Bartosz Dziewanowski-Stefańczyk
Die deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen
Die ersten Kontakte zwischen der slawischen und der germanischen Bevölkerung der Territorien des späteren Polen und Deutschland wurden unter anderem im Bereich der Wirtschaft geknüpft. Durch das Gebiet des künftigen Piastenstaats verliefen Transitrouten zwischen Europa und Asien. Von zentraler Bedeutung war etwa die Handelsstraße von Regensburg über Prag, Krakau, Kiew und Perejaslaw nach Konstantinopel. Sie kreuzte sich mit dem Handelsweg, der von der Ostsee an Weichsel und Bug entlang durch Wolhynien nach Kiew führte. Zu Begegnung und Austausch kam es auch in den Ostseehafenstädten Wollin und Truso. Nach Osten wurden damals Kleidung, Waffen und Wurzeln sowie nach der Christianisierung Polens auch liturgische Gewänder und Gefäße und Messbücher transportiert. Die Annahme des Christentums war ein Meilenstein in der Politik der damaligen piastischen Herrscher, sie wurde aber auch zum Motor des kulturellen Wandels, an dem die aus den deutschen Staaten entsandten Vertreter der katholischen Kirche – etwa die Bischöfe Reinbern, Bruno aus Querfurt, Poppo oder Aaron – einen signifikanten Anteil hatten (Kochanowicz 2013). Von großer Bedeutung waren auch die Eheschließungen von Piasten mit deutschen Fürstinnen: Mieszkos I. zweite Frau war Oda von Haldensleben, eine Tochter Dietrichs, des Markgrafen der Nordmark. Bolesław Chrobry war mit Töchtern der Markgrafen von Meißen vermählt (einer uns namentlich nicht bekannten Tochter Rikdags von Meißen und Oda, einer Tochter Ekkehards I.). Mieszko II. ehelichte Richeza, eine Tochter des Pfalzgrafen von Lothringen Ezzo. Das erleichterte den Zustrom von deutschen Geistlichen und Fachleuten. Zu diesen gehörten unter anderem der aus dem Rheinland stammende Goldschmied Mieszkos III., Konrad, sowie uns namentlich nicht bekannte Baumeister, denen wir unter anderem Sakralbauten im Stil deutscher Vorbilder der romanischen Architektur wie etwa die Benediktinerabtei in Mogilno oder das Kollegiatsstift von Tum in der Nähe von Łęczyca verdanken (Zybura 2001, S. 5ff.). An den genannten Beispielen wird erkennbar, dass mit dem Transfer von Gütern auch ein intensiver Transfer von kulturellen und technologischen Modellen einherging.
Die Anfänge der deutschen Siedlung in Polen werden auf das 12. Jh. datiert, ein deutlicher Anstieg der Zahl von SiedlerInnen aus dem deutschen Sprachraum erfolgte an der Wende vom 12. zum 13. Jh., als infolge des Bevölkerungswachstums auf dem Land und in den Städten Westeuropas das Problem der Übervölkerung akut wurde. Die Lösung bestand in der Migration von Bauern, Handwerkern und Kaufleuten in den Osten des Kontinents. Gleichzeitig wurden in den polnischen Gebieten ab Anfang des 13. Jhs.
Zuwanderer durch Privilegien dazu ermuntert, sich in schwach bevölkerten Regionen anzusiedeln. Einen zusätzlichen Faktor für die Anwerbung von SiedlerInnen bildeten die Verwüstungen und der Bevölkerungsrückgang infolge des Tatarenüberfalls im Jahr 1241. Vorreiter der Ostsiedlung in Schlesien war Heinrich I., dessen Politik einen wahren Wirtschaftsboom auslöste und später von anderen Grundherren nachgeahmt wurde. Unter den ZuwanderInnen dieser Zeit sind vor allem die Deutschen, aber auch Wallonen und Juden zu erwähnen. Es wird geschätzt, dass im 13. Jh. rund 100.000 SiedlerInnen in die polnischen Gebiete kamen, die sich verschiedener Varianten der deutschen Sprache bedienten. Sie ermöglichten nicht nur die Bewirtschaftung von brachliegendem Ackerland, sondern trugen auch zur Verbreitung von auf polnischem Territorium bis dahin unbekannten Techniken und Werkzeugen bei. Die Zugezogenen brachten neue kulturelle Modelle, Kompetenzen und Technologien.
In einigen städtischen Zentren – darunter Krakau, Legnica, Olkusz oder Złotoryja – wie auch in den deutschsprachigen Städten des Deutschordensstaats bildete die deutsche Bevölkerung die Einwohnermehrheit. Die Zugezogenen polonisierten sich mit der Zeit, was allerdings in geringerem Maße für die Kaufleute galt, die durch die Pflege der deutschen Kultur umfassendere Handelskontakte aufrechterhalten konnten. Einer der deutschen Kaufleute war der in Krakau ansässige Nikolaus Wirsing der Jüngere, in der polonisierten Fassung bekannt als Mikołaj Wierzynek. Der Kaufmann und Krakauer Ratsherr ging als Veranstalter eines großen Festessens während des Krakauer Fürstentags 1364 in die Geschichte ein (Ihnatowicz et al. 1988, S. 179ff.). Die gute Zusammenarbeit wurde bisweilen gestört, etwa durch den sogenannten Aufstand des Vogtes Albert (1311/1312) gegen Władysław I. Ellenlang. Der Vogt und das deutsche Bürgertum unterstützten den böhmischen Kandidaten auf den polnischen Thron, doch der Aufstand wurde niedergeschlagen und diejenigen deutschen BürgerInnen, die kein Polnisch sprachen, wurden exemplarisch bestraft. Gleichzeitig holten aber sowohl Władysław I. als auch sein Sohn Kasimir der Große neue deutsche SiedlerInnen ins Land.
Mit dem Zustrom deutscher Bevölkerungsgruppen erfolgte auch die Rezeption des deutschen Rechts (ius theutonicum), dessen Modelle man aus verschiedenen deutschen Städten bezog, meist aber aus Magdeburg. Für die Küstenstädte war Lübeck das Vorbild, das in dieser Hinsicht aber geringere Bedeutung besaß als Magdeburg. Sehr oft wurden neue Dörfer und Städte nach Magdeburger Recht gegründet, mitunter wurde es auch von bereits existierenden Dörfern und Städten übernommen, in denen keine deutschen SiedlerInnen lebten. Aus diesem Grund kann das deutsche Recht nicht mit deutscher Einwohnerschaft gleichgesetzt werden. Das Magdeburger Recht garantierte persönliche Freiheit, wirtschaftliche Privilegien sowie eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Gründung beruhte auf der Zuteilung von Erbpachtparzellen an die Siedler, für die sie einen Pachtzins zu entrichten hatten; charakteristisch für das Magdeburger Recht war eine spezifische Organisation des Stadtraums, die für neu gegründete Siedlungen eine bestimmte Ordnung vorsah: einen rechteckigen Marktplatz mit Rathaus, ein regelmäßiges Netz rechtwinklig vom Marktplatz abgehender Straßen, eine Pfarrkirche an jeder Ecke des Markts und eine Stadtmauer (für deren Errichtung und Verteidigung die städtischen Zünfte verantwortlich waren). Im Unterschied dazu gingen in den Hansestädten gemäß dem Lübecker Recht die Straßen rechtwinklig vom Ufer ab, eine davon war breiter als die anderen und fungierte als Markt. In ganz Mitteleuropa ist der Grundriss der nach deutschem Recht gegründeten Städte meist bis heute erhalten. Ein weiteres Element der Gründung war der Bezug auf das Rechtssystem einer anderen, früher gegründeten Stadt (im polnischen Fall meist Magdeburg), was im Falle von Gerichtsverfahren bedeutete, dass man sich auf Präzedenzfälle aus der betreffenden Stadt berief. Später wurden Städte oft nach einer lokalen Variante des Magdeburger Rechts gegründet, das heißt nach dem in Polen meist angewandten Kulmer Recht (poln. prawo chełmińskie), was zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren und zu größerer Unabhängigkeit vom fernen Magdeburg beitrug.
Im Zuge der rechtlichen Verselbständigung der polnischen Städte im 13. Jh. entstanden rund 30 Gerichte nach deutschem Recht und im Jahr 1356 gründete Kazimierz III. den Oberhof des deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau (Bogucka, Samsonowicz 1986).Im Laufe der Zeit wurde dieses Gesetzeswerk ergänzt, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden einige Übersetzungen ins Lateinische und Polnische (zu nennen wären in diesem Zusammenhang unter anderem der Stadtschreiber Konrad von Sandomir, 1359; Jan Łaski, 1506; Jan Cervus Tucholczyk, 1531; Paweł Szczerbic, 1581, sowie einige Arbeiten von Bartłomiej Groicki aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs.). Das auf dem Magdeburger Recht basierende Stadtrecht wurde in der Rzeczpospolita bis zum Ende des 18. Jhs. angewandt und war landesweit von großer Bedeutung, weil es etwa mit dem Wechsel und dem Handelsrecht neue Finanzinstrumente und Rechtsgebiete einführte.
Nach und nach integrierte sich die Wirtschaft Polens in den europäischen Handel. Dies geschah im Zuge des Beitritts eines Teils der Ostseestädte zur Hanse, des von Lübeck angeführten Städtebunds, der zwischen dem 13. und dem 17. Jh. den gemeinschaftlichen Handel zwischen der Ostseeregion und Westeuropa organisierte. Die Hanse war in sogenannte Quartiere unterteilt: das rheinisch-westfälische (unter anderem Duisburg, Deventer), das sächsische (unter anderem Braunschweig, Dortmund, Soest), das wendische (unter anderem Frankfurt an der Oder, Greifswald, Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund, Stettin) und das preußisch-livländische (unter anderem Danzig, Thorn, Tallinn, Riga). Der Hanse gehörten auch weit im Binnenland gelegene Städte wie Krakau oder Köln an, die eine Ausweitung der Handelskontakte in entferntere Regionen ermöglichten. Die Hanse besaß außerdem Kontore – unter anderen in Bergen, Brügge, London und Nowgorod – und stand in Handelsbeziehungen mit vielen anderen Städten, in Polen unter anderem mit Kalisz, Lemberg, Posen, Sandomir und Warschau. Ihre größte Blüte erlebte die Hanse in der ersten Hälfte des 15. Jhs., als dem Bund über 160 Städte angehörten. Infolge der wachsenden Konkurrenz insbesondere durch englische und niederländische Kaufleute sowie der zunehmend gegensätzlichen Interessen ihrer Mitglieder traten nach und nach immer mehr Städte aus der Hanse aus. Im Jahr 1669 fand in Lübeck der letzte Hansetag statt. Das Wirken der Hanse steigerte den Wohlstand der Mitgliedsstädte und förderte zur Intensivierung von Handelsbeziehungen sowie die Entwicklung der Landwirtschaft in den umliegenden Regionen (Samsonowicz 1981, S. 248f.).
Über den Ostseeraum hinaus, in dem die Hanse aktiv war, beteiligten sich ab dem 14. Jh. auch die südlich gelegenen polnischen Gebiete in zunehmendem Maße am internationalen Handel. Ermöglicht wurde dies durch die Einnahme der galizisch-wolhynischen Rus durch Kasimir III. in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. Damals wurden unter anderem Lemberg und Kamieniec annektiert und anschließend auf Magdeburger Recht gegründet. Nachdem 1453 die Türken Konstantinopel erobert und die Kontrolle über den Bosporus übernommen hatten, kam der genuesische Seehandel auf diesem Weg zum Erliegen. Der Handelsweg vom Osten über Kaffa nach Westeuropa musste aufs Festland verlegt werden und verlief seitdem über polnisches Territorium. Mit der Ausweitung des Staatsgebiets erweiterte sich auch die Reichweite der deutschen Kolonisation, auch deutsche Kaufleute reisten nun in den Osten.
Ein Schlüsselmoment in der neuzeitlichen Geschichte der polnischen Wirtschaft war 1466 die Annexion von Pommerellen und Danzig als sogenanntes Königlich Preußen infolge der Niederlage des Deutschen Ordens im Dreizehnjährigen Krieg (1454‒1466). Von diesem Zeitpunkt an kontrollierte Polen den gesamten Lauf der Weichsel sowie mit Danzig den wichtigsten Hafen der Rzeczpospolita. Am Ende des 16. Jhs. liefen 80 % der Ausfuhren von polnischem Getreide, dem wichtigsten Exportgut der Rzeczpospolita über diesen Hafen. Danzig war auch eines der wichtigsten Zentren der Handwerksproduktion im Land. Zu den großen preußischen Städten gehörten darüber hinaus Elbing und Thorn, die ebenfalls bedeutende Zentren der Handwerksproduktion und des Handels waren. Gleichzeitig erhielt Preußen, vor allem wegen der Finanzierung des Kriegs gegen den Deutschen Orden, im Zuge der Inkorporation von 1454 vom König zahlreiche Privilegien, die der Provinz und ihren Städten weitgehende Autonomie garantierten. Erst im 16. und 17. Jh. wurde diese unter anderem durch die monetäre und parlamentarische Union eingeschränkt (Hoszowski 1960, S. 38). Ende des 15. Jhs. begann – im Zusammenhang mit dem Beginn einer Phase der Prosperität im polnischen Außenhandel sowie der Notwendigkeit einer weiteren Erschließung von wildem Land zur Vergrößerung des Exportpotenzials – eine neue Welle des Zustroms deutscher SiedlerInnen nach Polen (Samsonowicz 2013).
Ähnlich wie in früheren Fällen brachten die SiedlerInnen neues Knowhow ins Land. In diesem Kontext ist an die deutschen Drucker zu erinnern, etwa an Kasper Straube aus Bayern, der 1473 (mithin kurz nach der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im Jahr 1450) in Krakau den ersten Druck in Polen produzierte: einen Almanach für das Jahr 1474. Sein Landsmann Johann Haller gründete an der Wende vom 15. zum 16. Jh. das erste Verlagsunternehmen, und der von Haller nach Krakau geholte Kasper Hochfeder gab das ersten Buch in polnischer Sprache heraus: die nicht erhalten gebliebene Geschichte vom Leiden unseres Herrn Jesus Christus (Historia umęczenia Pana Naszego Jezusa Chrystusa). Im Jahr 1506 publizierte er auch das erste illustrierte polnische Buch: die Gesetzessammlung Commune incliti regni Poloniae Privilegium des Großkanzlers Jan Łaski, den ersten Versuch einer Kodifizierung des polnischen Rechts. Ungefähr zur selben Zeit arbeitete in Krakau ein weiterer Deutscher, Conrad Celtis, der gegen Ende der achtziger Jahre des 15. Jhs. dort die literarische Gesellschaft Sodalitas Litteraria Vistulana gründete, in der sich zahlreiche für die Entwicklung der Renaissance in Polen wichtige DenkerInnen versammelten (Zybura 2001, S. 4ff.).
Am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, das heißt vom 15. zum 16. Jh., war das Königreich Polen für Europa ein wichtiger Mittler im Handel zwischen Osteuropa, dem Orient und den westeuropäischen Staaten, denn es lag an der Grenze von vier Produktionszonen: dem Handwerk Westeuropas, der Land- und Forstwirtschaft der Ostseeregion, der Viehzucht des Schwarzmeerraums und des Bergbaus der Karpaten. Aus der Rzeczpospolita wurden vor allem Getreide (hauptsächlich Roggen), Holz und Forstwirtschaftsprodukte sowie Ochsen exportiert. Letztere wurden überwiegend in der Ukraine, Podolien und der Bukowina gezüchtet, und jährlich trieb man rund 40.000 bis 60.000 Stück teilweise bis nach Nürnberg und Worms oder auf die berühmten Viehmärkte in Buttstädt bei Weimar. Importiert wurden Tuche und Textilien, Wein, Metallprodukte, Papier, Farben, Wurzeln cetera. Ein wichtiger Ort für Handelskontakte, an dem sich Kaufleute aus vielen europäischen Ländern begegneten, waren die Jahrmärkte – unter anderem in Krakau, Sandomir, Kazimierz Dolny, Płock, Thorn, Jarosław, Przemyśl, Gnesen, Lemberg, Lublin oder Wilna (Stefańczyk 2010b, S. 39ff.). Im Tagebuch von Martin Gruneweg, einem aus einer lutheranischen und in Danzig ansässig gewordenen Kaufmannsfamilie stammender Katholik, der wie viele andere Danziger Polnisch sprach und viel herumkam, finden sich Belege für die Präsenz von Deutschen und zahlreichen anderen Nationalitäten in Lemberg:
In dieser Statt ist kein wunder wie tzue Venedig, auf ihrem Marktae, alle tage auch aus aller welt örtter folk beyderr pershonen in ihres landes kleidunge tzusehen, die Ungern in ihren kleinen magerchen, die Kozaken in ihren grossen kutzmen. Die Moßkwitter in ihren weyssen ßepken, die Turcken in ihren weyssen tzolmen. Diese in ihrer langen kleidunge, wieder die Deutzen, Welschen, Frantzöser, Hisspanier in ihrer kuertzen. Es sey einer was tzunge err wolle, er findet hie [in Lemberg – BDS] seine sprache (Zitiert nach: Pod wspólnym niebem, S. 259 – A.d.Ü.: Wortlaut des deutschsprachigen Originals zitiert nach: Bues 2008, S. 653f.).
Aufgrund des Erhaltungszustands der Quellen lässt sich das genaue Volumen des Handels zwischen der Rzeczpospolita und den deutschen Ländern nicht genau bestimmen. Sicherlich war die Handelsbilanz im 16. und 17. Jh. aber ausgeglichen. Erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jhs. entwickelte sich eine Disproportion zu Ungunsten Polens (Bömelburg et al. 2014, S. 46). Der Export von Agrarerzeugnissen, Holzproduktion und Rohstoffen brachte der Rzeczpospolita zunächst große Gewinne, weil die Preise für Nahrungsmittelprodukte im 16. Jh. schneller stiegen als die Preise für Handwerkserzeugnisse. In dieser Zeit entstand auch der Mythos von Polen als der Kornkammer Europas. Diese Form der wirtschaftlichen Spezialisierung führte allerdings zu einer Zunahme der Leibeigenschaft und langfristig letzlich auch zur Stagnation der polnischen Wirtschaft.
Gleichwohl boten aber die zunehmend engen Handelskontakte einen Anreiz, sich in der Rzeczpospolita anzusiedeln. Zu den deutschen SiedlerInnen gehörte unter anderem der aus Ungarn gekommene Johann Thurzo, der über Krakau Kupfer aus ungarischen Bergwerken nach Danzig exportierte und in der Nähe von Krakau Kupfer- und Silberhütten errichtete. Auch Paul Kaufmann betrieb in der ersten Hälfte des 16. Jhs. eine große Metallproduktion. Großen Ruhm erlangten in den achtziger Jahren des 15. Jhs. die aus der deutschen Pfalz nach Krakau gekommenen Hans und Severin Boner. Sie führten eines der damals größten Handels- und Bankhäuser in Polen, handelten mit den deutschen Ländern, Ungarn und Italien. Sie unterhielten Handelsbeziehungen zu den Krakauer Betmans, Thurzos, zu Paul Kaufmann und den berühmten Fuggern. Die Boners befassten sich auch mit Bergbau, sie besaßen riesige Landgüter, darunter die Burg Ogrodzieniec. Das in den von Hans Boner geführten Bergwerken in Olkusz geförderte Blei wurde in böhmische und sächsische Hütten exportiert. Die Boners führten außerdem Rechnungsbücher, womit sie de facto die Funktion von Schatzmeistern erfüllten und zur Entwicklung des polnischen Finanzwesens beitrugen. Als Bankiers mehrerer polnischer Könige – Kasimirs des Jagiellonen, Johann I. Albrechts, Alexanders I. sowie vor allem Sigismunds des Alten – finanzierten sie die Kriege gegen den Deutschen Orden. Großen Einfluss auf den polnischen Geldmarkt hatte in dieser Zeit der aus dem Elsass stammende Diplomat und Ökonom Jost Ludwig Dietz, der zunächst Sekretär Hans Boners und später Sigismunds des Alten war. Als königlicher Münzverweser verantwortete er in den Jahren 1526‒1528 eine grundlegende Reform des polnischen Münzwesens und war Mitbegründer der Währungsunion zwischen dem Königreich Polen und Königlich Preußen. In einem Disput mit Dietz über die Grundlagen der Geldemission formulierte Nikolaus Kopernikus damals das Prinzip, dass schlechteres Geld das bessere verdränge (Bömelburg et al. 2014, S. 43ff; Molenda 1981, S. 46f; Popioł-Szymańska 1978, S. 28ff.).
Gerade die Wechselbeziehungen im Bereich des Geldes und die Finanzverbindungen zwischen der Rzeczpospolita und den deutschen Ländern wurden in der Geschichtsschreibung oft übersehen. Die Region Mitteleuropa spielte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eine wichtige Rolle bei der Förderung von Silber und der Herstellung von Münzen, die anschließend in vielen Ländern der Region in Umlauf kamen. Von großer Bedeutung waren die Silbervorkommen im zum Heiligen Römischen Reich gehörenden Böhmen. Vom 15. Jh. bis in die erste Hälfte des 16. Jhs. wurde in Kutná Hora Silber abgebaut und der sogenannte Prager Groschen geprägt. Anfang des 16. Jhs. wurden in Jáchymov im Erzgebirge Silbervorkommen entdeckt, und man begann mit der Emission einer großen Münze, für die sich nach dem Ort der Emission der Name Taler etablierte. Mit der Zeit wurde der Name auch auf große Silbermünzen anderer Prägestätten übertragen, noch später wurde daraus der Dollar. Diese Münzen waren auch Teil des Geldumlaufs in Polen. Die polnischen Münzordinationen vom 16. bis zum 18. Jh. orientierten sich oder banden explizit den polnischen Münzfuß, das heißt die Zahl aus einer bestimmten Menge Edelmetall geschlagenen Münzen, an den kaiserlichen Münzfuß, was den Münzumlauf in einem großen Gebiet vereinfachte. Aus Funden polnischer und deutscher Münzen lässt sich schließen, dass sie auf beiden Territorien im Umlauf waren und für einen gewissen Zeitraum lässt sich sogar eine Äquivalenz zwischen preußischen und polnischen Münzen nachweisen. Ein Ereignis, dass die engen Beziehungen zwischen den Geldmärkten der Rzeczpospolita und des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation veranschaulichte, war die sogenannte Kipper- und Wipperkrise der Jahre 1618‒1622. Als Folge der Lockerung der kaiserlichen Kontrolle des Münzwesens gegen Ende des 16. Jhs., vor allem aber der durch den Dreißigjährigen Krieg (1618‒1648) ausgelösten Inflation wurden in großen Mengen Münzen aus immer unreinerem Silber emittiert. Das traf auch das polnische Geld, das abgewertet werden musste. Die Verbindungen im Geldwesen waren selbstverständlich ein Spiegelbild der Handelsbeziehungen zwischen den Ländern (Drozdowski 1998. S. 104ff.; Dziewanowski-Stefańczyk 2016).
In der ersten Hälfte des 17. Jhs. unterhielten Posener Kaufleute die engsten Beziehungen zu Nürnberg, Hamburg und Leipzig, und 90 % der Informationen über den Posener Auslandshandel in dieser Zeit betrafen Kontakte nach Deutschland und Schlesien. In Krakau indes trieb man seinerzeit beispielsweise Handel mit Breslau, Nürnberg und Leipzig. Das Deutsche war damals im östlichen Nordeuropa die Lingua franca des internationalen Handelsverkehrs (Guldon, Wijaczka 2002, S. 181f.; Ihnatowicz et al. 1988, S. 179ff.). Im Zusammenhang mit dem Handel waren deutsche und polnische Territorien auch durch Finanztransaktionen miteinander verbunden. Als Eingangstor zur Rzeczpospolita war Danzig das wichtigste Handels- und Finanzzentrum und gleichzeitig der einzige Markt für bargeldlosen Zahlungsverkehr im Ostseeraum. Durch Kredite und bargeldlose Transaktionen war es vor allem mit Amsterdam, Hamburg, Augsburg, Frankfurt am Main, Leipzig und Nürnberg verbunden (Denzel 2013, S. 206ff.).
In der ersten Hälfte des 18. Jhs. verschlechterte sich einerseits das Verhältnis zu Brandenburg, das den polnischen Handel durch ein System von Zöllen erschwerte, während sich andererseits die Wirtschaftsbeziehungen mit Sachsen intensivierten. Die sächsische Zeit wird überwiegend mit dem Niedergang des politischen Systems assoziiert, darunter völlig zu Recht mit dem Zerfall des polnischen Parlamentarismus in der Herrschaftszeit Augusts III. Zugleich versuchte man allerdings, die Wirtschaft nach den Verwüstungen der „schwedischen Sintflut“ (1655‒1660) und dem Nordischen Krieg (1700‒1721) wiederaufzubauen, und ab den zwanziger Jahren des 18. Jhs. zeigen sich Anzeichen einer wirtschaftlichen Belebung. August II. begann den Umbau Warschaus, es wurde eine Reform der Kammergüter durchgeführt und ein Ausschuss für die Einnahmen der Krone (Komisja Skarbowa) gegründet, der als sächsische Kammer (kamera saska) bekannt wurde. Während des stummen Sejms von 1717 gelang es unter anderem, den ersten Militärhaushalt einzuführen. Wieder erschienen deutsche Kolonisten, unter anderem wurden in den Dörfern um Posen Bamberger (die sogenannten Bambrzy) angesiedelt und nach Großpolen und Königlich Preußen kamen weitere Niederländer. Die großpolnische Tuchmacherei und Textilindustrie erlebte einen neuen Entwicklungsschub durch den Zustrom schlesischer WeberInnen, die sich schon während des Dreißigjährigen Kriegs in der Rzeczpospolita angesiedelt hatten. Sächsische Fachleute reaktivierten auch die Salzbergwerke. Der eine merkantilistische Politik verfolgende August II. versuchte überdies, den Handel zwischen der Rzeczpospolita und Sachsen zu beleben, was durch die fehlende gemeinsame Grenze und die hohen österreichischen und preußischen Zölle erschwert wurde. Trotzdem wurde 1729 ein sächsisch-polnisches Zollabkommen geschlossen, das eine Steigerung des Handelsvolumens zwischen den beiden Staaten ermöglichte – eine wichtige Rolle spielten dabei die Städte Leszno, Wschowa und Gubin. Vor allem jüdische Kaufleute aus der Rzeczpospolita – insbesondere aus den drei genannten Städten – besuchten die Leipziger Messe (Drozdowski 1998.). Während der Herrschaftszeit der Wettiner wurden darüber hinaus zahlreiche Reformpläne vorgestellt, die allerdings wegen der Sejm-Blockade erst unter der Herrschaft Stanislaus II. August Poniatowskis – zumindest teilweise – umgesetzt werden konnten. Die Herrschaftszeit der Wettiner markierte auch den Beginn der Aufklärung in der Rzeczpospolita, die unter anderem durch die damals entstehende Presse getragen wurde. Zu ihren Mitbegründern und Förderern gehörte der aus Württemberg stammende Lorenz Christoph Mizler (de Kolof), Herausgeber der ersten polnischen Wissenschaftszeitschriften: Warschauer Bibliothek, Acta litteraria und Monitor. Mizler beschrieb die damaligen deutschen EinwanderInnen so:
Die Deutschen sind für Polen nöthiger als die Herren Franzosen, die, wenn sie etwas gesammelt haben, gern nach Frankreich zurückgehen, hingegen der ehrliche und standhafte Deutsche, wenn er siehet, daß er was vor sich bringen kann, sich gern ansäßig macht, und zum wahren Einwohner des Landes wird, wovon die Republik weit mehr Nutzen hat (Zitiert nach Zybura 2001, S. 95– A.d.Ü.: Deutscher Wortlaut nach Ruchniewicz, Zybura 2005, S. 96).
Ein gewisser Beleg für die positive Wahrnehmung der Wettiner war ihre Ernennung zur Erbdynastie in der Verfassung vom 3. Mai sowie zu Herzögen in der Zeit des Herzogtums Warschau.
Brandenburg-Preußen, das im 16. und 17. Jh. die Kontrolle über Herzoglich Preußen, das ein polnisches Lehen war, gewonnen hatte, wurde 1701 zum Königreich Preußen. Der junge, aber überaus effizient verwaltete preußische Staat verschaffte sich eine immer stärkere Position in der Region – auf Kosten der Rzeczpospolita, auf deren innere Situation er zunehmenden Einfluss auszuüben versuchte. Ein Beleg dafür war der – letztlich nicht vollständig ratifizierte – Allianzvertrag der drei Schwarzen Adler (Traktat Loewenwolda) von 1732, in dem sich Österreich, Preußen und Russland auf eine gemeinsame Position zu den bevorstehenden Königswahlen in Polen einigten. Durch Kontakte zur in der republikanischen Partei um die Familie der Potockis gruppierten Opposition destabilisierte Preußen das parlamentarische System durch den Abbruch oder die Blockade der folgenden Sejmberatungen und verhinderte auf diese Weise die Durchsetzung von Reformen. Ein Schlüsselmoment war der Siebenjährige Krieg (1756‒1763), der fast zum Untergang Preußens führte, das aber durch das sogenannte Mirakel des Hauses Brandenburg – den Tod der russischen Kaiserin Elisabeth – gerettet wurde. Während des Kriegs besetzte die preußische Armee Sachsen und gelangte in den Besitz der Originalstempel zur Herstellung polnischer Münzen. Ab diesem Moment produzierte Friedrich II., der schon seit den 1740er Jahren polnisches Geld kopiert hatte, ungeheure Mengen von falschen polnischen Münzen, die den echten täuschend ähnlich sahen, aber wesentlich weniger Silber enthielten. Dies führte zum einen zu einer ernsten monetären Krise in der Rzeczpospolita, wovon die Tatsache zeugt, dass der preußische Profit aus der Falschgeldherstellung rund 200 Millionen Złoty betrug, das heißt das 25-fache des damaligen polnischen Staatshaushalts. Zum anderen ermöglichte dieser Profit Preußen die Finanzierung eines Großteils der Kosten des Siebenjährigen Kriegs (Hoensch 1973, S. 41f.). Zusätzliche Verluste entstanden dem polnischen Fiskus, als Preußen als Reaktion auf die durch den Konvokationssejm 1764 eingeführten Generalzoll rechtswidrig eine Zollkammer in Marienwerder einrichtete, um Zölle für über die Weichselroute transportierte polnische Waren zu erheben. Die Expansion Preußens mündete schließlich in die erste polnische Teilung 1772, zu der die preußische Diplomatie Russland und Österreich bewegt hatte. Preußen erhielt zwar das mit 36.000 km2 kleinste Gebiet mit lediglich 580.000 EinwohnerInnen, aber zugleich auch das wirtschaftlich am besten entwickelte (die Woiwodschaften Pomorze, Malbork, Chełmno, das Fürstbistum Ermland sowie Teile der Woiwodschaften Poznań, Gniezno, Inowrocław und Brześć Kujawski).
Von da an kontrollierte Preußen den Handelsverkehr auf der Weichsel (es hatte nur Danzig nicht besetzt), während Brandenburg sich mit Herzoglich Preußen verband. Unmittelbar nach der Annexion dieser Gebiete schrieb Friedrich II. in einem Brief an seinen Bruder Prinz Heinrich:
Es ist eine sehr gute und vorteilhafte Erwerbung, sowohl hinsichtlich der politischen Lage des Staates [Preußen – BDS], als auch betreffs der Finanzen; aber um weniger beneidet zu werden, sage ich jedem, der es hören will, daß ich auf meiner Reise nur Sand, Tannen, Heidekraut und Juden gesehen habe (Zitiert nach Bömelburg, Barelkowski, 2011, S. 90).
Der König war sich also der großen wirtschaftlichen Bedeutung der annektierten Gebiete sehr wohl bewusst, wenngleich er sie in seiner Propaganda abschätzig beschrieb, sie mit dem „wilden“ Kanada verglich und als wertlos darstellte. An dieser Stelle sei auch an die Rückwirkung in die andere Richtung erinnert. Der aus der polnischen Schlachta stammende Johann Ernst Gotzkowsky (Gockowski) kam 1724 nach Berlin, wo er eine Firma gründete und später zum königlichen Hoflieferanten wurde. Im Auftrag Friedrichs II. kaufte er Gemälde für die in Schloss Sanssouci entstehende Bildergalerie. Außerdem gründete er eine Seiden- und eine Porzellanmanufaktur. Letztere wurde 1763 vom König aufgekauft und später als Königlich-Preußische Porzellanmanufaktur berühmt (Bömelburg et al. 2014, S. 49).
Die ältere deutsche Geschichtsschreibung beschreibt die Politik Preußens als Modernisierung im Geiste des aufgeklärten Absolutismus. Nach 1772 wurden in den annektierten Gebieten neue Verwaltungsstrukturen und neue Steuern eingeführt, die allerdings den Abfluss von Finanzmitteln aus der Provinz zur Folge hatten. Verwendet wurden sie für den Ausbau der preußischen Armee und für den Bau der Festung in Grudziądz. Nach der dritten Teilung von 1795, in deren Folge Preußen vorübergehend die Herrschaft über den größten Teil des heutigen polnischen Staatsgebiets übernahm, wurde in diesen 1797 das preußische Allgemeine Landrecht eingeführt, das unter anderem den protestantischen Kleinadel privilegierte und die Rechte des katholischen Kleinadels beschnitt, indem es ihm etwa die Selbstverwaltung untersagte. Die Politik der Kreditierung der Landwirtschaft führte überdies zu einer signifikanten Verschuldung dieser sozialen Gruppe. Die territorialen Neuerwerbungen waren für Berlin vor allem eine Quelle zusätzlicher Steuergewinne sowie Hinterland für die Rekrutierung von Soldaten. Die Städte Danzig und Thorn wurden durch die Marginalisierung als Handelsplätze in den wirtschaftlichen Ruin getrieben – Preußen favorisierte den Weichselhandel über Elbing und baute den Bromberger Kanal, über den Getreide nach Stettin transportiert wurde. Beide Städte wurden erst im Zuge der zweiten Teilung von 1793 von Preußen einverleibt. Die Teilungen führten im 18. Jh. auch zu einer Entvölkerung Warschaus, dessen Einwohnerzahl von 100.000 in der Poniatowskizeit auf 65.000 im Jahr 1800 zurückging. Eine neue Erfahrung für die Berliner Regierung war die Übernahme von Gebieten mit jüdischer Bevölkerung, von der ein Teil anschließend ausgesiedelt wurde.
Wie Hans-Jürgen Bömelburg in seiner Studie über das königliche Preußen zeigt, kann für die Jahre 1772‒1806 von einer Modernisierung der in den preußischen Staat eingegliederten polnischen Gebiet kaum die Rede sein. Die preußische Politik änderte nichts an der auf landwirtschaftliche Produktion gegründeten Wirtschaftsstruktur, sie verstärkte die Position der Schlachta auf Kosten des damals vergleichsweise bedeutsamen Bürgertums, führte Danzig und Thorn in die Krise und steigerte signifikant den Anteil des staatlichen Sektors an der Gesamtwirtschaft (Bömelburg 1995). Im Endeffekt wurde angesichts der bis zu den Teilungen reichenden antipolnischen Politik Preußens im polnischen Bewusstsein Preußen, und nicht Sachsen, mit Deutschland identifiziert und dominierte das Bild der deutsch-polnischen Beziehungen (→ Kreuzritter, (Topolski 1991, S. 67). Anders gestaltete sich die Situation in den im Zuge der ersten Teilung an Österreich gefallenen Gebieten, in denen die josephinischen Reformen umgesetzt wurden, die zahlreiche Lebensbereiche betrafen (Verwaltung, Kirche, Armee, Schulwesen usw.) und unter anderem die rechtliche Lage der Bauern verbesserte.
Das preußische Teilungsgebiet war für Preußen und später für das Deutsche Kaiserreich Lieferant eines Großteils seiner landwirtschaftlichen Produkte, weshalb dieses Territorium im Grunde nicht industrialisiert wurde. Es entwickelte sich aber eine mit der Landwirtschaft verbundene Industrie – etwa die Produktion von Kunstdüngern, verarbeitende Betriebe und die Produktion von Landmaschinen –, allen voran der Posener Betrieb von Hipolit Cegielski. Die Industrie profitierte unter anderem von der Abschaffung des Zunftzwangs sowie von Einschränkungen, die aus Monopolen resultierten (etwa für die Produktion von alkoholischen Getränken). Die Entwicklung der großpolnischen Industrie wurde durch die Konkurrenz der preußischen Westprovinzen erschwert, infolge derer unter anderem die Tuchmacherei im – seinerzeit als Westpreußen bezeichneten – ehemaligen Königlich Preußen einen Niedergang erlebte. Positiv hervorzuheben ist hingegen der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im preußischen Teilungsgebiet durch Landstraßen und ein dichtes Eisenbahnnetz, das sich bis heute von dem in anderen Regionen Polens unterscheidet (Jasiński 2011, S. 48f.).
Für die wirtschaftliche Entwicklung des vereinten Deutschland erwies sich die Immigration aus den polnischen Gebieten als überaus bedeutsam. Der hohe Bevölkerungszuwachs in diesen Gebieten verursachte ein wachsendes Angebot an Arbeitskräften, das die lokale Wirtschaft nicht ausnutzen konnte, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führte. Gleichzeitig trat der westliche Teil Deutschlands, darunter vor allem das Ruhrgebiet, in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. in eine Phase der intensiven Industrialisierung, weshalb die Nachfrage nach ArbeiterInnen stieg. Als Konsequenz migrierten Polen aus dem preußischen Teilungsgebiet massenweise nach Deutschland, was als „Ostflucht“ bezeichnet wurde. Die meisten EmigrantInnen siedelten sich im Ruhrgebiet an. Im Jahr 1902 stellten die Polen in Westfalen 11 % der Gesamtbevölkerung und waren damit die zahlenmäßig stärkste Minderheit. Ein zweiter Anlaufpunkt für die Polen in Deutschland war Berlin, wo die Zahl der polnischen EinwohnerInnen systematisch wuchs – von einigen Tausend im Jahr 1870 bis auf fast 100.000 vor Beginn des Ersten Weltkriegs (→ Deutsche in Polen). In ganz Deutschland lebten 1914 dauerhaft mehr als 680.000 Polen (die Masuren eingerechnet). Nach 1900 waren 98 % dieser Gruppe ArbeiterInnen (in Westfalen waren 1905 33,69 % der Bergleute Polen). Neben der dauerhaften Emigration kamen vor dem Ersten Weltkrieg jährlich mehr als 200.000 polnische SaisonarbeiterInnen aus den österreichischen und russischen Teilungsgebieten nach Deutschland. Die meisten von ihnen arbeiteten in Sachsen – daher stammt die bis heute gebräuchliche polnische Redewendung „jechać na saksy“ („als Saisonarbeiter im Ausland arbeiten“). Im Zuge der polnischen Zuwanderung entstanden in Deutschland polnische Banken und polnische Handelsvertretungen. Für die Regionen, aus denen die EmigrantInnen stammten, waren die von ihnen geleisteten Geldtransfers in die Heimat von großer Bedeutung (Łuczak 1988, S. 95ff.).
Im preußischen Teilungsgebiet existierte in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. eine ökonomische Rivalität zwischen Polen und Deutschen, die sich im Schlagwort „swój do swego po swoje“ (sinngemäß: „jeder kaufe eigene Produkte bei den eigenen Leuten“) artikulierte und deren Resultat unter anderem 1841 die Entstehung des „Basars“ in Posen war, der das polnische Unternehmertum fördern sollte. Ab dem Beginn des 20. Jhs. ist im preußischen Teilungsgebiet eine Verringerung des deutschen Übergewichts im Handel zu beobachten.
Ein Aspekt der Germanisierungspolitik und des Nationalitätenkonflikts nach der Deutschen Einigung 1871 war der sogenannte Kampf um den Boden. Die deutschen Behörden wollten durch die Förderung der Ansiedlung deutscher Bauern auch den Grundbesitz „germanisieren“. Zu diesem Zweck wurde 1886 ein Siedlungsgesetz verabschiedet, dem eine Reihe weiterer Verordnungen folgten. Das Gesetz von 1886 ermöglichte die Gründung einer mit enormen Mitteln ausgestatteten Ansiedlungskommission, die im polnischen Teilungsgebiet Land aufkaufte, das zu günstigen Konditionen an deutsche SiedlerInnen weitergegeben wurde (letztlich profitierten davon fast 22.000 Familien). Weil die Kommission das Land zu überhöhten Preisen erwarb, kam es zu einem signifikanten Anstieg der Bodenpreise, was den Grunderwerb für potenzielle SiedlerInnen weniger attraktiv machte. Entscheidend war aber, dass mehr als 70 % des Bodens von deutschen BesitzerInnen stammte, obwohl das Ziel der Maßnahme eigentlich darin bestand, die polnischen GrundbesitzerInnen zu verdrängen. Als Reaktion auf die deutsche Siedlungspolitik entstanden polnische Kreditinstitute, die ebenfalls mit Grundbesitz handelten und Kredite an polnische Landwirte vergaben. Letztlich verloren die deutschen Behörden den Kampf um den Boden und der polnische Anteil am Grundbesitz stieg, was nichts an der Tatsache änderte, dass ohnehin der überwiegende Teil des Landes in deutschem Besitz war (Łuczak 1988, S. 52ff.).
Es ist schwer, eine eindeutige Bilanz der deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen im 19. Jh. zu ziehen, weil unklar ist, wie sich die polnischen Gebiete in einem unabhängigen Staat entwickelt hätten, zumal ab den 1760er Jahren sowie kurz vor der zweiten Teilung eine ganze Reihe von Reformen beschlossen worden waren, allen voran die Verfassung vom 3. Mai 1791. Zu den positiven Aspekten der preußischen Politik gehörte die Bauernbefreiung, die in preußischen Teilungsgebieten circa Mitte der 1860er Jahre abgeschlossen war und in deren Folge zwar ein Teil der Bauern neue Arbeit finden musste, doch auch eine produktive Landwirtschaft entstand. Die Folgen der damaligen Veränderungen sind bis heute sichtbar (Morawski 2010, S. 122). Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erwirtschafteten die Gebiete Großpolens und Westpreußens 3,67 % des deutschen Bruttonationaleinkommens, was auf einen geringen Anteil an der Gesamtwirtschaft hindeuten könnte, doch bildeten diese Gebiete einen wichtigen agrarischen Rückhalt für Deutschland.
Die deutsch-polnischen Wirtschaftskontakte waren nicht auf das preußische Teilungsgebiet beschränkt. Im russischen Teilungsgebiet lebten als Folge der überwiegend ländlichen Besiedelung am Vorabend des Ersten Weltkriegs mehr als 500.000 Deutsche. Ein wesentlicher Aspekt der damaligen deutschen Präsenz auf polnischem Territorium war ihr Modernisierungspotenzial. Die größten Städte mit deutschen Bevölkerungsgruppen waren Łódź, Pabianice, Tomaszów, Zgierz und Żyrardów (russisches Teilungsgebiet). Ähnlich wie die polnische Migration nach Deutschland entstanden auch hier in den von Deutschen bewohnten Regionen deutsche Darlehens- und Sparkassen. Im russischen Teilungsgebiet investierten die Deutschen ihr Kapital unter anderem in die Gasindustrie, den Bergbau, die Hüttenindustrie und das Eisenbahnwesen. Ihre Aktivitäten wurden durch ein Anreizsystem für Ausländer erleichtert, das der Finanzminister Franciszek Ksawery Drucki-Lubecki zur Förderung der polnischen Industrie geschaffen hatte (Łuczak 1988, S. 116ff.). Dynamisch entwickelte sich in Kongresspolen überdies die Textilindustrie, woran auch deutsche Fachleute, die technisches Wissen, Verwaltungskompetenz und Handelskontakte mitbrachten, einen wesentlichen Anteil hatten. In der Gegend um Łódź hatten sich schon ab Ende des 18. Jhs. deutsche Kolonisten angesiedelt, und nachdem 1818 Kongresspolen einen liberalen Zollvertrag mit Preußen schloss, wuchs der Zustrom deutscher WeberInnen. In den folgenden Jahren realisierte das Königreich eine zunehmend protektionistische Zollpolitik, was zu einem kurzen Zollkrieg mit Preußen führte. Gleichwohl lässt sich ab den 1820er Jahren die dynamische Entwicklung zahlreicher Textilzentren beobachten, vor allem des multikulturellen Łódź, wo in den 1830er Jahren der aus Sachsen stammende Ludwig Geyer die erste moderne Textilfabrik gründete und damit den größten Produktionsbetrieb in Kongresspolen schuf. In den 1850er Jahren wurde er von Karl Wilhelm Scheibler aus dem Rheinland überflügelt, dem inoffiziellen „Baumwollkönig“ von Polen. Weitere große Industrielle waren unter anderem Traugott Grohman, Oskar Kohn und Izrael Poznański. Bis in die 1860er Jahre wurde Łódź von deutschen Bürgermeistern regiert. Die Erfolgssträhne der Stadt währte bis zum Novemberaufstand (1830–31), als Exporte ins Russische Kaiserreich mit hohen Zöllen belegt wurden. Die nächste Phase der Prosperität fiel in die Jahre nach 1850, als – bis zum Ersten Weltkrieg – die Zollgrenze zu Russland aufgehoben wurde. Polnische Produkte wurden damals sogar nach China exportiert. Viele der in dieser Zeit gegründeten Betriebe arbeiteten noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg, und die bis heute in Łódź erhaltenen Fabriken, Palais und Arbeitersiedlungen sind eindrückliche Belege für die Entwicklung des „Manchesters des Ostens“, das Władysław Reymont in seinem Roman Ziemia obiecana (Das gelobte Land) beschreibt. In der sogenannten Weißen Fabrik (Biała Fabryka) Ludwig Geyers befindet sich heute ein Industriemuseum, im Kohn-Palais die renommierte Lodzer Filmhochschule und im imposanten Poznański- Palast das Museum der Stadt Łódź.
„Polen aus freier Wahl“, das heißt assimilierte Deutsche, waren etwa die EinwohnerInnen Warschaus, über die im 19. Jh. der Warschauer Publizist Antoni Zaleski schrieb: „Die Szlenkier, Temler, Szwede, Pfeifer, Spiess, Brun, Werner, Simmler, Lilpop und Sztrasburger – das ist schon Bein von unserem Bein und Blut von unserem Blut mit einem Einschlag von Arbeitsbewußtsein, Sparsamkeit und deutscher Ausdauer“ (Zitiert nach: Markiewicz, Świątek, Wittels 2012, S. 7). Unter den vielen Familien deutscher Herkunft waren bis heute bekannte wie die Fukier, ein Nebenzweig der berühmten Augsburger Bankiers- und Kaufmannsfamilie Fugger, die Wedel oder die Gebethner. Die Fugger (im Laufe der Zeit wurde der Name zu Fukier polonisiert) waren 1515 nach Polen gekommen und betrieben ab 1810 in Warschau eine Weinstube in einem Haus am Markt der Altstadt. Als während des Zweiten Weltkriegs die Deutschen (!) das Gebäude requirierten, befand sich dort einer der ältesten Weinkeller der Welt (mit Weinen vom Beginn des 17. Jhs.). Nach 1945 fiel die Weinhandlung der Verstaatlichung zum Opfer. Heute befindet sich dort ein privates Restaurant, der Name blieb aber erhalten. Die Wedel stammten aus Thüringen, der erste Angehörige der Familie in Warschau war allerdings der 1845 aus Berlin gekommene Konditor Karl Ernst Heinrich Wedel. Ab diesem Zeitpunkt befasste sich die Familie in Warschau mit der Herstellung und dem Verkauf von Schokolade. Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte der Erbe des Familiengeschäfts, Franciszek Whitehead, in der 308. Jägerdivision der Royal Air Force und anschließend in der Spezialeinheit SOE. Nach dem Krieg wurde die Firma verstaatlicht und in Zakłady Przemysłu Cukierniczego im. 22 Lipca (Zuckerindustriebetrieb 22. Juli) umbenannt, 1960 kam der Zusatz „d. E. Wedel“ (ehem. E. Wedel) hinzu. Nach 1989 wurde das Unternehmen privatisiert, behielt aber, obwohl die Besitzer wechselten, den Namen E. Wedel.
Die Familie Gebethner war im 17. Jh. nach Polen gekommen. Seit 1857 besaß sie eine wissenschaftliche Buchhandlung in Warschau, die ab 1872 den Namen „Gebethner i Wolff“ (Gebethner und Wolff) trug. Im zugehörigen Verlag veröffentlichten berühmte Autoren wie Stanisław Moniuszko, Eliza Orzeszkowa, Bolesław Prus, Władysław Reymont oder Henryk Sienkiewicz ihre Werke. In der Zwischenkriegszeit hatte das Unternehmen Filialen in ganz Polen – im Jahr 1935 stolze 700. Während des Kriegs wurde die Mehrzahl der Immobilien von den Deutschen besetzt, doch Stanisław Gebethner gelang es, Militärbücher für den Untergrund zu vertreiben. Im Jahr 1973 wurde der Verlag nach langer Inaktivität aufgelöst, 1990 aber noch einmal vorübergehend reaktiviert. Es ließen sich mehr Fälle dieser Art nennen. Insgesamt stellten Mitte des 19. Jhs. die Deutschen fast die Hälfte und gegen Ende des Jahrhunderts fast ein Drittel der UnternehmerInnen. Die zweitwichtigste Gruppe waren die jüdischen UnternehmerInnen. Im österreichischen Teilungsgebiet lag die Zahl der Deutschen vor dem Ersten Weltkrieg bei knapp 100.000. Dort wurde deutsches Kapital vor allem in die Erdölindustrie investiert (Markiewicz et al. 2012; Kochanowicz 2013).
Ein eigenes Kapitel sind die deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen während der beiden Weltkriege. Nach den zu Beginn des Ersten Weltkriegs erlittenen Niederlangen transferierten die Russen Geld und andere Einlagen aus den Banken im Königreich Polen nach Russland. Dasselbe geschah mit einem großen Teil der Ausstattung von Industriebetrieben, was die polnische Wirtschaft in den Ruin führte. Von diesem Zeitpunkt an standen die deutschen Gebiete unter deutscher Besatzung. Weil die Industrie weitgehend funktionsuntüchtig war, unterlagen die Männer der allgemeinen Mobilmachung, das Militär requirierte die notwendigsten Gerätschaften sowie Pferde und das ganze Land wurde von den Alliierten mit einer Seeblockade belegt (Mangel an sogenannten Kolonialwaren), was zu einer ernsten Versorgungskrise und zum Aufkommen der verschiedensten Ersatzprodukte führte. Zahlreiche Produkte wurden rationiert (Bezugskartensystem), die Landwirtschaft musste Kontingente abliefern, was unter anderem eine verdeckte Inflation auslöste.
Wegen des Fehlens einer Währung infolge der russischen Evakuierung gründeten die deutschen Behörden in Posen die Darlehnskasse Ost – Ostbank für Handel und Gewerbe, welche den sogenannten Ostrubel emittierte. Im Jahr 1917 wurde die Ostbank nach Kowno verlegt (aus ihr ging später die litauische Zentralbank hervor), während im Königreich Polen die deutschen Behörden die Polnische Landes-Darlehenskasse (Polska Krajowa Kasa Pożyczkowa) gründeten, die eine der Deutschen Mark gleichwertige Polnische Mark emittierte. Die inflationäre Emission dieser Währung diente zur Finanzierung der deutschen Kriegskosten. Um Rekruten zu gewinnen und zusätzlich Russland zu schaden, gründeten die Zentralmächte am 5. November 1916 das Regentschaftskönigreich Polen. Dieses erfüllte ihre Hoffnungen nicht, aber es trug dazu bei, die internationale Aufmerksamkeit auf die polnische Frage zu lenken. In der Bilanz der Kriegsfolgen wird geschätzt, dass nur rund 10 % der wirtschaftlichen Verluste aus Kriegshandlungen resultierten, während die Abtransporte der russischen Armee einen Anteil von 20 % hatten. Das Gros der Verluste – rund 70 % ‒ wurde hingegen durch den Raub der Mittelmächte, darunter in großem Maße Deutschland, verursacht. Die Kriegsverluste in den polnischen Gebieten werden auf rund 10 % des Nationalvermögens geschätzt, die Zahl der Opfer in der Bevölkerung lag bei etwa einer Million.
Eine der größten Herausforderungen, denen sich die Regierung des wiedergeborenen Polen im Jahr 1918 gegenübersah, bestand in der Vereinheitlichung der drei ehemaligen Teilungsgebiete. Ein zusätzliches Problem war der Verlust der bisherigen Absatzmärkte. Die in Polen führende großpolnische Landwirtschaft, die ihre Erzeugnisse bis dahin überwiegend nach Deutschland exportiert hatten, verkaufte ihre Waren nun in die landwirtschaftlich schlechter entwickelten Gebiete des früheren Kongresspolens. Der Abbruch der Handelsbeziehungen mit Russland rief nicht nur Exportschwierigkeiten hervor, sondern auch Probleme infolge der selektiven industriellen Entwicklung im ehemaligen russischen Teilungsgebiet, was den Auf- und Ausbau einer eigenen Industrie erforderlich machte. Zum wichtigsten Handelspartner für Polen wurde Deutschland: In der unmittelbaren Nachkriegszeit machte der Handelsaustausch mit dem westlichen Nachbarn 55 % des polnischen Exports aus. Das lag nicht nur an der in die Teilungszeit zurückreichenden Ausrichtung des westpolnischen Marktes nach Deutschland, sondern vor allem an einer Bestimmung des Versailler Vertrags, die Deutschland für fünf Jahre zum zollfreien Import schlesischer Kohle aus Polen verpflichtete. Darüber hinaus schlossen die beiden Staaten 1922 das deutsch-polnische Abkommen über Oberschlesien, das den zollfreien Export von Steinkohle aus dieser Region nach Deutschland sowie für einen Zeitraum von 15 Jahren den freien Veredelungsverkehr zwischen Oberschlesien und Deutschland ermöglichte. Recht bald orientierte sich Deutschland aber um, was auch politische Gründe hatte. Ein kritischer Moment war der deutsch-polnische Zollkrieg, der ausbrach, als Deutschlands Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrag und dem Abkommen über Oberschlesien ausliefen. Zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Anteil an den polnischen Auslandsumsätzen sehr hoch (1925 lag er bei 41 % des Exports und 31 % des Imports), umgekehrt betrug der Anteil Polens am deutschen Außenhandel lediglich 4,7 beziehungsweise 3,5 %. Durch die Einführung von Handelsbeschränkungen wollte Berlin Polen zu politischen Zugeständnissen zwingen, darunter zu einer möglichen Revision der Grenzen, was mit der Einführung gegenseitiger Importbeschränkungen endete. Die polnische Industrie begann deshalb mit dem Ausbau der Produktion von Gütern, die zuvor aus Deutschland importiert worden waren – das betraf hauptsächlich die Elektrotechnik- und Chemieindustrie. Berlin konnte seine Ziele im Zollkrieg nicht durchsetzen, wobei auch die Streiks britischer Bergleute eine Rolle spielten, die der polnischen Kohle neue Absatzmärkte eröffneten. Der Zollkrieg erleichterte Polen somit die partielle Loslösung aus der Abhängigkeit von Deutschland, doch die unmittelbare Folge waren eine signifikante Verschlechterung der Außenhandelsbilanz sowie ein Anstieg der Arbeitslosigkeit im Land. Beendet wurde der Zollkrieg 1934 nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Angriffspakts und anschließender Handelsverträge im Zuge der vorübergehenden Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen.
In den beiden Zwischenkriegsjahrzehnten zeigte sich weiter die Unterschiedlichkeit der polnischen und der deutschen Wirtschaft. Der Import aus Deutschland umfasste hauptsächlich fertige Industrieprodukte (wachsender Anteil, in den Jahren 1923‒1938 durchschnittlich 61,1 % des polnischen Imports), Rohstoffe und Vorprodukte (in den 1930er Jahren sinkender Anteil, durchschnittlich 33 %) und in geringem Ausmaß Nahrungsmittel und Getränke (sinkender Anteil, durchschnittlich 5,2 %). Im polnischen Export nach Deutschland dominierten Rohstoffe und Vorprodukte (in den Jahren 1923‒1938 durchschnittlich 63,3 % des polnischen Exports) sowie Getränke und Nahrungsmittel (durchschnittlich 22,7 %), während fertige Industrieprodukte lediglich einen Anteil von 8,7 % ausmachten. Große Bedeutung hatte der Import von Lebensmitteln aus Polen, weil Deutschland bis zu einem gewissen Grad vom Import lebender Tiere abhängig war, der in den beiden Jahrzehnten durchschnittlich 8 % des deutschen Imports ausmachte, während Polen vom Import hochverarbeiteter Produkte aus Deutschland abhängig war (Jasiński 2011, S. 106ff.; Kostrowicka et al. 1984, S. 266ff.; Misala 1992, S. 19ff.).
Trotz der politischen Spannungen war Deutschland auch in der Zwischenkriegszeit Ziel der Migration aus Polen. Sie wurde aber erschwert durch die Abneigung gegen das Einstellen polnischer Arbeitskräfte, die aus der Sorge vor einer vermeintlichen „Repolonisierung“ der deutschen Ostgebiete resultierte. Schließlich schloss man aber 1926 ein Abkommen über die Beschäftigung polnischer SaisonarbeiterInnen, von denen bis 1938 (legal) etwas mehr als 430.000 nach Deutschland kamen. Die Mehrzahl waren LandarbeiterInnen, die in Ostdeutschland arbeiteten. Die frühere Migration nach Westfalen und ins Rheinland lebte indes nicht wieder auf. Die Arbeitskräfte kamen in großem Maße aus den Gebieten, aus denen die VorkriegsmigrantInnen stammten, das heißt aus den früheren Grenzgebieten Kongresspolens (Kępińska 2008, S. 115ff.).
Der Zweite Weltkrieg hatte andere Auswirkungen als der Erste. Man schätzt, dass infolge der nationalsozialistischen und sowjetischen Vernichtungspolitik sowie der Grenzverschiebungen nach dem Krieg die Bevölkerung Polens von 35 Millionen auf 24 Millionen EinwohnerInnen schrumpfte, wovon rund sechs Millionen Menschen ums Leben kamen. Infolge des von den Deutschen begangenen Holocausts hatte die polnische Nachkriegsgesellschaft praktisch keinen multiethnischen Charakter mehr. Die Auslöschung der Bevölkerung, darunter ein großer Teil der Intelligenz sowie die jüdische Bevölkerung aller Berufe, hatte abgesehen vom offensichtlichen Ausmaß der menschlichen Tragödie auch schwer abzuschätzende langfristige wirtschaftliche Folgen. Mit der Besetzung Polens sowie durch den auf polnischem Boden begangenen Raub und die Ausbeutung der polnischen Arbeitskraft – sowohl vor Ort als durch die Deportation von → polnischen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen ‒finanzierte das Dritte Reich einen wesentlichen Teil seiner Kriegswirtschaft. Zunächst wurden Industriebetriebe gleichsam als Beute vom Territorium der Zweiten Rzeczpospolita nach Deutschland verlegt, doch mit der Zeit – und im Maße der Zunahme alliierter Luftangriffe – verlegte man sie wieder in die ans Reich angeschlossenen polnischen Gebiete sowie ins Generalgouvernement zurück, wo man in den Ausbau von Industriebetrieben zu investieren begonnen hatte (unter anderem wurde der Bau von Fabriken in der Zentralen Industrieregion abgeschlossen). Die Folge des „Zwangs-Exports“ aus den besetzten Gebieten ins Reich (das heißt des Imports nach Deutschland) war eine negative Handelsbilanz, die allerdings durch die Emission einer lokalen Währung (Krakauer Złoty) kompensiert wurde. Gedeckt wurde sie durch die Schulden des Reichs, die aus dem Handelsüberschuss der besetzten Gebiete entstanden. Somit schrumpfte die Menge der im Generalgouvernement verfügbaren Waren, für die mit einer von der Emissionsbank in Krakau geschaffenen Währung bezahlt wurde. Dies bewirkte einen Anstieg der Geldmenge, der einen Inflationsdruck erzeugte. Das Generalgouvernement war auch unmittelbares Hinterland der Ostfront, für die verschiedene Arten von Waren requiriert wurden. All diese Faktoren führten zu Versorgungsengpässen und zur Entstehung eines Schwarzmarkts (Jasiński 2011, S. 64ff.; Morawski 2010, S. 168ff.).
Die deutsch-polnischen Nachkriegsbeziehungen standen unter diametral anderen Vorzeichen als vor 1939. Von entscheidender Bedeutung waren der Kalte Krieg, die Teilung Deutschlands und – weiter gefasst – die Teilung Europas durch den sogenannten Eisernen Vorhang. Die ersten Handelsverträge mit den Besatzungszonen – damals noch die amerikanisch-britische und die sowjetische – schloss Polen im Jahr 1947. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und der DDR spielten sich im Rahmen der institutionellen Bedingungen des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe ab und waren zunächst intensiver als die Wirtschaftsbeziehungen zur Bundesrepublik, später kehrte sich die Bedeutung der beiden deutschen Staaten für die polnische Wirtschaft um. In den 1950er Jahren hatte der Import aus der DDR einen Anteil von 11,5 % des polnischen Gesamtimports und der Export in die DDR einen Anteil von 13,9 % des Gesamtexports, während es in den 1980er Jahren rund 5 % beziehungswiese 4 % waren. Für die Bundesrepublik lag in den 1950er Jahren der Importanteil bei 2,5 % und der Exportanteil bei 2,2 %, in den 1980er Jahren hingegen wuchs er bis zum Ende des Jahrzehnts von 7,3 % auf 15,7 % (Importanteil) beziehungsweise von 9,8 % auf 14,2 % (Exportanteil). Wie Ostdeutschland für Polen war auch Polen für die DDR einer der wichtigsten Handelspartner, doch der polnische Anteil schrumpfte – in den 1950er Jahren lag der Anteil der Importe aus Polen bei 9,7 % des DDR-Gesamtimports, während er in den 1980er Jahren von 5,9 % auf 4,4 % am Ende Jahrzehnts zurückging. Der Export nach Polen lag in den 1950er Jahren bei 14,3 % des gesamten DDR-Exports und fiel in den 1980er Jahren von 7,0 % auf 4,5 %. Eine weitaus geringere Bedeutung hatte Polen im Außenhandel für die Bundesrepublik, der Anteil des Landes an den westdeutschen Importen lag konstant bei rund 0,7 %, der Anteil an den Exporten bei 0,5 % bis 0,8 %. Bei den polnischen Importen aus beiden Staaten dominierten Erzeugnisse der Maschinenbau-, der Chemie- und der Metallindustrie, im Falle der Bundesrepublik außerdem Nahrungsmittelprodukte. Von besonders großer Bedeutung war der Import von westdeutschen Produkten und Vorprodukten, die den polnischen technologisch überlegen waren. Aus Polen importierten die beiden deutschen Staaten unter anderem Kraftstoffe und Energie, wenngleich deren Anteil mit der Zeit deutlich zurückging, sowie Erzeugnisse der Maschinenbau-, Metall- (vor allem die BRD), Chemie- und Nahrungsmittelindustrie sowie Agrarprodukte (vor allem die BRD) und Bauobjekte. Von einer gewissen Relevanz war auch die westdeutsch-polnische Kapitalkooperation. Die Bundesrepublik war Partner bei 35 % der polnischen Joint-Ventures mit ausländischer Beteiligung und hatte einen Anteil von 22,8 % an den ausländischen Kapitalbeteiligungen. Durch sogenannte Spezialisierungs- und Kooperationsvereinbarungen bestand zwischen Polen und der DDR eine gegenseitige Abhängigkeit beim Austausch von Gütern, auf deren Produktion die beiden Staaten sich jeweils spezialisierten.
Große Bedeutung für die Zusammenarbeit zwischen Warschau und Bonn hatten die am 9. Oktober 1975 unterzeichneten Verträge über einen deutschen Kredit für Polen im Volumen von einer Milliarde D-Mark (sog. Jumbo-Kredit). Dieser war Teil der am Rande der KSZE-Konferenz in Helsinki ausgehandelten deutsch-polnischen Vereinbarungen, in deren Rahmen beide Länder Fragen der Renten- und Unfallversicherung, der Kreditvergabe und der Ausreise deutschstämmiger „Autochthoner“ aus Polen in die Bundesrepublik im Zuge der Familienzusammenführung regelten. Man verständigte sich außerdem auf ein Langfristiges Programm für die Entwicklung der wirtschaftlichen, industriellen und technischen Zusammenarbeit (Długoterminowy program rozwoju współpracy gospodarczej, przemysłowej i technicznej). Der Jumbo-Kredit sollte wie die übrigen Kredite in der Regierungszeit von Edward Gierek die Politik der Entwicklung der polnischen Wirtschaft durch den kreditbasierten Erwerb von Lizenzen finanzieren. Die Kredite sollten nach dem Mechanismus der sogenannten Selbsttilgung zurückgezahlt werden, das heißt aus den Gewinnen, die dank der erworbenen Lizenzen durch die Steigerung von Produktion und Export erwirtschaftet werden sollten. In der Praxis jedoch geriet Polen Anfang der 1980er Jahre als Folge einer verfehlten Investitionspolitik, von Fehlern bei der Einführung, des hohen Importbedarfs der neuen Technologien, von Ausfällen, der Verwendung eines Großteils der Kredite für den Konsum, der allgemeinen Ineffizienz der Wirtschaft und des Anstiegs der Kreditzinsen auf den internationalen Finanzmärkten in die Verschuldungsfalle. Am Ende des Jahrzehnts war die Bundesrepublik der größte staatliche Gläubiger Polens, der Anteil der Verpflichtungen lag bei fast 25 % der polnischen Freidevisenschulden. Nach der Systemtransformation in Polen wurden im April 1991 die Verhandlungen mit dem „Pariser Club“, dem Zusammenschluss der staatlichen Gläubiger, über einen Schuldenerlass erfolgreich abgeschlossen; dabei spielte (zumal vor der deutschen Wiedervereinigung) Westdeutschland eine entscheidende Rolle (Bingen 1997, S. 168ff.; Misala 1992, S. 96ff.).
Eine Frage für sich war die Migration zwischen der Volksrepublik Polen und den beiden deutschen Staaten. Zum Teil verlief sie im Rahmen von Ausreisen polnischer StaatsbürgerInnen deutscher Abstammung vor allem in die Bundesrepublik. Ein wichtiger Faktor bei den kurzzeitigen Ausreisen war der → Tourismus der oft Handelscharakter besaß. Eine Besonderheit waren die 1970er Jahre, als infolge der Öffnung der Grenzen für den pass- und visafreien touristischen Reiseverkehr zwischen Polen und der DDR am 1. Januar 1972 im ersten Jahr fast 9,5 Millionen Ausreisen von Polen nach Ostdeutschland und etwas mehr als 6,5 Ausreisen in die Gegenrichtung registriert wurden (→ Grenze. Weil aber in der DDR wegen der großen Kauflust der polnischen Touristen regelmäßig Waren ausverkauft waren, wurden neben anderen Maßnahmen Zoll- und Devisenbeschränkungen eingeführt, die den Polen den Einkauf in ostdeutschen Geschäften erschwerten. Trotzdem wurden bis zur einseitigen Aussetzung des freien Grenzverkehrs durch die DDR am 30. Oktober 1980 jährlich mehrere Millionen Grenzübertritte in beide Richtungen verzeichnet (im diesbezüglich schlechtesten Jahr 1980 waren es etwas mehr als drei Millionen in jede Richtung). Den Ostdeutschen bot die Grenzöffnung bis dahin ungekannte Ausreisemöglichkeiten, in Polen sorgte sie für eine vorübergehende Verbesserung der Versorgungslage, weil die Touristen ihre Reisen oft mit Einkäufen verbanden, die auch die Notwendigkeit des Schmuggels der gekauften Waren nach sich zogen. Damals entstanden ganze Schmuggelrouten, die mehrere Länder umfassten (Kępińska 2008, S. 127ff.; Kochanowski 2010; Stefańczyk 2010a, S. 199).
In den ersten Jahren der Systemtransformation dominierten im polnischen Import aus Deutschland Medium-Hightech-Produkte, die einen Anteil von fast 50 % ausmachten, vor Medium-Lowtech- und Lowtech-Produkten, wobei auch Hightech-Güter eine gewisse Rolle spielten. Nach Deutschland exportiert wurden hingegen Medium-Lowtech-und Lowtech-Produkte, gefolgt von Medium-Hightech-Produkten; Hightech-Produkte spielten lediglich eine marginale Rolle. In den folgenden Jahren änderte sich die Warenstruktur des deutsch-polnischen Handels – im polnischen Import aus Deutschland wuchs der Anteil der Medium-Hightech-Produkte bis 2008 auf fast die Hälfte des Gesamtimports. Dafür schrumpfte der Anteil von High- und Lowtech-Produkten. Noch größere Veränderungen gab es im polnischen Export nach Deutschland – hier gab es einen signifikanten Anstieg des Anteils von Medium-Hightech-Produkten (fast 50 % des Exports im Jahr 2008), die damit die anfangs dominierenden Medium-Lowtech-und Lowtech-Produkte klar hinter sich ließen. Langsam steigt auch die Bedeutung des Exports von Hightech-Produktion. Während jedoch im Jahr 2019 die deutschen Direktinvestitionen in Polen 39,5 Milliarden Dollar betrugen, lagen die entsprechenden polnischen Investitionen in Deutschland lediglich bei 1,36 Milliarden Euro. Diese Veränderungen lassen eine Modernisierung der Warenstruktur des polnischen Exports nach Deutschland und eine gewisse Verringerung der für Polen nachteiligen Asymmetrie erkennen. Zu den Gründen für diese Entwicklung gehören die große Bedeutung ausländischer Investitionen in Polen, die zu einem Innovationswachstum führten, sowie die wachsende Nutzung von Lizenzen in der polnischen Industrie (Kalka 2012; Płóciennik 2022, S. 14). Seit 1989 ist Deutschland einer der größten Direktinvestoren in Polen, obwohl auch die Zahl der in Deutschland aktiven polnischen Unternehmen ansteigt. Der wirtschaftliche Austausch zwischen Deutschland und Polen entwickelte sich nach 1989 sehr dynamisch, was unter anderem eine Folge der Integration Polens in die EU-Strukturen und der Neuausrichtung des polnischen Handels nach Westen war. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre verdankte sich der Anstieg des Handelsvolumens vor allem den sog. alten Bundesländern, während der Handel mit Firmen aus der ehemaligen DDR zurückging. In Polen werden deutsche Unternehmen wegen ihrer Solidität und Qualität geschätzt, für die deutsche Wirtschaft zählen die unmittelbare Nähe sowie das Potenzial und die Entwicklungsmöglichkeiten des polnischen Markts. Deutschland ist traditionell auch eines der Hauptziele der Erwerbsmigration polnischer Staatsbürger. Im Jahr 2020 stellten die Polen die zweitgrößte Gruppe von Ausländern in Deutschland (866.690 Menschen, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/, 28.12.2022).
Seit 1990 ist Deutschland der wichtigste Handelspartner Polens. Im Jahr 2021 hatte der Export nach Deutschland einen Anteil von 28,8 % des polnischen Gesamtexports, der Import aus Deutschland lag bei 20,9 % des Gesamtimports. Umgekehrt wird auch Polen als Handelspartner für Deutschland immer wichtiger: Im Jahr 2012 war es der elftwichtigste Partner im deutschen Außenhandel (Platz 10 beim deutschen Export, Platz 11 beim Import nach Deutschland), 2021 rangierte es auf der Liste der wichtigsten Handelspartner Deutschlands auf Platz 5. Das bedeutet, dass wie schon früher Polen im Außenhandel deutlich abhängiger von Deutschland ist als umgekehrt, seine Position sich aber stetig verbessert. Alles deutet auch darauf hin, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit grundsätzlich auch durch die seit 2015 vermehrt auftretenden politischen Konflikte nicht beeinträchtigt wird (Statistisches Bundesamt 2013; Budnikowski 2012, Czarny et al. 2009, S. 49f.; Kalka 2012; Główny Urząd Statystyczny 2013, S. 16; Romiszewska 2012; Główny Urząd Statystyczny 2022, S. 19; Płóciennik 2022, S. 25.).
Die hier knapp umrissene Geschichte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen zeigt, dass entgegen einst gängiger Behauptungen von einem ewigen deutsch-polnischen Konflikt keine Rede sein kann. Es stellt sich natürlich die Frage: Wer hat profitiert und auf welche Weise? Zweifellos hat – zumal am Beginn seiner Entwicklung im Mittelalter – Polen profitiert, denn die in mehreren Siedlungswellen (im Grunde bis zum 19. Jh.) zuströmende deutsche Bevölkerung war Träger neuer Fähigkeiten, Technologien, Rechtsbegriffen usw. Dieser Transfer trug über die Jahrhunderte hinweg zur Modernisierung Polens und zur Annäherung des Landes an das westliche Europa bei.
Weil Deutschland bis zum 19. Jh. keine Überseekolonien besaß, die den sogenannten demographischen Überhang hätten aufnehmen können, bildeten die schwächer bevölkerten Gebiete Osteuropas ein attraktives Ziel für EmigrantInnen aus dem übervölkerten Deutschland. Bis zum 18. Jh. wurde der Zustrom deutscher SiedlerInnen teils von den polnischen Königen, Magnaten und Städten gesteuert, die in der Hoffnung auf einen konkreten Nutzen SiedlerInnen anwarben, teils handelte es sich um einen ungeregelten Prozess.
Bemerkenswerterweise wirkte trotz des großen Beitrags polnischer Arbeitskräfte zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und der zahlenmäßig vergleichbaren deutschen Auswanderung nach Polen in den deutschen Vorstellungen von Polen lange der erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. bei Johann Georg Forster anzutreffende Begriff der → polnischen Wirtschaft nach. War er zunächst Ausdruck der aufklärerischen Kritik an polnischer Unordnung, Unreinlichkeit, Indolenz und Verschwendung, so fand er in Deutschland vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. allgemeine Verbreitung und Eingang in zahlreiche Wörterbücher. Nicht zuletzt diente er zur Legitimation der deutschen Realpolitik gegenüber Polen. Die gegenwärtige wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands und Polens lässt hoffen, dass dieses Stereotyp seine Daseinsberechtigung verloren hat (Orłowski 1998).
Etwa vom 18. Jh. bis 1945 ist darüber hinaus ein anderer Prozess zu beobachten, der auf der negativen Beeinflussung der polnischen Wirtschaft und dem Einsatz ökonomischer Instrumente zur Verwirklichung der politischen Ziele Brandenburg-Preußens sowie anschließend des vereinten Deutschland und des Dritten Reichs beruht. Obwohl die These vom ewigen deutsch-polnischen Konflikt falsch ist, muss daran erinnert werden, dass die Macht Brandenburg-Preußens und anschließend bis zu einem gewissen Grad Deutschlands bis 1945 teilweise auf Kosten des polnischen Staates errichtet wurde. Hier profitierte auf spezifische Weise also die deutsche Seite.
Im 19. Jh. wurde Deutschland für die Polen zu einem Gebiet, das den demographischen Überschuss des preußischen Teilungsgebiets aufnehmen konnte, und in den letzten Jahren wurde es zu einem zentralen wirtschaftlichen Kooperationspartner und interessanten Arbeitsmarkt für polnische StaatsbürgerInnen. Obwohl in den deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen über die Jahrhunderte hinweg eine deutliche Asymmetrie zu erkennen ist, so ist doch zu betonen, dass die Wirtschaft zu den Bereichen gehört, in denen die Wechselwirkungen zwischen Deutschland und Polen am intensivsten waren.
Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann
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Dziewanowski-Stefańczyk, Bartosz, Dr., verfasste die Beiträge „Die deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen“ und „Die Zusammenarbeit zwischen polnischen und (west-) deutschen Historikern und Historikerinnen nach dem Zweiten Weltkrieg(Wissenschaft)“. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Warschau und kooperiert mit dem Tadeusz Manteuffel Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Warschau und mit dem Europäischen Netzwerk Erinnerung und Solidarität. Er arbeitet in den Bereichen: Deutsch-polnische Beziehungen, Kulturdiplomatie, Geschichtspolitik.