produktionen in diesem Segment). Selbst der größte deutsche Kassenerfolg der letzten Jahre, Der Schuh des Manitu, hatte in Polen nur etwas mehr als 15.000 Zuschauer, was insofern verwundert, als es sich um eine Persi flage auf Filme handelt, die seinerzeit auch in Polen sehr beliebt waren. Unter den 100 meistbesuchten Kinofilmen der Jahre 1945–2000 befinden sich sieben deutsche Fil me – allesamt deutsch-jugoslawische Koproduktionen nach Romanen von Karl May: Auf Platz 4 steht Winnetou (polnische Premiere 1966, 23.010.125 ZuschauerInnen), auf Platz 34 Old Surehand (1968, 7.542.248 ZuschauerInnen), auf Platz 77 Winnetou und das Halbblut Apanatschi (1969, 4.936.519 ZuschauerInnen), auf Platz 81 Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten (1971, 4.897.366 ZuschauerInnen), auf Platz 91 Der Öl-prinz (1970, 4.557.276 ZuschauerInnen), auf Platz 93 Der Schatz im Silbersee (1965, 4.506.522) und auf Platz 100 Unter Geiern (1970, 4.383.233 ZuschauerInnen), (Siehe dazu Kucharski 2002, S. 388f.).
Zusammenfassung
Die besprochenen Listen und Statistiken erfassen nur Teilaspekte der Produktion und des Vertriebs von Kinofilmen. Globalisierungsprozesse und der technologische Fortschritt machen das Kino heute zu einem (und keineswegs dem wichtigsten) Vertriebskanal von vielen. Außerdem berücksichtigen die analysierten Daten nur den breiten Vertrieb, nicht aber andere Formen wie Festivals, Retrospektiven oder Sondervorführungen, die ebenfalls wichtige Faktoren des Kulturaustauschs sind. Nicht betrachtet wurden auch Vertriebswege wie Fernsehen, DVD/Blu-ray und vor allem das Internet. Diese Kanäle sind analytisch weitaus schwerer zu erfassen. Man kann die Verkaufszahlen von digitalen Träger wie DVDs untersuchen (obwohl die entsprechenden Statistiken nicht allgemein zugänglich sind), doch lassen sich etwa die Zuschauerzahlen einzelner Filmen im polnischen Fernsehen kaum ermitteln. Es gibt derzeit mehr als 250 polnischsprachige Fernsehsender, hinzu kommt eine wegen der Vielzahl der Bezugswege (Satelliten-TV, Online-Plattformen, Internetfernsehen usw.) nahezu unmöglich zu bestimmende Zahl von allgemein empfangbaren deutschsprachigen Sendern. Unmöglich ist auch die Analyse der statistisch nicht erfassbaren illegalen oder zumindest juristisch zweifelhaften Internetrezeption polnischer Filme in Deutschland und deutscher Filme in Polen. Die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle liefert seit kurzem in der Rubrik „lumierevod“ länderspezifische Angaben zum Filmangebot von Streamingdiensten, doch fehlen dort detaillierte Angaben zu den ZuschauerInnenzahlen.
Dennoch lassen sich anhand der präsentierten Zahlen zur Kinorezeption deutscher und polnischer Filme bestimmte Tendenzen benennen, die durch Analysen anderer Vertriebskanäle bestätigt würden. Natürlich werden im polnischen Fernsehen gelegentlich deutsche Filme gezeigt, von denen manche (etwa aufgrund eines guten Sendeplatzes) ein Millionenpublikum erreichen, doch sind dies Ausnahmen, die die Regel – das heißt die Dominanz der amerikanischen Massenkultur – bestätigen. Die vorgestellten Statistiken illustrieren zudem die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem deutschen und dem polnischen Kino. Zum einen entwickelt sich das deutsche Kino aufgrund der weitaus besseren finanziellen Möglichkeiten dynamischer als das polnische: Es produziert mehr Filme, zieht mehr ZuschauerInnen an und (hier liegt wohl der größte Unterschied) ist wesentlich häufiger in große internationale Projekte involviert. Zum anderen sind die nationalen Filmindustrien (wohl fast aller Länder) auf dem Gebiet des Unterhaltungskinos international so gut wie chancenlos gegen die Übermacht der großen Hollywood-Studios und konzentrieren sich in diesem Segment auf die eigenen Märkte und ansonsten auf das Feld des von vorneherein weniger auf ein breites Publikum, sondern auf KritikerInnen, ExpertInnen oder Filmförderungsgremien ausgerichteten „künstlerisch anspruchsvollen“ Films (wobei in Ausnahmefällen durchaus auch Filme von hohem kognitivem oder ästhetischen Wert zu Kassenerfolgen werden können).
Als Medium der interkulturellen Kommunikation befindet sich der Film somit in einer paradoxen Situation. Die landesweite TV-Ausstrahlung kann einem für die deutsche oder die polnische Kultur repräsentativen Film im jeweils anderen Land ein Millionenpublikum bescheren – und damit mehr RezipientInnen als in Deutschland polnische Bücher lesen oder in Polen deutsche Theaterstücke anschauen. Zugleich zeigt der Vergleich mit den ZuschauerInnenzahlen (nicht nur) amerikanischer Produktionen, dass deutsche Filme in Polen und insbesondere polnische Filme in Deutschland nur auf ein sehr überschaubares Publikumsinteresse stoßen (so belegt Der Untergang als in Polen meistgesehener deutschsprachiger Kinofilm im allgemeinen ZuschauerInnenranking des Jahres 2004 lediglich den 24. Platz). Darüber hinaus verzichten viele Filme auf jegliches „Lokalkolorit“; selbst in der jeweiligen Landessprache gedrehte Filme sind oft reine Nachahmungen von Hollywood-Vorbildern und folgen dezidiert globalen Genrekonventionen.
Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann
Literatur:
FOCUS. World Film Market Trends. Berichte 2002–2019.
Kucharski, Krzysztof: Kino Plus. Film i dystrybucja kinowa w Polsce 1990–2000, Toruń 2002.
Lumiere, Datenbank über Filmbesucherzahlen in Europa, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, http://lumiere.obs.coe.int [aufgerufen am 13.04.2021].
Lewicki, Arkadiusz, Dr. habil., ist zusammen mit Sylwia Dec-Pustelnik, Peter Klimczak und Izabela Surynt Mitherausgeber des vorliegenden Handbuchs der deutsch-polnischen Interaktionen und verfasste den Beitrag „Filmindustrie in Deutschland und Polen im 21. Jahrhundert“. Er ist Professor an der Universität Wrocław und arbeitet in den Bereichen Film, Medien und Popkultur.